Mithilfe der Sprache findet jedes Individuum seine eigene Antwort auf die
wichtigste philosophische Frage unserer Zeit: "Was ist die Beziehung der
Einzelnen zu der Menschheit im Gesamten?" Die Beziehung des Individuums zu
seiner Kultur und von dieser zu den sechs Milliarden anderer Menschen, die heute
die Erde bevölkern, ist sehr verschieden von der Beziehung des Individuums zu
seinem Dorf oder seiner sozialen Gruppe in vergangenen Zeiten. Wir leben heute
mit medialen Bildern und Informationen über Milliarden von Menschen, die wir
niemals persönlich sehen oder treffen werden. In hnlicher Weise haben wir Bilder
von unserem Planeten, wie er inmitten von Millionen anderer Galaxien und
Milliarden anderer Sterne bzw. all derer Planeten liegt. Whrend unser Wissen
um die Menschheit und das Universum gewachsen ist, hat sich unsere Bedeutung
als Individuum – im Verhltnis zum Ganzen – erheblich verringert. Für
uns selbst stehen wir jedoch nach wie vor im Vordergrund und wirken ausgesprochen
wichtig, da unser Blick auf uns selbst gerichtet bleibt.
Aus der Perspektive des Schenkprinzips sieht die Antwort auf die oben
gestellte Frage in etwa so aus: Jeder Mensch ist Teil einer Gemeinschaft, da
seine Identitt im Zusammenspiel mit dem geformt wird, das die Gemeinschaft zur
Verfügung stellt, das heißt mit deren linguistischen und kulturellen Geschenken,
die uns allen von anderen geschenkt werden und die wir allen an andere schenken.
Unsere physischen und psychischen Subjektivitten werden mithilfe dieses
Materials geschaffen, dieser Matrix (oder Mutter), die wir selbst wieder als
Vorlage für andere reproduzieren. Wir sind alle ein Punkt oder Ort, ein Stich
im Gewebe, der von der Weitergabe unzhliger Geschenke bedingt ist. In diesem
Gewebe schafft der kollektive Prozess – durch Geschenke auf allen
möglichen Ebenen – Beziehungen zwischen Dingen und Wörtern, Wörtern und
Wörtern, Dingen und Dingen und schließlich zwischen uns und allen anderen.
Die Reproduktion der Maskulisierung auf verschiedenen Ebenen hat die
Konfiguration dieses kollektiven Prozesses gendert und richtet seinen Fluss
hin auf eine Gruppe von Herrschenden, die versuchen, ihre individuelle
Wichtigkeit auszudehnen, indem sie Kontrolle über das Kollektiv und seine
Geschenke übernehmen. Diesen Individuen wird oft von anderen gedient, die dadurch
indirekt in eine Beziehung mit den Vielen durch ihre Beziehung zum Einen
eintreten, der die Vielen beherrscht. Es wre wohl denkbar, dass die
Herrschenden ihre Geschenke den Vielen zurückgeben. Nur vertrgt sich dies
nicht mit ihrer Geschlechtsrolle. Leider hat die Herrschaftsstruktur des Einen
über die Vielen ihre mögliche Konsequenz in der Zerstörung der Vielen durch den
Einen. In jüngerer Zeit hat vor allem die Möglichkeit nuklearer Zerstörung
diese Gefahr offensichtlich gemacht (und manche Eine haben bereits mit ihr
gespielt). Wir müssen die wirklichen Grundlagen der Motivation zu herrschen, offen
legen und uns selbst neu erschaffen durch die Prozesse des Schenkens und Empfangens.
Nur so können wir einen Weg zu finden, uns aufeinander als Fürsorgende zu
beziehen: als Ein(zeln)e unter Vielen wie als Viele unter Vielen.
ökologische Nischen
Eine ökologische Nische ist ein Geschenk, das denen, die es erhalten,
erlaubt, sich zu entwickeln. Die Bedürfnisse, die sich in diesen Nischen
entwickeln, sind solche, die von der Nische erfüllt werden können. Sprache ist
ein Produkt (und ein Nebenprodukt) des Lebens vergangener Generationen, das an
gegenwrtige Generationen und Individuen weitergegeben und von diesen genutzt
werden kann. Sprache ist in diesem Sinne eine kollektiv geschaffene kulturelle
ökologische Nische.
Wir müssen uns miteinander in Bezug auf Dinge verbinden, weil sie für uns
auf verschiedene Weisen kollektiv wertvoll sind. Und wir müssen in der Lage
sein, Dinge kollektiv und individuell auf verschiedene Weisen anzuwenden, um
ihren Wert fruchtbar werden zu lassen. Andere in der Gesellschaft haben viel
zum Wert dieser Dinge beigetragen, aber das Gleiche gilt für den Wert der
Wörter. Zumindest die Erklrungen dafür, wie die Dinge in unserer unmittelbaren
Umgebung am besten anwendbar sind, werden uns gewöhnlich geschenkt. Sie sind
einfach da und wir brauchen sie nur aufzuheben – und wenn nicht, erhalten
sie uns von unseren Müttern. Dieses Wissen – sowie das Wissen um die
unseren Zwecken dienlichen Anwendungen der Dinge – wird uns von den anderen
der Gemeinschaft vermittelt. All unsere materielle Kultur existiert nur, weil sie
von anderen über Jahrhunderte hinweg geschaffen und mithilfe der Sprache weitergegeben
wurden. Dabei gab es jedoch viele Verdrngungsprozesse: Frauen und die Dinge selbst
wurden aus dieser überlegung meist prinzipiell ausgeschlossen und Philosophen
haben die Leben und Geschenke der Vielen der Vergangenheit (und Gegenwart) oft genug
ignoriert, weil sie Wörter über Dinge schtzten und die Welt von einem
dekontextualisierten, maskulisierten Blickwinkel aus betrachteten. Sexismus
reicht viel weiter als die Geschlechterfrage. Er verursacht Verleugnungen und
Verdrehungen von Perspektiven, was vieles andere beeinflusst. Der Sexismus
drngt sich in die Dialektik von Wörtern und Dingen, Definierenden und
Definiertem, und ndert damit wesentlich unsere Perspektiven und unsere Weltbilder.
