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Vorwort

Kapitel 1 Am Anfang

Kapitel 2 Sprache und Schenken

Kapitel 3 Reziprozitt

Kapitel 4 Definition und Tausch

Kapitel 5 Die Kategorie des Menschen

Kapitel 6 ,Marksistische" Kategorien

Kapitel 7 Die kollektive Quelle

Kapitel 8 Kastrationsneid

Kapitel 9 Is = $

Kapitel 10 Wert

Kapitel 11 Der übergang zum Tausch

Kapitel 12 Wie dem Tausch Wert geschenkt wird

Kapitel 13 Markt und Geschlecht

Kapitel 14 Zu existieren verdienen

Kapitel 15 Das Zeigen und das Patriarchat

Kapitel 16 Das Zeigen des Egos

Kapitel 17 Was reprsentiert die Demokratie?

Kapitel 18 Die nicht-maskulisierten Protagonistinnen gesellschaftlichen Wandels

Kapitel 19 Traum und Realitt

Kapitel 20 Schenken und Liebe

Kapitel 21 Vom Garten zum Gral

Kapitel 22 Kosmologische Spekulationen

Kapitel 23 Nach den Wörtern - die Theorie in der Praxis

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Kapitel 22

Kosmologische Spekulationen

Das Leben auf der Erde entspricht der Beziehung, die zwischen Erde und Sonne besteht. Nachdem der Kreislauf von Tod und Geburt eine Grundlage schafft, den die Vergangenheit der Zukunft hinterlsst, ndert sich diese Beziehung im Laufe der Zeit. Die Erde, fruchtbar und vielfltig, ist ein Produkt ihres Verhltnisses zur Sonne. In diesem Verhltnis schenkt die Sonne eine konstante Form von Energie, whrend die Erde Energie in verschiedenen Formen schenkt. Die Erde hat eine Geschichte und eine Evolution – die Sonne hat das nicht auf dieselbe Weise (oder zumindest sehr viel langsamer). Was gegenwrtig auf der Erde geschieht, beruht auf dem, was in der Vergangenheit geschehen ist. Die verschiedenen Schichten der Erde, auf denen Pflanzen wachsen und Menschen und Tiere wandern, sind Produkte der Vergangenheit. Sie alle tragen die Sonnenenergie in sich, die ihnen geschenkt wurde. Kreislaufsysteme, wie Bume oder Grashalme, wenden sich der Sonne zu. Indem sie die Energie des Lichts aufsaugen, werden sie selbst zu Sonnenstrahlen der Erde, zu "Erdstrahlen", die in das Weltall zeigen.

Tiere und Menschen, die sich auf vier oder zwei Beinen bewegen, oder Vögel, die hinauf zu den Wolken fliegen – all das ist Erdenergie, die sich "nach draußen" bewegt. Von unserer Sicht geleitet, bewegen wir uns von einem Platz zum anderen – genauso wie das Licht sich von der Sonne zur Erde bewegt. So reproduziert das Leben seinen Ursprung. Und so bewegt sich auch der Samen zum Ei, das sich wiederum in den Mutterbauch bewegt, wo es befruchtet werden kann. Auf der Ebene des Bewusstseins gibt es hier auch einen intentionalen Antrieb. Dieser steuert auf sein Ziel zu, wie ein Sonnenstrahl auf die Erde. Er versucht, sich mit ein paar anderen Elementen zu verbinden, um einen Sonnenstrahl zu schaffen, der als Erdstrahl (Erdenergie) Früchte zu trgt.

Unsere Stimmen und die Stimmen von Tieren, Fischen und Vögeln kommen aus Hlsen und treffen auf empfngliche Ohren, wo sie aufgenommen und verstanden werden, eine Empfindung hervorrufen oder zu einer Handlung anregen. Das Sonnenlicht unserer Aufmerksamkeit erhellt unsere vergangenen, gegenwrtigen und zukünftigen Erfahrungen, aber auch die Erfahrungen anderer, die uns durch unsere Sinne, deren Geschichten oder durch Lesen und Beobachten zugetragen werden. Unsere bewusste Aufmerksamkeit hat auch Auswirkungen auf uns selbst und hilft uns, zu planen und zu entscheiden, sowie unsere Absichten klar zu machen und sie zu verwirklichen. Sozial wurde jedoch eine Art Spiegelspiel geschaffen, in dem sich unsere Energie in unserer eigenen Reflexion verfngt und wir uns nur noch auf uns selbst konzentrieren.

Dieser Prozess beansprucht auch die akkumulierte Energie anderer, der Gemeinschaft, um immer noch mehr Energie auf uns selbst zu lenken. Es ist, als würde der Sonnenstrahl von der Erde aufgenommen und multipliziert zurückgeschickt – so als wren auch die Sonnenstrahlen ein geschlossenes System. Irgendwann wird das Leben, werden Pflanzen und Tieren nur noch für Energie gehalten. Natürlich schadet diese Selbstfokussierung anderen, da wir ihnen ihre Energie rauben, um diese auf uns selbst zu beziehen. Das Spiegelspiel schafft einen unstillbaren Hunger nach Energie, um das Ego zu strken und immer mehr Aufmerksamkeit von anderen abzuziehen und auf uns zu lenken. Die Sonne tut das nicht.

