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Vorwort

Kapitel 1 Am Anfang

Kapitel 2 Sprache und Schenken

Kapitel 3 Reziprozitt

Kapitel 4 Definition und Tausch

Kapitel 5 Die Kategorie des Menschen

Kapitel 6 ,Marksistische" Kategorien

Kapitel 7 Die kollektive Quelle

Kapitel 8 Kastrationsneid

Kapitel 9 Is = $

Kapitel 10 Wert

Kapitel 11 Der übergang zum Tausch

Kapitel 12 Wie dem Tausch Wert geschenkt wird

Kapitel 13 Markt und Geschlecht

Kapitel 14 Zu existieren verdienen

Kapitel 15 Das Zeigen und das Patriarchat

Kapitel 16 Das Zeigen des Egos

Kapitel 17 Was reprsentiert die Demokratie?

Kapitel 18 Die nicht-maskulisierten Protagonistinnen gesellschaftlichen Wandels

Kapitel 19 Traum und Realitt

Kapitel 20 Schenken und Liebe

Kapitel 21 Vom Garten zum Gral

Kapitel 22 Kosmologische Spekulationen

Kapitel 23 Nach den Wörtern - die Theorie in der Praxis

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Kapitel 12

Wie dem Tausch Wert geschenkt wird

Der Tausch selbst schenkt keinen Wert, auch wenn es so aussehen mag, als würde er dies im Zuge des Prozesses monetrer Definition tun. In diesem schreibt er Dingen etwas zu, das für Geld tauschbar ist. Doch ist ein Tauschwert nicht der Wert, von dem wir sprechen. Der Tauschwert kommt nicht von den Dingen selbst, sondern wird ihnen – genauso wie dem Tauschprozess insgesamt – von außen zugeschrieben. (Für den Tauschprozess gilt damit dasselbe wie für die Maskulisierung.) Was den Tausch anlangt, vollzieht sich die Wertzuschreibung auf mehreren Ebenen: sie bezieht sich gleichzeitig auf den Prozess im Ganzen, auf den Teil des Prozesses, der von den Produkten des Marktes eingenommen wird, sowie auf die gesamten Komplexitten des Kapitalismus, die auf dem Prozess aufbauen.

Im Schenken wird Wert transitiv von den Schenkenden auf die Beschenkten übertragen. Im Tausch kommt der Wert des Geschenks jedoch keinen anderen zu, da es allen im Tausch Involvierten um die Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse geht. Im Tausch sind nicht die Bedürfnisse der Beschenkten wichtig, sondern die derjenigen, die den Tausch initiiert haben. Dadurch dass den Verkaufenden Geld gegeben wird, kann das Produkt den Kaufenden das, was sie gegeben haben, in Form eines Tauschwerts zurückgeben. Sie "verdienen" dies, da sie zuvor selbst Verkaufende waren. Wenn die Kaufenden nicht das erhalten, was ihr Geld wert war, dann verbleibt mehr Wert auf der Seite der Verkaufenden (was eine weitere Versuchung zum Betrug darstellt).

Die Praxis, zu kaufen, um zu verkaufen, versucht, die Menge an Wert zu steigern, der einem Produkt von Menschen zukommt, sowie – in Folge – die Menge an Geld, die für dieses Produkt ausgegeben wird. Wir erwarten etwa, dass einem Produkt, das wir von einem Ort an einen anderen transportiert haben, deshalb nun mehr Wert zukommt. Wenn wir ein besonders seltenes Produkt haben, mögen wir es sogar zu einem Prototypprodukt machen und hoffen, dass es als solches sehr begehrt sein wird.

Handel wird möglich, wenn wir Produkte verortet, sie zugnglich gemacht und mit Attributen von "Haltbarkeit", "Bequemlichkeit", usw., versehen haben. Damit wird ihnen von außen Wert geschenkt. Es mag ihnen sogar Extra-Wert geschenkt werden, wenn wir befürchten müssen, dass einige unserer Bedürfnisse unbefriedigt bleiben. Mangel dient der Steigerung in der Wertzuschreibung und wird oft zu diesem Zweck geschaffen – was dann euphemistisch "Steigerung der Nachfrage" genannt wird.

Die Seltenheit eines Produkts scheint den Wert jener anzuheben, die es besitzen. Die Kaufenden bezahlen für diesen Wert und reproduzieren damit das Muster der Wertzuschreibung im Tausch. Selbst können sie ihren eigenen Wert dadurch anheben, dass Produkten als Kennzeichen von (maskulisiertem) Status Wert zugeschrieben wird. Diese Wertzuschreibungen beeinflussen die Prioritten der Kaufenden und ihre marginalen[1] Entscheidungen. Ihre Wertzuschreibungen scheinen in ihrer Produktwahl als Kaufende ausgedrückt. Diese werden von ökonomen durchwegs als Ausdruck von Selbstinteresse interpretiert. Die getroffen Wahlen bewegen sich natürlich innerhalb der Parameter des Tausches – der Markt ist dort ein Gegebenes.

Dingen, die sich in der Kategorie tauschbarer Produkte befinden, kann von außen Wert zugeschrieben werden. Produkte des Marktes erhalten mehr Wert als frei Vorhandenes – wie Luft oder Wasser – oder als Dinge, die – aus welchen Gründen auch immer: sei es, weil sie kaputt sind, sei es, weil es sie im überfluss gibt – nicht verkauft werden können. Wenn sich Dinge als Produkte auf dem Markt befinden, zeigt dies auch, dass ihnen in der Vergangenheit bereits entsprechender Wert zukam – ein Wert, der oft als "Produktionskost" berechnet und ausgedrückt wird. Der Markt stellt Dinge – und Menschen – in eine dekontextualisierte Position, in der ihr Wert von der Möglichkeit ihrer Ersetzung und vom Vergleich mit jenen Dingen kommt, die keinen Tauschwert haben. Der Prozess, etwas auf den Markt zu bringen, ist daher dem Prozess hnlich, etwas zum Thema unserer Kommunikation zu machen (worüber wir unsere menschlichen Beziehungen gestalten). Wir anerkennen Wert und schreiben Wert zu. Was in der Gestaltung des Marktes passiert, ist eine Zeitlupenversion der Semiotisierung der materiellen Ebene.

