So wie die Sprache kann auch die Fhigkeit, Kategorien zu formen, entweder
unserer genetischen Ausstattung oder unserer Sozialisierung zugeschrieben
werden. Beide Möglichkeiten werden eifrig studiert. Manche ForscherInnen meinen,
dass unsere Fhigkeit, Gleichheiten zwischen Dingen festzustellen, genetisch
bedingt ist. Andere denken, dass wir Kategorien im Zuge empirischer Prozesse von
Vergleichen und Verallgemeinern formen. Dabei gibt es die Theorie, dass sich
diese Prozesse auf einen Prototyp beziehen – möglicherweise auf die erste
Erfahrung, in der wir als Kind etwas in unserer unmittelbaren Umgebung als etwas
anderem gleich erlebt haben. Durch wiederholte Vergleiche von solchen als
gleich wahrgenommenen Objekten abstrahieren wir in der Folge deren gemeinsame
Eigenschaften und schaffen Kategorien. In den 20er Jahren des vorigen
Jahrhunderts wurde vom sowjetischen Psychologen Lew Wygotski
ein Experiment durchgeführt, das die Prototyp-Theorie begründete. Wygotski wird
seither mit dieser identifiziert.
Das Eine und die Vielen
Wygotski beschrieb eine Reihe von Entwicklungsstufen, anhand derer
Kategorien geschaffen werden. Die letzte Stufe ist die "des Einen und der
Vielen". Auf dieser nimmt der Prototyp eine fixe Beziehung mit einer Reihe von
Objekten ein, die als mit ihm übereinstimmend gesehen werden, whrend Objekte,
die als nicht mit ihm übereinstimmend gesehen werden, ausgeschlossen sind. Diese
Beziehung ist eine zwischen Einem und Vielen. Die Beziehung zwischen den vielen
Objekte rührt von ihrer Gleichheit mit dem einen Prototyp her. Dieser wird verallgemeinert
und die gemeinsame Qualitt der vielen Objekte spiegelt diese Verallgemeinerung
wieder. Die vielen Objekte erhalten denselben Namen, der dem Prototyp, dem Einen,
gegeben worden war.
E. Hanfmann und J. Kasanin beschreiben Wygotskis Experiment so:
"Das Untersuchungsmaterial, das im Kategorisierungsexperiment verwendet
wird, sind 22 Holzblöcke verschiedener Farbe, Gestalt, Höhe und Größe. Es gibt
fünf verschiedene Farben, sechs verschiedene Gestalten, zwei Höhen (hoch und
nieder) und zwei Größen (groß und klein). Auf der Unterseite jeder Figur
– die von der Testperson nicht gesehen werden kann – steht eines
der vier folgenden Nonsense-Wörter geschrieben: "lag", "bik", "mur", "cev". Unabhngig
von Farbe oder Gestalt steht "lag" auf allen hohen und großen Figuren, "mur"
auf allen hohen und kleinen, und "cev" auf allen niederen und kleinen.
Zu Beginn des Experiments werden alle Blöcke gut gemischt auf einem Tisch
ausgebreitet. Die ExperimentsleiterInnen heben einen der Blöcke auf (den
Prototyp), zeigen ihn, lesen der Versuchsperson den auf der Unterseite
stehenden Namen vor und fragen sie daraufhin, all jene Blöcke auszuwhlen, von
denen sie meint, dass sie zur selben Kategorie gehören. Nachdem die
Versuchsperson das getan hat, heben die ExperimentsleiterInnen einen der falsch
ausgewhlten Blöcke auf, zeigen der Versuchsperson, dass dies ein Block mit
einem anderen Namen ist, und bitten sie um eine neue Auswahl. Nach jedem
weiteren Versuch wird wieder ein falsch ausgewhlter Block gezeigt, und so
weiter. Mit der Zeit beginnt die Versuchsperson dann zu begreifen, auf welche
Eigenschaften der Blöcke sich die Wörter beziehen.
Sobald die Versuchsperson diese Entdeckung macht, beginnen die Wörter also für
bestimmte Eigenschaften der Objekte zu stehen (z.B. "lag" für große hohe
Blöcke, "bik" für große flache, usw.) und neue Kategorien – für die es in
der Sprache der Versuchspersonen bisher keine Namen gegeben hat – werden gebildet.
Die Versuchsperson kann nunmehr die vier verschiedenen Arten von Blöcken so aufteilen,
dass sie den von den Nonsense-Wörtern bestimmten Kategorien entsprechen. Dies
zeigt, dass dem Gebrauch von Kategorien ein für die Lösung der Testanforderung
funktionaler Wert innewohnt.