In all unserer Vielfltigkeit haben wir als Menschen versucht zu verstehen, was wir sind, wo wir leben, was wir tun und was wir tun sollen. Erst vor kurzem hat uns die Astronomie eine Ahnung von unserem Universum vermittelt, von unserem Planeten und den Sternen. Daher ist es vielleicht nicht überraschend, wenn wir mit unserem Selbstbild und unseren Zielen falsch liegen.

Freud maß der Tatsache, dass Kinder oft sehr wirre Vorstellungen davon haben, was beim Sex passiert, viel Gewicht bei. Er meinte, dass diese Vorstellungen ihr spteres Denken und Fühlen beeinflussen. Es schiene nur logisch, wenn auf einer kollektiven Ebene falsche kosmologische Vorstellungen genauso negative Auswirkungen auf unser kollektives Denken und Fühlen haben. Die Vorstellung, dass die Sonne das Zentrum des Universums ist, mag unser soziales Verhalten strker beeinflussen, als wir uns dessen bewusst sind. Und die Idee, dass unsere Erde nur einer von Milliarden an Staubflecken ist, die um eine Lichtquelle kreisen, verwirrt nur weiter und kann kaum zur Heilung beitragen. Vielleicht könnte es stattdessen helfen, uns dem Mond zuzuwenden. Die Erde ist ein besonderer Ort, ein Ort leuchtenden Lebens. Wir Menschen sind ein Teil davon.

Nicht Kopernikus, sondern Ptolemus hatte recht: die Erde ist das Zentrum des Universums; unseres Universums, da wir Menschen sind. Jetzt, da wir die Erde zu verstehen beginnen, können wir vielleicht besser sehen, was wir sind und was wir tun müssen.

Zuerst müssen wir unseren Planeten respektieren bzw. das Leben. Das Besondere sind nicht die Sonnenstrahlen, sondern die Fhigkeit der Erde, sie kreativ zu empfangen und ihnen zu erlauben, Leben zu schaffen. Wir selbst sind das Resultat der Aufnahme der Sonnenstrahlen durch die Erde – wir selbst sind Licht. Wir müssen wie Goldlöckchen sein und zu unserer eigenen Kosmologie finden, zu einer Sicht der Erde, die uns angemessen ist. Wir müssen unseren Platz auf der Erde und innerhalb des Sonnensystems verstehen, damit wir unsere Beziehungen zueinander klren können. Viele von uns haben heute Probleme, sich als Individuen auf eine Menschheit bezogen zu sehen, die aus fünfeinhalb Milliarden besteht. Es ist bemerkenswert, wie hnlich dieses Problem demjenigen ist, unsere Erde und Sonne zu den Milliarden anderen Planeten und Sonnen in Beziehung zu setzen.

Wir können von einer neuen Theorie durch Projektion sprechen. Wir projizieren eine dringende menschliche Frage auf einen anderen Bereich der Welt. Dies soll nicht heißen, dass das Wissen, das auf diese Weise gefunden werden kann, keines ist. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass die Motivation zu diesem Wissen zu gelangen eine soziale und kollektive ist. Sie ist nicht nur rein wissenschaftlich oder von Profitgier bestimmt. Entspricht nicht die Gier nach Wissen der Gier nach Waren und Geld, die unsere Tauschgesellschaft charakterisiert?

Dass die Theorie des evolutionren überlebens des Strkeren zur selben Zeit entwickelt wurde wie die kapitalistische ökonomie des überlebens des Strkeren ist ein weiterer Beleg für unsere Projektionen. Wenn wir ihren Mechanismus verstehen würden, würde uns vielleicht klar werden, warum es zu diesen Projektionen kommt. Wir würden dann vielleicht verstehen, was die persönlichen und sozialen Probleme sind, die wir zu heilen versuchen. Wir würden vielleicht erkennen, welchen Einfluss diese Projektionen auf unser Weltbild haben, auf welche Teile der Welt wir aufgrund von ihnen unsere Aufmerksamkeit richten und welche wir ignorieren. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir, wenn wir ein solches Verstndnis entwickeln, unsere Probleme vielleicht wirklich heilen und zu einem klareren Bild des Universums gelangen können. Wenn wir um unsere Projektionen wissen, werden wir uns der Verzerrungen bewusst, die sie in Bezug auf unsere Wahrnehmung der Welt schaffen. Dies wird uns erlauben, diese Wahrnehmung zu ndern und zu einer besseren Welt zu finden, die von den Problemen, die die Projektionen verursachen, befreit sein wird.

In unserer atomistischen und individualistischen Gesellschaft werden zwischenmenschliche Beziehungen allgemein abgewertet und das Wohlergehen des Individuums als wichtigster Aspekt des sozialen Prozesses bzw. als Sinn unserer Existenz gesehen. Begriffe wie co-dependency oder dysfunctional family sind in den USA weit verbreitet und verschaffen denen, die sie propagieren, Geld wie soziales Ansehen.

