Ich glaube, dass das Bewusstsein –
zumindest zum Teil – das Resultat eines Zusammenspiels verschiedener Ebenen
ist. Allerdings kommen wir im Patriarchat nicht nur zu Bewusstsein, sondern wir
formen es auch: nmlich als maskulisiertes Ego-Bewusstsein. Dies geschieht auf
folgende Weise:
Wenn wir – oder auch andere – uns einen
Prototypcharakter zuschreiben und uns zu einem Zeiger machen, der in den
Vordergrund rückt – gerade so wie das im Zeigen mit dem Zeigefinger
geschieht – dann sind wir gleichzeitig das Objekt, auf das gezeigt wird,
und wir selbst sind es, die auf uns zurückzeigen. Dieser Selbstbezug schließt
die Außenwelt und soziale Beziehungen aus – wir reflektieren nur noch uns
selbst. Wir nehmen den Platz anderer ein und unterbrechen den auf andere
ausgerichteten Fluss. Unsere Aufmerksamkeit ist nur noch auf die eigene
Spiegeltüre gerichtet. (Die Türe erscheint nicht nur deshalb als Spiegel, weil wir
uns selbst reflektieren, sondern weil alle anderen das auch tun.) Wir beginnen
zu glauben, dass wir selbst die Quelle unserer Existenz sind. Auf der Basis
dieses Glaubens schaffen wir ein dominantes Ego, einen Prototypen, an dem wir
die vielfltigen Momente von uns selbst (unsere inneren Vielen) – und die
anderer, die mehr oder weniger wie wir sind – messen können. Wir pflegen
diesen Moment innerer Gleichheit, der den inneren wie ußerlichen
Manifestationen des Maskulisierungsprozesses entspricht.
Das Resultat des Findens einer
Geschlechtsidentitt durch einen Bezug auf den Vater wird dadurch bestrkt, die
übernehmende Gleichung durch Selbstbezug
in das individuelle Bewusstsein zurückzureflektieren. Dann stellen wir sogar
innerlich die Wertquivalenz über die Fürsorge. Dies führt schließlich dazu, das
Sein über das Schenken zu stellen, das Abstrakte über das Konkrete, das Allgemeine
über das Partikulre – obwohl dies natürlich nicht alles das Gleiche ist.
In Wirklichkeit ist die Quelle unseres Selbst gemeinschaftlich und kommt von
unserem Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein: von der Prsenz anderer für uns und
unserer Prsenz für sie. Wir liegen falsch, wenn wir die gemeinsamen
Projektionen unserer selbstbezogenen Reflexionen als Zentrum unserer
Kreativitt interpretieren. Die Quelle unserer Fhigkeit, diese Projektionen zu
sehen, zu schenken und zu empfangen liegt tief in unserem Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein
verborgen – so wie das Feuer, das die Schatten in Platons Höhle wirft.
Menschen mit maskulisierten Egos artikulieren
sich wie alle anderen und schaffen ihr verbal vermitteltes Bewusstsein. Der selbstbezogene
Egospiegel wird zum übernehmenden sprechenden Subjekt. Doch ist dies keine
soziale oder psychologische Notwendigkeit. Weder verbale Vermittlung noch die Verbundenheit
noch die Entwicklung des Selbst bedürfen des dominanten Egospiegels, der 1 = 1
= 1 ist und damit die Logik des Spiegelsaales der Gleichung wiederholt.
Viele Frauen fühlen sich nicht wohl in unserer individualistischen kapitalistischen
Gesellschaft, weil ihnen dieses Ego gewöhnlich fehlt. Auch viele Mnner fühlen
sich nicht wohl, da sie sich trotz des Drucks der Maskulisierung eine
Verbindung zum mütterlichen Modell bewahrt haben.
Freier (maskulisierter) Wille
Die Selbsthnlichkeit jedes Einen mit dem Index
kommt daher, dass wir – wie der Finger – etwas aktiv kennzeichnen
und uns zum Prototyp hinbewegen können. Von dem Moment an, in dem wir uns auf
eine selbsthnliche Weise auf uns selbst konzentrieren und manche Aspekte
unserer Persönlichkeit in den Hintergrund rücken und uns innerlich nach dem
Muster des Einen und der Vielen strukturieren, können wir aktiv werden und uns
auf etwas Neues hin ausrichten, ein neues Objekt oder Ziel, die wir ausgewhlt
haben. Wir nennen dies oft Wille. Das Schenken oder unsere kommunikativen
Impulse jenseits der Egospiegeltüre berücksichtigen wir zu diesem Zeitpunkt jedoch
meist nicht mehr. Die Motivation zum Schenken scheint ein Charakteristikum der
Vielen zu sein, ein inhaltliches Rudiment unseres Bewusstseins, um das wir selbst
uns nicht mehr kümmern. Es liegt an uns zu entscheiden, ob wir unseren Emotionen (engl. motion = Bewegung – Anm. d. übers.)
bzw. unseren auf Andere ausgerichteten Impulsen erlauben, endlich wieder aus dieser
Türe zu treten, den Spiegel hinter uns zu lassen und uns aufs Neue den
Bedürfnissen der anderen zuwenden. Doch bleiben wir meist in den
selbsthnlichen Reflexionen gefangen, da wir im Rahmen der Maskulisierung dazu
gebracht werden zu glauben, dass dies die uns angemessene Existenzform ist.
Wir fragen uns, was für uns am besten ist, und
schaffen damit einen Filter für unsere Handlungen. Das Bedürfnis für diesen
Filter wird vom patriarchalen Wettbewerb geschaffen. Außerdem wird von uns
gefordert zu wissen, wer wir sind.