Der Tausch hat einige Sprachprozesse falsch aufgefasst ("falsch genommen"
– "mis-taken")
und, indem er sie auf eine andere Ebene gehoben hat, eine Situation geschaffen,
in der das Geschenk tatschlich von der Anforderung eines quivalenten
Gegengeschenkes ersetzt wird. Diese artifizielle Situation wird erzeugt, indem
jener Teil der Sprachstruktur reproduziert wird, wo das Wort den Platz eines
Dings einnimmt und damit das Schenken des Dings unnotwendig macht für die
Kreation einer menschlichen Beziehung: Ich brauche dir diese Blume nicht zu
geben, um eine menschliche kommunikative Beziehung mit dir zu schaffen –
ich brauche einfach nur "Blume" zu sagen. Das Wort nimmt damit auch die Rolle
eines Prototypen ein. In der Beschreibung des Kategorisierungsprozesses sahen
wir, dass der materielle Prototyp nicht lnger notwendig ist, wenn das Wort
seinen Platz einnimmt, um zu demonstrieren, was in die entsprechende Kategorie gehört.
Gleichermaßen löscht auf der Ebene des Tausches das Gegengeschenk den
Geschenkcharakter des ersten Geschenks aus und ersetzt es mit dessen "Wert". Das
Geschenk wird demnach von nun an von seinem Gegengeschenk re-prsent-iert. Dies wird besonders deutlich, wenn das
Gegengeschenk Geld ist.
Geld nimmt den Platz eines Produktes als Gegengeschenks ein, indem es als
dessen quivalent fungiert. Es ersetzt das Produkt auf diese Weise bzw. löscht
es aus. Geld misst und re-prsent-iert den Wert des Produktes im Tausch also als Ersatzgeschenk (siehe
Kapitel 3). (Interessanterweise funktioniert Geld – der Schiedsrichter
des Tausches – nur, wenn es gegeben wird.) Geld löscht dabei sowohl den
qualitativen Wert eines Produktes aus als auch dessen Schenkwert (die
Implikation, dass die Person, der geschenkt wird, dadurch auch Wert geschenkt
wird) und ersetzt sie mit quantitativem Wert und Tauschwert. Damit kann das
Produkt nunmehr mit allen anderen Produkten auf dem Markt verglichen werden.
Der fürsorgliche menschliche Akt des Schenkens wird manipuliert und der
Kategorisierungsprozess wird verwendet, um die Segregation des Privateigentums
einzurichten. Dieser Gebrauch des Kategorisierungsprozesses (und einer
manipulierten Linguistik) erlaubt allen Tauschenden von nun an die
Charakteristika des Definitionsprozesses zu realisieren, um das Ersatzgeschenk
Geld zu geben und zu erhalten. Die Tauschenden können damit etwas geben, ohne wirklich
etwas zu verlieren. Wert kommt nur noch den Dingen zu bzw. deren Ersatz: dem
Geld – nicht mehr anderen Personen. Geld ist das Kommunikationsmittel,
durch welches das Produkt definiert wird, und die Kaufenden lassen es den
Verkaufenden auf sehr hnliche Weise zukommen wie die Definierenden das Definiendum
den Zuhörenden. Wie im Definitionsprozess das Ding, das es zu definieren gilt,
wird im Tausch das Produkt aufgegeben (hier von den Verkaufenden). Im
Kategorisierungsprozess wird der Geschenkwert des Produkts also ausgelöscht und
von dem Geldbetrag ersetzt, mit dem es getauscht wird und den wir daher seinen "Tauschwert"
nennen. Sobald das Produkt das Eigentum der Kaufenden wird, verlsst es den
Marktprozess und erhlt einen "Gebrauchswert".
Wenn der Prozess des Tausches denjenigen, die etwas erhalten, den Wert
vorenthlt, der ihnen im Schenkprozess zukommt, bzw. wenn er den Schenkwert des
Produktes auslöscht, so geschieht dies auf eine Weise, die gewöhnlich nicht
erkannt wird. Dies deshalb, da im Gebrauchswert, der dem Tauschwert folgt,
keine sozialen Dimensionen enthalten sind. Wenn wir für ein Produkt bezahlt
haben, interessiert uns nicht mehr, woher es kam. Ob das Produkt, das wir
anwenden, von unterbezahlten ArbeiterInnen in der so genannten Dritten Welt, von
Kindern oder von US-Gewerkschaftsmitgliedern produziert wurde, spielt für uns
gewöhnlich keine Rolle. Das Produkt ist fertig, um von uns gebraucht zu werden.
Denen, die es produziert haben, wird weder Dank noch Anerkennung zuteil. Und
genauso wenig wird das Produkt als fürsorgliches Geschenk direkt von den
Produzierenden erhalten, was den Erhaltenden als Beschenkten Wert geben würde.
Anstelle dessen werden Anerkennung und Dank denen zuteil, die am Tausch Geld
gemacht haben, und vielleicht den Kaufenden oder den Verkaufenden oder dem
Marktprozess selbst. Es gibt also einen unsichtbaren, logischen Unterschied zwischen
Gebrauchswerten, die einem Tauschprozess entspringen, und Gebrauchswerten, die davon
herrühren, dass Menschen etwas direkt für andere produzieren und es ihnen als
Geschenk zukommen lassen. Ein Schenkwert wird den Produkten zustzlich zuteil,
wenn sie zur Bedürfnisbefriedigung anderer angewendet werden – doch der
Schenkwert, der direkt von den Produzierenden kommt, wird im Tauschprozess
unwiederbringlich ausgelöscht bzw. in Profit für andere verkehrt.
Von der Welt ausgehen
In seiner Analyse von Geld und Waren (Produkten im Tausch) erklrte Marx
die Waren zum Ausgangspunkt. Er meinte, dass frühere Denker falsch gelegen
htten, als sie in ihren ökonomischen Betrachtungen vom Geld ausgingen. Wir
können eine hnliche überlegung anstellen hinsichtlich der Beziehung zwischen
Wörtern und der Welt: Wenn wir unsere diesbezüglichen Fragen formulieren,
nehmen wir gewöhnlich die Wörter als Ausgangspunkt. Dies bringt uns von Anfang
an auf den falschen Weg. Wir müssen von der Welt ausgehen, nicht von den
Wörtern – von der materiellen Kommunikation, nicht von der verbalen. Die
Antworten finden sich in der Aktivitt des Schenkens. Wenn wir jedoch von den
Wörtern ausgehen, können wir weder den Schenkcharakter von Wörtern noch von Dingen sehen, da dieser heute aus
mehreren Gründen verborgen bleibt: wegen der Transparenz des Wortes, wegen der
Belastung des Wortes mit der Maskulisierung und wegen der überbewertung des Platz
einnehmenden Elements im Definitionsprozess (und verwandten Prozessen).