Unser Leiden in menschlichen Beziehungen zeigt, wie wichtig diese für uns sind. Liebeslieder füllen Radiowellen, Liebesgeschichten Zeitungsstnder, Bücherregale und Kinos. Liebesbeziehungen sind für uns Menschen zentral. Sie sind ein wesentlicher Teil des Prozesses, der uns menschlich werden lsst. Doch heute haben wir jeden Sinn dafür verloren, wie diese Beziehungen gestaltet sein sollen. Es fehlen die Beispiele. Deshalb meine ich, dass wir uns der Beziehung zwischen Erde und Sonne zuwenden müssen. Diese ist das beste Beispiel, das wir haben. Wir können diese Beziehung auf uns selbst projizieren und daraus lernen.

Unser Blick muss dabei ein intentionaler sein. Die Gaia-Hypothese fasst die Erde als Lebewesen auf.[1] Wir müssen uns als sie selbst sehen und mit ihr zu Bewusstsein gelangen: zu Bewusstsein ihrer Beziehung zur Sonne und ihrer Rolle in dieser Beziehung, der kreativen Rolle, die sie in dem Wunder des Lebens spielt. Ihre Notwendigkeit, sich über diese Beziehung klar zu werden, entspricht unserer Notwendigkeit, uns über unsere Beziehungen klar zu werden. Als Liebende und Geliebte spielen wir die Rollen von Erde und Sonne. Wir internalisieren diese Rollen in unserem Bewusstsein und unseren Formen gegenseitiger Aufmerksamkeit. Empfangen wir Aufmerksamkeit und Fürsorge so wie die Erde Licht empfngt (um sie kreativ zu nutzen), oder reflektieren wir sie zurück (so wie der Mond)? Sind wir gefangen in einem nutzlosen Spiegelspiel, das sich darum dreht, wer heller, größer, heißer ist?

Wer ist die Quelle des Lebens: die Sonne oder die Erde? Wir Menschen leben die entsprechenden sozialen Bilder aus: Mnner sind aktive Sonnen, Frauen passive Erden. Wir hören dies unentwegt. Doch tatschlich hat unser Leben wenig mit der Sonne zu tun. Wir kommen alle von der Erde. Auch die Mnner. Das Spiel des Lebens wird von der Erde inszeniert.

Nur dank der Erde erhlt die Sonne die Kraft, Leben zu schaffen. Sie kann dies nur, weil die Erde ihr Licht kreativ empfngt. Wir kennen keine anderen Planeten, die das auf die gleiche Weise tun würden. In Bezug auf das Schaffen von Leben entsprechen die Rollen von Mann und Frau den Rollen der Sonne und der Erde: auch wenn es Milliarden von Spermien gibt, wird es zu keinem neuen Leben kommen, wenn sie nicht auf Eier treffen, die sie fruchtbar machen können. Wir können den Vergleich weiter spinnen: Samen fallen von Bumen und können vom Wind getragen werden – doch wenn es nicht irgendwann einen Boden gibt, der sie aufnimmt, werden sie nie neues Leben erzeugen. Alles – Spermien und Eier, Samen und Boden – ist Produkt der Erde.

Heterosexuelle Beziehungen sind gewöhnlich dadurch charakterisiert, dass sie einer Person besonderen Wert zuschreiben – gewöhnlich dem Mann – und der anderen keinen – gewöhnlich der Frau. In solchen Beziehungen verwendet die Frau ihre Kreativitt dazu, die Wichtigkeit ihres Mannes weiter zu besttigen. Sie hilft, ihn zur Sonne zu machen. Schließlich wird er nicht nur als Quelle des Einkommens, sondern auch des Lebens, sogar der Kreativitt selbst gesehen. Und tatschlich wird er in der Aufnahme der Aufmerksamkeit, die ihm zukommt, kreativer. Er nimmt für Momente die Rolle der kreativ empfangenden Erde ein und scheint damit zu besttigen, dass er die Aufmerksamkeit, die ihm zukommt, auch wirklich verdient. Dies untermauert seine privilegierte Rolle in der Beziehung, an dessen Etablierung und Behauptung die gesamte Gesellschaft beteiligt ist – genauso wie an der Abwertung der Rolle der anderen Person. Wir Frauen definieren dabei die Definierenden as Definierende. Wir verleugnen unsere eigene Aktivitt, und die Mnner sind nur zu glücklich, diese selbst in Anspruch zu nehmen.

Was wir stattdessen tun müssen, ist die Kraft zu erkennen, die darin liegt, die Rolle der Erde zu spielen: die Kreativitt, die Fhigkeit, Leben zu schenken, die Möglichkeit, Wert zu verleihen. Hindert uns Einsamkeit daran? Die Erde liegt weit entfernt von anderen Planeten und der Sonne. Was ist die Sonne überhaupt? Ist sie am Leben? Gehört sie einer anderen Ordnung an? Will die Erde ihre eigenen Krfte nicht anerkennen? Können wir Menschen sie jemals genug lieben? Kann sie sich selbst jemals genug lieben, um das Nicht-Leben der Sonne auszugleichen? Aber vielleicht ist die Sonne doch am Leben, genauso wie die Erde selbst? Vielleicht gehört sie doch der gleichen Ordnung an? Vielleicht ist auch sie alleine?

Unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf die Sonne, doch wenn sie sich auf einen Planeten richtet, dann denken wir an die Erde. Dasselbe gilt für das Weltall. Es hilft unserer Mutter Erde sicherlich in ihrer Einsamkeit, dass es andere Wesen auf ihr gibt, die empfnglich sind. Das Wissen, das wir uns diesbezüglich angeeignet haben, stellt sie in einen Kontext, gibt ihr ein Zuhause. Die Verwirrung, die die Entdeckung von Millionen von Galaxien ausgelöst hat, zerstreut sich, sobald wir realisieren, dass es auch dort andere Lebewesen geben muss.

Vielleicht kann unsere Mutter Erde eines Tages zu ihren Schwestern nachhause telefonieren wie ET. Inzwischen müssen wir Hoffnung bewahren und lernen, miteinander zu leben. Auf keinen Fall dürfen wir die betörende Schönheit und Harmonie der Erde zerstören, bevor sie auf anderes Leben trifft. Kommt unsere Zerstörungswut daher, dass wir versuchen, die Rolle zu spielen, die wir für jene der Sonne halten? Werten wir deshalb unentwegt die Erde ab? Haben wir darum einen patriarchalen mnnlichen Sonnengott geschaffen? Wollen wir mit seiner Hilfe unsere Probleme und die der Erde im ganzen Universum reproduzieren?

Ich denke, dass wir mit der Tatsache, dass wir immer noch nicht allzu viel über das Universum wissen, leben können. Vor allem, da wir unmittelbaren Zugang zu unserem Wahrnehmungsapparat und unserem sozialen Kontext haben. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit von der Sonne abziehen und auf unsere psychosozialen Mechanismen richten, können wir wenigstens verstehen, warum wir die Dinge so sehen, wie wir sie sehen. Wir können die verborgenen Mechanismen verstehen, die unsere Wahrnehmungen filtern und prgen. Diese Mechanismen beruhen auf bestimmten Intentionen, die wiederum von den Wahrnehmungen, die sie zulassen, besttigt werden. Unsere Wahrnehmung und die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen hngen also zusammen und die Erstere kann ohne die Letzteren nicht gendert werden. Sobald es jedoch zu dieser nderung kommt, können wir die verschiedenen Wirklichkeitsformen, denen wir angehören, miteinander in Einklang bringen.

Den Polarisierungen zwischen aktiv und passiv entsprechend, die unser soziales Leben bestimmen, setzen wir unser Bewusstsein mit der Sonne und unser Unbewusstsein mit der Erde gleich. Unsere Erdseite gilt demnach als passiv. Tatschlich ist sie jedoch aktiv, was sich etwa in ihrem kreativen Empfangen der Sonnenstrahlen ausdrückt. Sie schenkt unserem Bewusstsein nicht nur Inhalt, sondern auch Kontext und Wert. Sie schenkt unserem Bewusstsein das Potential, zu wissen.

Das Bewusstsein ist wie das Licht der Sonne, das von der Atmosphre gebrochen wird. Es wird von so viel mehr beeinflusst, als wir wahrnehmen können. Menschen sind soziale Produkte, geformt von den Vielen und der Vergangenheit. Unser Sonnenlicht-Bewusstsein erleuchtet nicht nur viele Prozesse, die hier eine Rolle spielen – es wird auch selbst von diesen Prozessen geformt. Vielleicht produziert sogar das Unbewusste das Bewusstsein, ohne dies selbst anzuerkennen. (Wie die Erde oder wir Frauen oft unser Schenken nicht anerkennen.) So scheint das Bewusstsein nicht von der Erde, sondern vom Himmel zu kommen.

In diesem Jahrhundert hat sich unser Wissen (und damit auch jenes der Erde) des Sonnensystems, der Galaxie und des Kosmos extrem vergrößert, whrend wir nach wie vor wenig um die Natur der Erde und ihre Beziehung zur Sonne wissen. Auf hnliche Weise verstehen wir in unseren menschlichen Beziehungen die Mutter-Kind-Beziehung nicht, wissen also nicht, wie eine fürsorgliche Beziehung zwischen zwei Menschen (von "Einer" zu "Einer") funktioniert, nehmen aber Beziehungen zu den Vielen ein. Wir verstehen nicht, was im eigenen Heim vor sich geht, machen uns aber auf, die Welt zu verstehen. Die Beziehung zwischen der Erde und der Sonne hat endloses, wunderbares Leben produziert. Sie ist eine Beziehung, die floriert. Das Sonnensystem ist keine dysfunctional family. Indem wir die Sonne mit dem Vater identifizieren, haben wir jedoch das soziale, selbsthnliche maskulisierte Bild des Prototypen reproduziert, das die Aktivitt und Kreativitt der "passiven weiblichen Empfngerin" und der Vielen abwertet, whrend es der Initiative des "aktiven mnnlichen Schenkers" Wert verleiht.

Das Geschenk braucht das Bedürfnis, da es ohne Bedürfnis kein Geschenk sein kann. Deshalb hat die Erde endlose Bedürfnisse geschaffen, die die Sonne mit ihrem Licht befriedigen kann. Mit einem Licht, das ansonsten nicht genutzt würde und damit unproduktiv wre. Das Zusammenspiel der Bedürfnisse reproduziert das Zusammenspiel von Schenken und Empfangen zwischen Sonne und Erde. Dabei ist die Sonne allerdings nur einseitig aktiv: sie schenkt nur, whrend die Erde sowohl empfngt als auch wieder zurückschenkt. Oft wird dabei angenommen, dass dies nicht geht, da die Sonne zu weit weg ist und nicht empfangen kann. Doch wird hier vergessen, dass viele Beziehungen des Lebens der Beziehung zwischen Erde und Sonne entsprechen. Das Zusammenspiel zwischen Schenken und Empfangen findet überall statt. Selbst das Baby, das den liebenden Blick der Mutter empfngt und vielleicht in diesem Moment nicht zurückschenken kann, wird im Zuge seines lterwerdens Rollen mit seiner Mutter wechseln und selbst schenken.

