Ich denke, dass unsere Trennung zwischen
Bewusstsein und Unbewusstsein eine innere Widerspiegelung der Prinzipien des
Tausches bzw. des Schenkens ist. (Vielleicht spiegeln sich die Prinzipien sogar
in unserer Trennung zwischen rechter und linker Hirnhlfte wider.) Es fllt uns
freilich schwer, dies zu sehen, da wir uns immer nur (zumindest im Wachzustand)
im Rahmen des Bewusstseins selbst gegenwrtig sind und in diesem den uns
auferlegten Definitionen folgen bzw. die mit ihnen zusammenhngenden self-fulfilling
prophecies
besttigen.
Die Geschenke der Wörter finden sich irgendwo
in unseren mentalen Schubladen, jederzeit bereit herauszuspringen. Sie entsprechen
den Wörtern in den Schubladen anderer Personen. In unserem Bewegen durch die
Außenwelt kann alles, auf das wir treffen, auf unsere Wörter und ihre
Kombinationen in Beziehung gesetzt werden. Die kommunikativen Bedürfnisse, uns in
Bezug auf die Welt miteinander verbinden, werden von früheren Generationen an
uns weitergegeben, gemeinsam mit den Mitteln, sie zu befriedigen. Diese Mittel
sind kollektive Produkte der früheren Generationen, die wir kollektiv wie
individuell zusammensetzen und verwenden können, um immer neue Wortgeschenke zu
schaffen, die auf Teile unserer Welt bezogen sind und die diese in unserer
Kommunikation ersetzen.
Wir schaffen unsere Subjektivitten ad hoc, gemeinsam, indem wir einander
sowohl materiell als auch verbal schenken. Doch wird dieser für menschliche
Entwicklung so entscheidende Prozess durch das Patriarchat eingeschrnkt. Es
bleibt uns an menschlicher Gemeinsamkeit nur genug, um uns gegenseitig zu
verstehen, Informationen zu vermitteln und die Egos, die wir durch Definition,
Selbstdefinition und Tausch geschaffen haben, darzustellen. Unsere
überlebensfhigkeit ist jedoch kein Beweis der Funktionalitt des
maskulisierten Egos, sondern der Kreativitt des Schenkens und des Lebens, deren
Fluss uns erfasst – trotz der leeren, selbst reflektierenden Hülle des
Egos und der selbsthnlichen Gesellschaft.
Im Patriarchat wird die Gemeinschaft, die wir
durch Kommunikation formen, gewöhnlich in viele einzelne Teile zerschlagen
– sie wird zu einem Wunsch, einer Abstraktion, die nur in unseren
Hinterköpfen am Leben bleibt (als etwas, das "htte sein können", als Ideal
einer möglichen anderen Welt). Unsere Wortgeschenke werden durch Werbung und
Propaganda dem Tausch unterworfen und unsere Prioritten richten sich nach
seinen Bedingungen – so streben wir danach, Privilegierte zu werden, Eine
mit Besitztümern, die von hierarchischen Modellen gestützt werden. Wir erkennen
die kollektiven Dimensionen unserer Wörter nicht mehr und noch weniger jene
unseres Lebens, da das Privateigentum, das unser Bewusstsein bestimmt, uns davon
abhlt, andere als Quelle unseres Wohls wahrzunehmen bzw. als Menschen mit
Bedürfnissen, derer wir uns annehmen könnten. Unsere Gedanken erscheinen als
unsere eigenen, da wir von unseren Mitmenschen isoliert sind. In Wirklichkeit
sind wir als Individuen nur die denkende entfremdete Gemeinschaft.
Wenn wir zur gegenseitigen materiellen Fürsorge
zurückkehren könnten, wre es uns möglich, Gemeinschaft wieder auf einer
strkeren, erdverbundeneren Grundlage zu formen. Dann könnten wir uns selbst
und den Planeten heilen. Wir richten unsere Aufmerksamkeit jedoch nicht auf den
Körper, sondern auf das Ego. Wir können sagen, dass die Egos der Reichen mit
den Körpern der Armen konkurrieren. Beweise parasitren Verhaltens finden sich
überall. Jedes Nukleartestgebiet, jede Mine, jede ölquelle besttigen die
Zerstörung der Mutter zugunsten des Profits.
Das Teilen ist in eine mythologische
Vergangenheit (oder eine kindliche Glückseligkeit) verdrngt worden. Höchstens
taucht es hin und wieder als Nebenprodukt unserer egozentrischen Aktivitten
auf. Es wurde zum kollektiven Unbewusstsein, whrend das Bewusstsein als
gemeinsames Wissen (con-sciousness) in unserer Gesellschaft weitgehend auf
Definition und Tausch beruht. Vielleicht ist es nicht Persephone, Tochter der
Demeter, die die wichtigste mythologische Figur ist, wenn es um den Verlust der
Mutter geht. Vielleicht ist diese Figur Hades, Sohn der Gaia, der Bube, der zum
Gott der Unterwelt wurde.
Das Wissen des Herzens
Unsere Herzen pumpen unser Blut, um unsere
Zellen mit Sauerstoff und Nahrung zu versorgen. Wenn das Blut erschöpft ist,
kommt es zum Herzen zurück, um gepflegt zu werden. Dies ist ein physiologischer
Archetyp, dem wir im Tauschprinzip nicht folgen können. Nachdem das
Schenkprinzip ins Unbewusste verbannt wurde, verstehen wir als Individuen nicht
mehr, woher unsere Ideen kommen – oft scheint es, als kmen sie von
nirgendwo, einer gnzlich unbekannten Quelle, und so nennen wir diese dann das
"Selbst", die "Einbildung" oder "Gott".
Menschen sind im Grunde voll von Liebe. Unsere
patriarchalen Strukturen und die Logik des Tausches entstellen diese Liebe
jedoch. Das Teilen und die Fürsorge, die wir in der ursprünglichen
Mutter-Kind-Beziehung erfahren, sind oft die einzigen Erfahrungen freier Liebe,
die wir machen, und diese Erfahrungen begleiten uns für den Rest des Lebens.
Das ist ein Teil des Grundes, warum unsere frühe Kindheit so wichtig für unsere
Psyche ist. Den Rest unseres Lebens haben wir oft nur mit verschiedenen
Entstellungen und Blockaden der Liebe zu tun. Unsere Nostalgie für unsere
Kindheit, sogar für den Mutterbauch, ist damit die Sehnsucht nach einem
ursprünglichen Zustand des Glücks, der niemals zurückgekehrt ist, da die
sozialen und ökonomischen Strukturen das nicht erlauben. Wir bestehen darauf, unser
Leben alleine zu bestreiten, whrend wir letztlich nichts anderes als eine
Masse von Babys sind, die darum gefleht haben, berührt, gefüttert, gestreichelt
und gepflegt zu werden.
Die freie Zirkulation des Blutes zwischen der
Mutter und dem Kind im Mutterbauch ist das natürliche Paradigma einer gesunden
Gesellschaft. Es ist das Modell einer Leben spendenden Kollaboration, in der
beide Herzen dasselbe Blut pumpen und Lebensstoffe teilen. Wie der Wind, der
Luft von Hochdruckgebieten zu Tiefdruckgebieten bewegt, luft gesunde soziale
Zirkulation von denen, die mehr haben, zu denen, die weniger haben. Sobald das
Kind geboren ist, Luft in seine bedürftigen Lungen zieht und damit seine
wechselseitige Beziehung mit der Welt beginnt, nimmt es soviel es kann vom
überfluss der Welt auf und schenkt ihr einen neuen Menschen, sowie die Freude
der ihm Nahestehenden, seine Körperlichkeit, seine Trume.
