Der Tausch selbst schenkt
keinen Wert, auch wenn es so aussehen mag, als würde er dies im Zuge des Prozesses
monetrer Definition tun. In diesem schreibt er Dingen etwas zu, das für Geld
tauschbar ist. Doch ist ein Tauschwert nicht der
Wert, von dem wir sprechen. Der Tauschwert kommt nicht von den Dingen selbst,
sondern wird ihnen – genauso wie dem Tauschprozess insgesamt – von
außen zugeschrieben. (Für den Tauschprozess gilt damit dasselbe wie für die
Maskulisierung.) Was den Tausch anlangt, vollzieht sich die Wertzuschreibung
auf mehreren Ebenen: sie bezieht sich gleichzeitig auf den Prozess im Ganzen,
auf den Teil des Prozesses, der von den Produkten des Marktes eingenommen wird,
sowie auf die gesamten Komplexitten des Kapitalismus, die auf dem Prozess
aufbauen.
Im Schenken wird Wert
transitiv von den Schenkenden auf die Beschenkten übertragen. Im Tausch kommt
der Wert des Geschenks jedoch keinen anderen zu, da es allen im Tausch Involvierten
um die Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse geht. Im Tausch sind nicht die
Bedürfnisse der Beschenkten wichtig, sondern die derjenigen, die den Tausch
initiiert haben. Dadurch dass den Verkaufenden Geld gegeben wird, kann das
Produkt den Kaufenden das, was sie gegeben haben, in Form eines Tauschwerts
zurückgeben. Sie "verdienen" dies, da sie zuvor selbst Verkaufende waren. Wenn
die Kaufenden nicht das erhalten, was ihr Geld wert war, dann verbleibt mehr
Wert auf der Seite der Verkaufenden (was eine weitere Versuchung zum Betrug
darstellt).
Die Praxis, zu
kaufen, um zu verkaufen, versucht, die Menge an Wert zu steigern, der einem
Produkt von Menschen zukommt, sowie – in Folge – die Menge an Geld,
die für dieses Produkt ausgegeben wird. Wir erwarten etwa, dass einem Produkt,
das wir von einem Ort an einen anderen transportiert haben, deshalb nun mehr
Wert zukommt. Wenn wir ein besonders seltenes Produkt haben, mögen wir es sogar
zu einem Prototypprodukt machen und hoffen, dass es als solches sehr begehrt sein
wird.
Handel wird
möglich, wenn wir Produkte verortet, sie zugnglich gemacht und mit Attributen
von "Haltbarkeit", "Bequemlichkeit", usw., versehen haben. Damit wird ihnen von
außen Wert geschenkt. Es mag ihnen sogar Extra-Wert
geschenkt werden, wenn wir befürchten müssen, dass einige unserer Bedürfnisse
unbefriedigt bleiben. Mangel dient der Steigerung in der Wertzuschreibung und
wird oft zu diesem Zweck geschaffen – was dann euphemistisch "Steigerung
der Nachfrage" genannt wird.
Die Seltenheit
eines Produkts scheint den Wert jener anzuheben, die es besitzen. Die Kaufenden
bezahlen für diesen Wert und reproduzieren damit das Muster der
Wertzuschreibung im Tausch. Selbst können sie ihren eigenen Wert dadurch
anheben, dass Produkten als Kennzeichen von (maskulisiertem) Status Wert
zugeschrieben wird. Diese Wertzuschreibungen beeinflussen die Prioritten der Kaufenden
und ihre marginalen Entscheidungen.
Ihre Wertzuschreibungen scheinen in ihrer Produktwahl als Kaufende ausgedrückt.
Diese werden von ökonomen durchwegs als Ausdruck von Selbstinteresse
interpretiert. Die getroffen Wahlen bewegen sich natürlich innerhalb der Parameter
des Tausches – der Markt ist dort ein Gegebenes.
Dingen, die sich in
der Kategorie tauschbarer Produkte befinden, kann von außen Wert zugeschrieben
werden. Produkte des Marktes erhalten mehr Wert als frei Vorhandenes –
wie Luft oder Wasser – oder als Dinge, die – aus welchen Gründen
auch immer: sei es, weil sie kaputt sind, sei es, weil es sie im überfluss gibt
– nicht verkauft werden können. Wenn sich Dinge als Produkte auf dem
Markt befinden, zeigt dies auch, dass ihnen in der Vergangenheit bereits
entsprechender Wert zukam – ein Wert, der oft als "Produktionskost"
berechnet und ausgedrückt wird. Der Markt stellt Dinge – und Menschen
– in eine dekontextualisierte Position, in der ihr Wert von der
Möglichkeit ihrer Ersetzung und vom Vergleich mit jenen Dingen kommt, die
keinen Tauschwert haben. Der Prozess, etwas auf den Markt zu bringen, ist daher
dem Prozess hnlich, etwas zum Thema unserer Kommunikation zu machen (worüber
wir unsere menschlichen Beziehungen gestalten). Wir anerkennen Wert und
schreiben Wert zu. Was in der Gestaltung des Marktes passiert, ist eine
Zeitlupenversion der Semiotisierung der materiellen Ebene.