Dies scheint für unser überleben unabdingbar. Wir müssen in der Lage sein zu
sagen, welchem Geschlecht, welcher Klasse, welcher Rasse und welcher Religion
wir angehören und wie wir uns sexuell definieren. Kurz, wir müssen uns unsere
Identitt bewusst sein, unseren Platz in der Hierarchie und ihre Regeln –
es geht darum zu wissen, wie wir im System überleben können; darum, weniger
verletzlich zu sein. Die Selbsthnlichkeit, die sich auf verschiedenen Ebenen
reproduziert, erlaubt uns zu sagen: "Dies ist, was ich bin – in Unterschied zu jenem." Wir erschaffen uns dadurch gewissermaßen
jedes Mal in verschiedenen Lebensbereichen neu gemß maskulisierter Bilder. Im
Verhltnis zum Unbewussten ist das Ego eine Art Kategorieprototyp. Dies hat zur
Folge, dass auch unsere Außenwelt – von der Familie bis zur Regierung
– nach diesem Bilde geformt wird. Die Erfahrung der Frauen ist gewöhnlich
eine andere als die der Mnner, da wir von Mnnern definiert werden. Wenn das
Mann-Wort unseren Platz in der Heirat einnimmt, werden wir zu einem auf den
Prototypen, das Mann-Wort, bezogenen Objekt. Uns wird unmissverstndlich zu
verstehen gegeben, dass unser Platz im System nicht an dessen Spitze liegt.
Wir können das Ego mit seinem Willen als eine
weitere Ikone des Index betrachten und unseren Körper selbst auf ein Objekt bzw.
Ziel hin bewegen (whrend andere Aspekte des Selbst zurückgehalten werden). Wenn
wir fürsorgliche, bedürfnisbefriedigende Arbeit tun, folgt unser Verhalten Motivationen,
die jenseits der Spiegeltüre liegen. Wenn wir hingegen am übernehmen teilhaben,
am Strken des Egos, am Negieren der anderen, am Tauschverhalten, dann dehnen
wir nur den selbsthnlichen Moment bzw. den Spiegel weiter aus und wiederholen
die kategorischen Prozesse des Messens und Vergleichens. Schenkendes Verhalten
gelangt nicht durch den Filter der maskulisierten Egowerte.
Es gibt natürlich auch Variationen dieser sich
selbst reproduzierenden Struktur. Manche Frauen meinen, dass sie auch mit einem
auf Andere ausgerichteten Ego in der Tauschgesellschaft überleben können. Auch post-maskulisiertes
Schenken ist eine Möglichkeit, einen Schenkaspekt in der Tauschgesellschaft
aufrechtzuerhalten – er wird etwa von Mnnern und Frauen betrieben, die
ihre Familien mit dem Lohn unterstützen, den sie erhalten. Doch gibt es auch im
post-maskulisierten Schenken einen Filter: nmlich das Budget, das Bedürfnisse
hierarchisiert. Diese Form des Schenkens kann also nicht direkt von den
Bedürfnissen ausgehen, wie das im überfluss geschehen könnte, sondern sie muss
sich den Bedingungen des Mangels unterwerfen.
In der heterosexuellen Zweierbeziehung nehmen
Mnner traditionell die Rolle des Ego ein und Frauen die Rolle der Fürsorge,
der Vielen, des Unbewussten. Die Person, die zunchst als "ungleich"
abgewertet, ja quasi ausgestoßen wird, kehrt nun also als Fürsorgerin wieder in
die selbsthnliche (mnnliche) Logik zurück. Ihr Schenkweg wird aus dem
öffentlichen Raum ausgeschlossen und auf die Familie konzentriert. Ihre Energie
versorgt den Filter und hlt ihn aufrecht. Das Gleiche gilt für den
öffentlichen Raum selbst, und für die, die in ihm erfolgreich sind.
Der Lohn und das Ego
Das Egobewusstsein selbst ist eine Art Filter,
der auf Tausch und Maskulisierung beruht und zwischen dem Schenkweg und dem
Tauschweg vermittelt. Auch das Besitzen von Eigentum ist ein Filter, durch den
das Schenken nicht zu dringen vermag. Viele Frauen setzen trotzdem damit fort
zu schenken. Sie wurden so sozialisiert.
Der Eintritt in den Arbeitsmarkt erlaubt eine
Versöhnung der beiden Prinzipien, nachdem sie als getrennte etabliert wurden.
Die Lohnarbeitenden unterstützen eine Familie, indem sie ihr vom Eigentum ihrer
monetren Definition (dem Lohn) abgeben. Da der Markt auf der Maskulisierung beruht,
sind Mnner besser auf ihn vorbereitet als Frauen.
Für Frauen ist der Markt ein ußerer Kontext.
Manchen gelingt es trotzdem, in ihm erfolgreich sein. Aber dies ndert nichts
daran, dass er nicht ihrer ursprünglichen Kategorisierung entspricht. Die persönlichen
Anspannungen, die die Anforderung, eine Familie durch Lohnarbeit zu erhalten,
mit sich bringen, sind Frauen ursprünglich fremd. Deshalb bedeutet Lohnarbeit
zum Familienerhalt für sie etwas anderes. Der Vorteil, der für sie im Eintritt
in den Markt liegt, ist, dass sich damit viele praktischen Probleme des Status
eines have-nots
lösen lassen und Zugang zu den privilegierten Kategorien des Patriarchats
möglich wird.