Die wechselseitige Beziehung des Mutterbauchs
setzt sich auf einer neuen Ebene fort. Nachdem sie zuvor innerhalb eines
Körpers stattgefunden hat, findet sie nun zwischen zwei Körpern statt. Zwar
pumpen die Herzen nicht mehr lnger dasselbe Blut, doch wird nun anderes
geteilt: Lachen, Sprache, Bewegungen, Gesten. Bedürfnisse werden mit Gütern und
Diensten befriedigt. Das Kind empfngt kreativ und sein Wesen wie sein Herz
sind auf Andere ausgerichtet. Es ist ein Subjekt, das sowohl Aufmerksamkeit auf
sich zieht als auch anderen Aufmerksamkeit schenkt. Milch fließt zum
bedürftigen Magen durch den aktiv empfangenden Mund. Sie wird nicht
zurückgewiesen. Es gibt keine Erpressung, Bestechung oder Bezahlung. Es handelt
sich nicht um Tausch, sondern um Schenken.
So wie zwischen Synapsen Impulse nicht durch
direkten Kontakt, sondern anhand eines Mediums vermittelt werden, so wird das
Leben auf vielfltige Weise von der Mutter zum Kind und vom Kind zur Mutter (und
anderen Menschen, die es lieben) vermittelt. Mutter und Kind sind glücklich mit
der Freiheit ihres Schenkens. Ihnen ist ihre gegenseitige Abhngigkeit, die mit
dieser Wechselseitigkeit einhergeht, nicht peinlich, genauso wenig wie uns die
Abhngigkeit von der Luft peinlich ist, die mit dem Bedarf der Atmung
einhergeht. Mutter und Kind befinden sich in einer Beziehung des freien,
wechselseitigen Schenkens, in der sie einander erfreuen, berühren und ihre Zeit
außerhalb des Mutterbauchs teilen können.
Heute ist uns Abhngigkeit und das Bedürfnis,
beschenkt zu werden, einerseits peinlich – andererseits würden wir alles
tun, um permanent beschenkt zu werden. Dieser Widerspruch baut einerseits immer
höhere Mauern zur Abwehr des Schenkprinzips auf, schafft andererseits jedoch
eine gewisse Flexibilitt bzw. Orte, an denen wir den Druck ablassen können,
der sich in uns aufbaut, da wir nicht haben können, was wir wirklich brauchen.
Trotzdem versuchen wir letztendlich, uns soviel wie möglich anzueignen, damit
das, was wir haben, als "frei" erscheint – und zwar nur für uns, nicht für
andere. Wir sind hier auf uns selbst fixiert, da wir das Empfangen freier
Geschenke nur mit den Erfahrungen verknüpfen können, die wir mit unserer Muter
gemacht haben. Spter lernen wir, dass die Welt anderen Regeln gehorcht. Dies
legt für viele von uns den Schluss nahe, dass niemand außer uns selbst das
Bedürfnis hat (oder jemals hatte), freie Fürsorge zu erfahren.
Das freie Geben von denen, die schenken können,
zu denen, die bedürftig sind, bzw. allgemein gesagt: die Fhigkeiten, zu
fragen, zu empfangen, zu schenken, bilden die Grundlage des frei zirkulierenden
Lebensflusses. Das Bewusstsein der verschiedenen Dinge, die geschenkt und
empfangen werden, wird als Wahrnehmung und Sprache geteilt, wann immer ein
Geschenk von einer Person an eine andere gereicht wird, von der Natur zu den
Menschen oder von den Menschen zu der Natur. Dies schafft ein neues Bewusstsein
der Natur, eine Evolution, ein neues geteiltes Leben des Lebens.
Leben zu schenken und zu empfangen ist nicht auf
die Befruchtung, die Schwangerschaft oder das Gebren beschrnkt. Es ereignet
sich vielmehr im Akt der Bedürfnisbefriedigung. Indem sich der Tausch jedoch zwischen
die Schenkenden und die Beschenkten gerückt hat – zwischen die
Schenkenden und das Geschenk wie zwischen die Empfangenden und das Geschenk
– hat er die Synapsen verwirrt. Die Prozesse des Gebens werden
manipuliert, sie sind nicht mehr frei. Leben wird nicht lnger intelligent
geschenkt und empfangen, sondern unser zwischenmenschlicher Kontakt von der Maskulisierung
bestimmt. Vor kurzem wurde dem ersten Mann, der schwanger werden würde, ein
Preis angeboten – Schenken und Empfangen wird außerhalb des Mutterbauchs
unentwegt ausgebeutet und lcherlich gemacht.
Unser gemeinsamer Traum
Urteile in Bezug auf Realitt und Nicht-Realitt
(bzw. auf Wachen und Traum) sind davon abhngig, ob die Tauschform und die
maskulisierten Kategoriebeziehungen bereits wirksam sind oder nicht. Im Trumen
erforschen wir unsere synkretistischen Beziehungen, befreien Prototypen von
deren phallischer Besetzung und befriedigen unsere Bedürfnisse danach, zu
verstehen, symbolisch. Dies geschieht nicht in Form eines Eines-Eines- oder Eines-Viele-Modells,
sondern in Form einer überdeterminierung, in der ein Bild eine Reihe
verschiedener und anscheinend nicht aufeinander bezogener Themen, Gegenstnde
oder Ereignisse reprsentiert. Komplexe und Synkretismen
verschiedener Arten erlauben Assoziationen, zu denen es niemals innerhalb unseres
hierarchischen Klassifikationssystems (und sozialen Klassensystems) kommen
würde.
Im Traum müssen unsere Bilder keinen Regeln
entsprechen oder sich auf Prototypen oder Wörter beziehen. Wir brauchen im
Traum keine soziale Besttigung für unsere Bilder, um uns im Leben
zurechtfinden zu können. Sobald sie auftauchen, sind die Bilder des Traumes
frei – auch um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Die Bilder sind
subjektiv und mögen sogar manchmal ein "Ich zuerst!" implizieren, doch
reproduzieren sie nie die Hegemonie des maskulisierten Egos. Im Traum werden
unsere Bedürfnisse gemß des Lustprinzips befriedigt, ohne dass wir für ihre
Befriedigung arbeiten müssten. Unsere wirklichen Bedürfnisse werden symbolisiert,
unsere Intuitionen nehmen sich ihrer an. Wirkliche Hilfe wird geleistet. Im
Traum behandeln wir uns selbst so, als würden wir in einer Schenkökonomie
leben. Der Grund, warum das Trumen so subjektiv ist und auf dem Wunschdenken
beruht, liegt darin, dass die Außenwelt vom Tausch eingenommen wurde. Autoritre
TherapeutInnen mögen auf den "regressiven" und "infantilen" Charakter des
Traumes herabblicken, aber warum sollten wir ihn nicht anders sehen: nmlich als
utopisch und mütterlich? Das Trumen scheint die Befriedigung der
kommunikativen Bedürfnisse auf einer individuellen Ebene zu sein. Wenn wir
unsere kommunikativen Bedürfnisse kollektiv befriedigen können, können wir alle
unsere Trume leben.
Wenn wir aus einem Traum aufwachen, setzt mit
der kognitiven Anforderung der Eines-Viele-Struktur ein epistemologisches
Urteil ein. Struktur und Urteil stützen sich dann gegenseitig. Wir wundern uns,
wie dumm unsere Trume waren, werten unser synkretistisches Denken ab und
besttigen damit das Denken des Einen und der Vielen. Dies führt uns dazu, unsere
Trume zu verleugnen, zu vergessen und als etwas zu sehen, dessen Wert weit
unter unseren Erlebnissen whrend des Wachens liegt. Vielleicht tun wir dies
deshalb, da unsere Erinnerungsstrategien Mustern des Einen und der Vielen
folgen. Kinder gehören synkretistisch in die Kategorie der Trume – sie
sind "dumm", "irrational", "nicht-phallisch". Auch Frauen und Wünsche werden
oft der Unterwelt der Trume zugerechnet.