Auf dem Markt
gestalten wir die uns trennenden Eigentumsbeziehungen, indem Produkte stndig
neuen Besitzenden zukommen, die ihren Wert in Form von Geld ersetzt haben. In
der Sprache gestalten wir unsere integrativen sozialen Verhltnisse in Bezug
auf Dinge, indem wir eine gemeinsame Erfahrung und einen gemeinsamen Grund auf
der Basis geteilter Ersatzgeschenke schaffen, wenn wir über ein gemeinsames
Thema sprechen. Wenn unsere menschlichen Beziehungen sich auf eine konsistente
und koordinierte Weise ndern, wenn wir uns auf ein gemeinsames Etwas (ein
Thema, ein Ding, usw.) beziehen, dann wird die allgemeine Beziehung dieses
Etwas zu uns (als Gruppe) offenbart und genutzt; whrend wir diese allgemeine
Beziehung gleichzeitig dazu nutzen, uns über dieses Etwas zur Gruppe in
Beziehung zu setzen und unsere individuellen Beziehungen zu ihr zu ndern, indem
wir sie spezifizieren.
Im Tausch bringen
wir Dinge gewöhnlich an einen konkreten Ort, z.B. in ein Geschft, wo sie als
wertvoll für die manipulierten Formen menschlicher materieller Kommunikation,
die den Tausch kennzeichnen, kategorisiert und diesem überlassen werden. Im
Sprechen gestalten wir gewöhnlich unsere Beziehung zu Dingen, indem wir die
Wörter gebrauchen, denen diese Dinge spezifisch ausweichen; wir besttigen dabei
den Wert dieser Dinge, indem wir zeigen, dass sie in den Prozessen menschlicher
Kommunikation bereits als wertvoll genug eingeschtzt wurden, um Wörter zu
erhalten, die sie verbal ersetzen können.
Im Tausch tritt das
Produkt in die Kategorie des Wertvollen ein, wenn es auf Geld bezogen werden
kann. In der Sprache wird einem Ding Wert beigemessen, wenn es eine kulturelle
Funktion erfüllt. Die Semiotisierung beruht auf diesem Prozess. Das Ding, dem
auf diese Weise Wert zukommt, ist sozial auf andere Dinge derselben Kategorie
(und auf ein Wort als seinem Namen) bezogen sowie auf die Wörter, die
Kommunizierende momentan mit ihm verknüpfen. Die Kategorisierung des Dings ist
Teil seiner Beziehung zu den Vielen, in genau der Form, in der das für die
Kategorisierung eines Produkts als Tauschwert auf dem Markt gilt. Tauschende
wie Kommunizierende anerkennen den Wert von Produkten oder von auf Namen
bezogenen Dingen und schreiben ihnen weiteren zu. Im ersten Fall wird dabei die
Kategorie des Tauschwerts geschaffen, im zweiten wird Dingen jeder Kategorie
kultureller oder semantischer Wert zugeschrieben.
Die
Wertzuschreibung an eine Kategorie oder an den Markt entspricht der Wertzuschreibung
an Hierarchien mit ihren unterschiedlichen Ebenen (z.B. wenn dem Militr –
als Ganzem – von außen Wert zugeschrieben wird). Hierarchien organisieren
den Fluss von Wert und Gütern nach oben hin. Sie sind vertikale Reihen
maskulisierter Definition. Es sind dabei die Vielen, die nach oben hin schenken,
sowohl an die privilegierten Kategorien wie an deren privilegierte Prototypen,
die Einen. Die Strukturen des Tausches und der Hierarchie verbinden sich oft
(z.B. im Militr oder in der Kirche) und diejenigen, die sich in einer Kategorie,
der Wert zugeschrieben wird, befinden, werden von denjenigen, die sich
außerhalb dieser Kategorie befinden, unterstützt (z.B. durch Steuern oder die
alten Zehnten). Eine hierarchische Strukturen richtet Befehle abwrts und
verlangt Gehorsam und die Dienste der Vielen aufwrts, hin zu den immer höheren
Ebenen der Einen.
Der Wert bestimmter
Produkte ergibt sich aus ihrer Position innerhalb der Totalitt der Dinge des
Marktes. Der Wert dieser Totalitt wird ihnen von außen durch freie Arbeit und unsere
Schenkpraktiken zugetragen.
Dem Markt wird deshalb Wert geschenkt, da er als die einzige Quelle von Gütern
gilt – paradoxerweise vor allem in Zeiten des Mangels. Das überleben wird
von ihm abhngig gemacht, da es keine Alternativen zu geben scheint. Im Müll zu
wühlen oder betteln zu gehen, gilt als sozial unakzeptabel; und so genannte
autarke Gemeinschaften (self-sustainable communities) sind relativ neue und isolierte Entwicklungen. So wird der Wert, der
dem Markt zukommt, zum Prototypen der Kategorie des Werts überhaupt.
Der Markt erhlt
seinen Wert also von den Menschen, die ihm diesen von außen schenken. Doch wird
dies meist nicht verstanden. Meist wird gedacht, der Wert des Marktes kommt vom
Tausch, vom Markt selbst oder von seinen Produkten. Der Güterfetischismus kommt
von der Verleugnung und der Auslöschung der Schenkwertzuschreibungen. Jeder
Wert, der nicht nach Marktprinzipien verdient wird, wird als Schwindel
betrachtet, da das Schenken nicht als etwas Wertvolles anerkannt ist. Wenn wir
etwas frei bekommen, oder weniger für etwas bezahlen als seinen Marktpreis, so
scheint es, als htten wir dem Markt das, was wir erhalten haben, nicht
entsprechend zurückgegeben. In diesem Sinne mag es unfair erscheinen, wenn wir
etwas frei erhalten. Doch geht eine solche überlegung natürlich am Wesentlichen
vorbei, da wir gewöhnlich immer anderen in verschiedenen Formen geschenkt und den
Markt dadurch unterstützt haben: durch unsere Fürsorge, unsere Profit schaffende
freie Arbeit, unsere Wertzuschreibungen an das System sowie seine nutzlosen und
zerstörerischen Produkte und die PolitikerInnen und die Vorstellungen, die ihn
aufrechterhalten. Enorme Beitrge werden stndig von allen an den Markt
geleistet, bleiben aber unerkannt.