Der Lohn bestimmt als Ausdruck des allgemeinen
quivalents (des Geldes) den Wert des Mannes in der traditionellen Familie. Wenn
er in der Lage ist, einen Teil seines Geld-Namens seiner Frau zu schenken, kann
er damit gewissermaßen Teile seiner Maskulisierung "heilen". Das Geld wird zu
einem temporren Ersatz für den Geschlechtsbegriff "mnnlich". Diesen konnte
der Bub nicht mit seiner Mutter teilen, doch nun kann er dafür seinen
Geld-Namen mit ihrer Nachfolgerin teilen: seiner schenkenden Frau. Der Lohn
bestimmt, was der Mann empfangen und schenken kann. Darüber bestimmt sich seine
Rolle als Filter. Das Urteil über jemandes Identitt scheint zu bestimmen, was
einer Person an Haben zusteht, da sich die Person gewöhnlich diesem Urteil
anpasst und es als eine self-fulfilling prophecy betrachtet.
Das Haus, das von BauarbeiterInnen gebaut wird,
nimmt den Platz von Geschenken der Natur ein. Außerdem wird es zum Eigentum von
jemand anderem. Der "monetre Name" (die professionelle Kategorie oder der
soziale Status) der BauarbeiterInnen verschafft ihnen meist nicht genug Geld,
um das Haus selbst kaufen zu können. Sie schenken das Haus gewissermaßen der
Gemeinschaft. Diese Art des Schenkens ersetzt im Tausch das individuelle, auf
Andere ausgerichtete Schenken, und damit auch das Schaffen konkreter familirer
Gemeinschaft. Das "Geld-Wort": $, ersetzt dann diesen Ersetzungsakt selbst.
Mnner oder Frauen, die ihren Lohn ihrer
Familie schenken, sind wie die Person, die dem Buben den Namen "mnnlich"
schenkt, ihn damit privilegiert und andere dazu veranlasst, ihm auch zu
schenken. Der Bub erhlt den Namen, weil er ein Kennzeichen hat – ein "Preisschild".
Wenn ein Mann seine Frau und Familie mit seinem Lohn unterstützt, gibt er der
Frau einen Namen (hier in der Form des Geldes), obwohl sie kein Kennzeichen
hat. Wenn sie einen Sohn produziert, kompensiert sie jedoch für diesen Mangel.
Sie scheint dann das Geld ihres Mannes zu verdienen.
Die Beziehung zwischen der freien Arbeit der
Frau im Haus und dem Lohn des Mannes wird von der Verschiebung der Geschlechtsdefinition
bestimmt und ist nicht mit dem Tausch identisch. Der Mann gibt der Frau einen
Teil seines Geld-Namens, whrend sie fortsetzt, freie fürsorgliche Arbeit zu schenken,
die nicht monetr und quantitativ definiert ist. Sein Lohn ist das
reinkarnierte Wort, mit dem sie in Zeiten des Mangels die Mittel kaufen kann, die
sie zur Fürsorge benötigt bzw. um damit fortzusetzen, auf allen Ebenen zu
schenken. (Es ist beinahe so, dass das Vermögen der Frau zur Fürsorge gnzlich
vom Grad der Maskulisierung ihres Mannes abhngigt, da sie dessen Lohn zur
Aufrechterhaltung ihrer fürsorglichen Mittel, inklusive derer ihres eigenen
Körpers benötigt – die Brust ist hier das Hauptbeispiel.) Indem der Mann
seinen Geld-Namen mit ihr teilt, benennt oder kategorisiert er ihre
fürsorgliche Arbeit als Arbeit für ihn (und kontrolliert sie als solche).
All dies hat sich freilich aufgrund des
Eintritts der Frauen in die Arbeiterschaft und durch die immer höheren Zahl an
allein erziehenden Müttern gendert. Viele Frauen arbeiten heute selbst für den
Geld-Namen und beschaffen sich somit auch die Mittel zur Versorgung ihrer
Kinder selbst. Dies besttigt, dass das Geld nur ein Wort ist, ein übersetzter
Geschlechtsbegriff, der potentiell allen zukommen kann. Wie der
Geschlechtsbegriff selbst hat er nichts mit Biologie zu tun, sondern wird
sozial konstruiert.
Es strkt Frauen, ihren eigenen Lebensunterhalt
zu bestreiten, da dies ihr überleben weniger unsicher und weniger vom
Verdienstvermögen des Mannes abhngig macht. Doch ndert dies nichts am
maskulisierten Charakter der Tauschökonomie bzw. daran, dass es in der Logik
der Tauschökonomie liegt, die meisten Menschen zu have-nots zu machen. Somit wird die
ökonomische Maskulisierung, die manche Frauen erfahren, nicht die allgemeinen
Probleme lösen, die von der psychologischen und ökonomischen Maskulisierung der
Gesellschaft verursacht werden.
Die (Hetero)Sexualitt und das Töten
Das Geschlecht und die mit ihm verbundene
dominante mnnliche Heterosexualitt ersetzen die Fürsorge als Modell für beide
Geschlechter – das Geschlecht folgt damit der Sprache, die den Platz
materieller Kommunikation einnimmt. Alleine die Benennung des Geschlechts des
Kindes scheint zu implizieren, dass das Geschlecht (bzw. die Identifikation mit
oder die Abweichung von der Mutter) – und in Folge die Sexualitt –
wichtiger sind als die Fürsorge. Die physio-kulturelle Differenz des Buben von
der Mutter wird wichtiger als ihre fürsorgliche Praxis. Auf hnliche Weise ist
das Töten mit einem phallischen Indexsymbol, das als verschobene
(Hetero)Sexualitt gesehen werden kann, wichtiger als die Fürsorge. Das Tier
oder die Person wird passiv und unterwirft sich dem Willen des Schützen.