Indem wir das kategorische Denken in unserer Gesellschaft
insgesamt überbewerten und phallisch besetzen und es in die institutionellen
Strukturen projizieren, haben wir kollektiv eine Realitt geschaffen, die sich
von unseren Trumen unterscheidet und diesen (dieser Art des Denkens) feindlich
gegenübersteht. Indem wir die Wirklichkeit unseres Wach-Seins jedes Mal
besttigen, wenn wir aufwachen, werten wir die Wirklichkeit unserer Trume und
die vielen nicht-phallischen Aspekte der wachen Welt ab. Jedes Mal, wenn wir
aufwachen, reproduzieren wir damit unwissentlich Herrschaft, Misogynie und die
Abwertung der Kinder, der Natur und des Schenkens, indem wir uns sagen: "Das
war nicht wirklich – das hier ist wirklich!"
Egal, was sie sonst noch tun, eines tun Trume
immer: sie befriedigen ein Bedürfnis, das von allen geteilt wird. Sie schaffen
damit eine Alternative – ziemlich auf die gleiche Weise, auf die der
Kommunismus eine Alternative zum Kapitalismus schuf. Trume tun dies, indem sie
uns sagen, dass die vermeintlich "wirkliche" Welt nicht die einzige Welt ist,
und dass das maskulisierte, phallisch besetzte, kategorische Denken nicht die
einzige Art des Denkens ist. Wenn das Trumen gemß unmaskulisierter
Schenkprozesse funktioniert, ist es ein Schlüssel zu einer besseren Welt
– so wie es die Sprache oder die Mütterlichkeit sind. Der gemeinsame
Traum der Menschheit ist eine Welt, die kommen wird. Die Aufforderung an die
Menschheit, "aufzuwachen", ist falsch. Anstelle dessen müssen wir die Realitt
unseren Trumen angleichen.
Die Auferlegung der Realitt.
Die Sprache spricht zu uns, und wenn wir
richtig hinhören, wird uns klar, dass sich einiges, das wir verdrngt haben, in
unserem kollektiven Unbewusstsein finden lsst. Ich glaube, dass die Sprache
voller Hinweise ist, was die Themen betrifft, die wir besprochen haben: die
maskulisierte Kategorie, den Tausch, die Hierarchien und das Schenken. Auch die
Wörter, die wir auf dieser Seite verwenden, sind Schlüssel entlang der königlichen
Straße zur Entdeckung der Natur der Realitt. (Das Spanische real bedeutet königlich.) Was uns diese
Schlüssel mitteilen, ist, dass wir nicht auf der königlichen Straße alleine
dorthin gelangen. Wir müssen uns auf einem anderen Wege nhern.
Königtum oder "Sachtum" (lateinisch rex = König, res = Sache)
offenbart den Eines-Viele-Charakter dessen, was wir Realitt schreiben könnten. Das
Sprachspiel gab es bereits im Lateinischen. Es verweist auf selbsthnliche
Herrschaftsmuster im Realen, außerhalb des Saatkorns des Schenkens. Das Ego ist der König dieser
Realitt und
ihrer Struktur, whrend das schenkende Selbst ausgeschlossen bleibt. Ursprünglich
kommt die Realitt – als unser gemeinsamer Grund – vom Schenken. Doch
ist sie vom phallischen, kapitalistischen Kategoriedenken eingenommen worden.
Das Denken auf Kategorien aufzubauen, wertet
Differenzen ab – oder macht sie zum Anlass, neue Kategorien zu formen.
"Welcher Kategorie gehörst du an?" scheint die wichtigste aller Fragen zu sein.
Unsere Bedürfnisse sind so uninteressant wie wir selbst, wie das Glitzern in
unseren Augen. Das einzige was zhlt, ist, ob wir dem Modell bzw. dem Prototypen
entsprechen, ob wir zur Kategorie der "Schönen" gehören, der "Verdienenden", der
"Erfolgreichen".
Ist die Besttigung maskulisierter Realitt die Anerkennung eines ußeren
Gegebenen oder die Auferlegung eines Geschenks, das wir erhalten müssen? Vielleicht fühlen wir uns aufgrund
des Tauschprinzips verpflichtet, der Realitt etwas zurückzugeben? Zum Beispiel Anerkennung
(re-cognition). Diese
Realitt
befriedigt unsere manipulierten kollektiven Bedürfnisse, ignoriert jedoch
unsere ursprünglichen, "un-realistischen" individuellen Bedürfnisse. Was sind die Konsequenzen, wenn
wir dieses Geschenk der Realitt nicht annehmen? Ausschluss? Verrücktheit? Und was sind die
Konsequenzen, es doch anzunehmen? Geben wir die Wahrheiten unserer subjektiven
Perspektive auf für die kollektive maskulisierte Perspektive, nur damit wir
nicht aus den Kategorien des Menschlichen und Vernünftigen ausgeschlossen werden?
Wenn wir die Realitt
verweigern, sind wir dann undankbar, eigensinnig, "zügellos", wie ein
Psychiater einmal psychisch Kranke nannte? Wenn wir verrückt werden,
verschieben wir unser Realittsurteil vielleicht nur von einer kollektiv
vermittelten auf eine subjektive Ebene. Wir tun das, weil wir alle walking
wounded sind.
Eine eigensinnige kollektive Perspektive
Realitt gemeinsam zu bestimmen, ist eine
kollektive Wertzuschreibung. Als solche ist sie wahrscheinlich für uns alle
funktionaler als es rein subjektive Zuschreibungen wren. Wenn wir Güte als
Prinzip einfordern oder uns eine bessere Welt wünschen oder als "nicht realistisch"
eingeschtzt werden, dann appellieren wir an eine kollektive Qualitts- oder
Wertzuschreibung, die zumindest einen gewissen Grad an Funktionalitt
versichert und an die sich Einzelne wie die Gemeinschaft anpassen können. Diese
Anpassung geschieht angeblich in unserem besten Interesse. Uns wird zu
verstehen gegeben, dass wir uns an das kollektive Urteil anpassen und nichts
ndern oder anderes wünschen sollen.
Aber warum soll diese Perspektive weniger
eigensinnig sein? Es wird unterschieden zwischen dem Selbst und dem Kollektiv,
und was nicht kollektiv ist, gilt als egoistisch. Aber das Ego ist selbst ein
kollektives Produkt und es gibt viele kollektive Mechanismen und Werte, die es
strken. Es entspricht außerdem den verallgemeinerten Egos der Gruppen, denen
es angehört – zum Beispiel der Rasse, der Klasse, der Religion oder der
Nation.
Das Ego hngt davon ab, dass seinem Inneren
Wert und Realitt zugeschrieben wird. Dadurch wird dieses Innere besttigt
– vor allem im Falle erfolgreicher maskulisierter Mnner. Ausgeführt
werden diese Prozesse von den selbsthnlichen Strukturen der Gesellschaft. Das
privilegierte Eine, der Prozess des Tausches und die Verleugnung des Schenkens
sind als Institutionen, die auf Maskulisierung, Geld und der phallisch
besetzten Kategorie beruhen, soziale Mechanismen, die dem individuellen Ego
kollektiv Wert zuschreiben.
