Benennen und seine kompliziertere Form: Definieren, konstituieren besondere
Momente der Sprache, in denen Wörter geschenkt werden, um meta-linguistische
Bedürfnisse (Bedürfnisse, die die Sprache selbst betreffen) zu befriedigen.
Wenn wir anderen Menschen Namen von Dingen mitteilen, oder ihnen Definitionen
von Wörtern geben, dann statten wir sie gewissermaßen mit den Produktionsmitteln
linguistischer Kommunikation aus. Dies spielt sich auf einer anderen Ebene als
das gewöhnliche Sprechen ab, da Benennen und Definieren auf einer (zumindest
teilweisen) Dekontextualisierung beruhen und ihren eigenen internen Prozessen
folgen. Absicht ist, Menschen etwas zu schenken, das sie noch nicht haben:
einen neuen Begriff, der ein allgemeines kommunikatives Bedürfnis befriedigt.
Das Bedürfnis, das vom Sprechen selbst befriedigt wird, ist das Bedürfnis
nach einer momentanen und kontingenten Beziehung zu etwas. Dieses Bedürfnis
wird befriedigt, wenn die Sprechenden den Zuhörenden ein verbales Produkt schenken,
das Wörter (die, einzeln genommen, eine konstante Beziehung zu etwas
konstituieren würden) in Stzen vereint. Die Zuhörenden könnten diese Stze im
Prinzip selbst formen (sie haben die sprachlichen Mittel dazu), nur haben sie
in diesem Fall noch nicht die Notwendigkeit erkannt, dies zu tun. Im Falle des
Benennens oder der Definition wird den Zuhörenden im Gegensatz dazu in der Form
neuer Wörter etwas gegeben, das sie noch nicht haben und noch nicht anwenden
können. Ihr Bedürfnis gleicht dabei einem materiellen Bedürfnis nach
Produktionsmitteln – nur dass es sich in diesem Fall um Produktionsmittel
für verbale Geschenke handelt.
In den Prozessen des Benennens und Definierens leisten die Sprechenden den
Zuhörenden einen Dienst. Sie müssen verstehen, welches sprachliches
Ausdrucksmittel es ist, das den Zuhörenden fehlt, um ihnen ein passendes Wort
zur Verfügung stellen zu können, und zwar auf eine Weise, auf die diese es auch
gebrauchen können. Wenn wir einem Kind etwas erklren (oder einer Person, die sich
eine fremde Sprache lehrt), dann können wir ein Wort direkt mit dem von ihm
bezeichneten Objekt (als einer empirischen Gegebenheit) in Beziehung setzen.
Wir können auf es zeigen, es aufheben, der anderen Person hinhalten, und so
weiter. Wenn wir aber denken, dass die Zuhörenden bereits ein Wissen vom
Vokabular der Sprache, die wir benutzen, haben, dann können wir stattdessen einen
definierenden Satz formen,
indem wir Begriffe verwenden, von denen wir glauben, dass die Zuhörenden sie verstehen.
Um das zu tun, müssen wir uns in die Position der anderen Person versetzen
und deren Wissen abschtzen, deren Vokabular und Lebenserfahrung. Definieren
verlangt das Ausgerichtet-Sein auf Andere. Bevor die Sprechenden etwas sagen
können, müssen sie den Zuhörenden zuvor selbst zugehört haben; sie müssen
wissen, welche Wörter diese bereits kennen. Auch wenn sie etwas für die
allgemeine öffentlichkeit definieren, müssen die Sprechenden (oder Schreibenden)
Begriffe verwenden, von denen sie glauben, dass sie erkannt (verstanden) werden.
Wenn eine geschriebene Definition nicht klar ist, müssen die Lesenden das
weitere notwendige linguistische Wissen von einer anderen Quelle beziehen
– z.B. von einem Wörterbuch. Doch selbst diese unpersönlich erscheinenden
Wörterbuch-Definitionen verlangen, dass die, die sie verfassen, Wörter
verwenden, die den Lesenden bekannt sind. Definitionen stehen nicht für sich
selbst, wie Philosophen (von Gleichung und Tausch beeinflusst) zu glauben
scheinen. Definitionen sind Wortgeschenke von einer Person an eine (oder
mehrere) andere.
Das Definiens ist
jener Teil der Definition, der als provisorisches Ersatzgeschenk für die definierte Sache fungiert. Es
verdeutlicht die allgemeine soziale Relation der Sache zu ihrem Namen. Der Name
ist das soziale Geschenk (das Wort), das das generelle kommunikative Bedürfnis
befriedigt, das diese Sache betrifft. Die Sprechenden machen den Zuhörenden ein
provisorisches Geschenk zugnglich. "Haariges, freundliches Lebewesen, das
Tante Marias Haustier gleicht" und "domestizierte Kleinkatze" sind beide
provisorische Geschenke, die Zuhörenden geschenkt werden können, um das Wort
"Hauskatze" zu definieren. Welche Variante wir whlen (von diesen beiden oder
zahlreichen anderen möglichen), hngt vom Vokabular, der Erfahrung und dem
kommunikativen Bedürfnis der Zuhörenden ab. Das Definiendum ist das dauerhafte soziale
kommunikative Ersatzgeschenk für die Sache und eine beliebige Anzahl von Definiens. Kurz gesagt, das
Definiendum ist das der Name einer Sache. (Siehe Grafik 3.)