Auf dem Markt gestalten wir die uns trennenden Eigentumsbeziehungen, indem Produkte stndig neuen Besitzenden zukommen, die ihren Wert in Form von Geld ersetzt haben. In der Sprache gestalten wir unsere integrativen sozialen Verhltnisse in Bezug auf Dinge, indem wir eine gemeinsame Erfahrung und einen gemeinsamen Grund auf der Basis geteilter Ersatzgeschenke schaffen, wenn wir über ein gemeinsames Thema sprechen. Wenn unsere menschlichen Beziehungen sich auf eine konsistente und koordinierte Weise ndern, wenn wir uns auf ein gemeinsames Etwas (ein Thema, ein Ding, usw.) beziehen, dann wird die allgemeine Beziehung dieses Etwas zu uns (als Gruppe) offenbart und genutzt; whrend wir diese allgemeine Beziehung gleichzeitig dazu nutzen, uns über dieses Etwas zur Gruppe in Beziehung zu setzen und unsere individuellen Beziehungen zu ihr zu ndern, indem wir sie spezifizieren.

Im Tausch bringen wir Dinge gewöhnlich an einen konkreten Ort, z.B. in ein Geschft, wo sie als wertvoll für die manipulierten Formen menschlicher materieller Kommunikation, die den Tausch kennzeichnen, kategorisiert und diesem überlassen werden. Im Sprechen gestalten wir gewöhnlich unsere Beziehung zu Dingen, indem wir die Wörter gebrauchen, denen diese Dinge spezifisch ausweichen; wir besttigen dabei den Wert dieser Dinge, indem wir zeigen, dass sie in den Prozessen menschlicher Kommunikation bereits als wertvoll genug eingeschtzt wurden, um Wörter zu erhalten, die sie verbal ersetzen können.

Im Tausch tritt das Produkt in die Kategorie des Wertvollen ein, wenn es auf Geld bezogen werden kann. In der Sprache wird einem Ding Wert beigemessen, wenn es eine kulturelle Funktion erfüllt. Die Semiotisierung beruht auf diesem Prozess. Das Ding, dem auf diese Weise Wert zukommt, ist sozial auf andere Dinge derselben Kategorie (und auf ein Wort als seinem Namen) bezogen sowie auf die Wörter, die Kommunizierende momentan mit ihm verknüpfen. Die Kategorisierung des Dings ist Teil seiner Beziehung zu den Vielen, in genau der Form, in der das für die Kategorisierung eines Produkts als Tauschwert auf dem Markt gilt. Tauschende wie Kommunizierende anerkennen den Wert von Produkten oder von auf Namen bezogenen Dingen und schreiben ihnen weiteren zu. Im ersten Fall wird dabei die Kategorie des Tauschwerts geschaffen, im zweiten wird Dingen jeder Kategorie kultureller oder semantischer Wert zugeschrieben.

Die Wertzuschreibung an eine Kategorie oder an den Markt entspricht der Wertzuschreibung an Hierarchien mit ihren unterschiedlichen Ebenen (z.B. wenn dem Militr – als Ganzem – von außen Wert zugeschrieben wird). Hierarchien organisieren den Fluss von Wert und Gütern nach oben hin. Sie sind vertikale Reihen maskulisierter Definition. Es sind dabei die Vielen, die nach oben hin schenken, sowohl an die privilegierten Kategorien wie an deren privilegierte Prototypen, die Einen. Die Strukturen des Tausches und der Hierarchie verbinden sich oft (z.B. im Militr oder in der Kirche) und diejenigen, die sich in einer Kategorie, der Wert zugeschrieben wird, befinden, werden von denjenigen, die sich außerhalb dieser Kategorie befinden, unterstützt (z.B. durch Steuern oder die alten Zehnten). Eine hierarchische Strukturen richtet Befehle abwrts und verlangt Gehorsam und die Dienste der Vielen aufwrts, hin zu den immer höheren Ebenen der Einen.

Der Wert bestimmter Produkte ergibt sich aus ihrer Position innerhalb der Totalitt der Dinge des Marktes. Der Wert dieser Totalitt wird ihnen von außen durch freie Arbeit und unsere Schenkpraktiken zugetragen.[2] Dem Markt wird deshalb Wert geschenkt, da er als die einzige Quelle von Gütern gilt – paradoxerweise vor allem in Zeiten des Mangels. Das überleben wird von ihm abhngig gemacht, da es keine Alternativen zu geben scheint. Im Müll zu wühlen oder betteln zu gehen, gilt als sozial unakzeptabel; und so genannte autarke Gemeinschaften (self-sustainable communities) sind relativ neue und isolierte Entwicklungen. So wird der Wert, der dem Markt zukommt, zum Prototypen der Kategorie des Werts überhaupt.