Nachdem sie sich den maskulisierten Mnnern gegenüber in einer unterlegenen,
schenkenden Position befinden, ist die Position der Frauen in Bezug auf die Wörter
der Position von Dingen hnlich. Es ist daher für Frauen einfacher, Sprache aus
der Perspektive der Dinge zu begreifen, whrend Mnner gewöhnlich die Perspektive
der Wörter einnehmen. Natürlich können alle Menschen auch Dinge sein, die auf
Wörter bezogen sind, wenn über sie gesprochen wird: "die Person da drüben",
"der nchste in der Reihe", "Janas Freund". Weil aber das Wort vom mnnlichen
Geschlecht besetzt gehalten wird, befinden sich Frauen in ihrer Beziehung zum
Wort in derselben Rolle wie die Dinge. Frauen wissen, was es heißt, wenn über eine Person gesprochen wird anstatt sie
selbst sprechen zu lassen; sie wissen, was es heißt, denen Platz zu machen, die
den ihren beanspruchen und sie öffentlich reprsentieren, whrend sie zuhause
weiter schenken.
Frauen sind stndig aktiv, erledigen die Aufgaben von Instandhaltung des
Heims, Fürsorge, Kinderbetreuung (all die Aufgaben, die ihnen zuteil wurden) und
verleihen stndig anderen Wert. Dinge hingegen tun das nicht. Zumindest nicht
auf die gleiche Weise. Sie setzen sich nicht in Beziehung zu Menschen. Woher
kommt dann ihre aktive Dimension? Sie kommt von der Aktivitt und kreativen
Aufnahmefhigkeit des Kollektivs, die jenseits des Individuums liegen, nmlich
im unsichtbaren Hintergrund, in den die Vielen verbannt sind und in dem wir Frauen
uns Jahrhunderte lang aufhielten. Unser unanerkanntes Schenken, unser direktes
und indirektes Für-Andere-Sorgen, sind sowohl Ursache als auch Wirkung einer
endlosen kollektiven Dialektik, die sich im Austausch mit den materiellen
Dingen ereignet. In dieser Dialektik wird direkt geschenkt, aber sie produziert
auch eine Reihe an Geschenken als "Nebenprodukte". Das Patriarchat lsst es
dabei freilich manchmal so aussehen, als wren Frauen selbst (und andere
Menschen im Hintergrund) Nebenprodukte von Mnnern, ausgestattet mit einem
Wert, der ihnen – wie den Dingen – nur vom Kollektiv gegeben wird
und der keiner ist, der von ihrer eigenen Aktivitt, von ihrem Schenken kommen
würde. Frauen werden mit Dingen auch in dem Sinne gleichgesetzt, dass sie
Wörtern erlauben, ihren Platz einzunehmen.
Die Behandlung von Frauen als Dingen, die im Rahmen einer Beziehung des
Einen zu den Vielen jenen Mnnern ausweichen (um sie gleichzeitig zu versorgen),
die ihren Platz einnehmen und sie besitzen oder kontrollieren, reproduziert die
Beziehung zwischen Dingen und Wörtern, die immer so schwierig für die
mnnlichen Philosophen zu verstehen war, weil sie stndig von ihrer eigenen Position
ausgingen, also der Position der Platz-Einnehmenden, Besitzenden und
Kontrollierenden, der Einen, die den Vielen gegenüberstehen. Frauen, die als
Dinge behandelt werden, können jedoch von der Position der Dinge ausgehen bzw.
der Position der Vielen – derer also, die schenken und ausweichen.
Jemand mag fragen: Schenken Dinge wirklich und weichen sie Wörtern auf die
gleiche Weise aus wie Frauen Mnnern ausweichen? Wir können dann weiterfragen: Werden
Dinge in dem Gewebe der unzhligen Geschenke, die das Leben des Kollektivs
ausmachen, lebendig durch unsere magischen Hnde und machen wir sie zu
Pinocchios, die endlich dem Wort des Vaters hörig sind? Oder ist das alles
Projektion? Geppettos Wörter einmal beiseite gelassen, fühlen Hexen (und die
blaue Fee) das Leben in Dingen vielleicht deshalb, weil sie die Dinge wie sich
selbst sehen: belastet mit dem Fluch der Objektivierung. In jedem Fall sind
unsere Wörter anders, weniger leer als die der maskulisierten Mnner –
weil wir auch Dinge sprechen (because we also speak things).
Von den Wörtern ausgehen
Von den Wörtern auszugehen bzw. Wörter auf Dinge zu beziehen, teilt das
Wort in zumindest zwei Teile: das "Mittel" (Laut, Signifikant, Zeichen,
Schrift, Geste) und die "Bedeutung" (Idee, Signifikat, Referent, designatum). Ich glaube, dass wir dabei den Wert
eines Dings auf die Bedeutung des Wortes, das wir für dieses Ding verwenden,
übertragen. Daraufhin werden die Dinge vom Wort getrennt und ihres
Kommunikationswerts beraubt. Weder die Aspekte des Auf-Andere-Ausgerichtet-Seins
von Dingen oder von Wörtern werden dabei erkannt und wertgeschtzt. Wörter haben
nicht so sehr Wert in und an sich selbst, sondern als ein Ersatzgeschenk, das
die Werte der Dinge in die Kommunikation übertrgt und dort nutzbar macht. Dies
trgt dazu bei, Gemeinschaft in all ihrer Vielfalt zu formen, indem es uns
allen möglich wird, uns mit anderen auf spezifische Weisen zu verbinden, wenn
wir uns gemeinsam auf Etwas (ein "Ding") in der Welt beziehen. Der Wert der
Dinge liegt darin, allgemein für andere zu existieren.
In der Gemeinschaft, die von der Maskulisierung korrumpiert wurde,
reproduziert die Beziehung zwischen den Geschlechtern jene zwischen Dingen und
Wörtern (was sie nicht begreifen). Es ist zu diesem Problem gekommen, weil
Menschen besser auf Definitionen als self-fulfilling prophecies zu reagieren imstande sind als Dinge
– egal wie belebt diese auch erscheinen mögen. Mnner üben die Rolle des
Wortes aus, Frauen jene der Dinge. Indem die Mnner den Platz der Frauen einnehmen,
werden sie zu Ersatzgeschenken, die Frauen für andere reprsentieren, womit
ihnen in der Kommunikation im Rahmen der Gemeinschaftsform, die wir Patriarchat
nennen, jener Wert zukommt, der eigentlich derjenige der Frauen ist. Frauen
helfen dabei mit, diese Form von Gemeinschaft zu etablieren und aufrechtzuerhalten.
Mnner sind gewissermaßen die kollektiven Ersatzgeschenke der verborgenen individuellen
Geschenke der Frauen. Auch die Dinge haben einen verborgenen Geschenkaspekt,
der den Wörtern zugeschrieben wird, die ihren Platz einnehmen. Mnner und
Wörter erscheinen somit selbstbezogen und Frauen und Dinge nicht. Die Ursache
dieser Verwirrung ist das Auseinanderfallen der menschlichen Gemeinschaft
integrierter, sich selbst und andere schaffender Sprechender und Zuhörender
(und Schenkender und Beschenkter) in zwei isolierte und entgegen gesetzte
Geschlechtskategorien.