Gleichzeitig kann das Tier, wenn es einmal vom
übernehmenden phallischen Index getötet wurde, zur Fürsorge verwendet werden
– wie die Frau, die dominiert und von ihrem Beherrscher ausgebeutet wird.
Das Jagen gleicht dem Tausch, da das Objekt (der Empfnger der Kennzeichnung)
transformiert und neu kategorisiert wird. Es wird von seinem eigenen Willen
abgetrennt und zum Eigentum des Jgers, genauso wie das Produkt im Tausch von
seinem Eigentümer abgetrennt wird (oder der Bube von seiner Mutter aufgrund
seiner Geschlechtsdefinition). Der Schütze kann freilich auch andere Mnner töten
(seine Konkurrenten), um sein Eigentum oder diejenigen, die für ihn sorgen,
oder auch seine Natur oder seine Maskulisierung oder die Maskulisierung
überhaupt zu beschützen.
Post-maskulisierte Fürsorge verlangt gewöhnlich
Erkennung (eine weitere Entsprechung des Tausches). Frauen (und relativ
machtlose Mnner) versorgen den Herrscher, der sich durch die Mechanismen der
Maskulisierung arbeiten muss, um zu seiner Form der Fürsorge zu gelangen. Sobald
er die Kontrolle übernimmt, kann er in Form des post-maskulisierten Schenkens
"sozial" werden. Das Kennzeichen eines Objekts ist wie die Endung eines Falles
in der Sprache, die die Rolle des Substantivs im Satz anzeigt. Was so
gekennzeichnet ist, kann nur auf eine bestimmte sozial determinierte, "depersonalisierte"
Weise schenken – auf eine Weise, die eine Entfremdung des Produktes
impliziert. Der Gemeinschaft (bzw. den anderen) kann nur durch den Tausch mit
dem Geld-Namen geschenkt werden, dessen Erhalt die Beschenkten privilegiert. Es
ist dieses seltsame Modell, dem der Bube zu folgen hat.
Das Geld kann als eine Sammlung quantitativer Fall-Kennzeichen
gesehen werden. Als gesetzliches Zahlungsmittel sagt das Schild: "Zahle den,
der dies besitzt!" Wie eine Transformation von aktiv zu passiv zeigen das
Preisschild und das mnnliche Kennzeichen an, dass denjenigen, die es tragen, spezielle
Geschenke zustehen. Je mehr Besitztümer oder Geld er hat, je mehr
Fall-Kennzeichen er besitzt, desto mehr ist der Mann in Kontrolle und desto
mehr verdient er, immer noch mehr zu erhalten.
Die unterworfene Frau schenkt sexuell nur noch
ihrem Ehemann und materiell nur noch ihrer Familie. Sowohl der Wechsel vom
Schenken zum Tausch als auch der vom mütterlichen zum post-maskulisierten
Schenken wird mit dem Kennzeichen des Mannes identifiziert. Auch die Ikone des
Prototypen unterstützt das übernehmen und besttigt es. Der Penis ndert seine
Form in der Erektion. Da er keine Selbsthnlichkeit kennt wie die Hand, keine unmittelbaren
Objekte hat, die auf den Prototypen bezogen sind, hat er seine Rolle als Prototyp
in der Außenwelt zu etablieren, das heißt: er hat mit anderen Penissen zu
konkurrieren. Dies besttigt gleichzeitig die Rolle der Mnner als Eine im
Verhltnis zu den Frauen (die kein Kennzeichen haben) als Viele. Die Mnner
herrschen über die Frauen, um ihre überlegenheit zu beweisen.
Schießen
Da der Index dem Penis als ein Instrument
sowohl sexuellen als auch nicht-sexuellen Wissens vorausgeht, ist der Penis letztlich
nicht notwendig, um auf etwas zu verweisen. Die falsche Identifikation des
Penis mit dem Index wird durch eine Umkehrung weiter verkompliziert, der
zufolge der Index als angehngter Penis erscheint, der dann beispielsweise zu
einer Kugel oder einem Pfeil hin verschoben wird. Dafür ist auch unsere Art des
Sprechens verantwortlich, sowohl was die Maskulisierung angeht als auch das Schießen.
"Es ist ein Bube!" oder "Bang, bang, du bist tot!" haben hnliche entfremdende
Effekte. Indem ein Objekt als Teil einer bestimmten Kategorie identifiziert
wird, werden seine anderen Potentiale negiert. Das Schießen formt sich nach dem
Bild der Maskulisierung.
Auf den Buben zu zeigen und ihn "mnnlich" zu
nennen, kann als explosiver Laut gesehen werden, der den Buben dem schenkenden
Leben entreißt. Der Index ist der Abzugsfinger und der Ebenenwechsel ist der
Abzugsmechanismus, whrend dessen der Finger sich zurückzieht, um das Gewehr zu
feuern. Das Wort ist dann der Laut der Kugel, die die anderen (die, auf die
geschossen wird) benennt.
Wenn wir mit dem Finger zeigen, whlen wir zunchst
ein Prototypobjekt aus bzw. kennzeichnen es. Daraufhin benennen wir es und
wechseln vom Nonverbalen zum Verbalen. Die Explosion geht mit der Nachbarschaft
des verschobenen Index mit dem Objekt, das er penetriert, einher. Wir gehen von
der Indexkategorieikone (sowie dem Kategorieprozess des Auswhlens) über zum
Wort. (Siehe Graphik 32.) Die Penetration der anderen durch das "Geschenk" der
Kugel ist in Wirklichkeit ein Dienst, der dem Ego des "schenkenden" Schützen
getan wird. Das Schießen bestrkt die Tauschlogik und die gewaltsame Penetration
der Körper (und Herzen) der anderen erinnert an eine Vergewaltigung erinnert.