Das Ego und der Egoismus können in diesem Sinne
als eine kollektive Haltung gesehen werden, whrend die subjektive Haltung mehr
schenkend und auf Andere ausgerichtet ist. Doch warum setzen wir die trennende
Linie zwischen Individuum und Gruppe nicht woanders an und besttigen eine andere
Art von Ego und Schenken? Damit ließe sich auch eine andere Art von
Gemeinschaft schaffen.
Um zu erkennen, dass die Trennung an der
falschen Stelle geschieht, brauchen wir vielleicht eine dreidimensionale
Perspektive. Wenn wir verstehen, dass unser Selbstverstndnis von dem sozialen
Geschenk geprgt ist, das die Sprache ist, sowie von den Geschenken des Lebens,
dann würden wir vielleicht aufhören, uns eine polare Opposition zwischen
Individuum und Gruppe vorzustellen, zwischen dem Ich und den Anderen. Diese
nderung unserer Sichtweise würde uns erlauben, die Trennung zwischen subjektiv
und objektiv, unbewusst und bewusst, Traum und Realitt, anders zu sehen.
Gegenwrtige Realitt wird von einer
maskulisierten Gemeinschaft besttigt und definiert. Diese Gemeinschaftsform
wurde manipulativ konstruiert und ihre Definition des Realen ist Teil dieser
Konstruktion. Die Bestimmung der Realitt ist eine Meta-Nachricht, die dazu
dient, den patriarchalen Status quo zu stützen. Deshalb erscheint sie als organisierte
Bösartigkeit, die auf der angeblichen "Grausamkeit der menschlichen Natur" beruht.
Alles ist möglich, weil wir der Meta-Behauptung Glauben schenken, dass "Menschen
einfach so sind".
Das Individuum schreibt Teilen seiner Erfahrung
einen Realittswert zu und macht diese Zuschreibung bestndig. Aber unsere
gegenwrtige Realitt
schenkt nicht. Das Schenkprinzip ist nicht Teil von ihr. Das Schenken in der
materiellen Welt wird falsch verstanden, und das innere Schenken wird nicht
gesehen und verleugnet. Manchmal können wir trotz Mangels und zuviel Arbeit die
schenkende Seite der Natur und der Anderen erfahren – doch für viele Menschen
kommt es dazu nie.
All dies hat den Effekt, unserem inneren
Schenken nicht zu erlauben, einen Korrespondenten in der Realitt zu haben, auch
wenn vielleicht unsere Bemühungen, andere dazu zu bringen, uns zu schenken, als
missglückte Versuche gesehen werden können, die Realitt dazu zu bringen,
unsere Schenkidentitt im Inneren zu reflektieren. (Vielleicht fassen wir
selbst unseren inneren Schenkenden als einen Anderen auf?) Nachdem wir den Tausch
besttigt und die Mutter in eine andere Kategorie gestellt haben, scheint es nur
richtig und angemessen, dass andere uns schenken.
Wenn wir die Ausbeuter mit Mitgefühl betrachten,
mögen wir ihnen zugestehen, dass sie von der Realitt der stndigen Bedrohung
des Mangels überzeugt sind. Wir mögen ihnen zugestehen, dass sie andere deshalb
zum Schenken zwingen, weil sie glauben, nur so ihr eigenes überleben sichern zu
können. Ihr parasitrer Charakter wre dann eine Folge davon, dass sie
innerhalb des von ihnen geschaffenen Mangels wenigstens ihre eigene Versorgung
sicherstellen wollen. Vielleicht versuchen sie einfach, die Realitt zu ihrer
eigenen Mutter zu machen? Ist dies der heimliche Grund der kapitalistischen
Gier? Ist jeder Ausbeuter eigentlich nur ein kleines Kind, das an der Realititte
(reali-titty)
saugt?
Wenn sie glauben, dass sie verdienen, mehr als
andere zu haben, da sie mehr produzieren oder strker oder intelligenter sind, dann
etablieren Ausbeuter den Tausch und löschen das Schenken aus. Gleichzeitig
trachten sie, paradoxerweise, danach, beschenkt zu werden. Niemand kann die
Realitt zu seiner Mutter machen, außer wenn wir das Schenkprinzip für alle
restaurieren. Die Realitt ist ein kollektives Konstrukt, und wenn wir sie
kollektiv auf eine Weise konstruieren, die nur Einen oder Wenige auf Kosten der
Vielen versorgt, dann zerstören wir diesen kollektiven Charakter und damit jede
Form von Gemeinschaft. Wir müssen unser Schenken im Inneren mit dem Schenken in
der Außenwelt in Einklang bringen. Dies wird sowohl das Individuum als auch die
Gemeinschaft befreien. In der Zwischenzeit kann uns das Wiederherstellen
unserer Verbindung mit der Natur helfen, eine ökologische Nische für unseren
inneren Schenkenden außerhalb unser selbst zu finden. Wir müssen uns um die Natur
kümmern und ihr wieder ihre ursprüngliche schenkende Kraft verleihen. Dann
können wir uns auch wieder mit ihr verbinden.
Der Tausch ist tatschlich eine Manipulation
dessen, was die Lösung für unser Problem wre: inneres wie ußeres Schenken. Der
Tausch verlangt, dass alle die Ego-Orientiertheit zum obersten Prinzip erheben.
Jeder "gibt" zwar etwas – aber etwas, das kein Geschenk ist, etwas, das
nicht der Befriedigung der Bedürfnisse der anderen dient.
Die schenkenden Dimensionen der Anderen, der
Natur oder der Realitt werden falsch verstanden und als faire oder gerechte
Korrespondenz zwischen einem Mehr an Geben und einem Mehr an Erhalten
interpretiert. Die Realitt scheint dann nicht zu schenken, sondern nur auf
einen Tausch zu antworten. Da das Schenken nicht der Realitt entspricht, spiegelt
sich diese Manipulation in uns selbst wider. Die Lösung ist kollektives
Schenken, kollektiver Altruismus. Geld kann als das kollektive Produkt
verwendet werden, um mit diesem Prozess zu beginnen.
Trume werden wahr, innen wie außen
Wenn Trumen der Schenkweise entspricht, trumt
die Spinnenfrau wirklich die Welt, wie Paula Gunn Allen sagt.
Aber maskulisierte Realitt ist ein kollektiver Alptraum, ein kollektives Geschenk, um alle
Geschenke zu beenden, da es das Schenken begrenzt und in den Tausch assimiliert.
Ein Großteil der Menschheit schenkt seine Energie unbewusst der maskulisierten Realitt. Um eine andere Realitt zu
schaffen, müssen wir uns kollektiv eine andere ertrumen und unsere Energien
dazu verwenden, diese zu etablieren und somit unsere Trume wahr werden zu
lassen – anstelle unserer Alptrume. Wenn es mehr Schenken in der
Realitt gbe, würde auch unser inneres Schenkempfinden, sowie unsere
Kreativitt und Liebe, bestrkt werden.