Bedeutung
Wenn wir von den Dingen anstatt den Wörtern ausgehen, können wir Bedeutung
in den Dingen selbst erkennen – in all ihrer Vielfalt von Erscheinungen
und Anwendungen und in ihren Beziehungen zu Wörtern als ihren Ersatzgeschenken
im Rahmen menschlicher Kommunikation. Unterschiedliche Dinge, die auf ein- und
dasselbe Wort bezogen sind (was wir gewöhnlich die unterschiedlichen
Bedeutungen des Wortes nennen), haben auch Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel kann sich
das Wort "süß" auf den Geschmack von Honig beziehen, oder den eines Kuchens, oder
auch auf eine Person mit einer herzlichen Erscheinung. Sowohl der Honig als
auch der Kuchen als auch die Erscheinung haben dabei Relevanz für uns Menschen
in und an sich selbst. Wenn die drei nicht auf ein- und dasselbe Wort bezogen
wren, wren sie auf verschiedene Wörter bezogen. Selbst wenn sie auf überhaupt
kein Wort bezogen wren (keinen Namen htten), könnten sie auf Stze bezogen
werden, deren Wörter sich auf einige ihrer Charakteristika beziehen. Die
Tatsache, dass Dinge auf ein Wort bezogen sind (dass sie einen Namen erhalten
haben), impliziert nur, dass sie (oder Dinge wie sie) verwendet worden sind, um
kollektive kommunikative Bedürfnisse zu befriedigen. Es kommt ihnen ein bestimmtes
Maß an Allgemeinheit zu. Es sind dabei aber nicht nur die Wörter, die allgemein
sind, sondern auch die Dinge selbst. Im Kategorisierungsprozess wird die
Fhigkeit der Dinge, auch für andere anwendbar zu sein, deutlich durch die Allgemeinheit
des Prototyps und die Polaritt des allgemeinen Wortes. Die Tatsache, dass es für
ein Ding ein Wort gibt, drückt die Allgemeinheit dieses Dings aus, nicht nur die
des Wortes. In der Tat ist das Wort an sich selbst nichts – es ist
abhngig von der Beziehung, die die Dinge zu ihm einnehmen.
"Bedeutung" ist der von
oben nach unten gerichtete und auf dem Wort basierende Begriff für die Beziehung
zwischen Dingen und Wörtern. Diese Beziehung wird in permanenten Prozessen von
Menschen füreinander geschaffen, individuell wie kollektiv. Wir glauben
gewöhnlich nur an Wort-Ding-Beziehungen, aber es sind tatschlich die Ding-Ding-
und die Ding-Wort-Beziehungen, die Wörtern für Menschen Wert verschaffen. Die Ding-Wort-Beziehung
ist auch aus einigen anderen Gründen wesentlich für das Schaffen unserer
Identitten: Menschen sind füreinander auch Dinge, die auf die Welt bezogen
sind (wir sprechen beispielsweise über uns selbst – siehe oben); wir
versorgen einander auf vielen Ebenen materiell und linguistisch; und –
wie wir gesehen haben – folgen auch unsere Selbstkonstituierungsprozesse linguistischen
Prozessen.
Wir haben diese linguistischen Prozesse sowohl in die ökonomische und
politische Organisation der Gemeinschaft projiziert als auch in die
Familienstruktur. Die Projektionen bestrken und belohnen einige
Verhaltensweisen und werten andere ab; sie dressieren uns und beeinflussen
unsere Identitten. Sie schaffen die Kontexte, in denen wir leben, und sie legen
uns die Parameter der Wirklichkeit auf, in der unsere selbst konstituierten
artifiziellen Identitten zu operieren haben (und die wir "Patriarchat"
nennen). (Siehe Graphiken 11 und 12.)
Nicht nur nehmen Frauen in den USA den Namen ihrer Ehemnner an, sondern
– wie in Traditionen andernorts – sie überlassen Mnnern auch ihren
Platz in der öffentlichkeit und erlauben ihnen, für sie zu sprechen und für sie
Entscheidungen zu fllen. Die Identitt der Frauen wird definiert über jene, zu
denen sie in Beziehung stehen. Wie wir gesehen haben, müssen wir von den Dingen
selbst ausgehen, wenn wir etwas über die Beziehung zwischen Dingen und Wörtern wissen
wollen. Genauso wie uns der Feminismus gelehrt hat, dass wir von den Frauen
ausgehen müssen, wenn wir etwas über die Beziehung zwischen Frauen und Mnnern
wissen wollen.
Mnner haben Jahrhunderte lang über Dinge von Wörtern ausgehend nachgedacht,
genauso wie sie von sich selbst ausgehend nachgedacht haben, wenn sie
versuchten, Frauen und Kinder zu verstehen. Es sieht für mich so aus, als dass
diejenigen, die nach dem Sinn des Lebens suchen, genauso wie die, die nach dem
Sinn von Wörtern suchen, einen auf dem Wort beruhenden Zugang von oben nach
unten whlen. Anstelle dessen sollten wir jedoch alle vom materiellen Schenken
ausgehen und nicht vom linguistischen, ersetzenden, reprsentierenden Schenken.
Wir müssen Dinge selbst schenken, um die materiellen Bedürfnisse anderer zu
befriedigen, um Reichtum für alle zu schaffen, um wirklich zu ko-muni-zieren und um physische Subjektivitten (Körper)
zu formen. Wörter reichen dazu nicht aus. Sie können nur helfen, linguistische
oder psychologische Subjektivitten von Kommunalitt zu formen. Wir aber müssen
die systematischen nderungen durchsetzen, die wieder allgemeine materielle Kommunikation
auf allen Ebenen möglich machen wird.
Parasitre Beziehungen
Altruismus mag heute manchmal geheuchelt erscheinen, doch liegt der Grund
dafür nur darin, dass das maskulisierte Tauschego Altruismus ohne das Vorbild
der Mütterlichkeit auszuüben versucht. Die Folge sind paternalistische
Wohlfahrtseinrichtungen, die Almosen verteilen – gerade genug, um einigen
Individuen etwas das Leben zu erleichtern. Sozial wirklich verndert wird
nichts. Unsere Wohlfahrtssysteme bewahren Kontrolle über ihre "Geschenke" und
die von ihnen "Beschenkten" mit Vorstellungen von "Vertrauenswürdigkeit", denen
zufolge sich die Beschenkten ihre Geschenke gewissermaßen verdienen müssen. Auch
Frauen (selbst Mütter) akzeptieren dieses Prozedere heute als Wohlttigkeit und
Norm altruistischen Handelns. Wenn wir Frauen aber damit fortfahren, die
Mütterlichkeit zu diskreditieren und unseren Blick nur noch auf die sich selbst
legitimierenden Prinzipien von Maskulisierung und Tausch richten – egal
ob das aufgrund unseres eigenen zunehmenden Erfolgs innerhalb des System
geschieht oder einfach weil wir uns mit dem mnnlichen Anderen identifizieren,
das uns unterdrückt – dann werden wir das revolutionre (das "re-evolutionre")
Potential verlieren, das das Herz der weltweiten Frauenbewegung ausmacht.