Der Markt erhlt seinen Wert also von den Menschen, die ihm diesen von außen schenken. Doch wird dies meist nicht verstanden. Meist wird gedacht, der Wert des Marktes kommt vom Tausch, vom Markt selbst oder von seinen Produkten. Der Güterfetischismus kommt von der Verleugnung und der Auslöschung der Schenkwertzuschreibungen. Jeder Wert, der nicht nach Marktprinzipien verdient wird, wird als Schwindel betrachtet, da das Schenken nicht als etwas Wertvolles anerkannt ist. Wenn wir etwas frei bekommen, oder weniger für etwas bezahlen als seinen Marktpreis, so scheint es, als htten wir dem Markt das, was wir erhalten haben, nicht entsprechend zurückgegeben. In diesem Sinne mag es unfair erscheinen, wenn wir etwas frei erhalten. Doch geht eine solche überlegung natürlich am Wesentlichen vorbei, da wir gewöhnlich immer anderen in verschiedenen Formen geschenkt und den Markt dadurch unterstützt haben: durch unsere Fürsorge, unsere Profit schaffende freie Arbeit, unsere Wertzuschreibungen an das System sowie seine nutzlosen und zerstörerischen Produkte und die PolitikerInnen und die Vorstellungen, die ihn aufrechterhalten. Enorme Beitrge werden stndig von allen an den Markt geleistet, bleiben aber unerkannt.

Wenn wir ein nutzloses Spielzeug oder ein nutzlose Süßigkeit oder eine nutzlose Gesichtscreme kaufen, die auf dem Markt erhltlich sind und für die geworben wird, dann schenken wir Extra-Wert. Und zwar nicht nur den Produzierenden und Verkaufenden des Produkts, sondern auch dem Marktprozess selbst, ohne den wir diese Produkte nie gekauft htten. Werbung verlangt ununterbrochen das freie Geschenk unserer Aufmerksamkeit. Unsere Köpfe, Herzen und Huser sind gefüllt mit Produkten, die vom Markt kommen oder auf den Markt sollen. Das Gleiche gilt für einen großen Teil der uns zur Verfügung stehenden Zeit: der größte Teil der Aufmerksamkeit unseres Lebens gilt dem Markt und den Formen, in denen wir an ihm teilhaben.

 

Das Schenken von Wert

Der Wert bildet eine binre Opposition mit dem, dem kein Wert zugeschrieben wird. Er definiert unsere Beziehungen zu Menschen, da wir uns auf Wertgeschtztes strker beziehen als auf Nicht-Wertgeschtztes. Es scheint natürlich zu sein, Kategorien zu formen in Bezug auf Dinge, die wir wertschtzen. Wenn wir einem negativen Wert Aufmerksamkeit schenken, müssen wir dessen negative Implikationen mit vielen Geschenken auszugleichen versuchen. Das Bedürfnis einer bestimmten Person zu befriedigen, verleiht dieser Person Wert.

Da im Tausch die Befriedigung der Bedürfnisse anderer nur verwendet wird, um die Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse sicherzustellen, löscht der Tausch das Geschenk aus und schafft eine Pattstellung in Form einer Gleichung. Weder Geschenke noch damit vermittelte Werte können dann zu anderen gelangen. Die Produktion von Konsumbedürfnissen, die der Steigerung ökonomischer Produktion dienen soll, erweist sich als noch erbarmungsloser als die Gleichung, da sie zwangslufig die Produktion einer Reihe ganz und gar unbefriedigbarer Bedürfnisse schafft.

Die Gleichungen von Angebot und Nachfrage entsprechen jenen von Frage und Antwort. "Effektive Nachfrage" ist der Ausdruck eines Bedürfnisses (einer "Frage") durch Geld. Die Produktion ist die Antwort. Doch diese Form von Interaktion ist eine Nachahmung und Verlagerung, ja sogar eine Travestie der Prozesse des Schenkens und Empfangens, in denen Bedürfnisse direkt erkannt und befriedigt werden. Hier wird im Gegensatz dazu ein symmetrisch geschlossener Zirkel geschaffen, in dem isolierte, selbstzentrierte Personen nur geben, um zu erhalten, und allen anderen nur in dem Sinne gleich sind, dass sie dasselbe tun. Die Gleichungen des Marktes sind Projektionen dieses symmetrischen Zirkels. Das Schenken und die Bedürfnisse, die es befriedigt – sowie die Bedürfnisse, die als uneffektiv kategorisiert werden und unbefriedigt bleiben – liegen außerhalb dieses Zirkels. Gleichzeitig stützen sie ihn.

 

Hierarchien und Notgemeinschaften

Indem der Tausch uns als Einzelne voneinander trennt, legt er unseren Beziehungen eine Struktur auf, in der nur noch manipulierte materielle Kommunikation und manipulierte Formen von Gemeinschaft möglich sind. Diese Struktur ist die hierarchische Struktur des Platz-Einnehmens (des übernehmens) und des Ersetzens, in der die Bedürfnisse der Menschen in den privilegierten Positionen der Einen von den Vielen befriedigt werden, deren Geschenke erwartet und nötigenfalls eingefordert werden, um den Fluss der Wertzuschreibung von unten nach oben zu sichern. (Siehe Graphik 16.) Verdienende sind die Vielen tatschlich nur als Dienende, und bezahlt werden sie nur, um durch die Ausbeutung ihrer unbezahlten Mehrarbeit Kapital schaffen zu können. Insgesamt wird von ihnen erwartet, die Einen auf verschiedene Weisen zu versorgen. Dadurch erhalten die Einen ihren Wert besttigt, was ihre Kapitalakkumulation fördert.