Das Gewehr und der Penis funktionieren beide als Eine, um ihren Trgern das
Einnehmen des privilegierten Einen-Status zu erlauben.
Das Schießen eines Pfeils mit einem Bogen
funktioniert so, dass die Sehne des Bogens zurückgezogen und dann losgelassen
wird, womit sich die Aufmerksamkeit/Energie auf den Pfeil übertragt. So wie kooperierende
Finger zurückgezogen werden, um den Zeigefinger zeigen zu lassen, ziehen alle
Finger gemeinsam die Sehne zurück. (Siehe Graphik 33.) Dasselbe passiert, wenn
der Indexfinger den Abdruck des Gewehrs und den Hahn, der bis zum Anschlag
gespannt war, gegen die zeigende Kugel prallen lsst. So wie zunchst das Wort
zurückgehalten und dann losgelassen wird, kommt es hier zu einer –
besonders explosiven – Unterstützung des Einen durch die Vielen. Die
Energie dessen, was zurückgehalten wird, wird auf den Index fokussiert.
Vielleicht gibt es hier eine Analogie zu den vielen Handlungen, die das Jagen
beinhaltet – in den Wald gehen, nach Beute suchen, usw. – bzw. zu
den vielen kooperativen Handlungen, die das Töten in der Jagd beinhaltet und die
es überdeterminieren.
Wenn wir auf Tiere oder Menschen mit einem
Gewehr zielend zeigen, um sie zu töten, müssen wir unsere schenkenden Impulse
ihnen gegenüber zurückhalten und sie zu Prototypen toter Objekte machen –
zum Beispiel zum essbaren Tier, oder zum Menschen, der für unseren Schutz oder
Status umgebracht werden muss. Wir hrten uns innerlich ab und unterdrücken
unsere Impulse des Auf-Andere-Ausgerichtet-Seins und des Schenkens ("armer Hase"),
um bestimmte Tiere als Ziele auswhlen und ihnen in der Folge das Geschenk des
Lebens zu nehmen und sie zu passiven Objekten zu degradieren. Der innere
Mechanismus des Auswhlens und das gleichzeitige Unterdrücken des Schenkens ist
wie der Mechanismus des Gewehrs. Mit unserem Indexfinger ziehen wir den Abzugsindex
zurück und der Hahnindex prallt auf den Kugelindex und bringt seine Ladung zum
Explodieren, die dann durch den phallischen Indexwaffenlauf nach vorne stößt.
Der Kugelindex trifft schließlich das Herz des Tieres (oder auch der Person),
beendet die organischen Schenkprozesse, die es am Leben erhalten, und
transformiert es zu einem Objekt in unserem Besitz.
Die Explosion in der Patronenkammer des Gewehrs
entspricht jedoch nicht nur der Explosion in der Herzkammer der Getöteten. Sie
entspricht auch jener im Herzen und Kopf der Schießenden – und vielleicht
auch jener in ihrem Penis, der schließlich auch als Prototypzeiger zeigt,
übernimmt und "explosiv" ejakuliert. Maskulisierter Wille = Penis = Gewehr. Auch
ökonomische Analogien gibt es hier. Einem internen Ausschluss des Schenkens
folgt durch die interne Wirkung des Gewehrs, die verußerlicht wird, ein
externer Ausschluss im Körper anderer.
Der Speer, der Bogen, das Gewehr – sie
alle zeigen und töten. Durch eine Fokussierung wird damit etwa in der Jagd das
Leben eines Tieres in den Hintergrund gedrngt. Nicht dem Leben des Tieres wird
Wert geschenkt, sondern dem des Zeigenden (und damit dem Tod des Tieres). Die
Beute wird ein Geschenk an Nahrung. Das Jagen funktioniert damit analog zur
Kommunikation: das getötete Tier wird ein teilbares Geschenk, wie ein Objekt,
das ausgewhlt wurde, um kommunikativ geteilt zu werden. Auf hnliche Weise
wird auch der Tod eines Feindes, der von Messern, Speeren, Gewehren oder
Raketen getötet wird, ein teilbares Geschenk für Individuen, Gangs, die Armee
oder das Vaterland.
Dieses bluttrunkene Geschenk – unser
gemeinsamer Grund – wird zwischen uns als Eigentum aufgeteilt, das wir
dann wiederum gegeneinander mit Schwertern und Gewehren verteidigen. Ganze
Armeen zeigen mit ihrer Technologie auf andere. Die Technologie wurde im Bilde
der vergegenstndlichten Zeiger geschaffen, die sich ihre Zugehörigkeit zu der
überlegenen Kategorie sichern und die anderen vernichten. In Zeiten
internationaler Spannung finden sich überall Raketensilos und Raketentrger, die
jederzeit bereit sind, ihre Zeiger zu heben und ihre Sprengköpfe auf den Feind
zu schießen. Vom Messer zum Gewehr zur nuklearen Rakete bzw. vom bewaffneten
Individuum zu den bewaffneten Armeen transformiert die Reproduktion der
Definition und des Kennzeichens des Mnnlichen unsere Zivilisation in eine
enorme fraktale Struktur, die aus selbsthnlichen Bildern der Maskulisierung
auf unterschiedlichen Ebenen besteht. Diese Struktur besttigt sich selbst und
zieht die Energie des Planeten und all seiner Lebewesen für seine eigenen Zwecke
ab und opfert dabei das Leben von Millionen. Wie auch immer wir dieses Muster
zu verschönern oder zu verbergen suchen mögen: es bleibt ein hssliches.