Wenn wir ein
nutzloses Spielzeug oder ein nutzlose Süßigkeit oder eine nutzlose Gesichtscreme
kaufen, die auf dem Markt erhltlich sind und für die geworben wird, dann
schenken wir Extra-Wert. Und zwar nicht nur den Produzierenden und Verkaufenden
des Produkts, sondern auch dem Marktprozess selbst, ohne den wir diese Produkte
nie gekauft htten. Werbung verlangt ununterbrochen das freie Geschenk unserer
Aufmerksamkeit. Unsere Köpfe, Herzen und Huser sind gefüllt mit Produkten, die
vom Markt kommen oder auf den Markt sollen. Das Gleiche gilt für einen großen
Teil der uns zur Verfügung stehenden Zeit: der größte Teil der Aufmerksamkeit
unseres Lebens gilt dem Markt und den Formen, in denen wir an ihm teilhaben.
Das Schenken von
Wert
Der Wert bildet
eine binre Opposition mit dem, dem kein Wert zugeschrieben wird. Er definiert
unsere Beziehungen zu Menschen, da wir uns auf Wertgeschtztes strker beziehen
als auf Nicht-Wertgeschtztes. Es scheint natürlich zu sein, Kategorien zu
formen in Bezug auf Dinge, die wir wertschtzen. Wenn wir einem negativen Wert Aufmerksamkeit
schenken, müssen wir dessen negative Implikationen mit vielen Geschenken
auszugleichen versuchen. Das Bedürfnis einer bestimmten Person zu befriedigen,
verleiht dieser Person Wert.
Da im Tausch die Befriedigung
der Bedürfnisse anderer nur verwendet wird, um die Befriedigung unserer eigenen
Bedürfnisse sicherzustellen, löscht der Tausch das Geschenk aus und schafft
eine Pattstellung in Form einer Gleichung. Weder Geschenke noch damit
vermittelte Werte können dann zu anderen gelangen. Die Produktion von
Konsumbedürfnissen, die der Steigerung ökonomischer Produktion dienen soll,
erweist sich als noch erbarmungsloser als die Gleichung, da sie zwangslufig
die Produktion einer Reihe ganz und gar unbefriedigbarer Bedürfnisse schafft.
Die Gleichungen von
Angebot und Nachfrage entsprechen jenen von Frage und Antwort. "Effektive Nachfrage" ist der Ausdruck eines Bedürfnisses (einer "Frage") durch Geld. Die
Produktion ist die Antwort. Doch diese Form von Interaktion ist eine Nachahmung
und Verlagerung, ja sogar eine Travestie der Prozesse des Schenkens und
Empfangens, in denen Bedürfnisse direkt erkannt und befriedigt werden. Hier
wird im Gegensatz dazu ein symmetrisch geschlossener Zirkel geschaffen, in dem
isolierte, selbstzentrierte Personen nur geben, um zu erhalten, und allen
anderen nur in dem Sinne gleich sind, dass sie dasselbe tun. Die Gleichungen
des Marktes sind Projektionen dieses symmetrischen Zirkels. Das Schenken und
die Bedürfnisse, die es befriedigt – sowie die Bedürfnisse, die als
uneffektiv kategorisiert werden und unbefriedigt bleiben – liegen
außerhalb dieses Zirkels. Gleichzeitig stützen sie ihn.
Hierarchien und
Notgemeinschaften
Indem der Tausch
uns als Einzelne voneinander trennt, legt er unseren Beziehungen eine Struktur
auf, in der nur noch manipulierte materielle Kommunikation und manipulierte
Formen von Gemeinschaft möglich sind. Diese Struktur ist die hierarchische
Struktur des Platz-Einnehmens (des übernehmens) und des Ersetzens, in der die Bedürfnisse
der Menschen in den privilegierten Positionen der Einen von den Vielen befriedigt
werden, deren Geschenke erwartet und nötigenfalls eingefordert werden, um den
Fluss der Wertzuschreibung von unten nach oben zu sichern. (Siehe Graphik 16.) Verdienende sind die Vielen tatschlich nur als Dienende, und bezahlt werden sie
nur, um durch die Ausbeutung ihrer unbezahlten Mehrarbeit Kapital schaffen zu
können. Insgesamt wird von ihnen erwartet, die Einen auf verschiedene Weisen zu
versorgen. Dadurch erhalten die Einen ihren Wert besttigt, was ihre
Kapitalakkumulation fördert.
Im Tausch kommt
Wert nicht dem Bedürfnis, oder einer Person, die ein Bedürfnis hat, zu, sondern
ausschließlich dem Produkt, das das Bedürfnis zu befriedigen vermag. Nur dieses
fllt in die Kategorie der tauschbaren Dinge und nur diese Kategorie ist
wertvoll. Die ausschließliche Bewertung von Dingen als monetr definierbare
Produkte sowie die instrumentelle Bewertung von Bedürfnissen (von Seiten derer,
die die Mittel haben, sich monetr definierte Produkte zu ihrer Befriedigung
anzuschaffen), besetzen unsere Aufmerksamkeit und Produktion. Sie erlauben
wenig Aufmerksamkeit und Produktion für die Befriedigung der Bedürfnisse der (Ver)Dienenden,
die keine Einen sind – und noch weniger für die der gnzlich "Unverdienenden".
Gemeinschaftliche Verbindungen werden immer schwcher und verschwinden
schließlich vollends. Verglichen mit dem, was sein könnte, sind unsere
gegenwrtigen Gemeinschaftsformen erbrmlich.