Was das Definiens die Sache betreffend getan hat, kann das Definiendum auch
tun – und mehr. In unseren Beispielen whlt "haariges, freundliches
Lebewesen, das Tante Marias Haustier gleicht" eine Beispielkatze, um "Hauskatze"
zu definieren, whrend "domestizierte Kleinkatze" das Tier in einer
Klassifizierungsordnung verortet, die ein komplexes System aufeinander
bezogener Definiens und Definienda braucht, um der Definition Sinn zu geben.
Das Definiendum "Hauskatze" ist allgemeiner als jedes Definiens (jede
definierende Phrase) und nimmt den Platz aller Definiens ein – es ist der
Name für eine Sache, den alle teilen, die dieselbe Sprache sprechen.
Wenn im Zuge des Ersetzens des Definiendums mit einem Definiens –
also im Zuge des Definitionsprozesses – ein Name zur Verfügung gestellt
wird, reichen die Sprechenden den Namen auch als Geschenk weiter. Schließlich
war er ihnen von anderen zuvor selbst geschenkt worden. Dieser Prozess des
Schenkens, Empfangens und Weiterschenkens schafft menschliche Subjektivitten
in Beziehung zur Sprache, zu anderen Menschen und zu einer immensen Vielfalt an
qualitativ unterschiedlichen Dingen, Ereignissen und Ideen. In dieser
linguistisch vermittelten Beziehung finden wir Menschen uns als selbst konstituierende
Spezies in der Lage, uns miteinander zu verbinden – auf beinahe so viele verschiedene
Weisen, wie es Erfahrungen gibt. Wir verwenden also Schenkprozesse und verbale
Geschenke, um uns miteinander zu verbinden, auch auf einer neu geschaffenen
Ebene, auf der Erfahrungen verarbeitet werden: einer Ebene von Themen, die linguistisch
geteilt werden können.
Die Definition kann als ein Paket gesehen werden, das mehrere Geschenke auf
verschiedener Ordnungen beinhaltet. Indem sie ein Definiens schaffen (in der
Form des Verbindens von Wörtern, die die Zuhörenden bereits kennen), leisten
die Sprechenden den Zuhörenden einen Dienst. Sie beziehen etwas in der Welt über
ein Definiens auf ein Definiendum und geben den Zuhörenden damit ein neues Wort.
Die Objekte – zum Beispiel Hauskatzen – können jetzt dem Moment eines
kommunikativen Geschenks weichen, da es nunmehr verbale Ersatzgeschenke
(Definiens) für sie gibt – zum Beispiel "domestizierte Kleinkatze".
Daraufhin weichen die Definiens (bzw. die Kombination der Wörter, die sie
konstituieren) dem Definiendum (in diesem Fall "Hauskatze") aus und dieses
nimmt ihren Platz ein. Sowohl eine empirisch gegebene Hauskatze wie ein
entsprechendes Definiens weichen also dem Definiendum "Hauskatze" als jenem
verbalen Geschenk aus, das im Rahmen einer bestimmten Gemeinschaft (in unserem
Fall: der deutschsprachigen) gewöhnlich verwendet wird, um über Hauskatzen zu
kommunizieren.
Das Wort "Hauskatze" wird von Menschen am hufigsten verwendet, wenn sie über
Hauskatzen sprechen und es ist daher allgemeiner als die Definiens
"domestizierte Kleinkatze" oder "haariges, freundliches Lebewesen, das Tante
Marias Haustier gleicht" oder "haariges, freundliches Lebewesen mit langem
Schwanz". Definiens können jedoch verwendet werden, wenn ein kontingentes
kommunikatives Bedürfnis verlangt, über Hauskatzen auf diese Weise – auf
dieser Ebene von Spezifitt – zu sprechen.
Alle Sprachgeschenke sind aneinander gebunden durch die meta-linguistischen
kommunikativen Bedürfnisse der Zuhörenden und die bedürfnisbefriedigenden
Dienste der Sprechenden. Die Sprechenden behalten ihr lexikalisches
Sprachwissen nicht für sich selbst (auch wenn manche elitren Gruppen eine
Ausnahme bilden), sondern sie schenken es den Zuhörenden und machen es sich zur
Aufgabe, Definiens zu schaffen und zur Verfügung zu stellen, die die Zuhörenden
verstehen können.
Obwohl sie ein Paket an Geschenken ist, reprsentiert die Definition den
Schenkprozess nicht auf die gleiche Weise, wie es der transitive Satz tut, der
sich nach dem Muster "Schenkende-Geschenk-Beschenkte" bildet. Die Definition
funktioniert anstelle dessen durch eine interne und externe Ersetzung. Sowohl
ein nonverbales Gegebenes (Objekt) als auch ein sprachlicher Ausdruck
(Definiens) weichen einem allgemeinen Wort: dem Namen, der nunmehr den Platz des
Objekts und Definiens als ein dauerhaftes kommunikatives bedürfnisbefriedigendes
Ersatzgeschenk einnimmt.
Das in der Definition enthaltende Verb "zu sein"
ist der Ersatz für die von Definiens und Definiendum vorgenommene Ersetzung.
Sowohl Definiens als auch Definiendum weichen ihm in der Definition aus. Dies
zeigt, dass Definiens und Definiendum in der Definition zueinander finden und
von demselben Wort ersetzt werden können, das damit dem gesamten
Definitionsprozess einen ewig gegenwrtigen Charakter verleiht. (Siehe Grafik
4.)
