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Theory
of The Gift Economy


Intro

Kapitel 1
Am Anfang

Kapitel 2
Sprache und Denken

Kapitel 3
Reziprozität

Kapitel 4
Definition und Tausch

Kapitel 5
Die Kategorie des Menschen

Kapitel 6
Marksistische“ Kategorien

Kapitel 7
Die kollektive Quelle

Kapitel 8
Kastrationsneid

Kapitel 9
Is = $

Kapitel 10
Wert

Kapitel 11
Der Übergang zum Tausch

Kapitel 12
Wie dem Tausch Wert geschenkt wird

Kapitel 13
Markt und Geschlecht

Kapitel 14
Zu existieren verdienen

Kapitel 15
Das Zeigen und das Patriarchat

Kapitel 16
Das Zeigen des Egos

Kapitel 17
Was repräsentiert die Demokratie?

Kapitel 18
Die nicht-maskulisierten Protagonistinnen gesellschaftlichen Wandels

Kapitel 19
Traum und Realität

Kapitel 20
Schenken und Liebe

Kapitel 21
Vom Garten zum Gral

Kapitel 22
Kosmologische Spekulationen

Kapitel 23
Nach den Wörtern – die Theorie in der Praxis

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Vom Garten zum Gral

Wenn ich das Patriarchat/Puerarchat kritisiere, will ich mich nicht gegen die Spiritualität wenden, sondern nur zeigen, dass sie auf Weisen praktiziert werden kann, die das Schenken hindern. Eines unserer Missverständnisse, was das Schenken anlangt, kommt daher, dass wir eine männliche Gottheit als den größten Schenkenden sehen. So vermischen wir schenkende Charakteristika mit Charakteristika der Maskulisierung.

Wenn wir eine weibliche Gottheit hätten, kämen wir vielleicht leichter zum Bewusstsein des Schenkprinzips. Ich denke, dass die Gottheit wirklich reiner Altruismus ist, dem Geist des „Du zuerst!“ folgt und deshalb unsichtbar bleibt. Die Gottheit schafft Dinge, liebt sie auf eine Weise des „Du zuerst!“ und setzt diesen Prozess ewig fort. Wenn wir einander nicht lieben, blockieren wir diesen Prozess. Vielleicht sind Naturgeister, Feen und Engel nur etwas schwächere Ausdrücke des Prinzips des „Du zuerst!“.

Wenn das Schenken in den Bereich des männlichen Modells gerückt wird, wird die Tatsache verschleiert, dass Frauen schon seit je her überall schenken. Selbst das Opfer des Lebens Christi lenkt unsere Aufmerksamkeit von den Opfern ab, die Frauen seit je her überall bringen: für ihre Kinder, für ihre Männer, für andere. Unsere Dankbarkeit wendet sich also einem männlichen Schenker anstelle des Muttermodells zu.

Ich glaube, dass der schädlichste Aspekt des Christentums in der Glorifizierung des Opfers liegt, da es die Bedingungen nicht berücksichtigt, die ein Opfer notwendig machen. Das System, das Mangel, Krieg, Naturzerstörung und menschliches Leid schafft, muss geändert werden, und diese Notwendigkeit darf nicht verdeckt werden von den Opfern derjenigen, die das Beste aus der furchtbaren Situation zu machen versuchen. Wir müssen den soziopolitischen Mut haben, uns nicht zu opfern, und stattdessen die Gründe der Probleme angehen und uns miteinander vereinen, um sie zu ändern. Dies wäre ein Geschenk an alle. Wenn wir das uns leitende Prinzip ändern – was eine Änderung des Belohnungssystems und der Egostruktur des Tausches beinhalten würde –, würde es möglich werden, ohne Selbstaufopferung zu schenken. Wir müssen alternative Organisationen schaffen und dazu unsere Energie, unsere Vorstellungskraft und unsere Ressourcen einsetzen. Letzten Endes geht es darum, zu entscheiden, ob wir unsere Zerstörung zulassen wollen oder ob wir den gegenwärtigen Prozess aufgeben und uns als Beispiele von Schenkenden etablieren, die nicht opfern.