Die Erde trifft whrend ihrer Reise im Weltraum auf das Licht der Sonne wie die Amöbe auf ihrer Reise durch das Wasser auf Nahrungspartikel trifft, die sie empfangen und kreativ verwenden kann. Der Grashalm nutzt das Sonnenlicht für die Prozesse, die ihn am Leben erhalten, und wird zu einem guten Beispiel für einen Erdstrahl, der durch die Aufnahme des Sonnenstrahls erzeugt wurde. Dann findet die Raupe den Grashalm und nutzt ihn für die Prozesse, die sie zum Leben benötigt. Danach findet der Vogel die Raupe, usw.

Das Problem ist, dass wir (und vielleicht die Erde selbst – hat sie ein Selbstbewusstseinsproblem?) dem Mann die größte Wichtigkeit zuschreiben, ihn als Eines definieren und ihn mit der Sonne (dem Sohn) identifizieren. All dies geschieht, weil wir das Empfangen nicht als kreativ verstehen und Bedürfnisse als Mngel anstatt als Bedingung, die Geschenke erst zu Geschenken macht.

Es lassen sich die meisten Beziehungen des Lebens als Metaphern für die Beziehung zwischen Sonne und Erde sehen – es gibt eine enorme Vielfalt an Wiederholungen der asymmetrischen Beziehung unilateralen Schenkens (Sonne) und des kreativen Empfangens und Wiederschenkens (Erde). (Die Erde schafft in ihren Prozessen des Empfangens und Wiederschenkens auch eine Reihe von Nebenprodukten, die zu Geschenken anderer Seinsordnungen werden können). Letztlich können wir alles Leben als Versuch der Erde sehen, der Sonne Feedback zu schenken, um sich zu ihr in Beziehung zu setzen. Um zu schenken, wie es die Sonne tut, muss die Erde die Bedürfnisse schaffen, die die Geschenke empfangen können, das heißt, sie muss etwas auf ihrer eigenen Ebene schaffen. Dann nimmt sie die Position der Sonne ein, da sie unmittelbar zur Bedürfnisbefriedigung beitrgt. Durch das Leben sagt sie zur Sonne: "Dies ist, was zwischen mir und dir passiert; dies ist, was passiert."

All dies findet statt auf der Oberflche des Planeten, wo die Sonne scheint – auf der Oberflche, die für die Sonne P/prsent ist. Dass das Leben in seiner Vielfalt als stndige Wiederholung der Beziehung zwischen Sonne und Erde gesehen werden kann, bedeutet natürlich, dass sich diese Beziehung als Feld aufregender philosophischer Untersuchungen anbietet. Menschlich gesehen, ist diese Beziehung dabei die Liebe. Für die Erde geht es vielleicht um Versuche mit anderen Lebewesen zu kommunizieren; darum, ihre Dankbarkeit auszudrücken für die Wrme, die sie in der tiefen Nacht des Weltalls streichelt.

Wir Menschen müssen dieser Beziehung folgen. Wir dürfen sie nicht lnger falsch interpretieren. Wir haben dies lange genug getan. Aspekte unserer Sprache und unserer sozialen Organisationsformen haben die Muster der Maskulisierung geschaffen, die uns diese Beziehung nicht wirklich begreifen lsst. Bevor wir die Erde nicht vom Weltall aus sehen konnten, wussten wir gewissermaßen nicht einmal, dass es sie gab – geschweige denn, dass sie aktiv war. Wir waren ihr zu nahe, wir konnten nur nach draußen sehen. Wir dachten, sie war passiv, nur Empfngerin des Sonnenlichts – genauso wie wir dachten, dass Frauen passiv waren. Wir erkannten ihr Schenken genauso wenig wie wir unser eigenes Schenken erkannten und sahen nur die Sonne, den privilegierten Licht-Prototyp, als Schenker. Patriarchale Muster schaffen ihre selbsthnlichen phallischen Bilder, die sich gegenseitig besttigen, überall.

Zunchst konkurrierten der Mond und die Sonne miteinander um die Herrschaft des Himmels. Beide schienen whrend der ihnen zugeschriebenen Stunden die Einen des Himmels zu sein. Doch der Mond nderte unentwegt seine Form und wurde zu vielen Monden, die sich nunmehr auf die Sonne als dem verbleibenden Einen bezogen. Bald erschien der Mond in seiner Passivitt im Verhltnis zur Sonne als weiblich. Er schien die Identitt der Frau zu verkörpern. Dies ließ uns vergessen, dass eigentlich die große, dunkle, kreative Erde das angemessene Bild für die Frau, die Mutter, ist. Was dem Mond zugeschrieben wurde, war in Wirklichkeit jener Teil unseres Egos, der sich zu schenken weigert: jenes falsche, statische, nicht-schenkende Meta-Bild des Lebens.