Die Beziehung von Wörtern zu Wörtern und von Dingen zu Wörtern in: "das
Mdchen warf den Ball", ist verschieden von der Beziehung von Wörtern zu
Wörtern und von Dingen zu Wörtern in: "ein Ball ist ein runder Gegenstand, der
für Spiele verwendet wird". Im ersten Fall ist einerseits der gesamte Satz ein
Geschenk, andererseits stellt innerhalb des Satzes das Prdikat ein Geschenk
dar, das dem Objekt vom Subjekt gegeben wird. Die Geschenke sind unmittelbar.
In der Definition hingegen wird Personen ein Wort geschenkt, indem es durch
andere Wörter ersetzt wird. Es bedarf hier Ersatzgeschenken: Wörter, die die
Zuhörenden kennen, ersetzen eines, das sie noch nicht kennen. Zum Beispiel kann
"ein runder Gegenstand, der für Spiele verwendet wird" das Wort "Ball" ersetzen.
Die Sprechenden sind dann die schenkenden Subjekte, die Definiens und
Definiendum den Zuhörenden geben, die ihrerseits das Definiendum als permanente
Bereicherung erfahren. Nachdem ein Objekt also einem Definiens gewichen ist,
weicht dieses nun dem Definiendum, das damit zum Namen des Objekts wird.
Die Zuhörenden haben unmittelbare meta-linguistische Bedürfnisse nach
Wörtern, die sie nicht kennen. Die Erinnerung und das Verstehen des oben
beschriebenen phonetischen Musters der Definition konstituieren die Produktionsmittel,
anhand derer andere (die in diesem Fall Sprechenden) diese Bedürfnisse
befriedigen können. Geschieht dies, verbinden sich Sprechende und Zuhörende
miteinander in Bezug auf ein Objekt ihrer (unserer) gemeinsamen Welt.
Der Ursprung des Tausches
Ich glaube, dass der Tausch sich aus den Prozessen des Ersetzens und Ausweichens
im Benennen und Definieren entwickelt hat. Im Tausch werden diese Prozesse jedoch
in nonverbale Muster übersetzt. Dabei werden sie entstellt, um den Bedürfnissen
des Privateigentums nach gegenseitiger Ausgrenzung zu entsprechen. Statistiken
zeigen, dass ausgesprochen wenig Privateigentum – weltweit vielleicht ein
Prozent – von Frauen besessen wird, obwohl diese sehr wohl in der Lage
sind, zu benennen und zu definieren. Darüber hinaus ist Privateigentum eine
Institution so genannter "entwickelter" Gesellschaften, nicht so genannter
"primitiver" – doch Benennungs- und Definitionsprozesse kennen auch
letztere. Eine auf dem Schenkprinzip basierende Sprache gibt es also vor dem
Tausch und dessen Eigentumsbeziehungen. Whrend grundlegende Prozesse der
Sprache (namentlich jene des Benennens und Definierens, die wesentlich auf
Prinzipien des Ersetzens und Ausweichens beruhen) auf die materielle Ebene
transferiert wurden, wurden sie – wie oben erwhnt – entscheidend
verndert. Dies wird besonders deutlich im monetren Tausch, in dem das Geld
die Rolle des Wortes als Ersatzgeschenk auf einer anderen Ebene reproduziert. Die
Institution des Privateigentums beruht dabei freilich weiterhin auf dem
Schenkprinzip, auch wenn dies verleugnet wird – doch ohne dieses würde es
keine freie Befriedigung der Bedürfnisse der EigentümerInnen geben, auf denen
ihr Besitz beruht.
Die Verwendung der linguistischen Prozesse des Benennens und Definierens, um
das Tauschprinzip zu errichten und das ihnen eigentlich zugrunde liegende
Schenkprinzip zu verleugnen, widerspricht dem grundlegenden Prinzip des
Schenkens-und-Empfangens als des Prinzips des Lebens und der Sprache. Darüber
hinaus werden frauenfeindliche und zerstörerische gesellschaftliche Strukturen
geschaffen und von uns verlangt, dass wir uns an diese anpassen. Wir haben dies
so gut getan, dass diese Strukturen mittlerweile als "natürlich" erscheint und
die Arten aggressiven und konkurrenzorientierten Verhaltens, die in ihnen zum überleben
notwendig sind, als "menschliche Natur" (was sich angeblich "historisch"
gezeigt hat).
Die Existenz derselben Prozesse auf verbalen und nonverbalen Ebenen
schaffen viele Rückkopplungen. In unserer gegenwrtigen kapitalistischen
Gesellschaft zum Beispiel gibt es einen Rückkopplungseffekt zwischen verbalen
Definitionen und nonverbalem Tausch, in dem erstere letztere legitimieren und
letztere die Funktion ersterer übernehmen. Eine Person oder ein Produkt wird
definiert von der Menge an Geld, das er/sie/es "wert" ist. Namen,
Kategorisierungen, Berufsbezeichnungen – von Polizistin bis Doktor
– haben monetren Wert.
Menschen über Lohn zu kontrollieren – was einer monetren Definition
von Menschen gleichkommt – heißt, Benennungs- und Definitionsprozesse in
den Dienst der Kontrolle anderer zu stellen. Produktnamen und Markennamen
legitimieren höhere Preise. Die "Bedeutung" unseres Lebens hngt von ebensolchen
definitorischen Prozessen ab. Wenn wir einen professionellen Rang haben, einen
akademischen Titel, einen Ehenamen, dann "sind wir wer". Doch dieses Definieren
hat nichts mehr mit dem Schenken zu tun, dem unsere Sprache und unser Leben wirkliche Bedeutung verdankt.