Im Tausch kommt Wert nicht dem Bedürfnis, oder einer Person, die ein Bedürfnis hat, zu, sondern ausschließlich dem Produkt, das das Bedürfnis zu befriedigen vermag. Nur dieses fllt in die Kategorie der tauschbaren Dinge und nur diese Kategorie ist wertvoll. Die ausschließliche Bewertung von Dingen als monetr definierbare Produkte sowie die instrumentelle Bewertung von Bedürfnissen (von Seiten derer, die die Mittel haben, sich monetr definierte Produkte zu ihrer Befriedigung anzuschaffen), besetzen unsere Aufmerksamkeit und Produktion. Sie erlauben wenig Aufmerksamkeit und Produktion für die Befriedigung der Bedürfnisse der (Ver)Dienenden, die keine Einen sind – und noch weniger für die der gnzlich "Unverdienenden". Gemeinschaftliche Verbindungen werden immer schwcher und verschwinden schließlich vollends. Verglichen mit dem, was sein könnte, sind unsere gegenwrtigen Gemeinschaftsformen erbrmlich.

Die unsere Gemeinschaftsformen kennzeichnende menschliche Leere wird auf verschiedene Arten zu füllen versucht: einerseits durch weitere Verstrkungen hierarchischer Strukturen in Law-and-Order-Ideologien – andererseits aber auch durch hartnckiges Schenken inmitten des Tauschprinzips.

Was Letzteres betrifft, so gibt es Möglichkeiten für Voluntrsarbeit, die oft Hoffnungen auf das Schaffen von menschlichen Verbindungen im Eiltempo implizieren und manchmal tatschlich in der Lage sind, Verbindungen zwischen Menschen aufzubauen, die sich andererseits weiterhin als indifferente Fremde gegenüberstehen würden. Verschiedene AutorInnen[3] haben in letzter Zeit auch das Schenken an Geburtstagen und zu Weihnachten analysiert, etwas, das vor allem von Frauen praktiziert wird. Freiwillige Arbeit, gemeinnützige Organisationen oder Wohlttigkeitsvereine sind alles Mittel, mit denen versucht wird, die Wunden zu heilen und die Abgründe zu überbrücken, die von engstirnigen ego-orientierten ökonomien geschaffen werden. Religiöse Organisationen verlangen oft viel freies Schenken von Geld und Zeit und fördern damit ihre Ausbreitung. Durch gemeinsames Schenken anstelle opponierenden Tauschens breitet sich unter ihren Mitgliedern ein Sinn für Gemeinschaft aus. Geschenkt wird meist einem gemeinsamen, von der Organisation bestimmten Zweck. Außerdem wird der Organisation und ihren Grundstzen, Werten und Regeln geschenkt (in Form von Loyalitt und Gehorsam). Jedes maskulisierte und im Tausch geschaffene Ego findet so zu Eigenschaften und zu einem Glauben, die es mit anderen Menschen teilt und die sie jenseits des Egoismus führt.

Indem sie Pheromone stimulieren und Hemmungen lockern, machen Alkohol und andere soziale Drogen menschliche Verbindungen unmittelbarer. Das Trinken von Alkohol ersetzt in seiner sozialen Rolle vielleicht das gegenseitige Schenken von Milch, das gegenseitige Ausdrücken von Mütterlichkeit. Oder zumindest das gemeinsame Versorgt-Werden. Und das trotz des Machocharakters des Alkohols – schließlich provoziert exzessives Trinken oft charakteristisch maskulisiertes Verhalten: Menschen werden laut, dominant und gewaltttig. Darüber hinaus verlangt Alkoholkonsum, der zum Alkoholismus führt, spezielle Pflege von anderen, was die AlkoholikerInnen in eine Art überlegene hierarchische Position rückt im Verhltnis zu denen, die sie pflegen. Gruppen wie die Anonymen Alkoholiker schaffen Gemeinschaft durch das Versorgen ihrer gegenseitigen Bedürfnisse, um ein gemeinsames Problem zu lösen. Die Gemeinschaft, die geschaffen wird, ersetzt die Verbindungen, die geformt wurden, indem Alkohol gemeinsam getrunken wurde. Und dies geschah wiederum, um die menschlichen Verbindungen zu ersetzen, die in der Tauschökonomie verloren gegangen waren. Das Loslassen und das Vertrauen in höhere Mchte können heilende Alternativen zur maskulisierten Ideologie des übernehmens sein.

Im Sport geht es oft darum, im Zuge der geteilten Erfahrung eines kurzlebigen maskulisierten Wettkampfs, der auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet ist, etwas gemeinsam zu erleben (auch als Zuschauende). Dies ist aufschlussreich für die Bildung von Gemeinschaft im Tausch: Gemeinschaft bildet sich über gemeinsame Kriterien, denen zufolge manche als GewinnerInnen und andere als VerliererInnen kategorisiert werden. Hier wird also auf ein Bedürfnis nach Gemeinschaft geantwortet, das bereits vom Tausch und der Isolierung des selbstzentrierten Egos manipuliert worden ist. Die Antworten auf diese Entwicklung, die von Voluntrsarbeit, Selbsthilfegruppen oder BürgerInnenbewegungen kommen, schaffen – auf ihre jeweils eigenen Weisen – Geschenke auf einer Gruppenebene und können durchaus Erfolg haben im Gestalten von Gemeinschaft durch Schenken. Es sind viele Frauen in diese Prozesse involviert, da sie in deren Zuge die Fürsorge, die sie bereits in der Familie praktizieren, auf eine breitere gesellschaftliche Ebene ausdehnen können.