In der Antike transformierte der Jger das Tier
zu Essen, Eigentum und Geschenk. Eine Gemeinschaft, ein Kreis von Jgern, ein Gruppenfeuer,
ein Kochfeuer, ein Ofen, eine Bühne – sie waren es, die das Geschenk annahmen.
Der Moment – das Feuer, das Essen, das versorgende Geschenk – war
der kollektive Fokus und das Ereignis, das benannt und zu einem wiederholbaren
Prototypen wurde. Auch diejenigen, die sammelten und Felder bestellten,
brachten ihre Ertrge, um sie zu teilen. Das Ereignis wurde geschaffen, indem die
Geschenke der Vergangenheit zusammen verwendet wurden: Erinnerungen an
vergangene Momente, vergangene Zusammenkünfte und Gruppenfeuer, aber auch individuelle
Erfahrungen. Wir sind die Anderen, denen die Geschenke der vergangenen Jagden
und Ernten immer noch zukommen und die sie durch ihre Existenz am Leben
erhalten. Und damit werden auch die Menschen der Vergangenheit am Leben
erhalten, auch wenn diese das nicht wussten, als sie sich damals um das Feuer
herum versammelten, aßen und erzhlten. Wir wiederum hinterlassen unsere
Geschenke den Menschen, die nach uns kommen werden.
Generationen sind wie Wasser, das Felsen
hinunter rinnt und kleine Wasserbecken schafft, um dann über und weiter zu
fließen, um wieder neue Wasserbecken zu schaffen. An einem Punkt
zusammenzufinden, ist ein Geschenk. Ein Extra, das uns in der Gegenwart
zugetragen wird und uns in der Zukunft mit Menschen aus der Vergangenheit zusammen
sein lsst, genauso wie wir heute mit Menschen aus der Zukunft zusammen sind.
Im Gegensatz dazu schafft die Herrschaft der Einen kein Motiv oder Geschenk für
die Menschen der Zukunft, da die Güter hier nicht geteilt, sondern von den Einen
monopolisiert bzw. zur Unterdrückung anderer verwendet werden. Hier schenken
die Vielen alle den Einen – und nicht einander.
Schenken vs. Spiegeln
Schenken wird oft als verrückt diskreditiert,
da es damit droht, die fraktalen Spiegelsle einzudmmen. Das
Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein macht die Selbsthnlichkeit des Egos unnotwendig,
irrelevant. Das Schenken wird mit der Mannigfaltigkeit derer, denen wir
schenken, immer strker. (Unter anderem auch deshalb, da das Beschenken
unterschiedlicher Bedürfnisse Wachstum und Vielfalt fördert, nicht Wettbewerb.)
Aufgrund der Bedrohung, die das Schenken für das ökonomische Tauschprinzip und
seine Egostruktur darstellt, werden wir jedoch gezwungen, es aus unserem
Bewusstsein aus- und die Frauen, die es praktizieren, in die familire
Isolation einzuschließen – obwohl sie Legion sind.
In dieser Isolation kann auf sie als Fürsorgerinnen
der Kinder gerechnet werden, trotz der vielen und überwltigenden
Schwierigkeiten, die der Mangel schafft. Als isolierte Schenkende gefhrden
Mütter dabei jedoch oft ihr eigenes überleben, da sie zuviel schenken, ohne
dass es ihnen möglich ist, die sozialen Strukturen zu ndern. Der Catch 22 hier
ist, dass die Frauen einerseits die sozialen Strukturen nicht ndern können,
weil das Schenken nicht als ernst zu nehmende Alternative erkannt wird –
und sie es andererseits nur dann als ernst zu nehmende Alternative erkennen
könnten, wenn sich die sozialen Strukturen ndern würden.
Sich kompromisslos allen Schwierigkeiten zum
Trotz zu etwas zu bekennen, kann durchaus ein Ausdruck von Selbstbehauptung
sein. Gleichzeitig kann auch bis zur Selbstzerstörung geschenkt werden. Alles,
was dies besttigen würde, wre die Vermutung, dass es kein Schenken gibt: weil
es dann keine Schenkenden mehr gbe.
Aber auch der Mangel und die Isoliertheit der
Schenkenden verursacht deren Zerstörung. Damit das Modell des Schenkens für
alle fruchtbar werden kann, müssen auch die Schenkenden von anderen beschenkt
werden (selbst wenn dies den Anschein von Tausch annehmen mag), denn niemand
kann immer nur schenken, ohne je etwas zu empfangen.
Voraussetzung dafür ist, dass Schenkende erkennen, was sie tun, es benennen und
es bewusst praktizieren. Wenn dies wirklich viele tun, dann kann das Schenken
wieder als ernst zu nehmende Alternative erscheinen und ein Rahmen zur Lösung
allgemeiner, nicht nur individueller, Probleme geschaffen werden.
Doch hat das Schenken mit zahlreichen
Hindernissen zu kmpfen, die ihm der Tausch in den Weg legt. Manche davon
scheinen harmlos. So hlt etwa die Tugendisierung der Bescheidenheit ("Gib
nicht an!") die Schenkenden davon ab, sich selbst zum Modell zu machen. Stattdessen
bleiben sie untergeordnet. Ein Mann, der "seine" Frau "beschützt", beschützt in
Wirklichkeit nur seine Schenkquelle. Er tut dies nur aus Eigeninteresse. Alles,
was er will, ist, dass sie nur ihm und keinem anderen Mann schenkt. Die innere
Struktur des ego-orientierten maskulisierten Mannes entspricht der Struktur des
traditionellen heterosexuellen Paares. Patriarchale Family Values behaupten das
Recht des herrschaftlichen Parasiten auf den Körper der schenkenden Frau. Der
Phallus als Index besetzt den maskulisierten Mann (bzw. sein Egobewusstsein und
seinen Willen) als Index und übernimmt bzw. beherrscht das Schenken, inklusive
seiner eigenen inneren Schenkmotivationen. Wenn ein anderer Prototypmann von
außen auf ihn zurückzeigt, müssen die beiden um die Vorherrschaft kmpfen.