Wir sahen die Erde und die Sonne, Frauen und Mnner, Kinder und Mütter, Dinge und Worte, BürgerInnen und Prsidenten, Waren und Geld nicht in wechselseitig aktiven Beziehungen, sondern gefangen in statischen bildlichen Reproduktionen der angeblich alleinig aktiven Seite. Whrend wir diese Seite als real ansahen, diente die andere nur dazu, diese Realitt zurückzuprojizieren und damit zu besttigen.

Wenn wir den Mond anders betrachten, können wir sehen, dass er eine Art kosmische Meta-Ebene der Erde darstellt. Er sagt: "Auch wenn ich die Sonne nicht wie die Erde kreativ empfangen kann, scheinen tut sie auch hier. Und auch Licht und Dunkelheit gibt es hier." Der Mond spielt eine Rolle darin, wie sich das Leben und das Bewusstsein auf der Erde entwickelt hat. Seine Strahlen regen unsere Vorstellungskraft an. Er scheint eine Art selbstbezogener Aspekt der Erde zu sein. Sein Licht bewegt unsere Gezeiten.

über Jahrhunderte hinweg nahm der Mond für uns den Platz des "Anderen der Sonne" ein, whrend dies doch eigentlich der Platz der Erde ist, als das Leben schenkende Pendant zur Sonne. Es schien, dass das Reflektieren des Sonnenlichts (Mond) die Ergnzung des aktiven Schenkens der Sonne war, whrend es tatschlich der kreative Gebrauch des Sonnenlichts zum Schaffen von Leben (Erde) ist. Der Tausch, der selbst auf Widerspiegelung basiert, ehrt freilich weiterhin allein die Sonne – ja er hat ihre Rolle sozial auf die Spitze getrieben.

Was geschenkt wird, wird im Tausch in Form eines quivalents zurückgeschenkt. Das Reflektieren (anstelle des kreativen Empfangens, des Aufnehmens) des Sonnenlichts besttigt also den Tausch als einen Weg des Lebens. Maskulisiertes Egomuster, übernehmen und Wettbewerb scheinen dem Verhltnis von aktiver Sonne und passivem Mond zu entsprechen. Auch die Erde wird als passiv gesehen. Doch was sie zurückzuschenken scheint, ist nicht nur ein (reflektiertes) Bild der Sonne – es sind viele lebendige Bilder: Bilder ihrer selbst, Bilder der Sonne, Bilder ihrer wechselseitigen Beziehung zur Sonne. Sogar Bilder des Mondes werden zurückgeschenkt, Reflexionen der Vorstellungskraft (die gewissermaßen eine Reflexion des Produzierens von Bildern selbst ist).

Dass wir zwei unterschiedliche Körper am Himmel sehen, machte uns seit je her glauben, dass der Zweierbeziehung besondere Bedeutung zukommt – selbst als wir noch dachten, dass die Erde flach war. Dies drückte sich vor allem in unserer Sicht der Geschlechterbeziehung aus, die wir bald als weltliche Entsprechungen der Erde-Sonne-Beziehung sahen. Dann setzten wir die Mond-Sonne-Beziehung mit der Erde-Sonne-Beziehung gleich und identifizierten den Mond mit der Frau: ohne Licht, Schatten, Verliererin im Kampf darum, am hellsten zu scheinen. Als wir begannen, um die relative Größe der Erde, des Mondes und der Sonne zu wissen, begannen wir, uns die Erde und den Mond als Kinder zu denken und die Sonne als Vater. So begann das Bild der "Frau als Kind" die Kreativitt der Frau zu überlagern.

Diese Bilder werden nicht nur von Individuen in Beziehungen ausgespielt, sondern verschiedene Beziehungen werden geschaffen, um sie weiter zu besttigen. Dies mag kompliziert wirken, doch es ist eigentlich ganz einfach: Wir müssen nur die Sonne als einseitige Schenkende sehen, den Mond als Reflektor und die Erde sowohl als Schenkende als auch als Empfangende. (Eine vollstndige Meta-Ebene würde nicht von der einfachen Reflexion des Anderen gebildet, sondern von der Reflexion der Schenkbeziehung mit dem Anderen – inklusive dem Selbst – und der Reflexion der Beziehung der Reflexion.)

Wenn wir die Erde sind, die endlich zu ihrem eigenen Bewusstsein gelangt, hat das wesentlich damit zu tun, dass wir vieles einfach nicht verstanden haben aufgrund unserer Unfhigkeit, das Verhltnis zwischen Erde (und damit uns selbst) und Sonne und Mond richtig zu begreifen. Wenn Menschen der Ordnung des Kosmos entsprechen, ist es für uns unabdingbar, diese zu verstehen und uns mit ihr in Einklang zu bringen. Wenn uns das nicht gelingt, bedeutet das Leid und die Zerstörung unserer kreativen Mutter.