Die unsere Gemeinschaftsformen
kennzeichnende menschliche Leere wird auf verschiedene Arten zu füllen
versucht: einerseits durch weitere Verstrkungen hierarchischer Strukturen in Law-and-Order-Ideologien – andererseits aber auch durch hartnckiges Schenken
inmitten des Tauschprinzips.
Was Letzteres
betrifft, so gibt es Möglichkeiten für Voluntrsarbeit, die oft Hoffnungen auf
das Schaffen von menschlichen Verbindungen im Eiltempo implizieren und manchmal
tatschlich in der Lage sind, Verbindungen zwischen Menschen aufzubauen, die
sich andererseits weiterhin als indifferente Fremde gegenüberstehen würden.
Verschiedene AutorInnen
haben in letzter Zeit auch das Schenken an Geburtstagen und zu Weihnachten
analysiert, etwas, das vor allem von Frauen praktiziert wird. Freiwillige
Arbeit, gemeinnützige Organisationen oder Wohlttigkeitsvereine sind alles Mittel,
mit denen versucht wird, die Wunden zu heilen und die Abgründe zu überbrücken, die
von engstirnigen ego-orientierten ökonomien geschaffen werden. Religiöse
Organisationen verlangen oft viel freies Schenken von Geld und Zeit und fördern
damit ihre Ausbreitung. Durch gemeinsames Schenken anstelle opponierenden
Tauschens breitet sich unter ihren Mitgliedern ein Sinn für Gemeinschaft aus.
Geschenkt wird meist einem gemeinsamen, von der Organisation bestimmten Zweck.
Außerdem wird der Organisation und ihren Grundstzen, Werten und Regeln geschenkt
(in Form von Loyalitt und Gehorsam). Jedes maskulisierte und im Tausch
geschaffene Ego findet so zu Eigenschaften und zu einem Glauben, die es mit
anderen Menschen teilt und die sie jenseits des Egoismus führt.
Indem sie Pheromone
stimulieren und Hemmungen lockern, machen Alkohol und andere soziale Drogen menschliche
Verbindungen unmittelbarer. Das Trinken von Alkohol ersetzt in seiner sozialen
Rolle vielleicht das gegenseitige Schenken von Milch, das gegenseitige
Ausdrücken von Mütterlichkeit. Oder zumindest das gemeinsame Versorgt-Werden.
Und das trotz des Machocharakters des Alkohols – schließlich provoziert
exzessives Trinken oft charakteristisch maskulisiertes Verhalten: Menschen
werden laut, dominant und gewaltttig. Darüber hinaus verlangt Alkoholkonsum,
der zum Alkoholismus führt, spezielle Pflege von anderen, was die
AlkoholikerInnen in eine Art überlegene hierarchische Position rückt im Verhltnis
zu denen, die sie pflegen. Gruppen wie die Anonymen Alkoholiker schaffen Gemeinschaft
durch das Versorgen ihrer gegenseitigen Bedürfnisse, um ein gemeinsames Problem
zu lösen. Die Gemeinschaft, die geschaffen wird, ersetzt die Verbindungen, die
geformt wurden, indem Alkohol gemeinsam getrunken wurde. Und dies geschah
wiederum, um die menschlichen Verbindungen zu ersetzen, die in der Tauschökonomie
verloren gegangen waren. Das Loslassen und das Vertrauen in höhere Mchte
können heilende Alternativen zur maskulisierten Ideologie des übernehmens sein.
Im Sport geht es
oft darum, im Zuge der geteilten Erfahrung eines kurzlebigen maskulisierten Wettkampfs,
der auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet ist, etwas gemeinsam zu erleben
(auch als Zuschauende). Dies ist aufschlussreich für die Bildung von
Gemeinschaft im Tausch: Gemeinschaft bildet sich über gemeinsame Kriterien,
denen zufolge manche als GewinnerInnen und andere als VerliererInnen
kategorisiert werden. Hier wird also auf ein Bedürfnis nach Gemeinschaft
geantwortet, das bereits vom Tausch und der Isolierung des selbstzentrierten
Egos manipuliert worden ist. Die Antworten auf diese Entwicklung, die von
Voluntrsarbeit, Selbsthilfegruppen oder BürgerInnenbewegungen kommen, schaffen
– auf ihre jeweils eigenen Weisen – Geschenke auf einer
Gruppenebene und können durchaus Erfolg haben im Gestalten von Gemeinschaft
durch Schenken. Es sind viele Frauen in diese Prozesse involviert, da sie in
deren Zuge die Fürsorge, die sie bereits in der Familie praktizieren, auf eine
breitere gesellschaftliche Ebene ausdehnen können.
Da Frauen immer noch
– zumindest auch – als Schenkende
sozialisiert werden, leben sie in unserer heutigen Gesellschaft stndig mit einem
Widerspruch und einer internen Spannung zwischen Ego-Orientiertheit und dem Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein
bzw. zwischen dem Tauschprinzip und dem Schenkprinzip. Die Voluntrsarbeiten,
etc., bleiben in diesem Sinne selbst Hybride zwischen Schenken und Tauschen und
dienen oft dazu, den Status quo des Tauschprinzips zu erhalten, indem sie die
Bedürfnisse nach Gemeinschaft befriedigen, die vom Tauschprinzip selbst nicht
befriedigt werden können. Wie bereits erwhnt, haben sie zwar den positiven
Effekt, dem Schenkprinzip außerhalb der Familie Platz zu schaffen, doch dient das
Schenken, das dort stattfindet, oft nur der patriarchalen Ideologie selbst oder
wird von dieser im Kontext des Tausches vereinnahmt. Die Kritik, die
gegenwrtig das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein als co-dependency ("gegenseitige Abhngigkeit") zu diskreditieren versucht, nimmt das
isolierte Individuum als Norm und das Sorgen für andere als Abweichung. So wird
das Schenken wiederum abgewertet, anstatt es als Möglichkeit der Heilung zu
begreifen. Natürlich gibt es ein Bedürfnis nach Unabhngigkeit, das wir respektieren
müssen, und in diesem Sinne müssen wir manchmal auch wissen, wann wir nicht
(zu) fürsorglich sein sollen. Doch ist das nicht, worum es der Tauschökonomie
geht. Der Tauschökonomie geht es um isolierte Individuen, das privilegierte
Verhalten der Einen und um die Existenz vieler (Ver)Dienender. Es ist diese
ökonomie, die für unsere Probleme verantwortlich ist, nicht das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein.