Da Frauen immer noch – zumindest auch – als Schenkende sozialisiert werden, leben sie in unserer heutigen Gesellschaft stndig mit einem Widerspruch und einer internen Spannung zwischen Ego-Orientiertheit und dem Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein bzw. zwischen dem Tauschprinzip und dem Schenkprinzip. Die Voluntrsarbeiten, etc., bleiben in diesem Sinne selbst Hybride zwischen Schenken und Tauschen und dienen oft dazu, den Status quo des Tauschprinzips zu erhalten, indem sie die Bedürfnisse nach Gemeinschaft befriedigen, die vom Tauschprinzip selbst nicht befriedigt werden können. Wie bereits erwhnt, haben sie zwar den positiven Effekt, dem Schenkprinzip außerhalb der Familie Platz zu schaffen, doch dient das Schenken, das dort stattfindet, oft nur der patriarchalen Ideologie selbst oder wird von dieser im Kontext des Tausches vereinnahmt. Die Kritik, die gegenwrtig das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein als co-dependency ("gegenseitige Abhngigkeit") zu diskreditieren versucht, nimmt das isolierte Individuum als Norm und das Sorgen für andere als Abweichung. So wird das Schenken wiederum abgewertet, anstatt es als Möglichkeit der Heilung zu begreifen. Natürlich gibt es ein Bedürfnis nach Unabhngigkeit, das wir respektieren müssen, und in diesem Sinne müssen wir manchmal auch wissen, wann wir nicht (zu) fürsorglich sein sollen. Doch ist das nicht, worum es der Tauschökonomie geht. Der Tauschökonomie geht es um isolierte Individuen, das privilegierte Verhalten der Einen und um die Existenz vieler (Ver)Dienender. Es ist diese ökonomie, die für unsere Probleme verantwortlich ist, nicht das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein.

Es scheint mir, dass die Bewegungen, die derzeit in den USA – und weltweit – soziale Vernderung fordern, eine Reihe der positiven Aspekte der hier besprochenen Initiativen verbinden, whrend sie sich unseren gesellschaftlichen Problemen gleichzeitig von einer komplexeren Perspektive aus nhern und versuchen, das System wirklich umzugestalten – egal ob es als kapitalistisches Patriarchat, organisierter Rassismus oder faschistische Tyrannei verstanden wird. Viel freiwillige Arbeit und kollektive Aktivitt geht in unsere feministischen, holistischen, pazifistischen und ökologischen Bewegungen. Darüber wird Gemeinschaft geschaffen. Doch obwohl es ein gemeinsames Bewusstsein unter den AktivistInnen zu geben scheint, dass alle Themen verbunden sind, wird der Tausch selbst oft noch nicht als negativ verstanden und viel maskulisiertes Verhalten (das der privilegierten Einen) reproduziert. Oft folgen die sozialen Bewegungen immer noch den Tauschprinzipien der Gleichheit und der Gleichung, auch wenn manche den Versuch unternehmen, Vielfalt zu zelebrieren und die Mutter zu ehren. Solange das Tauschprinzip jedoch als letzte Einspruchsinstanz aufrechterhalten bleibt, werden diese Bewegungen auch den Werten des Systems verhaftet bleiben, das sie zu ndern beabsichtigen. Dies schwcht die Bewegungen und die Alternativen, die sie anzubieten haben. Nicht-monetre, direkte Tauschwirtschaften können unsere Probleme beispielsweise nicht lösen. Sie können vielleicht Momente des übergangs hin zu einer Schenkökonomie eröffnen, aber nur dann, wenn sie nicht selbst als Lösungen missverstanden werden. Außerdem werden wir immer wieder von den Prinzipien der Gleichheit und der Gleichung eingeholt, solange wir nach Vergeltung rufen, nach "Strafe", nach einem "Bezahlen" für die Fürchterlichkeiten, die an der Menschheit und an der Erde begangen wurden. Solche Rufe bestrken die Prinzipien des Systems, das diese Fürchterlichkeiten verursacht hat. Deshalb – unabhngig davon, wie gut ihre Absichten sein mögen – reformieren viele der gegenwrtigen sozialen Bewegungen das System vielleicht lokal und kurzfristig, vermögen es jedoch nicht radikal zu ndern.

 

Den Schenkenden schenken

Auf einer Meta-Ebene kann Wert sich auch als Geschenk des Schenkens multiplizieren, das von den Schenkenden gemacht wird. Wir haben oben Lévi-Strauss' Auffassung erwhnt, dass der Frauentausch Verbindungen zwischen Mnnern unterschiedlicher verwandtschaftlicher Gruppen schafft und die gleiche Funktion wie ein Gütertausch hat. Was Lévi-Strauss dabei nicht sieht, ist, dass das Schenken von Frauen tatschlich ein Meta-Geschenk ist: es ist ein Geschenk, das Schenkende schenkt. Bedürfnisse nach Schenkenden existieren in jeder Gesellschaft, und das Geschenk von Schenkenden ist ein Geschenk, das – wie das Füllhorn – potentiell alle Bedürfnisse befriedigen kann. Frauen schaffen als Trgerinnen materieller Kommunikation die Verbindungen innerhalb einer Gemeinschaft, egal in welcher Position sie sich befinden: selbst dem Tausch als Güter unterworfen, ihm als Geschenke gegeben oder ihr Schicksal selbst kontrollierend. Oft erkennen Frauen selbst diese Rolle nicht und schreiben sich nicht das Meta-Geschenk des Werts zu – genauso wenig wie sie oft die Mutter als die Quelle des Schenkens erkennen oder das Schenkprinzip als Lebensweg.

Von einer feministischen ("gynophilistischen") Perspektive aus können wir Wert als das Schenken des Schenkens sehen, das im Tauschwert dazu gezwungen wird, sich gegen sich selbst zu wenden und sich selbst auszulöschen. Whrend es ursprünglich eine binre Opposition zwischen wertvoll und wertlos gab, die auf dem Schenken beruhte, das auf Andere ausgerichtet war, ist der Tausch eine neue Art von "Schenken", die nicht auf dem Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein aufbaut. Der Tauschwert schafft vielmehr einen neuen Gegenpol des Schenkens, nmlich das Schenken des Nicht-Schenkens; er schafft einen Gegenpol des Werts, der ein anderer ist als jener der Wertlosigkeit. Damit konstituiert er einen dritten Pol und es gibt nicht lnger eine binre, sondern eine dreipolige, dreieckige Struktur, die aus Wert, Wertlosigkeit und Tauschwert besteht.