Wenn das Lebensprinzip in der Kreativitt der Bedürfnisse liegt, die Geschenke, die ihnen zukommen, zu ihrer Befriedigung zu verwenden, dann dürfen wir es nicht zulassen, dass die Bedürfnisse und die Lebewesen, die sie haben, sterben, nur weil wir der Maskulisierung verfallen sind und versuchen, die Sonne zu sein. Die Bedürfnisse sind eine Art Schwerkraft, die unsere Geschenke dorthin ziehen, wo sie hin müssen. Die Geschenke sind das Wasser (das flüssige Geschenk), das zum Zentrum der Schwerkraft hinluft; sie sind der Regen, der als transformiertes Sonnenlicht auf durstige Pflanzen fllt. Der Wind bewegt sich von Hochdruck- zu Tiefdruckgebieten. Bedürfnissen zu schenken ist die Antwort, die im Winde weht.[2]

Die Fehlinterpretation unserer Sexualitt entspricht der Fehlinterpretation unserer Kosmologie. Wir sehen unsere Erde als etwas Mangelhaftes, anstatt dass wir sie als die große kreative schenkende und empfangende Quelle erkennen würden, die sie tatschlich ist. Indem wir ihre Kreativitt ignorieren, schreiben wir der "Unabhngigkeit" der Sonne enormen Wert zu – obwohl die Sonne, wie wir von den Bildern des Mondes wissen, "unabhngig" zu überhaupt nichts imstande ist. Die Sonne ist nur in Bezug auf die Erde kreativ. Da wir jedoch immer nur die Sonne sahen und die Erde selbst kein Licht zu schenken schien (obwohl sie das Feuer schenkt – ein Geschenk, das – wie Wörter – gleichzeitig geschenkt und behalten werden kann), begannen wir, ihr mehr Wert zuzuschreiben. Sogar dem Mond schrieben wir irgendwann mehr Wert zu als der Erde. All dies entspricht den sexuellen und sozialen Mustern, in denen die Mnner als aktive Eine und die Frauen als passive Viele fungieren.

Vielleicht fühlte sich die Erde im Vergleich zur Sonne und zum Mond selbst weniger wert. Vielleicht fühlte sie sich entfremdet und alleine, so weit weg von anderen Planeten und Sternen. Als ihre Kinder haben Menschen zu diesem Gefühl beigetragen. Wir haben sie ignoriert und falsch verstanden und allem anderen mehr Wert geschenkt, inklusive uns selbst. Wir haben – mit derselben Mentalitt, die uns in den Weltraum geführt und uns endlich erlaubt hat, uns selbst zu sehen – viele der feinsten Aspekte der Erde zerstört.

Wir sehen uns selbst als Kinder des Universums und sehnen uns danach, das Leben auf den Planeten des Aldebaran zu sehen – wenn es denn dort irgendeines gibt. Wir sind gewillt, Milliarden an Dollars in Weltraumprogramme zu stecken, um diesem Ziel nher zu kommen. Doch die wunderbare Vielfalt an Kfern im Regenwald scheint uns so bedeutungslos, dass wir nicht einmal einen Finger rühren, um ihr Verschwinden zu verhindern. Wir müssen lernen, unserer kreativen Mutter Wert zu schenken – sowohl unserer menschlichen Mutter wie unserer Mutter Erde. Wir dürfen Bedürfnisse nicht mehr lnger als Mngel sehen. Wir müssen die symbolische Vagina wieder als den kreativen Ort des Lebens begreifen. Wir müssen verstehen, dass die eindimensionale Kreativitt, die der symbolische Phallus reprsentiert, auf der Verleugnung der Arbeit und des Werts der Frauen beruht. Wir müssen uns um alle Menschen und die Erde kümmern. Wir müssen den Bedürfnissen ihren Wert wiedergeben und sie befriedigen.

Als das Bewusstsein der Erde müssen wir ihr Selbstvertrauen sein. Unsere Liebe muss (wie das Wasser) zu ihren Schwerkraftzentren fließen. Die Erde leidet genauso wie viele ihrer Geschöpfe. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auf sie richten. Wie gefühllos sind wir, wenn wir nach dem ußeren Weltraum trachten, whrend wir uns nicht um das Wunder kümmern, in dessen Mitte wir uns befinden! Es ist unsere patriarchale Identitt, unser Nicht-in-Einklang-Sein mit der Erde-Sonne-Beziehung, das uns von dem Geschenk der Erde abwenden und dem Garten Eden gegenüber blind werden lsst. Es ist diese Identitt, die uns zu KonkurrentInnen macht und uns dazu bringt, die Erde zu vernichten. Arme Menschen werden überall dazu gezwungen, die Rolle der verleugneten und erschöpften Mutter zu spielen: ausgebeutet, vergeudet und verachtet. Sie sind die selbsthnlichen Bilder der Mutter Erde, die von einem Patriarchat zerstört wird, dessen gesunde "erleuchtete" Söhne in ihren phallischen Raumschiffen ins Weltall aufbrechen, um andere Planeten zu "befruchten".

Wir müssen die Dringlichkeit dieser Situation begreifen und sowohl unsere Liebe als auch unser Geld Bedürfnissen zuwenden. Auf diese Weise können wir dem Gebot der Mutter Erde: "Versorgt einander!" sowie ihrem klaren, kreativen, kosmischen Beispiel folgen. So können wir sie und uns selbst von dem falschen Zauber der Reflexion und des Prototypen befreien. Die Vielfalt des Lebens, die von der Erde geschaffen wurde, gleicht der Vielfalt des Universums. Wir müssen damit beginnen, die Beziehungen zwischen Vielen und Vielen wertzuschtzen, die auf Andere ausgerichtete Egos schaffen können. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auf die Welt, in der wir leben, richten. Wir müssen unsere Mutter ehren und segnen. Wir müssen ihre Bedürfnisse und die Bedürfnisse ihrer Menschen befriedigen.