Der Definition die Geschenke zurückgeben
Der Tausch lsst das Definieren steril erscheinen. Es wird zu einer
intellektuelle Gleichung. Der Charakter des "Pakets von Geschenken" ist
verloren gegangen. Dabei beinhaltet das Definieren noch mehr Geschenksaspekte,
als die, die wir bereits besprochen haben. Wir müssen etwa bedenken, dass das
Definieren manchmal auch dazu dient, Wörter von einer Generationen zur nchsten
oder von einer linguistischen Gruppe zu einer anderen weiterzureichen. Indem
sie eine gemeinsame Sprache finden bzw. sowohl im Sprechen als auch im Definieren
Wörter verwenden, die andere bereits kennen, wird es den Sprechenden und
Schreibenden möglich, mit Menschen zu kommunizieren, die zeitlich und rumlich
woanders sind. Es muss ihnen dabei gelingen, die Begriffe, die andere bereits
haben, zu identifizieren, anzuwenden und/oder auf ihnen aufzubauen –
whrend die anderen selbst die Anstrengung unternommen haben, sich diese Wörter
bzw. ein Wissen über eine bestimmte Disziplin oder einen bestimmten
Lebensbereich anzueignen (was manchmal einer eigenen spezialisierten Sprache
bedarf).
Da das Bedürfnis für die Definition von Begriffen ein allgemeines ist, weil
niemand von uns mit einem Wissen um diese geboren wird, sind Abhandlungen und
Bücher voll von Definitionen. Auch die Erforschung der "Natur der Dinge" folgt
Definitionen. Wenn eine Definition gut gelingt, kann sie unabhngig von dem/der
Definierenden weiter bestehen. Wörterbücher dienen der unmittelbaren
Bedürfnisbefriedigung, die Definitionen leisten können.
Die Möglichkeit, diese Bedürfnisse unabhngig von den ursprünglichen
Definierenden zu befriedigen, lsst es so erscheinen, als wren der menschliche
Ursprung der Definition bzw. die Beziehung zwischen Schenkenden und Beschenkten
unwichtig. Auf der einen Seite mag durchaus zugestanden werden, dass wir unsere
verbalen Produktionsmittel von der Gemeinschaft erhalten, und dies uns erlaubt,
mithilfe der Sprache menschliche Bindungen einzugehen – auf der anderen
Seite wird dabei der bedingungslose und großzügige, unmittelbar
zwischenmenschliche Dienst leicht vergessen, der dem Definieren ursprünglich
zugrunde liegt.
quivalenz und Gleichung
Wenn der Dienst- oder Schenkaspekt der Sprache ignoriert wird, tendieren
wir dazu, das Ersetzen von Wörtern durch andere als den wesentlichen Teil des
Definitionsprozesses zu begreifen und nicht die Bedürfnisbefriedigung. Eine Art
Fetischisierung entsteht, in der etwas Bedeutung erhlt aufgrund bestimmter
Beziehungen, die Wörter zueinander eingenommen haben und nicht Menschen, die diese Wörter gebrauchen, um auf konkrete Dinge zu verweisen, über
die sich Beziehungen zu anderen Menschen herstellen. Seit Philosophen
Definitionen verwendet haben, um uns über alles – von der Menschheit über
Gott zum Sein – zu unterrichten, analysieren wir Definitionen, um die
Beziehungen von Wörtern zur Welt zu erforschen. Dabei sehen wir jedoch nur
Wörter, die in geschlossenen Systemen den Platz anderer Wörter einnehmen. Wir
verstehen Fürsorge nicht als Kommunikation, und wir verstehen linguistische Kommunikation
nicht als ein soziales Bedürfnis, das notwendigerweise von der Welt und von
anderen Menschen kommt und dessen Befriedigung den Zweck verbaler und nonverbaler
Interaktion zwischen Individuen hat.
Aufgrund der magnetischen Schablone der Tauschlogik sehen wir die Bedürfnisse
anderer nur funktionell in Bezug auf unsere eigenen Bedürfnisse. Ihr Bedürfnis
muss für uns "effektiv" sein: sie müssen genug Geld haben, um unser Produkt zur
Befriedigung kommunikativer Bedürfnisse monetr ersetzen zu können.
Wir sehen nicht den Dienst-Aspekt der Definition, sondern nur ihre so genannte
"Wahrheitsfunktion": uns interessiert nur, ob ihre "Intension" (ihre Bedeutung)
mit ihrer "Extension" (dem Vorkommen dieser Sachen in der Welt) korrespondiert.
"Ein Junggeselle ist ein unverheirateter Mann" wird dabei oft als Beispiel
verwendet, da hier das Definiens völlig mit dem Definiendum zu korrespondieren
scheint. Jeder Mann, der ein Junggeselle ist, ist auch unverheiratet.
Definitionen dieser Art sind jedoch Geschenke, die nur das meta-linguistische
Bedürfnis nach philosophischen Beispielen für Definitionen befriedigen. Der
meta-linguistische Schenkaspekt des Definierens wird hier tatschlich sekundr.
Das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein ist irrelevant für die quivalenz von Intension
und Extension. Es wird daher ignoriert, whrend die Definition stark erscheint,
unberührt von menschlichen Komplikationen. Dieses Bild beginnt aber bereits
dann zu wackeln, wenn die Zuhörende eine unverheiratete Frau ist. Warum ist
sie, die Zuhörerin, nicht auch ein "Junggeselle"? Warum werden ihre materiellen
und kommunikativen Bedürfnisse in der Definition nicht berücksichtigt? Warum
wird ein unsensibler mnnlicher Definierer vorausgesetzt?