Es scheint mir,
dass die Bewegungen, die derzeit in den USA – und weltweit –
soziale Vernderung fordern, eine Reihe der positiven Aspekte der hier
besprochenen Initiativen verbinden, whrend sie sich unseren gesellschaftlichen
Problemen gleichzeitig von einer komplexeren Perspektive aus nhern und
versuchen, das System wirklich umzugestalten – egal ob es als
kapitalistisches Patriarchat, organisierter Rassismus oder faschistische
Tyrannei verstanden wird. Viel freiwillige Arbeit und kollektive Aktivitt geht
in unsere feministischen, holistischen, pazifistischen und ökologischen
Bewegungen. Darüber wird Gemeinschaft geschaffen. Doch obwohl es ein
gemeinsames Bewusstsein unter den AktivistInnen zu geben scheint, dass alle
Themen verbunden sind, wird der Tausch selbst oft noch nicht als negativ
verstanden und viel maskulisiertes Verhalten (das der privilegierten Einen)
reproduziert. Oft folgen die sozialen Bewegungen immer noch den
Tauschprinzipien der Gleichheit und der Gleichung, auch wenn manche den Versuch
unternehmen, Vielfalt zu zelebrieren und die Mutter zu ehren. Solange das Tauschprinzip
jedoch als letzte Einspruchsinstanz aufrechterhalten bleibt, werden diese
Bewegungen auch den Werten des Systems verhaftet bleiben, das sie zu ndern
beabsichtigen. Dies schwcht die Bewegungen und die Alternativen, die sie
anzubieten haben. Nicht-monetre, direkte Tauschwirtschaften können unsere
Probleme beispielsweise nicht lösen. Sie können vielleicht Momente des
übergangs hin zu einer Schenkökonomie eröffnen, aber nur dann, wenn sie nicht
selbst als Lösungen missverstanden werden. Außerdem werden wir immer wieder von
den Prinzipien der Gleichheit und der Gleichung eingeholt, solange wir nach
Vergeltung rufen, nach "Strafe", nach einem "Bezahlen" für die
Fürchterlichkeiten, die an der Menschheit und an der Erde begangen wurden.
Solche Rufe bestrken die Prinzipien des Systems, das diese Fürchterlichkeiten
verursacht hat. Deshalb – unabhngig davon, wie gut ihre Absichten sein
mögen – reformieren viele der gegenwrtigen sozialen Bewegungen das
System vielleicht lokal und kurzfristig, vermögen es jedoch nicht radikal zu ndern.
Den Schenkenden
schenken
Auf einer
Meta-Ebene kann Wert sich auch als Geschenk des Schenkens multiplizieren, das
von den Schenkenden gemacht wird. Wir haben oben Lévi-Strauss' Auffassung
erwhnt, dass der Frauentausch Verbindungen zwischen Mnnern unterschiedlicher
verwandtschaftlicher Gruppen schafft und die gleiche Funktion wie ein
Gütertausch hat. Was Lévi-Strauss dabei nicht sieht, ist, dass das Schenken von
Frauen tatschlich ein Meta-Geschenk ist: es ist ein Geschenk, das Schenkende
schenkt. Bedürfnisse nach Schenkenden existieren in jeder Gesellschaft, und das
Geschenk von Schenkenden ist ein Geschenk, das – wie das Füllhorn –
potentiell alle Bedürfnisse befriedigen kann. Frauen schaffen als Trgerinnen
materieller Kommunikation die Verbindungen innerhalb einer Gemeinschaft, egal
in welcher Position sie sich befinden: selbst dem Tausch als Güter unterworfen,
ihm als Geschenke gegeben oder ihr Schicksal selbst kontrollierend. Oft
erkennen Frauen selbst diese Rolle nicht und schreiben sich nicht das
Meta-Geschenk des Werts zu – genauso wenig wie sie oft die Mutter als die
Quelle des Schenkens erkennen oder das Schenkprinzip als Lebensweg.
Von einer
feministischen ("gynophilistischen") Perspektive aus können wir Wert als das
Schenken des Schenkens sehen, das im Tauschwert dazu gezwungen wird, sich gegen
sich selbst zu wenden und sich selbst auszulöschen. Whrend es ursprünglich
eine binre Opposition zwischen wertvoll und wertlos gab, die auf dem Schenken
beruhte, das auf Andere ausgerichtet war, ist der Tausch eine neue Art von "Schenken",
die nicht auf dem Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein aufbaut. Der Tauschwert schafft vielmehr
einen neuen Gegenpol des Schenkens, nmlich das Schenken des Nicht-Schenkens; er schafft einen Gegenpol
des Werts, der ein anderer ist als jener der Wertlosigkeit. Damit konstituiert er
einen dritten Pol und es gibt nicht lnger eine binre, sondern eine dreipolige,
dreieckige Struktur, die aus Wert, Wertlosigkeit und Tauschwert besteht.