Was wir auf einer Ebene gelernt und gefühlt haben, drückt sich gewöhnlich auch auf einer anderen aus. Ich war oft weit weg von denen, die ich geliebt habe und seit vielen Jahren liebe ich eine Frau einseitig. Nachdem diese Liebe unerwidert blieb, wurde ich kreativer. Ich ging dazu über, Projekten für soziale Vernderung zu schenken. Ich weiß, wie sowohl die Erde als auch die Sonne fühlen muss. Einmal fühle mich mit der einen Seite der Beziehung verbunden, dann mit der anderen. In einer Liebesbeziehung wechseln sich beide Menschen stndig in den Rollen der Erde und der Sonne ab.

Ich denke, dass wir im Zuge unseres Versuchs, uns von der Maskulisierung zu befreien, zu den Wurzeln unserer Kosmologie zurückkehren. Vielleicht sollte unser Begriff hum (der die Trennung zwischen Buben und Mdchen vermeiden und sie mit ihren Fürsorgerinnen eins sein lassen soll) spter nicht mit "Frau" und "Mann" ersetzt werden, sondern mit "Erde" und "Sonne". Doch könnte dies nur dann wirklich heilende Wirkung haben, wenn der rechtmßige Platz der Erde als kreativer Quelle sowohl von Frauen als auch Mnnern wieder anerkannt und die Sonne als die einseitige Energiequelle gesehen wird, die sie ist. Vielleicht sollten wir wirklich dem Konzept der Androgynitt Bedeutung schenken, das uns als mnnlich wie weiblich, als aktiv wie passiv sieht, und demgemß wir in den Momenten, in denen wir kreativ empfangen, Erden sind, und in den Momenten, in denen wir schenken, Sonnen (wobei vorauszusetzen ist, dass wir uns in beiden Fllen bereits bewusst von den Eines-Viele-Strukturen der Kategorie und der Manipulation der Geschlechtsdefinition gelöst haben).

Wir sollten versuchen, mit der Erde zu kommunizieren, nicht mit den Sternen. Wenn Gaia am Leben ist, dann hat sie keine Sprache. Sie ist die Göttin, die zu uns durch Synchronizitt[3] und Fürsorge – und auf andere Weisen – spricht. Aber wie können wir zu ihr sprechen? Sie gehört einer anderen Seinsordnung an. Wir sind im Verhltnis zu ihr wie Körperzellen, die versuchen, mit dem ganzen Körper zu kommunizieren. Was für Geschenke haben wir für sie?

Zunchst denke ich, dass wir ihr das Geschenk des Friedens machen können – ein Geschenk, das unsere Gesellschaften heilen und uns erlauben würde, ihr daraufhin das Geschenk unseres Respekts für ihre Schönheit und Kreativitt zu machen, das konkret darin besteht, die Zerstörung der Erde aufzuhalten und den Schaden, der bereits angerichtet wurde, zu korrigieren. Die Sprache, in der wir mit Gaia kommunizieren können – unsere wahre Muttersprache – liegt in diesen Geschenken.

Nachdem wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf das Eine gerichtet haben, bleiben die Vielen im Dunkeln, verborgen und ohne Anerkennung – wie Sterne in anderen Galaxien, die vielleicht Antworten für uns haben. Es gibt unzhlige Sterne, genauso wie es unzhlige Gehirnzellen gibt. Sind die Gehirnzellen Bilder der Sterne? Sind die Sterne die Neuronen der Erde, die sich im All befinden? Sind sie wie wir, nur weniger entwickelt? Vielleicht ist die Erde einfach ein kleiner Körper innerhalb eines immensen Gehirns, das aus Sternen besteht?

Ich sah die Sterne heute morgen, als ich aufwachte. Es schienen so viele zu sein. Das ist das Problem: Eines – Viele. Bevor die Erde begreifen kann, was sie selbst ist (oder was Sonne und Mond sind), ist sie nur ein Planet unter Abertausenden. Ihr geht es hnlich wie uns, die wir einzelne Menschen unter fünfeinhalb Milliarden sind. Doch wir können uns in Gruppen vereinen. Können Planeten das auch? Sind diejenigen, auf denen sich Leben findet, nicht zu weit voneinander entfernt? Ist die Erde das einzige Kind von Sol? Sind die anderen Planeten lebendig, auch wenn sich auf ihnen kein Leben findet? Sind unsere Weltraumreisen Versuche der Erde, Kontakt mit anderen Planeten aufzunehmen? Ich glaube, dass es darum geht, dass wir eine Gemeinschaft mit der Erde bilden. Wir müssen sie in ihrem Alleinsein trösten.

Kapitel 23>


[1] James Lovelock, The Age of Gaia: A Biography of Living on Earth.

[2] Anm. d. übers.: Im Original: the answer that is blowing in the wind – Anspielung auf den Bob-Dylan-Song "Blowing in the Wind".

[3] Siehe Kapitel 11, Fußnote 3.


kapitel 23

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