Unser Bild der Sprache wird von den Prioritten des Tausches bestimmt, von der
Notwendigkeit, Güter zu identifizieren und zu messen, sowie von dem sterilen
und objektiven Wertvergleich, der für die Befriedigung beider Tauschparteien
(oder der Gesellschaft insgesamt) notwendig erscheint. Die Korrespondenzen, die
Verkauf und Einkauf prgen, werden zum Modell für die Korrespondenz zwischen
Sprache (Preis) und Realitt (Güter). Das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein als
Selbstzweck wird sowohl im Tausch als auch in unserem Studium der Sprache
ignoriert.
Nachdem Definitionen entstehen, indem Wörter durch andere Wörter ersetzt
werden, scheint die Beziehung von Wörtern zur Welt von der Form unserer
Definitionen abhngig. Diese Definitionen sehen im Rahmen des Tauschprinzips im
Ersetzen einen Selbstzweck und ignorieren jede kreative Aktivitt des
Schenkens, Empfangens oder Ausweichens. Die Beziehung der Wörter zur Welt
scheint von einer Gleichung (x = y) zu kommen, von den Wörtern selbst, oder vom
Willen der Menschen, die sie aussprechen. Wenn wir uns aber auf das Ersetzen
alleine konzentrieren, ohne dabei an das Schenken zu denken, ist es schwierig, wirklich
von der Sprache zur Welt zurückzukehren. Bald erscheint es nur noch so, als
wre der Sinn eines Zeichens ein anderes Zeichen
und so weiter, in einem unendlichen (wenn auch systematischen) Regress, der in
uns eine Vorstellung prgt, der zufolge Wörter in keiner Weise auf die Welt
bezogen sind.
Schenken auf zwei Ebenen
Es scheint so, als ist Re-prsent-ation ein Prozess ohne vorhergehende Prsentation. Reprsentation als "Platz-Einnehmen"
ist nur ein Moment des Schenkprozesses, der sowohl verbal als auch nonverbal
ist. Wohl können wir ein Geschenk mit einem anderen ersetzen, aber der gesamte
Prozess (von der Identifikation des Bedürfnisses zur Gestaltung des Geschenks
– in diesem Fall eines Wortes oder Satzes) besteht aus viel mehr als einfachen
Ersetzungen. Der Schenkprozess erfordert das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein sowie
die Fhigkeit, die Bedürfnisse anderer zu erkennen und zu begreifen. Dies ist notwendig,
um sie befriedigen zu können. Der Schenkprozess erfordert, sich selbst als jemanden
zu begreifen, der die Bedürfnisse anderer befriedigen kann und nach
entsprechenden bedürfnisbefriedigenden Mitteln sucht; er erfordert die
Motivation, kommunikative Bedürfnisse zu befriedigen, auch wenn wir vielleicht
keine materiellen befriedigen können; und schließlich erfordert der
Schenkprozess auch, anzuerkennen, dass es anderer bedarf, um unsere eigenen
Bedürfnisse befriedigen zu können. Eine patriarchale Perspektive auf die Welt
sieht nur Dinge, um die wir uns streiten müssen – nie solche, deren Wert
sich daraus bezieht, dass sie zur Befriedigung der Bedürfnisse anderer
angewandt werden können.
Das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein ist wichtig, um Wörter anwenden zu können,
die andere verstehen, und um uns in deren Position zu versetzen, um das, was
sie nicht wissen, als Bedürfnis zu begreifen, das wir befriedigen können. Jedes
Bedürfnis ist ein Thema mit vielen Variationen. Das allgemeine Bedürfnis, über
Hauskatzen zu kommunizieren (bzw. menschliche Beziehungen über einen Bezug auf
Hauskatzen herzustellen), umfasst alle Möglichkeiten, auf die Hauskatzen für
Menschen von Bedeutung sein können. Individuell erkennen wir diese
Möglichkeiten als Bedürfnisse, die sowohl von nonverbalen wie von verbalen
Kontexten kommen und unsere Beziehung zu anderen mit Bezug auf Hauskatzen
bestimmen. Das Wort "Hauskatze" wurde uns dabei gemeinschaftlich als Mittel
gegeben, einige dieser kommunikativen Bedürfnisse zu befriedigen (zumindest zum
Teil).
Um in der Gegenwart schenken zu können, müssen wir in der Vergangenheit
selbst beschenkt worden sein. Das heißt, uns muss das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein
anderer zugute gekommen sein. Nun ist es an uns, neue Geschenke zu bilden
– wie matchmaker müssen wir Wörter in Positionen rücken, in denen sie andere Wörter
beschenken können. Außerdem müssen wir nach verbalen wie nach nonverbalen Verbindungen
mit anderen streben, um sowohl unsere eigenen als auch deren soziale
Subjektivitten zu entwickeln. Das Schenken ist nicht nur der Inhalt für die
Ersetzungsform, sondern der eigentliche Grund ihrer Existenz. Daraus zieht es
seine Bedeutung als (mütterliche) Matrix.
Schenken und Ausweichen sind nicht als wirklich menschliche Verhaltensweisen
verstanden worden. Im Patriarchat werden Gewinnen, Beherrschen und Platz-Einnehmen
hochgehalten. Das Ausweichen ist jedoch eine notwendige Begleitung des Platz-Einnehmens.