Künstlerisches Schaffen ist reales Schenken und
Brücke hin zu einer besseren Welt, da das Medium des Geschenks selbst ein
Geschenk ist, das sthetische Bedürfnisse schafft und befriedigt. Zum Beispiel
ist das Singen ein Geschenk an die Zuhörenden, und das Medium, die Stimme,
befriedigt ein Bedürfnis (ein Potential) in uns selbst nach schönen, Lust spendenden
Lauten, Rhythmen und Harmonien. Gleichzeitig befriedigen die gesungenen Wörter
kommunikative Bedürfnisse. hnliches gilt für die visuelle Kunst. Die Farben,
Formen und Materialien können lustvolle Sinneserlebnisse schaffen, was auch
immer der Gegenstand oder das Thema des Kunstwerks sein mag. Obwohl viele Arten
der Kunst gekauft und verkauft werden können, behalten sie alle eine freie bedürfnisbefriedigende
Seite. Darin liegt der kommunikative Aspekt der Kunst. Es gibt keinen Tausch
zwischen dem Ohr und der Musik, zwischen dem Auge und dem Bild, selbst wenn wir
oft viel für das Zuhören oder Betrachten bezahlen müssen. Es ist das Kunstwerk
selbst, das schenkt, und die kreative Gabe der Kunstschaffenden liegt in der
Fhigkeit, ein solches schenkendes Kunstwerk zu gestalten.
(Wir haben oben gesagt, dass wir nicht mit dem Anthropologen Lévi-Strauss
übereinstimmen, wenn er die Rolle der Frauen im Frauentausch als die von Gütern
oder Nachrichten interpretiert, die zwischen Verwandtschaftsgruppen getauscht
werden – vielmehr sollten die Frauen als Quellen von Geschenken
verstanden werden, als "Geschenke, die schenken".) Zahlreiche Arten von
Tauschaktivitten verhalten sich parasitr zur Kunst, genauso wie zu anderen
Quellen des Schenkens.
Selbst wenn die Kunst das Schenken bis zu einem
gewissen Grade in der ußeren Welt restauriert, reicht das nicht, um das ausgelöschte
Modell wiederherzustellen. Vorerst bleibt das Schenken in das Reich der Trume
und des Unbewussten, in das Reich der Kunst, der Geschichten und der Mythen
verbannt. Leider können Geschichten auch dazu dienen, Kinder mittels der
Befriedigung kommunikativer Bedürfnisse sanft in die Welt des Tausches
einzuführen. Geschichten lehren Kinder die Transitivitt von Dingen – sie
zeigen ihnen, wie etwas zu etwas anderem führen kann, wie die Befriedigung
eines Bedürfnisses ein weiteres schafft, wie eine Handlung in einer anderen
resultiert. Handeln kann freilich auch als Schenken gesehen werden, wie die
Tatsache, dass die Befriedigung eines Bedürfnisses ein neues schaffen kann:
wenn das Baby gegessen hat, muss es sich schlafen legen oder nach draußen zum
Spielen gehen; gleichzeitig muss die Mutter aufrumen, sich ausruhen, oder zur
Arbeit zurückkehren.
Die Wenn-Dann-Struktur beinhaltet ein Geschenk,
das auf eine Konsequenz verweist: "Wenn du deinen Finger ins Feuer hltst,
wirst du dich brennen!" Wenn dies mit sozialer Belohnung und Strafe belegt
wird, wird die Transitivitt des Geschenks zur logischen Konsequenz des Tausches.
Wenn-dann wird zu: "Tu dies und erhalte jenes!". Es sieht nunmehr so aus, als
würde die Realitt dem Kind das geben, das es "verdient". Verdiente
Aschenputtel zum Ball zu gehen und den Prinzen zu heiraten, weil sie so hart
arbeitete? Verdiente Rotkppchen es, vom Wolf gegessen zu werden, weil sie ihrer
Mutter nicht gehorcht hatte? In diesen Geschichten wird eine Tauschbeziehung
zwischen den Figuren und der Realitt geschaffen. Kinder lernen, ihr Verhalten gemß
der Tauschform auszubilden.
Was ist der Preis, den wir dafür zahlen, nicht
zu schenken? Und was wren die Belohnungen, wenn wir schenken würden? In den
Mrchen scheint der Tausch ausgewogen. Wenn Kinder anfangen zu tauschen, entspricht
dies ihren Moralvorstellungen.
Sie zum Gehorchen zu bringen bzw. ein System von Belohnungen und Strafen
einzuführen, führt sie weg von der Schenkweise, die sie im Kontakt mir ihren
Müttern gelernt haben, und bereitet sie auf den Tausch der Realitt vor. Geschichten befriedigen
die Bedürfnisse von Kindern, durch Kommunikation behutsam in eine Welt
eingeführt zu werden, die ihr aufgrund des Tauschs fremd ist.
Es ist wahr: Wir haben als Kinder ein
Bedürfnis, dass uns gelehrt wird, uns an die Realitt anzupassen. Doch existiert dies nur, da
die Realitt
eine manipulierte Realitt ist. Die Notwendigkeit (und damit das Bedürfnis),
sich anzupassen, wird von einer Umwelt auferlegt, die künstlich und vom
Tauschprinzip besetzt ist. Unsere Sozialisierung wird einer Evolution gleich,
die sich an unserer Funktionsfhigkeit im System orientiert und eine Anpassung
an die Rollen des Habens und Nicht-Habens verlangt, und zwar auf allen Ebenen.
Wenn jenes Prinzip unser Leben leiten würde, das tatschlich für das Wohl der
Menschen und des Planeten steht, müsste uns das Schenken und Empfangen nicht explizit
gelehrt werden – wir würden es einfach durch Erfahrung selbst lernen, und
zwar auf die gleiche Weise, auf die wir durch unser Wahrnehmungsvermögen
lernen, uns zu bewegen und (zumindest zum größten Teil) zu sprechen.
Wenn wir Kindern lehren zu gehorchen, besetzen
wir Informationen wie: "Wenn du deinen Finger ins Feuer gibst, brennst du dich!",
mit Mustern von Herrschaft und Gehorsam bzw. mit den Tauschaspekten von Belohnung
und Strafe. An sich rein informativ, wird ein solcher Satz plötzlich dazu
verwendet, elterliche Diktatur zu etablieren und zu besttigen, genauso wie:
"Wenn du nicht aufisst, darfst du nicht spielen gehen!" Diese Drohungen funktionieren
gemß des Tauschmodus. Sie geben unseren Handlungen einen Preis im Sinne ihrer
Konsequenzen. "Du hast nicht gehorcht! Du hast drei Tage Hausarrest!" Der Autoritarismus der Eltern ist nicht nur
eine Reproduktion ihrer eigenen Kindheit und ihrer eigenen Beziehung zu ihren
Eltern, sondern sie richten sich auch gegen ihr eigenes schenkendes und
empfangendes inneres Kind. Mit ihrer Praxis der Notengebung dehnen unsere
Schulen diese Belohnungs- und Strafprozesse auf quantitativ messbare Mengen
erlernten "Wissens" aus.
Die Irokesen und der weiße Mann
Wenn Frauen Frauen unterstützen, oder Fürsorgende
Fürsorgende versorgen, findet eine Transitivitt des Schenkens statt. Die Ware wird
weiter und weiter gereicht und die Empfangenden empfangen von vielen und schenken
an viele. Wenn dies als Prinzip verfolgt wird, sind Menschen sich dessen
bewusst und die Realitt ist von solchen Handlungen gekennzeichnet. Wobei: Wenn
das Schenkprinzip unser Leben wirklich bestimmen und wir es bewusst praktizieren
würden, müssten wir nicht über es als Prinzip nachdenken. Es wre uns möglich,
flexibler zu sein, zu experimentieren und auf einer Fall-zu-Fall-Basis zu
arbeiten. Wenn wir es nützlich finden würden, könnten wir dann vielleicht sogar
manchmal tauschen, ohne ein Risiko einzugehen, da die Realitt als Ganze auf
dem Schenken beruhen würde. Indianische Stmme, die von Frauen geführt wurden,
wie jener der Irokesen, schufen alternative Schenkrealitten dieser Art. Das
Leben beruhte auf dem Schenken, obwohl Tausch – zumindest symbolischer
Tausch – bis zu einem gewissen Grade praktiziert und manchmal sogar Kriege
geführt wurden.