Nachdem wir Jahrhunderte lang ein mnnliches Warengesetz akzeptiert haben,
demzufolge wir unterlegen bzw. "Dinge" waren, und nachdem wir jetzt ein
Warengesetz akzeptieren, dem zufolge wir dem mnnlichen Modell "gleich" sein
sollen, riskieren wir den Verlust unserer Verbundenheit mit der Mutter Erde,
den Verlust unserer Möglichkeit, sie vor den Spiegeln des Tauschprinzips zu
retten, den Verlust unserer Mütter, von uns selbst, von unseren Töchtern und
unseren Söhnen. Die Menschheit scheint als Spezies in der Lage, sich selbst
auszulöschen, weil es das Beispiel der im überfluss schenkenden Mutter nicht
wertschtzt, ja es oft genug noch nicht einmal wahrnimmt.
Wir haben das Schenken, das die Quelle des Lebens und der Freude ist, zum
Sklaven eines artifiziellen maskulisierten Egos und seiner ökonomischen, politischen
und ideologischen Ausdrucksweisen gemacht. Dies führt dazu, dass die Geschenke
der Menschheit nur einer Minderheit zukommen, deren Ausschweifungen mit Bedürfnisbefriedigung
nichts zu tun haben und stattdessen in phallischer Aufrüstung enden – in
tödlichen Kennzeichen, anhand derer eine Gruppe ihre überlegenheit über eine
andere zu demonstrieren vermag (bzw. die privilegierte Position des Prototyps
im Kategoriebildungsprozess besetzt hlt), die ihrerseits dazu gezwungen wird
auszuweichen.
Auf diese Weise werden die den Massen abgezwungenen Geschenke für Unternehmen
verschwendet, die nichts mit Fürsorge zu tun haben, sondern nur mit Zerstörung.
Millionen von schenkenden Herzen, Geistern und Körpern werden dabei geopfert.
Indem die Zerstörung sich gegen die Gemeinschaft wendet, wendet sich die Kommunikation
gegen sich selbst. In den Teilen der Welt, die nicht direkt von Krieg betroffen
sind, wird dabei jener Reichtum zerstört, der uneingeschrnktes Schenken
ermöglichen würde. Dies geschieht, da der Reichtum zur Aufrüstung der
Kriegsgebiete verwendet wird. Letztlich werden nur die Bedürfnisse des Krieges
befriedigt bzw. das phallische Tauschprinzip versorgt.
Wir haben eine Reihe von Beziehungen geschaffen, in denen eine kleine Minderheit
an Menschen zu Parasiten im Körper der Massen wird und damit das Privileg reproduziert,
das geschaffen wurde, als die Hlfte unserer Babys einer linguistisch
vermittelten, nicht-fürsorglichen, "überlegenen" Kategorie zugeschrieben
wurden. Diese Kategorie wird mit speziellem Wert ausgestattet und von den Fürsorgenden
gepflegt, da ihr das Mandat zukommt, der Prototyp sozialer Kategorisierung zu
sein. (Wobei die Position des Prototypen nur ein konzeptioneller Mechanismus
ist, der die Organisation unserer Wahrnehmungen bestimmt – sie hat nichts
mit Liebe oder überflüsse zu tun.) Es liegt an den Massen, sich von den
Parasiten zu befreien – wir dürfen es nicht lnger zulassen, dass diese
uns ihre Wege aufzwingen.
Das Parasitentum besteht aus Spiegeln – Tauschhandlungen, Definitionen,
Urteilen – und braucht für seine Aufrechterhaltung Energie, Geld, Essen
und Zeit. Es muss also von irgendwoher versorgt werden, um zu wachsen, um ein
privilegiertes Eines zu sein, das den Vielen überlegen ist. Dieser traurige
Zustand ist nicht irgendjemandes Schuld. Tatschlich sind Schuld und Schuldzuweisung
nur Teile des Tauschprinzips – sie sind Mechanismen, die andere zum "Zurückzahlen"
zwingen sollen. Das Tauschprinzip lsst sich nicht dadurch überwinden, dass es
wieder und wieder auf es selbst angewendet wird. Unsere Gefngnisse und
elektrischen Stühle fließen über mit Menschen, die für ihre Fehler "bezahlen".
Wir brauchen keine "Gerechtigkeit" – wir brauchen Güte. "Gerechtigkeit"
ist ein Versuch, ein Verbrechen zu definieren, um es in Zukunft zu vermeiden.
Wir versuchen, diese Definition in Form eines Tausches auszuführen, weil der
Tausch von der Definition kommt. Das Bezahlen involviert eine aufgezwungene
materielle Kommunikation, wobei der Verbrecher dazu gezwungen wird, etwas
aufzugeben und auszuweichen. Vielleicht glauben wir, dass wir auf der
materiellen Ebene mehr Einfluss auf die Verurteilten haben können, weil wir
dort von ihnen Waren, Zeit oder selbst ihr Leben in einem "gleichen Tausch" verlangen
können. In diesem Sinne wird versucht, die Schwere eines Verbrechens mit Bezug
auf andere Verbrechen zu bewerten bzw. zu quantifizieren. Die Verbrecher werden
aufs Neue maskulisiert, physisch distanziert (dekontextualisiert) und mit einem
term oder einem sentence als "Andere" kategorisiert.
Viele Beziehungen des Einen und der Vielen
Im Nachdenken über die hier besprochenen Fragen kam ich zu dem Schluss,
dass wir es mit drei Arten von Beziehungen zu tun haben: Waren verhalten sich
zu Geld (1) wie Dinge zu Wörtern (2) und wie Frauen zu Mnnern (3). Jede dieser
Beziehungen kann anhand der anderen erklrt werden.