Ob die Versuchsperson tatschlich kategorisches Denken anwendet, wenn sie
das Problem zu lösen versucht, kann sowohl von der Art der Gruppen, die sie
bildet, eruiert werden, als auch von der Weise, auf die sie diese bildet.
Beinahe jeder Denkschritt der Versuchsperson wird vom Gebrauch der Blöcke
reflektiert: die erste Herangehensweise an das Problem, der Gebrauch des Prototyps,
die Reaktion auf die Korrekturen, das Finden der Lösung – all diese
Stufen des Experiments stellen Informationsmaterial zur Verfügung, das es
erlaubt, die Denkschritte der Versuchsperson nachzeichnen zu können."
(Siehe Graphiken 6 und 7.)
Die kategorische Struktur des Einen und der Vielen ist in der kognitiven
Psychologie von wesentlicher Bedeutung. Wygotskis Experiment lsst uns aufgrund
seiner Demonstration ungewohnter ("falscher") überlegungen in Bezug auf den Prototyp
erkennen, was das Konzept des Einen und der Vielen nicht tut. Zwei ungewohnte überlegungen
zeigen dies deutlich: 1. Der Familiennamenkomplex, in dem der Prototyp unverndert bleibt, aber die
Eigenschaften, aufgrund derer andere Objekte als gleich gesehen werden,
variieren. 2. Der Kettenkomplex, in denen der Charakter des Einen und der Vielen verloren geht, da zwar
zunchst ein Objekt aufgrund eines gemeinsamen Charakteristikums mit dem Prototyp
in dieselbe Kategorie fllt, das nchste in diese Kategorie fallende Objekt
jedoch nur noch ein gemeinsames Charakteristikum mit dem ersten zugeordneten
Objekt aufweist, und so weiter. Diese "falschen" Zuordnungen zeigen die
Wichtigkeit der Unvernderlichkeit des Prototyps und dem andauernden direkten
Vergleich der Objekte mit diesem selbst, um Allgemeinheit tatschlich auf
gleichen Eigenschaften aufzubauen. Idealiter wird der Prototyp schlussendlich
überflüssig, da ein Objekt unmittelbar als Teil einer der vom Prototyp
bestimmten Kategorie erkannt wird.
Ich habe über Wygotskis Experiment lange nachgedacht und bin darauf
gekommen, dass es tatschlich das Wort (der Name) ist, das den Platz des Prototyps
ein- und seine Allgemeinheit übernimmt. Dies offenbart eine Eigenschaft des
Wortes, die ich seiner Charakterisierung als kommunikatives bedürfnisbefriedigendes
Geschenk hinzufügen möchte. In der Tat scheint es wenig überraschend, dass ein
Wortgeschenk den Platz eines Prototyps einnimmt. Der Prototyp als solcher kann
nicht immer konkret geschenkt werden und würde sich wahrscheinlich – außer
als Bild – in den meisten Fllen sehr schnell seine Form ndern . Das
Wort – mit seiner unendlichen Reproduzierbarkeit – kann jedoch tatschlich
immer als "dieselbe Sache" erscheinen, selbst wenn es gleichzeitig in jedem
Moment eine andere ist. Indem es vom Prototyp die Funktion des Einen und der
Vielen übernimmt, hilft das Wort, die Kategorie so zu organisieren, dass ihre
Teile genauso aufgrund ihrer gemeinsamen Beziehung zu ihrem Namen wahrgenommen
werden wie aufgrund ihrer gemeinsamen Beziehung zum Prototypen.
Sobald einmal die Beziehungen der Dinge zueinander als gleich gemß
gemeinsamer Eigenschaften etabliert ist, ist der Prototyp selbst nicht lnger
notwendig und das Wort alleine kann uns an diese Gleichheit erinnern. Die
Beziehungen des Einen und der Vielen schaffen eine Polaritt, in der das Eine
der Referenzpunkt ist und die Vielen – eines nach dem anderen – mit
ihm verglichen werden. Das Wort, das den Platz des Einen einnimmt, hlt diese
Polaritt aufrecht und verdeutlicht die Beziehungen der Vielen zueinander und
zu sich selbst. (Siehe Graphiken 8 und 9.)