Die Werte der Schenkökonomie bedrohen die Tauschökonomie,
und ich glaube, dass das der Grund für die Unbarmherzigkeit des weißen Mannes gegenüber
den amerikanischen UreinwohnerInnen war. Der weiße Mann hatte auch eine Mutter.
Er lernte, sie in den Hexenverbrennungen zu töten. Dabei tötete er jedoch auch
sich selbst bzw. seine innere Mutter. Es gibt kein Geschlecht. Menschen werden
alle dem Schenken gemß geformt. Indem er seine europische Mutter schlachtete
und versklavte, beraubte sich der weiße Mann selbst seines menschlichen
Potentials. Indem er seine Heimat verließ und die Amerikas eroberte
("penetrierte"), verlor der weiße Mann seine Menschlichkeit. Er folgte rein seinem
falschen, maskulisierten Herrschaftsideal. Er fand mütterliche Gesellschaften,
beutete sie aus und initiierte einen Genozid. Was er als zivilisiert ansah,
waren das Ego und der Tausch mit seiner leeren definitorischen Logik.
Doch auch der weiße Mann hat ein Herz. Er lebte
im Bauch seiner Mutter. Er wurde von ihr versorgt, erhielt ihre Geschenke und
schenkte ihr seine eigenen. Was er nicht verstand, war, dass alle Mnner und
Frauen denselben Traum teilen; dass sie dieselbe Art zu trumen und zu sprechen
haben. Unsere Sprache ist eine gemeinsame; sie geht über die Kommunikation
materieller Geschenke hinaus (obwohl diese Kommunikation enorm wichtig ist):
sie ist die Kommunikation verbaler Geschenke. Welche die spezifischen
Laut-Geschenke sind, die wir einander schenken, ist dabei zweitrangig. Was
zhlt, ist, dass
wir sie einander schenken. Der Turm zu Babel ist nur das phallische Symbol der
Maskulisierung, die uns nicht zu sehen erlaubt, dass alle unsere Sprachen und unser
Leben der Mutter und der Mütterlichkeit entstammen. Wenn wir die Maskulisierung
aufgeben und zur Mutter und dem Kind in uns selbst zurückkehren, dann können
wir auch dem Trumen wieder seine Bedeutung zukommen lassen.
Von der Realitt zur Göttin Rhealitt
Schenken und Tauschen sind auf der Ebene der
ökonomischen Realitt
aneinander gekoppelt. Dies schafft viele Hindernisse auf dem Weg, effektive
Arbeit für den sozialen Wandel bzw. die Rückkehr zum Schenkprinzip zu leisten. Vor
allem, da das Ziel des sozialen Wandels oft missverstanden wird und Menschen
meinen, es ginge darum, alle in die Tauschökonomie zu integrieren. Doch dies
kann niemals das Ziel sein, alleine schone deshalb nicht, weil die Integration
aller in die Tauschökonomie unmöglich ist: die Tauschökonomie kann nur auf der
Basis eines Ausschlusses funktionieren, da der Markt auf die Geschenke Ausgeschlossener
angewiesen ist.
Es gibt viele Gruppen, die vom kapitalistischen
Marktsystem ausgeschlossen sind. Ihre Produkte haben keinen Zugang zum Markt oder
sind dort nicht konkurrenzfhig. Das Kunsthandwerk von indigenen Völkern zum
Beispiel findet normalerweise keinen Platz am Markt, obwohl es von hoher
Qualitt ist. Um seinen Platz zu finden, bedarf es der "Hilfe" ausbeuterischer
Mittelsmnner.
Es gibt gegenwrtig relativ viele Projekte, die
indigenen KunsthandwerkerInnen helfen, ihre Produkte ohne die Ausbeutung durch Mittelsmnner
auf den Markt zu bringen. Diese Projekte werden von Menschen mit guten
Absichten geleitet. Sie suchen um Gelder von Stiftungen oder anderen
Organisationen an. Ihr Ziel ist, das indigene Kunsthandwerk zu gleichem "Wert"
wie Mainstream-Produkte anbieten zu können ("gleicher Tausch"). Der Widerspruch
hier liegt darin, dass das Ziel in einer Integration in die ökonomie zu liegen
scheint, die diese Gruppen seit je her ausschließt und ausbeutet. Es können in
diesem System nie alle den Privilegierten gleich werden, und diejenigen, denen
dies gelingt, gelingt dies nur über die Ausbeutung anderer. Es mag möglich
sein, dass im Rahmen der erwhnten Projekte die Notwendigkeit der Ausbeutung
eine Zeitlang aufgehoben wird, da Förderungsgelder anstelle erzwungener
Geschenke zur Verfügung stehen, doch bleibt das Ziel der Unabhngigkeit eine
Illusion. Der Kapitalismus kann ohne den Fluss versteckter Geschenke nicht
funktionieren. "Unabhngigkeit" meint meist nichts anderes als effektive
Abhngigkeit vom Markt. Frauen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, um
unabhngig zu sein, sehen sich mit demselben Problem konfrontiert.
Die Produktion indianischen Schmucks in Hongkong
verdeutlicht, was ich meine. Internationale Ausbeutung produziert billigere,
konkurrenzfhigere, "gleichere" Produkte als dies Projekte sozialer
Gerechtigkeit oder Unabhngigkeit je tun könnten. Dies zeigt sich schon alleine
im "Geschenkquotienten", der durch die ausbeuterische Beziehung zwischen
Nationen geschaffen wird (diese Beziehung schafft auch den Unterschied in deren
Lebensstandards) bzw. über das Geschenk der ausgebeuteten Arbeit an die multinationalen
Konzerne. Noch einmal, es ist eine Illusion, dass Gruppen außerhalb des
Mainstreams nur erfolgreich sein können, wenn ihre Produkte konkurrenzfhig
sind. "Gut genug" sein, "gleich" sein, "auf demselben Niveau" sein, bedarf
immer der Ausbeutung der Geschenke anderer.
Wenn sie ein neues Produkt produzieren oder
einen neuen Markt entdecken, kann es Menschen, die sich außerhalb der kapitalistischen
ökonomie befinden, vielleicht gelingen, in diese einzutreten und erfolgreich zu
sein. Vielleicht mag sich dies in manchen Aspekten sogar positiv auf ihre
Gemeinschaften auswirken. Nur verlangt der Erfolg im Rahmen des Tauschsystems ein
Verstndnis des Marktes, zu dem es nur durch einen Lern- und Erfahrungsprozess
im Markt selbst kommen kann, der gewöhnlich impliziert, dass Menschen lernen, für
sich selbst Profit zu schöpfen – und nicht für die Gemeinschaft. Dies
folgt der kapitalistischen Logik des "Jeder für sich selbst!". Alleine schon
der Versuch, in den Markt einzutreten bzw. konkurrenzfhige oder "gleichwertige"
Produkte zu erzeugen, besttigt den Markt und den "gleichen Tausch" als die
besten (ja sogar einzigen) Mittel, Reichtum zu produzieren. Alternativen werden
als "unrealistisch"
abgetan oder nicht einmal wahrgenommen. Das Schenken – in der
Tauschökonomie einerseits verleugnet, andererseits in Form ausgebeuteter Arbeit
integriert – wird gleichzeitig unterdrückt und geopfert. In jedem Fall
wird ihm kein Wert zugeschrieben. Es bleibt unsichtbar, entwertet und
verachtet.