Zunchst sind alle nach dem Prinzip des Verhltnisses des Einen zu den
Vielen aufgebaut. Waren sind als Viele bezogen auf das Geld als das Eine, das
als quivalent der Waren funktioniert. Auch deren Preis ist im Verhltnis zu
ihnen das Eine. Wenn wir von der Beziehung von Dingen zu Wörtern sprechen,
zeigt sich das Verhltnis des Einen zu den Vielen auf mehrere Weisen: die Dinge
sind die Vielen im Verhltnis zur Sprache, die nur ein Ding ist; die Dinge sind die Vielen im
Verhltnis zu einem einzelnen Wort (zum Beispiel dem Wort "Ding"); und die
Dinge (einer Kategorie) sind die Vielen im Verhltnis zu dem Wort, das sie (als
Dinge dieser Kategorie) "bedeuten" oder "reprsentieren". Frauen wiederum
werden als das unterlegene Geschlecht als Viele zu jedem Mann als einem Einen
bezogen.
Alle diese Beziehungen beinhalten dabei freilich auch potentielle Beziehungen
von Einem zu Einem. Das menschliche Paar ist eine solche Beziehung, ebenso wie
die mehr flüchtige Beziehung des Tausches eines Produkts für Geld oder
Saussures Vorstellung des Zeichens als einer Einheit von Signikant und
Signikat. Variationen und nderungen der Beziehungen von Einem zu Einem lassen
sich in den Beziehungen zwischen Frauen und Mnnern finden, speziell in der
familiren Beziehung zum Vater. Die Mutter selbst stellt zunchst ein Eines
dar, auf das sich die Kinder (als Viele) beziehen können, doch wird sie bald
ersetzt vom Vater (dem "Kopf" der Familie). Phnomene wie das Don-Juan-Syndrom
oder die Polygamie implizieren freilich wieder Beziehungen nach dem Muster des
Einen und der Vielen. Und in der Beziehung des Vaters zu seiner Familie als
seinem Eigentum haben wir es gar mit einer klassischen Beziehung zwischen dem
Einen und den Vielen zu tun, nmlich mit jener zwischen dem Besitzer und seinem
Besitz.
Weitere solche klassischen Beziehungen sind die zwischen dem König und seinen
Untertanen, zwischen gewhlten ReprsentantInnen und ihren Wahlkreisen, zwischen
PrsidentInnen und ihren Nationen, zwischen Bossen und ihren Angestellten.
Darüber hinaus gibt es sukzessive Beziehungen von Einen zu Vielen, zum Beispiel
wenn sich KatholikInnen zunchst auf ihre Priester beziehen, dann diese auf
ihre Bischöfe, dann diese auf ihre Kardinle, dann diese auf den Papst. Armeen
sind auf dieselbe Weisen zunchst auf ihre Offiziere bezogen und schließlich auf
ihre Generle, usw. überlappungen von Strukturen des Einen und der Vielen
schaffen gigantische Mechanismen.
Die gegenwrtigen Strukturen des Patriarchats der Ersten Welt haben dieses herrschaftlicher
und tödlicher als je zuvor gemacht. Es ist mit seinen Nuklearwaffen in der
Lage, die Vielen auszulöschen – mit seiner phallischen Pilzwolke als
Beweis seiner Position des Einen (1).
Die hier beschriebenen Beziehungen von Wörtern zu Dingen, von Geld zu Waren
und von Mnnern zu Frauen bestimmen unser Denken und Handeln seit langem. Die
Erklrung dafür scheint für mich zu sein, dass die Tauschökonomie sich auf das individuelle
Ego konzentriert und dem Einen als dem abstrakten isolierten Bewusstsein Wert
und Wichtigkeit verschafft. Die Bedeutung (und der Gebrauch) des kollektiven
Bewusstseins, des Gruppenbewusstseins, des Auf-Andere-Ausgerichtet-Seins und
der darin implizierten Schenkerfahrung können damit nicht erkannt werden.
Alles, was wir kennen, ist, von uns selbst als isolierten Individuen
auszugehen. Und nur denen, die als solche isolierte Individuen erfolgreich
sind, wird Glaubwürdigkeit und die Autoritt zu sprechen zugeschrieben. Der
Fokus auf das Ego kommt von der Maskulisierung, der selbst reflektierten
Tauschlogik und dem von oben nach unten gerichteten hierarchischen Modell. Er entspricht
dem Kapitalismus, speziell dem Bild des "unabhngigen Produzenten" oder des "unternehmerischen
Helden". AkademikerInnen sind nicht freier von diesem Syndrom als andere,
obwohl sie es vielleicht gerne wren. Das Wettbewerbsprinzip – in der
Gestalt bestimmter Formen von Kreativitt und Cleverness (deren Belohnungen die
Besttigung des Egos sowie Autoritt und Prestige sind) – beeinflusst sie
und ihre Weisen, die Welt zu sehen, genauso sehr wie das in anderen Bereichen
unserer Gesellschaft der Fall ist. Sprache ist dabei zu einem Machtinstrument
geworden, und die, die sie studieren, sind gewöhnlich nicht frei von den
egozentrischen Strukturen, auf denen diese Macht aufbaut.
Licht und Schatten
Auch wir Frauen können ein selbst fokussiertes Ego schaffen, aber wir
bleiben trotzdem zu einem gewissen Grad auf Andere ausgerichtet, weil wir weiter
für unsere Kinder sorgen. Außerhalb wie innerhalb des akademischen Apparates
neigen unsere Sichtweisen der Welt dazu, breiter zu sein als jene der Mnner,
im Speziellen wenn wir uns intellektuell nicht dem Patriarchat unterworfen
haben. Da wir einen Fuß in beiden Lagern haben, ist es für uns leichter, die
Widersprüche des Systems zu sehen. Wir bemerken, dass wir uns halb im Schatten
und halb im Licht befinden. Selbst whrend wir am Wettbewerb der Tauschökonomie
teilhaben und darin erfolgreich sind, fühlen wir uns oft noch der Masse von Frauen
zugehörig, die unerkannt bleiben.
Unser eigener Platz im Schatten erlaubt es uns auch, die anderen im
Schatten zu sehen, die Menschen, Kulturen, Frauen, Kinder und Mnner, die vom
maskulisierten Ego in den Hintergrund gedrngt wurden. Dazu all die Dinge,
Tiere, Lebewesen, Pflanzen, Erfindungen, Kunstgegenstnde, Werkzeuge, die wir Jahrhunderte
lang gepflegt, verwendet und erhalten haben – all die geputzten Tische, all
der gemahlene Mais, all die gesten Felder, all die gefütterten Pferde, Kühe
und Hühner, all der geschaufelte Schnee, all die gelegten Dcher, all die bearbeiteten
Fliessbnder, all die gereinigten Abflussrohre, all die getanzten Tnze, all
die versorgten Kinder. Mit all diesen Aktivitten haben wir Dingen Wert
verliehen und ihnen das Prinzip des Lebens geschenkt, das andere nun frei
nutzen können. Selbst wenn uns unsere Aktivitt vieles gekostet hat –
menschlich wie ökonomisch – sind ihre Früchte für andere immer frei. Die
Prinzipien der Fürsorge kennen nichts anderes. Die Früchte bestehen dabei sowohl
aus materiellen Realitten (die Huser, in denen wir gelebt und die wir gepflegt
haben, bestehen bis heute – die, die verlassen wurden, sind verschwunden)
als auch aus Beispielen fürsorglicher Praxis sowie aus unmaskulisierten, Wert schenkenden
Herzen und Köpfen.