Diese dreipolige Struktur wird bald gendert durch die Addition eines vierten Pols: dem Gebrauchswert. Nun wird das Geschenk des Werts dem Tausch und dem Gebrauchswert zugeschrieben und das Schenken wird gnzlich in den Hintergrund gerückt. (Siehe Graphik 17.) Flschlicherweise schreiben wir das Geschenk des Schenkens dem Tausch zu bzw. dem Markt; was nicht Tauschwert ist oder durch den Tauschprozess geht, scheint wertlos. Der Tauschwert wird der Prototyp der allgemeinen Kategorie des Werts und der Tausch selbst nimmt den Platz des Schenkens ein. Kollektiv wie individuell schenken wir dem Tausch damit zuviel Wichtigkeit, whrend wir dem Schenken jede Wichtigkeit abschreiben. Dies unter anderem deshalb, da wir uns selbst des Schenkens, das wir praktizieren, nicht bewusst sind. Wir schreiben ihm keinen Wert zu.

Dem Tausch Wert zu schenken, schenkt auch dem idealen Prototypen des erfolgreichen kapitalistischen maskulisierten Mannes Wert, der den Gegensatz zur Mutter darstellt. Das Geschenk des Werts und der Schenkenden (Mutter) wird im Tauschwert eingesperrt, indem seinem Gegensatz Wert geschenkt wird und nicht dem Schenken. (Viele Mütter und Töchter sind buchstblich eingesperrt von Ehemnnern, Vtern, Söhnen, Brüdern, usw.) Das Schenken des Schenkens ist gewöhnlich nicht als solches erkennbar, auch deshalb nicht, weil Erkennbarkeit zu einem großen Teil mit der Sprache und dem Aspekt der Ersetzung verbunden ist, der wiederum Teil des Tauschprozesses ist. Wenn der Tausch schwcher wird (oder wir außerhalb der binren Opposition zu denken beginnen), können wir den Wert des Schenkens von Schenken erkennen, genauso wie das Bedürfnis nach dem Schenken, das auf komplexen sozialen Beziehungen beruht und nicht nur auf Vorstellungen davon, was wir verdienen (Vorstellungen, die von der Selbsthnlichkeit und der Anteilnahme am Tauschprozess zu kommen scheinen).

 

Vergeben

Wenn das Geld den Platz eines Produkts einnimmt (wie das Wort den Platz eines Dings einnimmt), sagt dies über das Produkt: "Hier ist ein Geschenk, etwas, das ein Bedürfnis befriedigt!" Nachdem das Geld aber als Eigentum von einer Person an eine andere übertragen wird, tritt es in die anti-kommunikative Logik des Nicht-Geschenks ein: "Für mich, also nicht für dich – für dich (oder andere), also nicht für mich!" Unsere Kultur versteht diesen Nicht-Schenkprozess jedoch als Geschenk bzw. als sozial brauchbaren Prozess und gibt ihm den Namen "Tausch", wodurch wir unsere verbalen kommunikativen Bedürfnisse in Bezug auf diesen Prozess befriedigen können. Bald finden wir uns völlig in diesen Tauschprozess involviert und er scheint wertvoll. Er befriedigt unser Bedürfnis nach einer Quelle von Gütern in einem Moment, in dem Güter für uns unerreichbar gemacht wurden aufgrund des Eigentums und der Auslöschung des Schenkprinzips. Der Zugang zu Gütern wird von der Produktion von anderen Gütern von gleichem Wert abhngig gemacht, sowie von deren Einschtzung und Tausch, was zur Auflösung des materiellen Schenkprozesses und des Werts, den dieser vermittelt, führt. Damit werden auch die menschlichen Verbindungen und die Gemeinschaft aufgelöst, die dem Schenkprozess entsprechen. Wir beziehen uns nunmehr auf den Tausch als die Quelle dessen, was wir haben, so als wre er die Mutter – whrend er tatschlich der Maskulisierung und dem Entfremdungsprozess des Buben (bzw. des Vater, als er ein Bube war) von der Mutter entspricht. Vielleicht ist dies der Grund, warum Menschen sich so leidenschaftlich mit dem Tausch, dem Markt, dem Kapitalismus und der Maskulisierung identifizieren. Sie tun dies, weil es so scheint, als würden diese Prozesse für sie sorgen.

Das "Geschenk" des Tausches widerspricht dem wirklichen Schenken. Die Bedürfnisse, die es befriedigt, sind die Bedürfnisse einer Nicht-Gemeinschaft; es sind die Bedürfnisse von Menschen, die in feindseligen Beziehungen von Verkaufenden gegen Kaufende leben. Obwohl wir damit fortsetzen, anhand von Sprache und anderen Zeichensystemen zu kommunizieren, hat sich unsere materielle Kommunikation drastisch verndert und in ihr Gegenteil verkehrt und unsere Einstellungen anderen gegenüber sind demgemß von Furcht und Ressentiment geprgt.

Vergeben wird zu einem moralischem Problem, whrend es eigentlich nur die psychologische Manifestation des Schenkprinzips ist. Wenn wir vergeben, weisen wir Hass und Verbitterung zurück, sowie das Prinzip der Vergeltung, des "Ausgleichens" und "Zurückzahlens" des Unrechts, das begangen wurde. All dies sind psychologische Ausdrücke des Tausches. Wir versuchen stattdessen die Motivationen für die Handlungen von Menschen in ihren unbefriedigten Bedürfnissen zu sehen. Und wir versuchen, die persönlichen und sozialen Gründe für diese Bedürfnisse zu verstehen, sie zu befriedigen und nach Möglichkeit die Bedingungen ihres Entstehens zu ndern. (Mit anderen Worten: Wir weigern uns, das Schenken des Geschenks für das Nicht-Geschenk aufzugeben. Wir wechseln nicht zum Tausch über.) Wieder zum Schenken zurückzukehren, würde bedeuten, allen zu vergeben.