Das Unbewusste ist gewissermaßen die Energiequelle,
die unser Bewusstsein bzw. unseren Verstand antreibt. Viele unbewusste
Motivationen und Assoziationen gelangen dabei nie zur Oberflche. Sie bleiben
verborgen und erhalten keinen Wert. Sie gleichen in diesem Sinne jenen
Menschen, die sich außerhalb des Marktes befinden, von wo aus sie diesen versorgen.
Frauen befinden sich in derselben Position, wenn sie Mnner in ihren Beziehungen
mit anderen Mnnern und in ihrem Konkurrenzkampf um Herrschaft unterstützen,
ohne dass dies je anerkannt wird. Wir müssen damit aufhören, der Art des
Bewusstseins Wert zuzuschreiben, die auf dem Tausch, dem wechselseitigen
Ausschluss und der Gleichheit des Marktes beruht bzw. auf der
Konkurrenzfhigkeit unserer Produkte, unserer Kinder und unserer selbst. Stattdessen
müssen wir uns um Alternativen bemühen!
Auch wenn es schwierig ist, im Rahmen des
Systems mit dem Schenken zu experimentieren, denke ich, dass es möglich ist.
Oft werden diese Möglichkeiten jedoch nicht erkannt. So schenken viele Frauen,
die ich kenne, anderen Frauen unentwegt: sie leisten ihnen Dienste, verschaffen
ihnen Unterkunft und Ausbildung, und unterstützen sie ohne Erwartung auf
Gegenleistung. Oft denken sie jedoch selbst, dass dies "verrückt" ist, weil sie
keine Bezahlung verlangen. hnliche Phnomene kennzeichnen Bewegungen von
Frauen, die sich für Land- und Unabhngigkeitsrechte oder einen behutsamen
Umgang mit der Erde einsetzen.
Auch Bewegungen gegen husliche und sexuelle
Gewalt oder Bewegungen gegen Suchtverhalten befriedigen Bedürfnisse, ohne Gegenleistungen
zu erwarten. Menschen, die in diesen oder anderen Bewegungen – gegen die puerilen Spiele, die mit radioaktivem Abfall
und chemischen Zeitbomben geführt werden, gegen Krieg, Militarismus und Aufrüstung,
usw. – aktiv sind, wenden alle enorm viel Zeit und Energie dafür auf, Bedürfnisse
nach gesellschaftlichem Wandel zu befriedigen.
Whrend ein großer Teil von Voluntrsarbeit von
Frauen geleistet wird, sind auch Mnner darin involviert. Dabei ist denjenigen,
die in gemischten Gruppen aktiv sind, oft nicht klar, dass sie in ihrer
nicht-monetren, bedürfnisbefriedigenden Arbeit dem Schenkprinzip folgen und
dass dieses auf der Mütterlichkeit beruht. Frauen und ihre Werte werden daher
nicht als Beispiel erkannt. Vielmehr werden Mnner oft von Frauen darin
unterstützt, auch im Rahmen dieser auf gesellschaftlichen Wandel abzielenden
Arbeit ihre Maskulisierung auszuleben. In vielen Fllen wird nicht einmal dies erkannt
und bleibt unproblematisiert.
Experimenten des Schenkens haftet oft ein
schlechter Ruf an, der Menschen davon abhlt, sich an ihnen zu beteiligen. Der
Grund ist, dass patriarchale Wohlttigkeitsorganisationen die Menschen, denen
sie schenken, als passiv und unterlegen ansehen, nicht auf ihre Meinung (ihre
Bedürfnisse) hören und ihnen stattdessen Geschenke aufzwingen, die sie selbst
für die richtigen halten. Dieser Paternalismus wird von Mnnern wie von Frauen
unterstützt. Schlussendlich leiden alle darunter. Vor allem wird die Beziehung
zwischen den Frauen und dem Schenken getrübt, da der Unterschied zwischen
Schenken und Tauschen nicht klar wird. Im schlimmsten Falle ist das "Schenken"
dieser Organisationen nur ein Vorwand für Herrschaft und Profitabschöpfung.
Ich habe das alte Sprichwort, dass es besser
ist, den Armen keinen Fisch zu schenken, sondern sie fischen zu lehren, mit
einer Wendung gehört, die die Notwendigkeit sozialer Vernderung betonte.
Demnach müssen wir uns zunchst fragen, wie es überhaupt zur Armut kommt. Warum
haben Menschen keinen Zugang zum See, sodass sie sich das Fischen nicht selbst lehren
können? Ist er Privateigentum? Ist er kontrolliert von einem Konzern oder einer
Regierung? Ist es überhaupt denkbar, dass eine Gruppe hungriger Menschen an
einem See lebt, zu dem sie freien Zugang hat, ohne dass sie sich das Fischen
lehren würde?
Der Grund für den Mangel ist der Tausch bzw.
das gesellschaftliche System, das auf dem Tausch beruht. Projekte einzurichten,
die Menschen in das Marktsystem integrieren, wird den Mangel nicht beseitigen.
Um ihn wirklich zu beseitigen, müssen wir eine nderung im Bewusstsein
schaffen, die allen erlauben wird, seine systematischen Gründe zu erkennen.
Es ist wichtig, Alternativen zum patriarchalen
Kapitalismus zu schaffen, Experimente, die auf den ökonomischen Modellen
verschiedener so genannter "primitiver" Völker außerhalb des Marktsystems beruhen.
Alternative Projekte müssen gefördert werden. Die Etablierung nicht-monetrer
Schenksysteme etwa, oder Projekte, die versuchen, enteigneten Menschen Land zu
verschaffen und es fruchtbar zu machen, sodass diese Menschen dort leben und
anbauen können. (Viele Frauen haben bereits damit begonnen, Land mit anderen
Frauen zu kaufen und zu teilen.) Diese Projekte müssen zum Teil auch durch
monetres Schenken (also finanziell) unterstützt werden. Dies stellt eine
eigene ökonomische Form dar, die auch parasitr ist – doch in Bezug auf
den Kapitalismus, also gewissermaßen ein Parasit des Parasiten, der eine Meta-Perspektive
(parasight) einnimmt
und eine andere Praxis ermöglicht. Das Finanzieren von Schenkökonomien besttigt
dies. Hier wird geschenkt, um zu schenken.
Indem die Existenz von Alternativen geltend
gemacht wird, können wir der Differenz zu ihrem Wert verhelfen und uns von der
Besetzung der kapitalistischen Gleichheit befreien. Wenn wir genau hinhören,
können wir sogar von Frauen, die sich im Inneren der Klassen, die vom
Istgleichzeichen (=) beherrscht werden, befinden, die Besttigungen des ersten
Gebots der altruistischen Vernunft vernehmen: "Versuche etwas anderes! Dies hier funktioniert nicht!"
Mater-Mutter
Materie/Geist, mater(Mutter)/Atem sind wahrscheinlich
falsche Gegenüberstellungen. Die Illusion ist, dass mater sich nicht kümmert (that mater
doesn't mind), weil sie anderen Wichtigkeit
zuschreibt und nicht sich selbst. Doch in Wirklichkeit bedeutet dies nur, dass
sie sich mehr kümmert (minds more)! Was wir stattdessen tun müssen, ist, dem
Denken Bedeutung zuzuschreiben bzw. es mütterlich werden zu lassen (make
mind mater).
Atmosphrischer Druck bewegt die Luft und befriedigt
damit das Atembedürfnis, das wir aufgrund der Ausdehnung unserer Lungen
entwickeln. Viele Teile der Natur befriedigen Bedürfnisse: vom Chlorophyll im
Blatt, das der Wurzel Zucker zukommen lsst, bis zum Plankton am Meeresgrund,
wo sich Wale tummeln, ernhren und spielen; oder von alten Steinen, mit denen
wir unsere Huser bauen, bis zur Töpferscheibe.