Diese dreipolige
Struktur wird bald gendert durch die Addition eines vierten Pols: dem
Gebrauchswert. Nun wird das Geschenk des Werts dem Tausch und dem Gebrauchswert
zugeschrieben und das Schenken wird gnzlich in den Hintergrund gerückt. (Siehe
Graphik 17.) Flschlicherweise schreiben wir das Geschenk des Schenkens dem
Tausch zu bzw. dem Markt; was nicht Tauschwert ist oder durch den Tauschprozess
geht, scheint wertlos. Der Tauschwert wird der Prototyp der allgemeinen Kategorie
des Werts und der Tausch selbst nimmt den Platz des Schenkens ein. Kollektiv wie
individuell schenken wir dem Tausch damit zuviel Wichtigkeit, whrend wir dem
Schenken jede Wichtigkeit abschreiben. Dies unter anderem deshalb, da wir uns
selbst des Schenkens, das wir praktizieren, nicht bewusst sind. Wir schreiben
ihm keinen Wert zu.
Dem Tausch Wert zu
schenken, schenkt auch dem idealen Prototypen des erfolgreichen
kapitalistischen maskulisierten Mannes Wert, der den Gegensatz zur Mutter
darstellt. Das Geschenk des Werts und der Schenkenden (Mutter) wird im
Tauschwert eingesperrt, indem seinem Gegensatz Wert geschenkt wird und nicht
dem Schenken. (Viele Mütter und Töchter sind buchstblich eingesperrt von
Ehemnnern, Vtern, Söhnen, Brüdern, usw.) Das Schenken des Schenkens ist
gewöhnlich nicht als solches erkennbar, auch deshalb nicht, weil Erkennbarkeit
zu einem großen Teil mit der Sprache und dem Aspekt der Ersetzung verbunden
ist, der wiederum Teil des Tauschprozesses ist. Wenn der Tausch schwcher wird
(oder wir außerhalb der binren Opposition zu denken beginnen), können wir den
Wert des Schenkens von Schenken erkennen, genauso wie das Bedürfnis nach dem
Schenken, das auf komplexen sozialen Beziehungen beruht und nicht nur auf
Vorstellungen davon, was wir verdienen (Vorstellungen, die von der
Selbsthnlichkeit und der Anteilnahme am Tauschprozess zu kommen scheinen).
Vergeben
Wenn das Geld den
Platz eines Produkts einnimmt (wie das Wort den Platz eines Dings einnimmt),
sagt dies über das Produkt: "Hier ist ein Geschenk, etwas, das ein Bedürfnis
befriedigt!" Nachdem das Geld aber als Eigentum von einer Person an eine andere
übertragen wird, tritt es in die anti-kommunikative Logik des Nicht-Geschenks
ein: "Für mich, also nicht für dich – für dich (oder andere), also nicht
für mich!" Unsere Kultur versteht diesen Nicht-Schenkprozess jedoch als
Geschenk bzw. als sozial brauchbaren Prozess und gibt ihm den Namen "Tausch",
wodurch wir unsere verbalen kommunikativen Bedürfnisse in Bezug auf diesen
Prozess befriedigen können. Bald finden wir uns völlig in diesen Tauschprozess
involviert und er scheint wertvoll. Er befriedigt unser Bedürfnis nach einer
Quelle von Gütern in einem Moment, in dem Güter für uns unerreichbar gemacht
wurden aufgrund des Eigentums und der Auslöschung des Schenkprinzips. Der
Zugang zu Gütern wird von der Produktion von anderen Gütern von gleichem Wert
abhngig gemacht, sowie von deren Einschtzung und Tausch, was zur Auflösung
des materiellen Schenkprozesses und des Werts, den dieser vermittelt, führt.
Damit werden auch die menschlichen Verbindungen und die Gemeinschaft aufgelöst,
die dem Schenkprozess entsprechen. Wir beziehen uns nunmehr auf den Tausch als
die Quelle dessen, was wir haben, so als wre er die Mutter – whrend er
tatschlich der Maskulisierung und dem Entfremdungsprozess des Buben (bzw. des Vater,
als er ein Bube war) von der Mutter entspricht. Vielleicht ist dies der Grund,
warum Menschen sich so leidenschaftlich mit dem Tausch, dem Markt, dem Kapitalismus
und der Maskulisierung identifizieren. Sie tun dies, weil es so scheint, als würden
diese Prozesse für sie sorgen.
Das "Geschenk" des Tausches
widerspricht dem wirklichen Schenken. Die Bedürfnisse, die es befriedigt, sind
die Bedürfnisse einer Nicht-Gemeinschaft; es sind die Bedürfnisse von Menschen,
die in feindseligen Beziehungen von Verkaufenden gegen Kaufende leben. Obwohl
wir damit fortsetzen, anhand von Sprache und anderen Zeichensystemen zu
kommunizieren, hat sich unsere materielle Kommunikation drastisch verndert und
in ihr Gegenteil verkehrt und unsere Einstellungen anderen gegenüber sind
demgemß von Furcht und Ressentiment geprgt.