Es ist beinahe so, als würde das Wort "vergeben" den Weg zum Prinzipienwechsel weisen. Es geht dabei nicht um einen rein individuellen Akt des Vergebens ("Ich vergebe dir!"). Es geht vielmehr um einen allgemeinen Wechsel in unseren Werthaltungen, in unserer Einstellung zum Schenken, in unserem Verhltnis zu Schuld, Schuldzuweisung, Manipulation und Strafe. Die letzteren Vorstellungen sind alle Ausdruck des Tauschprinzips auf der psychologischen Ebene und halten uns an dieses gebunden. Wenn wir im Gegensatz dazu dem Schenkprinzip in unserem Leben Ausdruck verleihen, fördern wir es alleine dadurch, dass andere es unverhüllt wahrnehmen und unserem Beispiel folgen können. Wenn wir die Prinzipien wechseln, unser Verhalten bewusst ndern und Tausch und Vergeltung bewusst überwinden, können wir einen dauerhaften Effekt haben. Dieser Wechsel muss dabei als praktische Möglichkeit für alle gesehen werden, eher denn als eine rein moralische Entscheidung. Der Rahmen der Moralitt reduziert die Tragweite des Vergebens auf unsere individuellen Beziehungen, whrend es um einen kollektiven Wechsel hin zur Mutter und zur Mütterlichkeit geht. Das ist das Bedürfnis aller Kinder dieser Erde.

 

Das Unterstützen der entfremdeten Nicht-Gemeinschaft

Auch im Tausch setzen wir damit fort, kleinen Kindern zu schenken und mit ihnen eine Gemeinschaft zu formen, in der sie als gemeinschaftliche Wesen sozialisiert werden. Doch unter uns Erwachsenen ist der Tausch wirklich zur wichtigsten und am weitesten ausgedehnten Form materieller Kommunikation geworden. Wir haben eine entfremdete Nicht-Gemeinschaft geformt, an die sich auch unsere Kinder als Erwachsene anzupassen haben, um in ihr überleben zu können.

Die Nicht-Gemeinschaft der Tauschenden erfordert viele Geschenke. Sie erfordert geschenkte Arbeit, um den Profit produzieren zu können, der Kapitalisten motiviert, Unternehmen aufzubauen und zu erhalten. Sie erfordert die freie Arbeit der Frauen, die sich um die Gebrauchswerte kümmern, Arbeitenden schenken, die Arbeiterschaft reproduzieren und damit die Gewinnspanne erhöhen. Sie erfordert das Geschenk unseres Vertrauens und Glaubens, dass sie lebenswert und "gerecht" ist. Und sie erfordert das Schenken der Menschen untereinander, das jenseits bzw. trotz des Tausches stattfindet – nicht nur in Form verbaler Kommunikation, sondern in Form all der Akte von Güte, Liebe, Großzügigkeit, Gastfreundschaft und Solidaritt, die das Leben lebenswert machen.

Unsere sthetische Erfahrung beruht zu einem großen Teil auf dem kreativen Empfangen von Geschenken. Auch wenn die Kunstgegenstnde selbst nicht frei sein mögen. Der nicht-kommerzielle Aspekt, der in jeder Art von Geschft oder Arbeit oder Aktivitt enthalten ist, ist immer frei. Manchmal werden auch Produkte frei auf den Markt gebracht. Die Reise der Kaufenden zum Markt geschieht gewöhnlich immer auf deren eigene Kosten. Die Bedürfnisse der Konsumierenden sind zu einem großen Teil beeinflusst von ihrer Sorge füreinander, speziell seitens der Frauen (aber auch mancher Mnner), die die Produkte kaufen müssen, die sie sie für ihre Rolle als Fürsorgende benötigen. Auch die Entwicklung von Bedürfnissen und Begierden ist frei und vollzieht sich im Kontext der Fürsorge (auch wenn dies heute wesentlich durch die Werbung manipuliert wird).

Das Geschenk des Werts ist auch ein Geschenk – nicht nur an den Tausch, sondern an ein systematisches (und instrumentelles, konditionelles) Ego mit dem Bedürfnis zu wissen und abzuschtzen, wie viel eine Person geschenkt hat. Die Produktion einer Person wird quantifiziert und mit der aller anderen verglichen. Angeblich ist diese Abschtzung wichtig, um die Person für ihre Produktion "gerecht entlohnen" zu können, doch wirklich geht es darum, denjenigen Macht zu verschaffen, die beurteilen, wer Zugang zum Tausch verdient, wer verdient, dass ihm/ihr geschenkt wird, und wer verdient das privilegierte Eine, der Prototyp zu sein. (Das Privileg und die Allgemeinheit des Prototyps kommen von der Polarisierung des Kategorisierungsprozesses, dem sie zugehörig sind, und haben nichts mit dessen Produktionsleistung oder hnlichem zu tun.) Wenn wir von Verdienen sprechen, so kommt der quivalenz bzw. Korrespondenz zwischen Ding und Wort, zwischen Produkt und Geld, zwischen Arbeit und Lohn, exzessiver Wert zu – sehr wenig Wert wird den Bedürfnissen selbst geschenkt.