Das Ego ist ein Eines in Bezug auf andere Teile
des Selbst, das Ego anderer Menschen und letztlich aller Prototypen. In Bezug
auf einige größere Prototypen wird es zum Objekt – dies passiert etwa
zwischen Bub und Vater. Vom antiken gypten bis zu den modernen USA legen die
riesigen phallischen Symbole des Staates, die den Vater der Nation im Stile des
Washington-Monuments verkörpern, den vielen ansonsten privilegierten Prototypen
einen Objektstatus auf. So werden alle BürgerInnen in Bezug auf ihr Land (das als
das Eine fungiert) zu Objekten. Das Land als Eines wiederum grenzt sich von den
vielen anderen Lndern ab. Genauso verhlt es sich, was die Identifikation mit
den Regierenden des Landes als deren nationale Menschprototypen angeht.
Die Persönlichkeitskulte, die sich rund um
Führer der jüngeren Vergangenheit gebildet haben, sind ein Beispiel für diese
Prozesse. Ihre Mammutbilder dominieren den öffentlichen Raum. In
kommunistischen Lndern wachten bis vor kurzem enorme Statuen der führenden
Figuren der kommunistischen Bewegung über die Pltze, an denen die Massen sich
versammelten. Als Kim Il Sung vor kurzem in Nordkorea starb, zeigte das
Fernsehen Menschenmengen, die sich vor einer riesigen Statue von ihm auf die
Brust schlugen und weinten. Die Einbalsamierung und Aufbahrung von Lenins
Leiche im Mausoleum im Kreml gab der Sowjetunion ein dauerhaftes Bild des maskulisierten
Ego-Willens – das Umstürzen seiner riesigen Statue mit dem ausgestreckten
Zeigefinger hatte symbolisch ebenso starke Bedeutung.
Ziel
Der Unterschied zwischen den selbsthnlichen
Prozessen ist oft die Zeit, die es dauert, um sie auszuführen. Die Zeit, die es
dauert, um einen Satz zu sagen, ist kürzer als die Zeit, die es dauert, um zu
tauschen. Deshalb lassen sich auch leicht mehrere Stze verbinden. Die
Maskulisierung selbst dauert Jahre. Wir sind selbst Indexe: unsere Bewegungen hin
zu einem Ziel sind Gesten des Zeigens. So wie wir auf ein Ziel hinzeigen können,
können wir uns auch physisch zu ihm hinbewegen, es berühren. Wir haben Zukunftsorientiertheit,
einen Zweck oder ein Ziel, das vom Raum in die Zeit wechselt. Zurückzeigen
können wir sowohl in Raum als auch Zeit.
Zeigen mag so wenig Zeit dauern, wie es dauert,
einen Finger zu heben – oder so viel, wie es dauert, ein Reiseziel zu
erreichen. Auf dem Weg vom Moment unserer Entscheidung, uns zu einem Ziel zu
bewegen, bis zu unserer Ankunft entsprechen wir dem Index. Das Ziel, das wir
ausgewhlt haben, ist eines unter vielen. Dies lsst sich auch metaphorisch
betrachten: als Zweck, der die Mittel heiligt (oder übernimmt).
Dient ein Zweck, der als Ziel oder Punkt
identifiziert wird, der Bedürfnisbefriedigung? Ist unsere Motivation zu reisen
ego-orientiert oder auf Andere ausgerichtet? Der Tausch scheint uns vor die
Wahl zu stellen, dass es beides oder nichts ist und strkt damit nur den
(Geld)Prototypen. Wohnmobile reisen in die Fremde, um zu tauschen. Die
Intention des Reisens entspricht der Intention des Phallus im Sex: es geht
darum, an ein Ziel zu gelangen. Die Reise der Pioniere in den Westen der USA eroberte
Natur und war auf unerforschtes Land (virgin land – virgin bedeutet im Englischen auch
"Jungfrau"; Anm. d. übers.) ausgerichtet (bzw. zeigte auf solches), auf dem die
Mnner mit den Indexgewehren die Mnner mit den Indexpfeilen töteten, sich
parasitr ausbreiteten und es danach "frei" nannten.
Pferde können mit ihrer großen Energie als
phallische Indexe erscheinen, wenn sie auf ein Ziel hingaloppieren. Autos sind
hnlich. Wir können in diesen gemeinsam reisen und ein Ziel (oder Orte entlang
des Weges) gemeinsam anzeigen. Der Weg und die Umgebung sind einmal Vorder- und
einmal Hintergrund. Hier vollzieht sich ein stndiger Wechsel. Die Strasse, auf
die das Auto zeigt, und das gemeinsame Ziel sind gemeinsame Motive. Im Prozess
des abwechselnden In-den-Vordergrund- und In-den-Hintergrund-Rückens schenken
wir dem Vordergrund Aufmerksamkeit und achten nicht auf den Hintergrund, der in
die Vergangenheit fließt. Es ist dieser mechanische Prozess, der die nicht-mechanischen
Prozesse überlagert, die wir nicht sehen. (Ist der Wechsel der Formen des Index
eine ursprüngliche Proto-Technologie?)
Unsere Raumschiffe zeigen auf den Mond, um ihn
zu erobern – und wenn wir dort sind, stellen wir unseren Fahnenmast auf.