In einer Situation des Mangels kann es leicht dazu kommen, bis zur eigenen Erschöpfung zu schenken, da das Schenken nicht von allen praktiziert wird und den Schenkenden selbst oft keine Geschenke zukommen. Wir Frauen sind immer Schenkende gewesen, da die Bedürfnisse unserer Kinder das verlangen. Im Tauschprinzip wird dies jedoch oft soweit getrieben, dass wir gleichsam gekreuzigt werden: wir werden dazu gebracht, unser eigenes Leben zu schenken, um weiter Bedürfnisse befriedigen zu können. Derart feindlich ist die Situation, in der wir uns befinden. Frauen haben recht, das Schenken ist der Weg. Aber wir müssen es zu einem Prinzip für alle machen und den Kontext unserer eigenen Schenkens ändern. Wenn wir damit fortsetzen, es nur individuell zu praktizieren, wird es uns umbringen.

Die Maskulisierung und der Tausch rücken sich selbst in den Vordergrund, bestätigen sich selbst und bringen andere dazu, ihnen zu schenken. Diejenigen, die schenken, können so nicht wirklich sehen, was sie selbst tun. Sie können ihrem Tun keinen Wert zuschreiben oder es als Norm verstehen. Sie haben die ego-orientierten Werte der Maskulisierten akzeptiert. Sie haben paradoxerweise nicht den Mut, der ihren altruistischen Werten und Handlungen innewohnt. Dies mag soweit gehen, dass Frauen das Schenken als falsch erachten, während sie es selbst praktizieren. Sie fürchten sich vor ihrem eigenen Prinzip und verwechseln die Gefahr der Selbstaufopferung, die der Mangel mit sich bringt (die Gefahr des sozialen Kontexts, in dem sie sich bewegen), mit der Unterstellung, dass das Schenken den Mangel produziert. Sich für etwas aufzuopfern und ihm Wert zu schenken, mag ein Weg sein, dieses Etwas in Form einer Anerkennung oder Wertzuschreibung vor Zerstörung zu bewahren. Doch kann diese Form der Selbstaufopferung auch eine erzwungene sein.

Maskulisiertes Schenken

Das Einzige, was wir am Anfang falsch machten, war der Wechsel vom Schenkprinzip zum Tauschprinzip. Vielleicht ist es das, worum es in der Geschichte vom Garten Eden geht. Im Schenkprinzip ist keine Wiedergutmachung notwendig. Nur wenn wir zum Tauschprinzip wechseln, finden wir es notwendig, wiedergutzumachen. Indem sie das Essen des Apfels als eine Sünde darstellt, als einen Ungehorsam, der Wiedergutmachung erfordert, zeigt die Bibel, wie Menschen in das Tauschprinzip mit Gott eintreten und ihm die Rolle des Strafenden zukommt, der „gerechte“ Vergeltung übt. Eine Gottheit, die eine schenkende wäre und gemäß des Schenkprinzips handeln würde, hätte keine Wiedergutmachung gebraucht. Sie hätte ihren Kindern das Schenken durch Beispielhaftigkeit gelehrt.

Das Opfer Christi mag ein Versuch gewesen sein, uns Schenken und Vergeben zu lehren, doch dieser Versuch beruhte nicht auf dem Beispiel der Göttin bzw. der Mutter. Dieses Beispiel war bereits ausgelöscht worden vom männlichen Modell des Vaters und des Sohns. (Die Bilder der Madonna mit dem Kind hätten uns noch danach erinnern können, dass Buben ihren fürsorglichen Müttern folgen sollten. Doch das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein der Mutter wurde niemals bestätigt. Wir machten niemals diesen logischen Schritt. Der Fokus lag immer auf „ihrem Anderen“.) So scheint der einzig angemessene Platz für das Schenken in der Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem männlichen Kind zu liegen.