Vergeben wird zu einem moralischem Problem, whrend es eigentlich nur die
psychologische Manifestation des Schenkprinzips ist. Wenn wir vergeben, weisen wir Hass und Verbitterung zurück, sowie das Prinzip der
Vergeltung, des "Ausgleichens" und "Zurückzahlens" des Unrechts, das begangen
wurde. All dies sind psychologische Ausdrücke des Tausches. Wir versuchen
stattdessen die Motivationen für die Handlungen von Menschen in ihren
unbefriedigten Bedürfnissen zu sehen. Und wir versuchen, die persönlichen und
sozialen Gründe für diese Bedürfnisse zu verstehen, sie zu befriedigen und nach
Möglichkeit die Bedingungen ihres Entstehens zu ndern. (Mit anderen Worten:
Wir weigern uns, das Schenken des Geschenks für das Nicht-Geschenk aufzugeben.
Wir wechseln nicht zum Tausch über.) Wieder zum Schenken zurückzukehren, würde
bedeuten, allen zu vergeben.
Es ist beinahe so,
als würde das Wort "vergeben" den Weg zum Prinzipienwechsel
weisen. Es geht dabei nicht um einen rein individuellen Akt des Vergebens ("Ich vergebe dir!"). Es geht vielmehr um einen allgemeinen Wechsel
in unseren Werthaltungen, in unserer Einstellung zum Schenken, in unserem
Verhltnis zu Schuld, Schuldzuweisung, Manipulation und Strafe. Die letzteren Vorstellungen
sind alle Ausdruck des Tauschprinzips auf der psychologischen Ebene und halten
uns an dieses gebunden. Wenn wir im Gegensatz dazu dem Schenkprinzip in unserem
Leben Ausdruck verleihen, fördern wir es alleine dadurch, dass andere es
unverhüllt wahrnehmen und unserem Beispiel folgen können. Wenn wir die Prinzipien
wechseln, unser Verhalten bewusst ndern und Tausch und Vergeltung bewusst
überwinden, können wir einen dauerhaften Effekt haben. Dieser Wechsel muss
dabei als praktische Möglichkeit für alle gesehen werden, eher denn als eine rein
moralische Entscheidung. Der Rahmen der Moralitt reduziert die Tragweite des
Vergebens auf unsere individuellen Beziehungen,
whrend es um einen kollektiven Wechsel hin zur Mutter und zur Mütterlichkeit
geht. Das ist das Bedürfnis aller Kinder dieser Erde.
Das Unterstützen der
entfremdeten Nicht-Gemeinschaft
Auch im Tausch
setzen wir damit fort, kleinen Kindern zu schenken und mit ihnen eine
Gemeinschaft zu formen, in der sie als gemeinschaftliche Wesen sozialisiert
werden. Doch unter uns Erwachsenen ist der Tausch wirklich zur wichtigsten und
am weitesten ausgedehnten Form materieller Kommunikation geworden. Wir haben
eine entfremdete Nicht-Gemeinschaft geformt, an die sich auch unsere Kinder als
Erwachsene anzupassen haben, um in ihr überleben zu können.
Die Nicht-Gemeinschaft
der Tauschenden erfordert viele Geschenke. Sie erfordert geschenkte Arbeit, um
den Profit produzieren zu können, der Kapitalisten motiviert, Unternehmen
aufzubauen und zu erhalten. Sie erfordert die freie Arbeit der Frauen, die sich
um die Gebrauchswerte kümmern, Arbeitenden schenken, die Arbeiterschaft
reproduzieren und damit die Gewinnspanne erhöhen. Sie erfordert das Geschenk
unseres Vertrauens und Glaubens, dass sie lebenswert und "gerecht" ist. Und sie
erfordert das Schenken der Menschen untereinander, das jenseits bzw. trotz des
Tausches stattfindet – nicht nur in Form verbaler Kommunikation, sondern in
Form all der Akte von Güte, Liebe, Großzügigkeit, Gastfreundschaft und Solidaritt,
die das Leben lebenswert machen.
Unsere sthetische
Erfahrung beruht zu einem großen Teil auf dem kreativen Empfangen von
Geschenken. Auch wenn die Kunstgegenstnde selbst nicht frei sein mögen. Der
nicht-kommerzielle Aspekt, der in jeder Art von Geschft oder Arbeit oder
Aktivitt enthalten ist, ist immer frei. Manchmal werden auch Produkte frei auf
den Markt gebracht. Die Reise der Kaufenden zum Markt geschieht gewöhnlich
immer auf deren eigene Kosten. Die Bedürfnisse der Konsumierenden sind zu einem
großen Teil beeinflusst von ihrer Sorge füreinander, speziell seitens der Frauen
(aber auch mancher Mnner), die die Produkte kaufen müssen, die sie sie für
ihre Rolle als Fürsorgende benötigen. Auch die Entwicklung von Bedürfnissen und
Begierden ist frei und vollzieht sich im Kontext der Fürsorge (auch wenn dies
heute wesentlich durch die Werbung manipuliert wird).
Das Geschenk des Werts ist auch ein Geschenk –
nicht nur an den Tausch, sondern an ein systematisches (und instrumentelles,
konditionelles) Ego mit dem Bedürfnis zu wissen und abzuschtzen, wie viel eine
Person geschenkt hat. Die Produktion einer Person wird quantifiziert und mit
der aller anderen verglichen. Angeblich ist diese Abschtzung wichtig, um die
Person für ihre Produktion "gerecht entlohnen" zu können, doch wirklich geht es
darum, denjenigen Macht zu verschaffen, die beurteilen, wer Zugang zum Tausch
verdient, wer verdient, dass ihm/ihr geschenkt wird, und wer verdient das
privilegierte Eine, der Prototyp zu sein. (Das Privileg und die Allgemeinheit
des Prototyps kommen von der Polarisierung des Kategorisierungsprozesses, dem
sie zugehörig sind, und haben nichts mit dessen Produktionsleistung oder
hnlichem zu tun.) Wenn wir von Verdienen sprechen, so kommt der quivalenz
bzw. Korrespondenz zwischen Ding und Wort, zwischen Produkt und Geld, zwischen
Arbeit und Lohn, exzessiver Wert zu – sehr wenig Wert wird den
Bedürfnissen selbst geschenkt.