Unsere WissenschaftlerInnen kommen zusammen, um immer größere Bomben zu bauen
und Kriege zu gewinnen. Sie haben bereits einen nuklearen Fliegenpilz
produziert, der einen speziellen, unübersehbaren phallischen Charakter hat. Er
kann Hundertausende auf der Stelle und Millionen, ja sogar Milliarden
langfristig töten (aufgrund seiner unsichtbaren, "unangezeigten" Radioaktivitt).
Zum Töten reicht unser Zeigefinger – wollen wir jedoch etwas schaffen, so
brauchen wir die ganze Hand.
Das Wechseln der Hnde
Im Gegensatz zum In-den-Vordergrund-Rücken
lassen wir dem In-den-Hintergrund-Rücken keine Aufmerksamkeit zukommen. Es ist
jedoch genauso eine Aktivitt wie Ersteres. Im Zeigen ist das Zurückziehen der übrigen
Finger genauso intentional und aufwendig wie das Ausstrecken des Zeigerfingers.
Doch denken wir an diesen Aspekt nie, vielleicht weil wir uns ausschließlich auf
die Wiederholung der Struktur des Einen und der Vielen konzentrieren, die zwischen
dem Zeiger und dem, auf das gezeigt wird, stattfindet. Deshalb übersehen wir
es, wie die anderen Finger den Zeigefinger (den Index) unterstützen, indem sie
sich zurückziehen. Anders gesagt: Ein paar Finger zurückzuziehen, ist Teil der
Absicht, einen Finger auszustrecken.
Dasselbe passiert in sozialen Situationen, wenn
manche zurücktreten oder ausweichen, um anderen den Vordergrund zu überlassen.
Dies kann absichtlich und in kollektiver übereinstimmung geschehen. Da wir uns
jedoch fast immer nur auf das Eine (den Prototypen) konzentrieren, übersehen
wir meist die Rolle, die die Vielen dabei spielen. Damit wird es leicht, diese überhaupt
zu übersehen (so wie maskulisierte Prototypen diejenigen vergessen, die ihnen
schenken und ausweichen).
Es gibt zwei Viele: die vielen Finger, die Teil
der Hand sind (und die vielleicht auch den Rest, dem sich der Indikator nicht
zuwendet, reprsentieren) – und die Vielen außerhalb des Fokus, die Objekte,
auf die nicht gezeigt wird. Wenn die Finger dem Zeigefinger tatschlich beim
Zeigen helfen, dann helfen auch alle Objekte, die außerhalb des Fokus liegen,
dem Objekt, auf das sich die Aufmerksamkeit richtet, im Zentrum zu stehen. Die
Objekte tun dies, indem sie ausweichen bzw. die Möglichkeit aufgeben, selbst im
Zentrum zu stehen. Innerhalb der Familie waren Frauen traditionell die
ausgeschlossenen Finger – außerhalb der Familie waren sie die
ausgeschlossenen Objekte.
Im Old Boys Network wetteifern mnnliche Zeiger um die
Position des Einen im Zentrum. Sie zeigen dabei unentwegt auf ihre jeweiligen
Vorgesetzten im Rahmen der Hierarchie. Vielleicht geschieht dies unter anderem
auch deshalb, da der Penis keine anderen Finger auszuschließen hat. Die anderen
Finger sind in der Verschiebung und psychosozialen Evolution des Zeichens vom
Index auf die Genitalien verschwunden. Wenn wir den Penis als Finger sehen,
müssen wir den mnnlichen Körper analog dazu als Hand betrachten.
Ich denke, dass "Mann" von manus kommt (lat. für "Hand"). Der Mann
wre dann eine Körper-Hand mit einem Penis-Index. Die Frau wre hingegen
– wenn wir vom englischen wo-man ausgehen – die Mutterleib-Hand (womb-hand – engl. womb = der Mutterleib; Anm. d. übers.):
die ganze Hand, die schafft und schenkt.
Die Position anderer einzunehmen, ist ein Teil
des Schenkens. Wir hören gewöhnlich damit auf, sobald wir mit dem Schenken
aufhören. Viele Frauen geben auch ihre eigene Prototyprolle im Prozess des
Zeigens auf und folgen stattdessen der Perspektive des mnnlichen Zeigers/Prototypen.
Wir Frauen helfen Mnnern. Wir achten darauf, was sie brauchen und worauf sie
zeigen. Wir tun dies, da wir ihre Sichtweise und ihre Rolle als Prototyp bzw.
ihr Streben, ein Prototyp zu sein, im Zentrum zu stehen und unseren Platz
einzunehmen, akzeptiert haben. Manchmal jedoch gelangen wir an einen Punkt, an
dem wir dies nicht mehr aushalten. Dieser Punkt wird zu unserem Wendepunkt: Nun
erkennen wir das Schenken wieder und beanspruchen es zurück!
Geschenkt und versorgt wird gewöhnlich mit den
Hnden. Für diese ist es bedeutungslos, einen Penis zu haben oder nicht. Das
Zeigen des Babys kann als nicht anderes interpretiert werden als die Forderung
nach einer Schenkgeste der Mutter; als Versuch also, ihre Mutterleib-Hand (ihre
wo-man's womb-hand)
zu empfangen. Wie fürsorgliche Mnner, die sich um ihre Kinder kümmern, in
letzter Zeit demonstriert haben, kann sich die zeigende Hand in eine schenkende
verwandeln. Diese nderung und ihr Potential darf jedoch nicht auf einer
individuellen Ebene verbleiben. Sie muss die Dimension einer sozialen, einer
systematischen nderung annehmen.
Kapitel 17>