Ersetzt zu werden ist eine aktive und notwendige relationale Begleiterscheinung
des Ersetzens. Auf hnliche Weise ist das Empfangen die aktive, kreative
Begleiterscheinung des Schenkens. In der Definition sind der Prozess des
Ersetzens und des Ausweichens von Geschenken die funktionalen Elemente. In unserem
Sprechen bleiben die Ersetzungsprozesse oft im Verborgenen und Schenkprozesse
auf anderen Ebenen schaffen Transparenz.
Das Ersetzen und das Ersetzt-Werden sind die Prozesse, um die es im Benennen
und Definieren geht. Was geschenkt wird, ist ein allgemeines Wort, ein soziales
Geschenk für ein Objekt. Es wird geschenkt im Zuge einer Reihe von Ersetzungen.
Das Bedürfnis, das dabei befriedigt wird, ist nicht primr ein kontingentes Bedürfnis
für eine unmittelbare Beziehung zur Welt, sondern ein Meta-Bedürfnis nach
Produktionsmitteln für Geschenke (Wörter), die sich auf Dinge beziehen. Vielleicht
aufgrund der Strke der Tauschstruktur (die, wie gesagt, ein Abkomme der
Definition ist) richtete sich alle Aufmerksamkeit auf die Prozesse des
Ersetzens und Ersetzt-Werdens und die so genannte "passive" Seite der Beziehung
wurde ignoriert. Ohne diese Seite jedoch scheint die Beziehung von Ersetzen und
Ersetzt-Werden – oder Ausweichen und Platz-Einnehmen – überhaupt
keine Beziehung zu sein.
Sprache scheint überhaupt nichts mehr mit dem zu tun zu haben, das ersetzt
wurde. Anstelle dessen erscheint sie als unilaterale, rein verbale Aktivitt,
ohne Beziehung zur Welt; als autarkes System, das arbitrre Laute verwendet,
um, bestimmten Regeln folgend, "Bedeutungen" zu vermitteln (die nicht
verstanden werden).
Manchen Philosophen, die das Schenken ignorieren, erscheint die Beziehung
von "Hauskatze" zu Hauskatzen abstrakt, ein Akt sui generis der Sprechenden (oder der Gemeinschaft),
die irgendwie "Hauskatze" mit Hauskatzen gleichsetzen oder Hauskatzen "Hauskatze"
aufzwingen will, um sie von Vögeln oder Hunden zu unterscheiden (vielleicht
aufgrund einer "genetischen Ausstattung"). Die einzige Absicht von
Kommunikation schiene demnach Kategorisierung zu sein.
Was aber hat Kategorisieren mit Verstehen zu tun? Wir sehen uns mit einer
Art des Denkens konfrontiert, die an die des Eigentums erinnert: das einzige,
was zhlt, ist, Sachen in Kategorien einzuteilen. Die wissensreichste Person
ist die, die über die meisten Kategorien verfügt. Angeordnet sind die
Kategorien in abgeschlossene und funktionale Hierarchien. Sie transformieren
dabei bestimmte sprachliche Ausdrücke, indem sie allgemeine Namen mit immer
spezifischeren ersetzen. Satzbume entstehen, innerhalb derer jede Verbindung
von Gesetzen oder Regeln gelenkt wird, die den Kategorien der Satzbume angemessen
erscheinen. Zu guter Letzt werden diese Hierarchien dann mit Verstehen gleichgesetzt.
Das Satzbaum-Diagramm (oder Wurzel-Diagramm)
Eine Kategorie ist eine Sammlung von Dingen, die wichtig genug ist, einen eigenen
Namen zu haben. Auf einer meta-linguistischen Ebene etwa benennen Namen wie
Nominalphrase (NP) oder Verbalphrase (VP) Arten von Phrasen, da LinguistInnen über
diese sprechen müssen. Die Regeln der Syntax zeigen, wie Wörter und Phrasen
einander schenken können. Satzbaumdiagramme visualisieren die Schenkbeziehungen
als Abhngigkeiten. Diese Diagramme sahen dabei für mich immer so aus als wren
sie auf den Kopf gestellt – bis ich realisierte, dass sie keine Baum-,
sondern in Wirklichkeit Wurzelsysteme sind, in denen es einen Fluss von Geschenken
von unten nach oben gibt (vom Besonderen zum Allgemeinen), und keinen von oben nach
unten (vom Allgemeinen zum Besonderen).
Linguistische Kreativitt – die Fhigkeit, immer wieder neue Stze zu
produzieren mithilfe einer limitierten Anzahl von Wörtern – wird
begleitet und motiviert von der Fhigkeit, die Bedürfnisse zu erkennen, die
diese Wörter und Stze befriedigen sollen. Die kollektive menschliche Praxis der
Bedürfnisbefriedigung in Bezug auf Dinge verleiht diesen Dingen Wert, was
gleichzeitig für die Wortgeschenke gilt, die sie ersetzen. Sprache funktioniert
nicht über eine kategorisierende Beziehung von oben nach unten, sondern über eine
kreative Dynamik von Bedürfnisbefriedigung, die sowohl die Sprache als auch das
Leben selbst bewegt.
Ich glaube, dass die Bedeutung in den Schenkbeziehungen innerhalb des
Satzes liegt und nichts mit einem Zusammenspiel von Kategorien zu tun hat. Wir
haben flschlicherweise den sprachlichen Aspekt des Benennens und Definierens
als Erklrung für die Dynamik missverstanden. Es ist nicht die Zuschreibung von
Wörtern auf Dinge oder eine Bewegung von der Ebene der nonverbalen Erfahrung zu
der Ebene der verbalen Praxis, die Bedeutung erzeugt. Der Prozess, der sich
hier vollzieht, ist ein anderer – einer, den wir nicht richtig verstehen.