Die Eigenschaften des Prototyps müssen unvernderlich sein. Wenn sie das nicht
sind, kann keine konsistente Kategorie konstruiert werden und unsere Gedanken
wandern von einer Assoziation zur nchsten. Dabei kann jedoch jeder Aspekt
einer Sache als das unvernderliche Eine gewhlt werden. Sobald die Kategorie dann
konstruiert wurde, kann dem Prototyp seine Position des Einen genommen und er
zu einem einfachen Teil der Kategorie reduziert werden. Ich betone dies, weil
ich denke, dass die Position des Einen (des Prototyps) missverstanden wurde in
der Konstituierung unserer Geschlechtsdefinition. In diesem Falle wurde das
Eine überbetont, mit speziellem Privileg ausgestattet und auf vielen
verschiedenen Ebenen als selbsthnliches Modell in die gesellschaftlichen
Strukturen projiziert. Der Vater und seine Familie, der König und seine Untertanen,
der General und seine Armee, der Vorstandsvorsitzende und sein Unternehmen,
usw., verkörpern die polare Beziehung des Einen und der Vielen, wie sie die
Konstituierung von Kategorien prgt. Auch die Beziehung zwischen Geld und
Produkt
ist eine Verkörperung dieses Kategorisierungsprozesses, genauso wie die zwischenmenschlichen
Beziehungen in unserer Gesellschaft oft Ausdruck der polarisierten Beziehung
zwischen dem Einen und den Vielen sind. Selbst die Beziehung zwischen einer
Person und ihrem Eigentum kann als Beziehung zwischen einem Einen und Vielen
gesehen werden, die der Kategorisierungsstruktur entspricht (die in diesem
Falle immer auch stark geschlechtlich bestimmt ist), obwohl die Beziehung
zwischen Person und Eigentum vielleicht am ehesten dem Familiennamenkomplex
entspricht.
Das privilegierte Eine
Die Position des Prototyps zu privilegieren ist deshalb so gefhrlich, da
die Polaritt und die Kategorien, die mit seiner Hilfe geformt werden, ursprünglich
durchaus unschuldige und hilfreiche Formen sind, unsere Gedanken und
Wahrnehmungen zu ordnen. Es handelt sich um eine sehr intime und grundlegende
Art des Denkens, die von der Privilegierung der Position des Einen unterwandert
wird. Weil sie so einfach ist, ist dieses Unterwanderung schwierig wahrzunehmen
und wir projizieren sie außerhalb unser selbst, um mit ihr umgehen zu können.
Da wir niemals daran denken, den Ursprung unserer seltsamen, das Modell des
Einen und der Vielen reproduzierenden Verhaltensweisen auf die Entwicklung der
kategorischen Strukturen zurückzuführen, setzen wir den Prozess auf vielen
verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen fort. Dabei schaffen wir Strukturen,
die miteinander interagieren, konkurrieren, sich gegenseitig strken und sich
immer wieder in neuen Hierarchien organisieren, die dem Modell des Einen und
der Vielen folgen. Es sind diese Strukturen, die jene sich selbst
reproduzierenden Systeme schaffen, die wir "Patriarchate" nennen.
Was diesen Systemen zugrunde liegt, ist die mnnliche Geschlechtsidentitt
und die Maskulisierung. Mnner gelten als Prototyp für die Kategorie "Mensch".
Die kategorische geschlechtliche Trennung der Buben von ihren Müttern verlangt
von Mnnern, die Position des Einen einzunehmen, wenn sie überhaupt als
Menschen gelten wollen. Frauen haben Mnner darin unterstützt, sie sind
ausgewichen und erscheinen nicht als das Eine, mit dem die Vielen verglichen
werden, um ihre Menschlichkeit zu definieren. Frauen scheinen ein Defizit zu
haben, ihnen scheint etwas zu fehlen, wenn sie mit den angeblich menschlichen
Charakteristika verglichen werden, die Mnner haben. Abstraktes Denken,
Aggressivitt, Individualismus, Führungsfhigkeit, Unabhngigkeit
(Eigenschaften, die alle damit zu tun haben, um die Position des Einen zu
kmpfen) scheinen "menschlich", und Frauen scheinen demnach "unterlegene
Menschen" zu sein, weil sie diese Eigenschaften nie entsprechend ausgebildet
haben.
Frauen ließen nie von der Ausübung des Schenkprinzips ab, außer wenn dies
durch Mangel, Krieg oder individuell erfahrene Gewalt unmöglich gemacht wurde.