Gleichungen haben
keinen eigenen Wert. Ihr Wert kommt ihnen von außen zu. Wir haben gesehen, dass
Gleichungen die Beziehungen zwischen Dingen und Bedürfnissen definieren, und
wir überbewerten diesen Aspekt. Tausch könnte nicht existieren, wenn er nicht
in vielfltiges Schenken auf vielfltigen Ebenen eingebettet wre. Das
"Geschenk" des Nicht-Schenkens und die entfremdete Gemeinschaft von
Nicht-Schenkenden existieren nur, da sie in eine Gemeinschaft von Schenkenden
eingebettet sind, von der sie versorgt werden.
Zu den Geschenken,
die wir dem Nicht-Schenken zukommen lassen (und die von diesem vereinnahmt
werden), gehören das der überbewertung des Tausches und unserer Blindheit
gegenüber dem Schenken. Unsere Gemeinschaftsformen werden nicht dem Schenken
gemß geformt, sondern folgen den Prinzipien des Tausches. Das gleiche gilt für
unsere kommunikativen Bedürfnisse. Wir kommunizieren nicht viel über das
Schenken. (Dieser "pragmatische Grund" wird auch als Legitimation unserer
Misogynie und unseres Verleugnens des Schenkens herangezogen und hilft uns, uns
diese selbst zu verzeihen. Schuld, Selbstanklage und das Prinzip, "uns selbst etwas
zurückzuzahlen", besttigen die Tauschlogik freilich nur noch weiter.) Der Tausch
hat den Platz materieller Schenkkommunikation genauso eingenommen wie die
verbale Kommunikation den Platz materieller Kommunikation eingenommen hat oder
wie Mnner den Platz der Frauen eingenommen haben. In ihrem Individualismus
sind die Tauschenden einander alle verwandt auf eine Weise, die perfekt mit dem
Ideal der Maskulisierung einhergeht bzw. mit dem Bild des einsamen, individualistischen
Jgers.
Von den Geschenken,
die von der Gemeinschaft geschenkt werden (die immer noch auf einer abstrakten
Ebene dem Schenken gemß funktioniert), ist das wichtigste das Meta-Geschenk
des Werts, nach dem sich andere Geschenke und Dienste richten. Wir halten den
Wert hoch und schreiben ihn der Kunst zu, der Musik oder der Literatur. Diese
Prozesse schreiben wiederum selbst in zahlreichen komplexen, wundervollen und
überraschenden Formen Wert zu. Wir schtzen die Geschenke von MalerInnen oder
ErzhlerInnen genauso wie die Geschenke politischer OrganisatorInnen oder
selbst das gift of gab von Geschftsleuten. Diese richten unsere Aufmerksamkeit auf Neues und
ndern unsere gewöhnlichen Wertzuschreibungen. Wir lieben weiters die Geschenke
der Natur, der Kultur, der Geschichte oder der Wissenschaft, Werte, die, indem
sie viele unserer Bedürfnisse befriedigen, uns auch Wert zuschreiben. Doch
trotz dieser Wertzuschreibungen, die sich außerhalb des Tauschprinzips
vollziehen, erhalten wir dieses aufrecht, solange wir dem Tausch den höchsten
Wert zukommen lassen und die meisten unserer Güter und Dienste auf ihn beziehen.
Eine andere Weise,
auf die dem Tausch, der Logik der Ersetzung und allen Manifestationen der Maskulisierung
Wert zugeschrieben wird, sind die Reproduktionsprozesse. Nur wenn wir wirklich
seine Ursprünge und negativen Effekte kennen und verstehen, können wir
verhindern, dass sich der Tausch permanent reproduziert und selbst besttigt.
Mittlerweile hat die Tauschstruktur ein hohes Maß an Unabhngigkeit erreicht
und gleitet gewissermaßen durch das Universum, um alle Maskulisierungsstrukturen
zu besttigen, wo immer sich diese auch finden mögen.
Tatschlich macht
die Menschheit, wenn sie der Struktur der Maskulisierung erlaubt, sich
unentwegt zu reproduzieren, diese Struktur zu einer Art "Ding" – zu einem
Ding, dem wir Wert verleihen, das auf ein Wort bezogen wird, dem wir einen
Namen geben, über das wir kommunizieren, das zu einem Prototypen wird, und um das
herum wir Kategorien formen. Damit etablieren wir die Struktur endgültig.
Sobald wir diese
Struktur jedoch (zum Beispiel) "Patriarchat" nennen, beginnen wir bereits, sie
zu transformieren – wir zwingen sie dazu, dem Wort auszuweichen, das
unser gegenseitiges kommunikatives Geschenk für sie ist. Frauen formen sich als
Gemeinschaft, wenn sie über das Patriarchat sprechen, so wie ich das in diesem
Buch tue und wie es progressive und feministische Bewegungen überall tun. Diese
Bewegungen verweisen auf die verschiedenen Muster der Unterdrückung und
begreifen die Verbindungen zwischen ihnen. Der nchste Schritt muss darin
bestehen, uns gegenseitig zu schenken: Zeit, Aufmerksamkeit, Fürsorge, Güter,
das Formen materieller Gemeinschaften jenseits des Tausches. Dann arbeiten wir
daran, die Wirklichkeit zu transformieren, und kommen der Möglichkeit nher,
der Zukunft eine gute Welt zu schenken.
Kapitel 13>