Im Benennen bzw. Definieren geben wir einer Gruppe von Dingen einen Namen, auf
den sie sich beziehen können (weil er sie ersetzt). Wir geben dem Namen dabei
auch etwas vom Wert dieser Dinge, nmlich das, was an ihnen für uns Menschen an
Bedeutung ist. Wir tun dies, weil in Bezug auf Aspekte dieser Dinge
kommunikative Bedürfnisse bestehen. Der Name (das verbale Ersatzgeschenk) hat
die Aufgabe, dabei zu helfen, diese zu befriedigen. Dies mag durchaus auch für
die Befriedigung materieller Bedürfnisse von Bedeutung sein. Deutlich wird das
in Stzen wie: "das Brot ist im Regal", oder: "der Zug fhrt vom Bahnsteig 12".
Es gibt hier einen nach oben laufenden Fluss an Bedeutung oder Wert, ausgehend von der Welt, deren Teil
wir sind. Es handelt sich hier nicht nur um Zuschreibungen von oben nach unten
oder um das Erstellen von Kategorien. Eine Meta-Sprache ist nur eine
hierarchische Sammlung kategorisierender Begriffe, ein Sprachparasit, dem keine
eigene Schenkdynamik zukommt.
Die Verstelung eines Satzbaumes sollte tatschlich als das Zusammenkommen
von Elementen gesehen werden, die einander schenken können, bzw. als eine
kooperative Ansammlung von Begriffen. Wir können das Wort "das" schenken, oder "das"
kann sich selbst dem Wort "Mdchen" schenken. Diesen Geschenksakt nennen wir "Nominalphrase".
Dann kann diese das Verb "werfen" jener Phrase schenken, die gebildet wird,
wenn sich das Wort "den" dem Wort "Ball" schenkt. Wir können diese Phrasen in
Diagramme zusammenfassen, indem wir ihnen Namen geben wie "Bestimmungswort",
"Nominalphrase", "Verb", "Satz". Sie sagen uns, wer die Schenkenden, was die
Geschenke und wer die Beschenkten sind. Wir können darüber hinaus sagen, dass
wir Teile des Satzes – wie "das Mdchen warf den Ball" – Wörtern
wie "Nominalphrase" schenken, damit diese sie ersetzen können.
Leider glauben wir, dass wir nur dann wirklich etwas wissen können, wenn
wir eine Hierarchie erstellt haben. Wir wissen dann, wer wen kontrolliert, und
wir können uns in einer solchen Ordnung besser orientieren. Doch hat dies zur
Folge, dass wir den Geschenken und Werten gegenüber blind werden, die von unten
nach oben fließen.
Der Satzbaum ist derjenige im Garten, den wir Adams Benennen verdanken.
Wörter verbinden sich in Stzen nicht, weil sie kategorisiert werden oder
Regeln folgen, sondern weil sie einander schenken, miteinander in Beziehung
treten und sich dann zusammen einem anderen Wort oder einem Teil des Satzes
schenken. Sie können dies tun, weil sie zuvor selbst von Dingen (wie von
Menschen) beschenkt wurden. Wenn wir den Fluss von unten nach oben leugnen,
dann erscheint es so, als wre das einzige, was es gibt, der
Benennungsmechanismus von oben nach unten. Damit wird es für uns unmöglich zu
erkennen, in welchem tatschlichen Verhltnis das Benennen zur Welt steht.
Die Frage sollte nicht sein: "Wo teilt sich der (fraktale) Baum in ste?",
sondern: "Wie entsteht das Wurzelsystem, das die Geschenke und die Werte nach
oben klettern lsst?" Die Fragen sind: "Wer trgt wen?", und: "Wer versorgt uns
(mit Wörtern)?" Der Benennungsmechanismus? Oder der Schenkmechanismus?
Maskulisierung
Es mag so scheinen, als würden das Geheimnis der Beziehungen der (von der
Syntax geregelten) Wörter in diesen selbst liegen. Ich glaube jedoch, dass dies
eine Illusion ist, die von der Geschlechtsdefinition herrührt und die das
Ersetzen weiter problematisiert.
Was passiert, wenn ein Bube als Kind lernt, dass er einem anderen Geschlecht
zugeschrieben wird als seine schenkende Mutter? Wie in anderen Fllen des
Benennens und Definierens wird er (als "Ding") dazu veranlasst, dem Namen bzw.
dem Definiendum "Bube" als nonverbalem Geschenk Platz zu machen bzw. auszuweichen.
Bevor er versteht, was die Erwachsenen sagen, denkt er, er sei so wie seine
Mutter. Sobald er jedoch beginnt, die Implikationen des ihm zugeschriebenen Geschlechtsbegriffs
zu begreifen, muss er erkennen, dass er nicht so sein soll wie sie. Sein Als-Bube-Definiert-Werden
(bzw. die Implikationen sozialer Definitionen von "Mnnlichkeit") veranlasst
ihn dazu, das Schenkprinzip aufzugeben, um sich von seiner Mutter zu abzutrennen.
(Siehe Grafik 5.) Seine Geschlechtsdefinition ist viel schdlicher als wir
denken.