Auch die Bedürfnisse sind ein Teil der Natur
und sind kreativ. Lebewesen passen sich an das, was gegeben ist, an und ndern
es. Mater(ie) (mat(t)er) ist bereits Verstand (mind): ihre verschiedenen Teile unterstützen
einander, sie entwickelt Bedürfnisse und befriedigt sie. Der menschliche
Verstand hat sich jedoch von seiner Matrix gelöst und dem Tauschprinzip
angepasst. Er erscheint damit heute als Ursprung seiner selbst. Indem er sich
von Schenkenden – Frauen, der inneren Mutter und dem inneren Kind, den
Vielen – versorgen lsst, denkt er nicht an sie und schließt sie aus (the
mind is not minding about them). Besetzt von seiner Ego-Orientiertheit, konzentriert sich der Verstand
nur auf sich selbst.
Vielleicht kann der Verstand (und auch das
Gehirn) besser verstanden werden, wenn wir ihn von der Perspektive des Schenkens
aus betrachten. Wenn wir der Materie die mater zurückgeben, können wir sehen, wie sie sich
kümmert (minds),
auf welche Weise der Verstand mütterlich ist und wie wir die mater als eine Gegebenheit begreifen
können. Der Geist hat wenig mit Reflexion zu tun hat (hardly matters in
reflection); er ist
Atem auf dem Spiegel, etwas, das zu einer anderen Kategorie gehört. Die Mutter
und der Wind funktionieren gemß hnlicher Prinzipien. Auch sie begeben sich
dorthin, wo es eine Lücke gibt, eine Leere, ein Bedürfnis. Sie bringen die
Wörter, die wir hören müssen, um unsere Gemeinschaften wieder formen zu können.
Mutter Fürsorge
Ich gehe am Land spazieren. Es gibt so viele einzigartige
Lebewesen, Insekten, Pflanzen, Blumen, die an verschiedenen Orten und in
verschiedenen Formen wachsen. Auf jedem Quadratmeter unserer Erde findet ein
wunderbarer, anmutiger, vielfltiger Tanz von Pflanzen und Tieren statt. Jede
Art ist dabei auf ein Wort als ihrem Namen bezogen, aber sie sind in Rhealitt (rhea-lly) weit davon entfernt, gleich zu
sein, auch wenn die Kombination von Kategorie, Definition und Tausch heute
Bedingungen geschaffen hat, die uns dies glauben lassen. Wir sehen keinen Grund
mehr darin, in den Wald zu gehen, um Beeren zu holen – wir können das
genauso im Supermarkt tun.
Die Göttin ist nicht völlig zerstört worden. Im
Vorbereiten, Kochen und Essen der Nahrung, im Fühlen, im Bewegen, in vielen
Arten des Vergnügens – vom Sex über die Poesie bis zum Beobachten eines
Sturms – können wir ihre Geschenke immer noch spüren. Die mnnliche
Gewalt zwingt die Realitt hingegen zu Geschenken. Dies ist etwas anderes. Das
Resultat ist Graben, Bohren, Bomben. Die Maskulisierung erzwingt Geschenke,
weil sie sich deren Erhalt versichern will. Diese Sicherheit wird von ihrem künstliche
Tauschego verlangt.
Wir müssen die Rhealitt als die Mutter Natur sehen, als
die Mutter Fürsorge. Ihr wird angetan, was uns angetan wird: ihr wird genommen, damit sie
zum Schenken gezwungen werden kann. Damit wollen die Mnner demonstrieren, dass
sie sowohl die Rhealitt als auch die Realitt kontrollieren. Dies tun sie, indem sie der Natur keine Fürsorge
zukommen lassen und dem Schenken keinen Wert. Das Negieren der Mutter lsst es
so erscheinen, als würden die Grundlagen des Lebens aus dem mechanischen
Ursache-Wirkung-Verhltnis, der kausalen Wenn-Dann-Beziehung und aus objektiven
Tauschprozessen bestehen. Damit wird ein immenses Spektrum fürsorglicher
Intentionalitt verdrngt, das vom Wind oder der Amöbe, die nach einem
schmackhaften Happen sucht, bis zur feministischen Revolution oder einem
Gutenachtlied reicht – also vom "am wenigsten" zum "am meisten"
Menschlichen. In jedem Fall beginnt alles – ontogenetisch wie
phylogenetisch – damit, dass Mütter ihre Kinder versorgen.
Emotion
Die Erhaltung der Welt schreibt ihr immer noch
materiellen Wert zu, aber niederen. Trotz der Monetarisierung und des Tausches
vermögen Frauen (und manchmal auch Mnner) weiterhin Bedürfnisse zu erkennen,
sowohl emotional wie intellektuell. Ich denke, dass es die Verbindung mit den
Bedürfnissen anderer und unseren eigenen ist, die die Grundlage menschlicher
Emotionalitt bildet. Völlig im Tausch aufgehende maskulisierte Egos sind Bedürfnissen
notorisch entfremdet, "gefühllos" – und unglücklich. Bedürfnissen Aufmerksamkeit
zu schenken, scheint irrational zu sein, da das, was wir als rational erachten,
auf dem Tausch beruht. Nachdem wir dem Tausch erlaubt haben, unsere Welt zu
durchdringen und das Schenken zu blockieren, wurden unsere Werte manipuliert.
Sie wurden abstrakt und haben sich ihrer Rolle im Schenkkontext entfremdet. Heute
kommt nur noch der Abstraktion selbst Wert zu.
Unbefriedigte Bedürfnisse legen Emotionen offen,
und es sind diese Emotionen, die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse lenken (und
ihnen Wert schenken), sodass sie befriedigt werden können. Doch werden diese
Emotionen oft ignoriert, abgewertet und von der Logik des Eigeninteresses
verdrngt. Der ausschließliche Wert, der abstraktem Denken zukommt, entzieht unseren
Bedürfnissen jede Aufmerksamkeit. Auch wenn abstraktes Denken manchmal der
Befriedigung komplexer Bedürfnisse dienen kann, wird es leicht zu einem
Selbstzweck und fungiert als Rechtfertigung dafür, sowohl Bedürfnisse als auch
die auf sie verweisenden Emotionen gnadenlos zu missachten.
Das Patriarchat hat die Realitt verdinglicht (re(x)-ified). Es hat das Netzwerk seiner
selbsthnlichen Bilder (seiner phallisch besetzten Kategorien) ausgedehnt und
die Geschenke der Gemeinschaft beansprucht, so wie ein Old Boys Network von Geschftsleuten neue Mrkte
beansprucht. Die Realitt nach diesen Bildern zu formen, verdrngt ihre
Fürsorglichkeit, macht Bedürfnisse unsichtbar und wertet die Emotionen ab, die mit
den Bedürfnissen in Zusammenhang stehen. Die Realitt wird mechanisch und
"objektiv". Das Gegebene wird nur als wichtig erachtet, wenn es in Kategorien
organisiert und auf ein Eines bezogen werden kann. Wir sind jedoch immer
bereit, Geschenke zu empfangen, auch wenn wir uns das nicht eingestehen wollen.
Und die Realitt ist immer fürsorglich, auch wenn abstrakte Kategorien das zu verbergen
und zu verleugnen versuchen. Das Netzwerk der Kategorien – das
selbsthnliche System – ist ein unsichtbares, abstrakt aufgezogenes Netz.
Es entzieht den wirklichen Geschenken der Göttin Rhea unsere Aufmerksamkeit und
richtet sie stattdessen auf die Götter Rex und Res.
Kapitel 20>