In all den Jahrhunderten, in denen die Kategorie des Menschen von Philosophen
studiert wurde, wurden die Frauen und ihre Aktivitten nie als deren möglicher Prototyp
in Betracht zogen. Gleichzeitig blieb das Schenkprinzip immer die eigentliche Quelle
von Bedeutung, Gemeinschaft und Leben.
Was wir als definierende Charakteristika des mnnlichen Geschlechts sehen,
sind in Wirklichkeit Charakteristika der Position des Einen, die in Verbindung
stehen mit den Formen des Platz-Einnehmens, die wiederum der Rolle des Wortes
im Benennen und Definieren entsprechen. Diese Charakteristika werden von Buben
angenommen, um der self-fulfilling prophecy ihrer Geschlechtskategorie gerecht werden zu
können, die eine andere als jene ihrer Mütter ist. Die Buben müssen die
Position des Einen – die innerhalb der Familie vom Vater eingenommen wird
– anstreben, um sich Mnner nennen zu dürfen. Die ödipale Verfügung ist
dabei weniger, den Vater zu töten, als seine Position des Einen einzunehmen.
Die einfache logische überlegung, dass nicht jeder ein Eines in einem
polaren Sinne sein kann, und dass dies ein austauschbares und unkonstantes Charakteristikum
ist, mag Buben in einem frühen Alter nicht klar sein. Die Anforderungen des
mnnlichen Geschlechts scheinen zu sagen: "Sei anders als die Frauen und werde
so oder besser wie dein Vater, damit du seine Position übernehmen kannst und
verdienst, ein Mann
genannt zu werden."
Bevor sie von den Anforderungen ihres Geschlechtsnamens heimgesucht werden,
fühlen sich die Buben zum Prototyp ihrer fürsorglichen Mütter hingezogen. Es
ist das Wort "Bube", das sie aus dieser Kategorie entfernt. So gesehen, kommt
die Rolle des Vaters als Platz-Einnehmers und Herrschers von der Fhigkeit des
Wortes, die Buben der Identitt ihrer Mütter zu entreißen. Es ist auch der
Vater, dem die Fhigkeit zugesprochen wird, Kategorien zu formen – dies
ist ein wesentlicher Aspekt seiner Rolle als Eines. Der Vater ist der Standard
(wie das Geld), und dieser Standard (weil er die Rolle des Prototyps von der
Mutter übernommen hat) wird zu dem Wort, das zu kategorisieren und aufzuteilen
vermag. Jedes darauf basierende Urteil demonstriert die Macht, die dieses Wort
(bzw. der Mann und sein Geschlecht) zu haben scheint: nmlich eine
Unterscheidung zwischen mnnlich und weiblich zu treffen.
Die Buben verhalten sich zu ihren Vtern als Unterlegene. Ihre Beziehungen
zu ihren Vtern entsprechen denen der Vielen zum Einen, des Eigentums zum
Besitzer, der Dinge zum Wort bzw. dem Prototypen (der nicht lnger ein Prototyp
des Schenkens ist). Maskulisierung ist eine Art ursprüngliche Dehumanisierung,
da die Rolle des Vaters objektiviert wird und dieser zu einem quasi unmenschlichen
Ding avanciert. Frauen werden als das Gegenteil der Mnner definiert, whrend
alle Aufmerksamkeit den letzteren (denen, die in die mnnliche Kategorie
fallen) zukommt.
Die biblische Geschichte von Josef und seinen Brüdern handelt vom
gegenseitigen Kampf mehrerer Brüder um die Position des Einen, die sie vom Patriarchen
erben wollen. Josefs Trume von den vielen Maisbündeln und der Sonne, dem Mond
und den Sternen drücken diese Beziehung symbolisch aus. Wenn ein Bube den Vater
als den Prototypen seiner eigenen Kategorie annimmt, wird er Teil der realen
oder möglichen Vielen, die sich auf das Eine beziehen. Seine
Geschlechtsidentitt wird eine, die in Konkurrenz mit anderen Einzelnen
desselben Geschlechts um die Position des Einen kmpfen muss. Sein Vater mag
dasselbe in seinem Berufsleben tun. Auch das Platz-Einnehmen ist eine zentrale
Anforderung seiner Geschlechtsrolle, da er als Mann den Platz von Frauen
einnehmen und den mnnlichen Prototypen an die Stelle des weiblichen (des
Schenkens) setzen muss.