Das mnnliche Ego fürchtet den Tod notorisch und liebt gleichzeitig, wovor
es sich fürchtet. Indem es seine Sicht von anderen weg richtet, verleugnet es,
was es von diesen erhalten hat, ja sogar ihre Existenz und ihre Bedeutung. So
wird es für das mnnliche Ego leicht, sich selbst als die einsame Quelle dessen
zu sehen, was ihm in Wirklichkeit von anderen gegeben wurde: von den ihm
vorangegangenen Generationen über die ArbeiterInnen in den Fabriken und auf den
Feldern bis zu seiner Mutter, seiner Frau, seiner Schwester, seinem Kind und
manchmal selbst seinem Bruder. Letzteres geschieht jedoch nicht zu oft, denn
das Old Boys Network bzw. der mnnliche Zusammenhalt im Allgemeinen
dienen gewöhnlich nur dazu, den Sinn der Macht und Autonomie des isolierten
mnnlichen Egos weiter zu vergrößern. Mnner lernen, das selbst reflektierende mnnliche
Bild zu erkennen und sich gegenseitig wertzuschtzen.
Die Position des Einen wird umso strker, je mehr es verleugnet, von anderen
beschenkt worden zu sein. Das Ego sieht alles unter dem Gesichtspunkt des
Nehmens – oder zumindest unter dem, dass es das, was es erhlt, auch
verdient. (Das "Verdienen" ist ein weiterer Begriff des Tausches, der auf einer
Gleichung zwischen vergangenen Aktionen und gegenwrtigen Belohnungen beruht.)
Die Betonung, die wir auf die Monetarisierung der Arbeit im Kapitalismus gelegt
haben, hat unsere Aufmerksamkeit auf diesen Bereich reduziert bzw. auf jene
Formen menschlicher Beziehungen, die damit zu tun haben, "Geld zu machen".
Nachdem das Ego glaubt, dass seine Wahrnehmungen, seine Welt und seine
Fhigkeiten alle von ihm selbst kommen, bleibt ihm sein eigener sozialer
Charakter verborgen und es luft Gefahr, solipsistisch zu werden.
Sich Sprache von dem Blickwinkel des Schenkprinzips aus anzuschauen, ist
eine gute Therapie für Solipsismus. Wenn wir jedes Wort als ein Nebenprodukt der
linguistischen Prozesse früherer Generationen sehen – Prozesse, anhand
derer diese ihre gegenseitigen kommunikativen Bedürfnisse befriedigten und die uns
geschenkt wurden – sehen wir uns selbst in Kontakt mit Millionen von
schenkenden und kommunizierenden Menschen. Schließlich haben wir unsere Wörter,
unsere Kultur und unsere materiellen Güter von diesen erhalten. Der Solipsismus
ist weniger eine philosophische Position denn eine psychologische und
politische. Er erlaubt Grausamkeit ohne Verantwortung bzw. die Freude an
unserem eigenen Wohlergehen im Angesicht des Schmerzes anderer. Unser Mitleid
zieht sich zurück und trocknet aus und unsere Seelen werden zu Gefangenen
unserer eigenen Egos. Wir erlauben unseren Regierungen, andere Menschen zu
töten und sterben zu lassen bzw. ökonomischen und militrischen Genozid zu
betreiben, whrend wir in unserem sicheren Heim sitzen und uns wundern, ob
diese anderen Menschen überhaupt wirklich existieren.
Menschen, die davon sprechen, unsere eigenen Wirklichkeiten zu schaffen,
sind vielleicht unwissentlich inspiriert von der unendlichen Kreativitt und
magischen Qualitt des Geschenks der Sprache, ohne dass sie dabei jedoch je andere
als die Quelle des Geschenks anerkennen würden. Menschen, die religiösen
Einstellungen folgen – sowohl progressiven als auch konservativen –
neigen oft dazu, sich der Menschheit entziehen zu wollen: anstatt sich unter
den Vielen machtlos zu fühlen, wollen sie zur privilegierten Position des (in
diesem Falle religiös definierten) Einen gehören. Wenn wir uns aber nur auf
Gott beziehen (der selbst oft genug als maskulisiertes Eines und daher als uns isolierten
Individuen gleich angesehen wird) und nicht auf die Menschheit und den
Planeten, tendieren wir dazu, größenwahnsinnig und paranoid zu werden. Wir
verhalten uns dann mitleidlos und ignorieren die Menschen außerhalb unseres
unmittelbaren Fokus – obwohl deren Spiritualitt genauso groß (oder
genauso klein) wie unsere sein sollte. Wenn wir dies ndern wollen, müssen wir
uns in einer Form neu schaffen, der zufolge wir verstehen, dass uns von anderen
Menschen geschenkt wurde und geschenkt wird, beginnend mit unseren Müttern. Wenn
wir das tun, dann sind wir nicht lnger abgeschieden und machtlos. Was uns
wirklich machtlos macht, ist, uns selbst als maskulisierte Egos zu sehen, die von
anderen nichts erhalten außer das, was sie "verdienen". Dann müssen wir überkompensieren.
Freilich wird der Solipsismus alleine dadurch widerlegt, dass wir in
Sprache denken, die wir von anderen erhalten haben. Es gab eine kreationistische
Theorie, der zufolge die Dinosaurierknochen von Gott begraben worden seien, um
unseren Glauben an die biblische Schöpfungsgeschichte zu testen. Solipsisten müssten
in hnlicher Weise behaupten, eine Gottheit htte Sprache in unseren Gehirnen
implantiert, um zu suggerieren, dass es tatschlich andere Menschen gbe. Unsere
Erde ist so komplex und verschiedenartig, dass wir nie als Individuen alleine
auf ihr leben könnten. Wir brauchen die gemeinsame Wahrnehmung der Vielen, um
unseren individuellen Leben eine Art realen Kontext geben zu können. Die
Gemeinschaft ist wie das Auge einer Fliege, das, indem es seine vielen Facetten
zu einem Kollektiv zusammenfügt, das ganze Bild sehen kann. Die Wahrnehmung und
Vermittlung dieses Bildes wird von der Sprache ermöglicht. Die Vermittlung
stellt dabei eine Art enormes kollektives Trommelfell dar, das immer dann
vibriert, wenn wir auf etwas stoßen, dem eine bestimmte Wichtigkeit oder
Intensitt jenseits individueller Grenzen zukommt. In kollektiven Prozessen
werden die kulturellen Werte der Dinge so in Wörtern gelagert und als Geschenke
für alle am Leben erhalten und verwendet.