Gleichungen haben keinen eigenen Wert. Ihr Wert kommt ihnen von außen zu. Wir haben gesehen, dass Gleichungen die Beziehungen zwischen Dingen und Bedürfnissen definieren, und wir überbewerten diesen Aspekt. Tausch könnte nicht existieren, wenn er nicht in vielfltiges Schenken auf vielfltigen Ebenen eingebettet wre. Das "Geschenk" des Nicht-Schenkens und die entfremdete Gemeinschaft von Nicht-Schenkenden existieren nur, da sie in eine Gemeinschaft von Schenkenden eingebettet sind, von der sie versorgt werden.

Zu den Geschenken, die wir dem Nicht-Schenken zukommen lassen (und die von diesem vereinnahmt werden), gehören das der überbewertung des Tausches und unserer Blindheit gegenüber dem Schenken. Unsere Gemeinschaftsformen werden nicht dem Schenken gemß geformt, sondern folgen den Prinzipien des Tausches. Das gleiche gilt für unsere kommunikativen Bedürfnisse. Wir kommunizieren nicht viel über das Schenken. (Dieser "pragmatische Grund" wird auch als Legitimation unserer Misogynie und unseres Verleugnens des Schenkens herangezogen und hilft uns, uns diese selbst zu verzeihen. Schuld, Selbstanklage und das Prinzip, "uns selbst etwas zurückzuzahlen", besttigen die Tauschlogik freilich nur noch weiter.) Der Tausch hat den Platz materieller Schenkkommunikation genauso eingenommen wie die verbale Kommunikation den Platz materieller Kommunikation eingenommen hat oder wie Mnner den Platz der Frauen eingenommen haben. In ihrem Individualismus sind die Tauschenden einander alle verwandt auf eine Weise, die perfekt mit dem Ideal der Maskulisierung einhergeht bzw. mit dem Bild des einsamen, individualistischen Jgers.

Von den Geschenken, die von der Gemeinschaft geschenkt werden (die immer noch auf einer abstrakten Ebene dem Schenken gemß funktioniert), ist das wichtigste das Meta-Geschenk des Werts, nach dem sich andere Geschenke und Dienste richten. Wir halten den Wert hoch und schreiben ihn der Kunst zu, der Musik oder der Literatur. Diese Prozesse schreiben wiederum selbst in zahlreichen komplexen, wundervollen und überraschenden Formen Wert zu. Wir schtzen die Geschenke von MalerInnen oder ErzhlerInnen genauso wie die Geschenke politischer OrganisatorInnen oder selbst das gift of gab[4] von Geschftsleuten. Diese richten unsere Aufmerksamkeit auf Neues und ndern unsere gewöhnlichen Wertzuschreibungen. Wir lieben weiters die Geschenke der Natur, der Kultur, der Geschichte oder der Wissenschaft, Werte, die, indem sie viele unserer Bedürfnisse befriedigen, uns auch Wert zuschreiben. Doch trotz dieser Wertzuschreibungen, die sich außerhalb des Tauschprinzips vollziehen, erhalten wir dieses aufrecht, solange wir dem Tausch den höchsten Wert zukommen lassen und die meisten unserer Güter und Dienste auf ihn beziehen.

Eine andere Weise, auf die dem Tausch, der Logik der Ersetzung und allen Manifestationen der Maskulisierung Wert zugeschrieben wird, sind die Reproduktionsprozesse. Nur wenn wir wirklich seine Ursprünge und negativen Effekte kennen und verstehen, können wir verhindern, dass sich der Tausch permanent reproduziert und selbst besttigt. Mittlerweile hat die Tauschstruktur ein hohes Maß an Unabhngigkeit erreicht und gleitet gewissermaßen durch das Universum, um alle Maskulisierungsstrukturen zu besttigen, wo immer sich diese auch finden mögen.

Tatschlich macht die Menschheit, wenn sie der Struktur der Maskulisierung erlaubt, sich unentwegt zu reproduzieren, diese Struktur zu einer Art "Ding" – zu einem Ding, dem wir Wert verleihen, das auf ein Wort bezogen wird, dem wir einen Namen geben, über das wir kommunizieren, das zu einem Prototypen wird, und um das herum wir Kategorien formen. Damit etablieren wir die Struktur endgültig.

Sobald wir diese Struktur jedoch (zum Beispiel) "Patriarchat" nennen, beginnen wir bereits, sie zu transformieren – wir zwingen sie dazu, dem Wort auszuweichen, das unser gegenseitiges kommunikatives Geschenk für sie ist. Frauen formen sich als Gemeinschaft, wenn sie über das Patriarchat sprechen, so wie ich das in diesem Buch tue und wie es progressive und feministische Bewegungen überall tun. Diese Bewegungen verweisen auf die verschiedenen Muster der Unterdrückung und begreifen die Verbindungen zwischen ihnen. Der nchste Schritt muss darin bestehen, uns gegenseitig zu schenken: Zeit, Aufmerksamkeit, Fürsorge, Güter, das Formen materieller Gemeinschaften jenseits des Tausches. Dann arbeiten wir daran, die Wirklichkeit zu transformieren, und kommen der Möglichkeit nher, der Zukunft eine gute Welt zu schenken.

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[1] Siehe Kapitel 8, Fußnote 7.

[2] Diese Situation ist jener hnlich, in welcher der Kategorie Wert geschenkt wird, whrend wir gewöhnlich annehmen, der Wert der Kategorie komme von ihr selbst oder von den Dingen, die sie konstituieren.

[3] Vgl. beispielsweise David Cheal, The Gift Economy.

[4] Anm. d. übers.: The gift of gab = am ehesten "Redekunst". Meist verwendet in Zusammenhang mit oraler afroamerikanischer Kultur; teils poetische, teils sophistische Konnotationen.


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