Was Buben früh als ihre Geschlechtsrolle wahrnehmen, ist die
Materialisierung der Prototypposition und eine teilweise Materialisierung des
Wortes. Dem Prototypen zu entsprechen und den Platz anderer einzunehmen, wird
wichtig für die mnnliche Identitt, whrend das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein
und das Schenken Prinzipien der weiblichen Identitt bleiben. Indem der Mann
der Prototyp für die Kategorie des Menschen wird, wird die Wichtigkeit des
Schenkens negiert. Frauen (und auch einige Mnner) schenken den Mnnern, deren
Identitten in dieser Weise geschaffen werden, freilich weiterhin, sie statten
sie mit Privilegien aus und belohnen insbesondere jene, die die Position des
Einen zu besetzen imstande sind. Das Schenken unterstützt also besagte
Identittskonstruktionen, selbst whrend es von diesen negiert und als
"unterlegenes", "instinktives", ja sogar "nicht-menschliches" Verhalten
abgeurteilt wird. Das Schenken durchdringt immer alle menschliche Aktivitt und
bleibt etwa der einzige Weg, auf dem wir Güter und Nachrichten vermitteln,
kommunizieren und Gemeinschaft formen können. Wir haben das Schenken dabei
jedoch verndert und verzerrt, indem wir es für das Eine verwenden und gegen
die Vielen. Wir werden alle von unseren ersten Tagen an gelehrt, den Weg des
Schenkens zu negieren und ihm andere Namen zu geben ("Aktivitt", "Hausarbeit",
"Freizeit", "Mehrwert", "Profit"). Sobald wir jedoch die Dynamik der Prinzipien
des Tausches und des Schenkens erkennen, können wir dem Schenken den ihm angemessenen
Wert und die ihm angemessenen Namen zukommen lassen.
Das materialisierte Wort
In der Maskulisierung materialisieren Mnner sich selbst als Ersatzgeschenke,
nehmen den Platz der Mutter ein, akzeptieren den Vater als Prototypen und geben
das Schenken auf. Dies ist der
Moment des Niedergangs: wenn die Buben realisieren, dass sie aufgrund ihrer
Geschlechtsdefinition nicht an den Prozessen des Schenkens und Kommunizierens teilhaben
können.
Vielleicht der größte (und dabei gleichzeitig kleinste) Fehler, den die
Menschheit je gemacht hat, war, unseren Kindern unterschiedliche
Geschlechtsnamen zu geben – ein unschuldiger, doch fürchterlicher Fehler,
schwer wie der kleinste Teil der Feder der Maat. Wundern wir uns nicht manchmal,
warum uns der Geist des Guten noch nicht zerstört hat, wenn wir all die
Schrecken bedenken, für die wir verantwortlich sind? Genozid, Vergewaltigung,
Genozid und Vergewaltigung, die Vergewaltigung und das Schlagen von Kindern,
die Vergewaltigung und das Zerstören von Land und Wasser, das Morden von Spezies
und Individuen, physische und mentale Folter? Vielleicht bleiben wir unbestraft,
weil der Ursprung all dieses Schreckens eine so unschuldige Fehlinterpretation
war, die so leicht begangen werden konnte.
Wir haben das Wort bzw. den Prozess des Benennens selbst materialisiert, und
das Wort, das wir materialisiert haben, ist "mnnlich". Es ist nur ein Wort,
aber wir haben ihm erlaubt, unsere psychologischen und sozialen Strukturen zu
formen und zu beherrschen. Wir haben es dazu verwendet, die halbe Menschheit
der Idee des Schenkens zu entfremden.
Nachdem wir unsere Söhne der nicht-schenkenden Kategorie zugeordnet haben, statten
wir (Mütter und Vter) sie – wie oben gesehen – mit Privilegien aus
und belohnen sie. Wir schenken ihnen mehr als unseren Töchtern. Spter
versuchen wir sie dann durch autoritre Moral oder religiöse Gebote bzw. durch Verweise
auf Gesetze aller Art Altruismus zu lehren. Wir wundern uns, warum das so
schwierig ist, und erklren es mit der angeblichen "Grausamkeit der menschlichen
Natur".
Es gibt eine kommunikative Notwendigkeit für uns, für die gesamte
Menschheit: wir brauchen einen neuen Begriff für die Beziehungen, die wir mit
unseren Kindern eingehen. Wir brauchen ein Wortgeschenk für alle diese kleinen Geschöpfe,
die unser größtes Geschenk an andere sind, an die Zukunft und an uns selbst. Nur
wenn wir einen Begriff für beide Geschlechter finden, können wir der Zerstörung
unserer Spezies, unserer Mütter und unserer Mutter Erde Einhalt gebieten.