Das patriarchale Ego schaut nur auf jene Dinge, die in seinem unmittelbaren
Fokus liegen. Auf diese scheint sein Licht. Menschen, vor allem in der so
genannten Ersten Welt, leben mit der Einstellung, dass wir den Fluss der Waren,
des Geldes und des Wertes von der so genannten Dritten Welt (im eigenen Lande
und außerhalb dessen) zu uns ignorieren können. Wenn das CIA nicht direkt
Dritte-Welt-Regierungen destabilisiert oder die USA faschistische Tyrannen finanziert,
dann übernimmt das Patriarchat der "Ersten Welt" ökonomische Kontrolle. Whrend
unsere Medien sich auf uns selbst konzentrieren, wenden unsere Regierungen
unser Geld an, um mit ihrem Einfluss und ihren Waffen das Leben jener im
Schatten zu zerstören. Big Business siedelt sich in der Dritten Welt an und
verursacht wirtschaftliches und ökologisches Desaster, whrend manche von uns
zuhause die Profite abschöpfen und andere ihre Jobs verlieren. Wenn diese
Geschfte nicht mehr verheimlicht werden können, wird alles mit Lügen zugedeckt
und das, was passiert, als "Entwicklung" (re)definiert. Um den Anschein zu
wahren, Hilfe zu leisten, wird plötzlich auf heuchlerische Weise das
Schenkprinzip bemüht, um das zerstörerische Tauschprinzip zu verschleiern und
die Ausbeutung, die real geschieht, zu verleugnen. Das Schenkprinzip wird dabei
als etwas anderes dargestellt als es ist und mit jenen Mnnern identifiziert,
die am weitesten von ihm entfernt sind – speziell in der Regierung und im
Big Business. Diese Mnner haben praktisch nie jemanden individuell versorgt
und haben immer nur innerhalb des Tauschmechanismus operiert.
Die Bedürfnisse unserer "Ersten Welt" werden für keine oder eine nur sehr
geringe Kost von den Menschen der "Dritten Welt" befriedigt. Die ökonomischen
Differenzen erlauben den Geschftemachern, das meiste dessen, was im
Tauschhandel bezahlt wird, selbst einzustecken und in ihre Banken zu
transferieren, um den Wert ein weiteres Mal von den have-nots zu den haves zu verschieben: vom Schatten ins Licht, vom
Unsichtbaren ins Sichtbare. Wie von einer Schleuse wird der Fluss des Wertes
zunchst blockiert und dann auf eine höhere Ebene transferiert. Die ökonomien
der Ersten Welt haben Enormes von den ökonomien der Dritten Welt erhalten. Individuell
mag es schwierig sein, dies zu sehen, und wir mögen das Erhaltene nicht direkt
fühlen. Doch der Wert, die bei uns zirkuliert, kommt von einem ungleichen
Tausch, der in der Praxis einem freien Geschenk von der Dritten Welt an unsere
Erste gleichkommt.
Unsere kurzsichtige Profitgier, die der Denkweise des privilegierten Egos
entspricht, lsst die Menschen im Schatten (jene der Vergangenheit, der
Gegenwart und der Zukunft) in Armut, Verwüstung und Krieg leben. Es sind die
Menschen im Schatten, die für das, was im "Licht" liegt, nmlich unser eigenes
Wohlbefinden, bezahlen. Das diesen Realitten zugrunde liegende Problem ist nicht
moralische Verwahrlosung oder ein pathologischer Hang zur Gier, sondern eine
Weltsicht, eine Egostruktur und eine ökonomie, die als normal gelten,
zusammenpassen und miteinander funktionieren – zu unser aller Schaden. Ich
denke, dass wir uns individuell dessen, was hier passiert, wirklich nicht
bewusst sind. Ich denke, dass wir sonst aufhören würden, so zu handeln, wie wir
handeln, bzw. dass wir uns gegenseitig dazu bringen würden aufzuhören. Doch unser
Bewusstsein befindet sich in einer kollektiven Verleugnung, und das macht es
schwierig, zu einem individuellen Bewusstsein zu gelangen. Desto dringender
brauchen wir einen Prinzipienwechsel.
Die Anforderung, den Platz anderer einzunehmen und – indem wir
besitzen und dominieren – das Eine zu sein, wird auf jeder Ebene unserer
Gesellschaft gestellt. Die Armut, die artifiziell von den herrschenden Mchten
geschaffen wird, um das Tauschsystem aufrechtzuerhalten, verschrft zunehmend
die Strafen dafür, innerhalb dieser Anforderung nicht erfolgreich zu sein. Wir
verstehen nicht, dass es logisch unmöglich ist, dass alle ein Eines sind und
dass es für viele Mnner jenseits der Maskulisierung selbst keinen Erfolg im
Leben geben kann. Erfolgversprechende Arbeit, Ausbildung und Unterhaltung
werden beinahe ausschließlich ökonomischen haves angeboten. Für viele andere sind Gangs und
kriminelles Verhalten die einzigen Möglichkeiten, ihre Anforderungen der
Maskulisierung zu erfüllen. (Obwohl für Mnner auch Gewalt gegen Frauen immer eine
Option bleibt, sich selbst als dominantes Eines zu besttigen.) Whrend wir uns
gegen all diese Aktivitten als "falsche" wenden müssen, kann davon alleine
nicht die Lösung des Problems kommen. Diese kann nur auf einer neuen Sichtweise
der Welt und einer neuen Definition unserer Gesellschaft beruhen.
Wir haben das grundlegende Prinzip unseres Lebens zu ndern und alle die
Werte der Fürsorge zu lehren. Unsere Buben dürfen nicht maskulisiert und in
eine Egostruktur gezwungen werden, die sie dazu führt zu glauben, sie könnten
nur in Form von Privileg und Herrschaft die Anforderungen ihrer
Geschlechtsidentitt erfüllen. Wir müssen das mütterliche Modell für alle restaurieren
und auch unsere Buben müssen lernen, Schenkende zu sein – und zwar von
Anfang an. Denn wenn sie die Mutter einmal aufgeben und gelernt haben, nicht fürsorglich
zu sein, wie sollen sie es da spter werden können? Wie sollen sie "gut" werden
können, wenn es für sie nichts anderes mehr gibt als die Regeln der Verhaltenssyntax,
die auf der Geschlechtskategorisierung basiert? Wie sollen sie "gut" werden,
wenn sie nur noch dem Gesetz des Vaters folgen?