Nachdem sein Leben von der Fürsorge seiner Mutter abhngt, macht es dem
Buben Angst, sich ndern zu müssen bzw. so zu sein wie sein Vater. Er soll
nunmehr jemandem entsprechen, den er gewöhnlich nicht besonders gut oder nur
als abstrakten Herrscher kennt. Auch das Wort "Bube", das jetzt seinen Platz
eingenommen hat und von nun sein Geschlecht und ein entsprechendes Verhalten
bestimmen soll, ist ihm nicht vertraut. Das Ersetzen, das eigentlich nur ein
Teil des Definitionsprozesses ist, rückt sich selbst ins Zentrum und nimmt den
Platz des Geschenks ein, das seinerseits ausweicht. Die Kategorisierung wird
mchtiger als die Kommunikation. Wörter sind nicht lnger bescheidene kommunikative
Geschenke, sondern magische Zauberstbe, die die Identitt des Kindes ndern.
Die Frage: "Was ist ein Mann?" kommt wirklich von der Frage: "Wie
unterscheidet sich ein Mann von seiner Mutter?" Die Antwort ist, dass dies eine
falsche Frage ist. Er unterscheidet sich nicht wirklich von seiner Mutter, er
ist eigentlich wie sie: ein fürsorgliches Wesen, doch wird aufgrund seiner
Geschlechtsdefinition gezwungen, die zu einer self-fulfilling prophecy wird, gezwungen sich zu ndern.
Nachdem es nur ein Wort ist, das den Buben auf andere Bahnen lenkt,
erscheinen Wörter als ußerst mchtig. Und nachdem sein Vater vor ihm die
gleiche Erfahrung hatte, finden Mnner hier Gemeinsamkeit. Dem Buben –
oder irgendwem sonst in der Gesellschaft – ist nicht klar, dass hier eine
willkürliche und falsche Unterscheidung getroffen wird. Die Gesellschaft
interpretiert den Unterschied des Buben zu seiner Mutter mit Verweis auf seine
Genitalien bzw. auf das biologische Faktum, dass er einen Penis hat. Damit ist
er dem Vater gleich, nicht der Mutter. Aber wenn Fürsorge die Basis für
Kommunikation und Gemeinschaft ist, dann haben oppositionelle
Geschlechtskategorien in Wirklichkeit weder Bedeutung noch Inhalt. Um diese
Leere zu füllen, werden das Ersetzen, Definieren und Kategorisieren selbst der
Inhalt der (maskulinen) Identitt derjenigen, denen gesagt wird, dass sie keine
Fürsorger sind.
Wörter sind in diesem Fall keine Geschenke, sondern sie werden sozial als
mchtige abstrakte Kategorien auferlegt, die die Identitt einer Person bestimmen
und kontrollieren. Gemß des überlebensmechanismus, den Unterdrücker zu
imitieren, werden die Buben dann wie das Wort – so wie es ihre Vter vor
ihnen getan hatten. Mnnliche Geschlechtsidentitt imitiert das Benennen oder
den definitorischen Aspekt der Sprache sowie den Prozess des Platz-Einnehmens.
Sie verleiht der Gleichung Gewicht, in diesem Fall mit Bezug auf den Vater, der
nun sowohl den Platz der Mutter einnimmt (die ihrerseits ausweicht) als auch
den anderer Mnner. Der Penis spielt darin eine entscheidende Rolle, da es
dieses physische Charakteristikum ist, dass den Buben in eine Kategorie mit dem
Vater stellt.
Phallische Symbole sind überall, auch wenn wir gelernt haben, sie nicht
wahrzunehmen und ihre Wichtigkeit zu negieren. Der Gleichung selbst – als
Moment von Gleichsetzung und Tausch – wird von den meisten Menschen
geschenkt: sie erhlt deren Aufmerksamkeit und bezieht Wert von ihnen. Das
Istgleichzeichen (=) besteht womöglich ursprünglich aus zwei kleinen
phallischen Symbolen. Es ist dieses Charakteristikum (oder Eigentum), das der Bub
hat und die Mutter nicht, welches ihn aus der Kategorie der Fürsorge (der
Kategorie der Mutter) entfernt. Die psychosozialen Konsequenzen des Habens bzw.
Nicht-Habens dieses physischen Charakteristikums sind enorm.
Der Bube erhlt viele Privilegien. In der Tat wird ihm oft mehr Fürsorge
zuteil, weil er mnnlich ist, als ihm zuteil geworden wre, wre er ein Mdchen
gewesen (wie seine Mutter). Er wird oft als überlegen angesehen, selbst seiner
Mutter gegenüber. Wie das Wort hat er die Fhigkeit des Platz-Einnehmens, was
– in der Abwesenheit des Auf-Andere-Ausgerichtet-Seins und Schenkens
– zu Verdrngung und Herrschaft führt. Diese Fhigkeit und diese
Privilegien sind sein Lohn für die Aufgabe der fürsorglichen Identitt.
Ich habe das Wort Maskulisierung für diesen Prozess geprgt, in welchem der Bube
im Rahmen einer falschen, nicht-fürsorglichen Identitt sozialisiert wird bzw.
dem Wort ("Bube" – spter: "Mann"), das ihn ursprünglich seiner selbst entfremdet
hat, realen Ausdruck verleiht. Ich halte dies für einen entscheidenden Moment
in der mnnlichen Entwicklung, doch wird er nicht erkannt und vermag sich daher
in den unterschiedlichsten Lebensbereichen zu reproduzieren. Als Gemeinschaft
hoffen wir unbewusst, uns im Zuge dieser Reproduktionen des selbst geschaffenen
fatalen Makels entledigen zu können. Doch gleichzeitig gibt es eine Reihe von Mechanismen,
die den Makel in Platz halten und uns davon abhalten zu sehen, was wirklich vor
sich geht.