Als männliches Modell des Schenkens wurde das Opfer Christi unweigerlich im Kontext des Tauschprinzips interpretiert und verstanden: Es wurde uns gelehrt, dass es darum ging, dass er für die Sünden der Menschheit „bezahlt“ hätte. Sein Tod „beglich die Rechnung“. Aber dies kann die Menschheit nie aus dem Tauschprinzip befreien. Selbst wenn Christus im voraus für alle Sünden gezahlt hätte, die je begangen würden, würde dies immer noch der Logik des Tausches folgen. Der Archetyp des Tausches liegt hinter allem, was wir tun. Er formt unser Bewusstsein. Selbst wenn unsere spirituellen Intuitionen und unsere Herzen auf der Seite des Altruismus liegen, ziehen uns die Tauschmuster und unsere entsprechenden religiösen  Interpretationen immer wieder zum maskulisierten Modell. Wie wir bereits mehrfach festgestellt haben, sind unser Bewusstsein und die Realität, in der wir leben, gemäß der Werte der Maskulisierung geformt. Bevor das Schenken – das weibliche Modell – überhaupt in unser Bewusstsein kommen kann, wurde es bereits durch die Maskulisierung und den Tausch gefiltert. Glücklicherweise erlaubt uns der Feminismus und die weltweite Frauenbewegung immer mehr, das Bild der Mutter von der Dominanz des Bildes des Buben zu befreien und uns Frauen als die Trägerinnen der altruistischen Werte der Spezies zu sehen.

Kommunizieren mit der Gottheit

Menschen haben immer versucht, mit der Gottheit zu kommunizieren. Sie haben ihr endlose Geschenke gemacht: von Tieropfern zu Menschenopfern, von Novenen zu Zehnten. Das „Geschenk“ des Lebens Christi an Gott kann auch als Kommunikationsakt interpretiert werden – als das Wort. Da wir die Rolle des Schenkprinzips in der Kommunikation nicht begreifen, mögen wir unseren Versuch der Kommunikation mit den Göttern und Göttinnen als etwas sehen, das der Logik des Tausches folgt. Unsere Kommunikationsversuche nehmen demnach die Form von Bestechungen an: „Ich werde dir dies geben, wenn du mir jenes gibst!“

Wir denken – vielleicht aufgrund unseres Leidens an der Maskulisierung, vielleicht aufgrund der Ideologie des Tausches, vielleicht sogar schlicht aufgrund mangelnder Vorstellungskraft – dass Opfer die Art der Geschenke sind, die die Bedürfnisse der Gottheit befriedigen können. Vielleicht machen wir dadurch unsere Kommunikation mit der Gottheit jedoch nur noch schwieriger. Vielleicht fügen wir der Gottheit mit unseren Opfern genauso viel Leid zu wie uns selbst. Der Schrei des geopferten Tieres, dessen Kehle durchschnitten wird, erschreckt sie – oder hum (siehe Kapitel 6). Wir müssen uns andere, gütigere und einfachere Geschenke einfallen lassen. Geschenke, die unseren Geschenken von Wörtern entsprechen, von Weihrauch, Musik, Blumen, Speise. Unsere Grausamkeit schafft eine vergiftete Atmosphäre, in der der Geist nicht frei fließen kann.

Vielleicht erlaubt unsere Maskulisiertheit einfach keine kollektiven Einheiten, die sich als kommunizierendes Subjekt formen könnten, das groß genug wäre, hum zu hören und von hum gehört zu werden können. Wenn wir wirklich zum Schenkprinzip wechseln und die Logik der Kommunikation von der Logik des Tausches loslösen können, dann können wir vielleicht auch den Garten Eden wiederfinden. Dies könnte das kommende Königreich der Gottheit sein. – Ich glaube allerdings nicht, dass es sich um ein Königreich handeln wird, oder selbst um eine Demokratie, sondern um eine völlig neue Art von Regierung.

Vom Komplex zur Kategorie

In unseren Weihnachtsfeiern geben wir unserer Freude darüber Ausdruck, dass Babys geboren werden, aber auch unserem Wunsch, gute Menschen zu sein, oder unserer Hoffnung auf Erlösung. Wir betonen selbst die Wichtigkeit der Lösung unsere sozialen Probleme. All dies sehen wir im Christuskind repräsentiert. Tatsächlich handelt es sich hier um ein Resultat des Kampfes zwischen Schenkprinzip und Tauschprinzip. Die Frau schenkt das Kind. Der Mann schenkt den Namen, das Erbe. Das Kind nimmt den Platz der Eltern ein. Die Zukunft wird für die Gegenwart ausgetauscht. Der Konflikt wird weitergereicht von Generation zu Generation. Dieses Vermächtnis ist eine seltsame Art von „Geschenk“, die eine künstliche Arbeitsteilung beinhaltet, die jener zwischen lohnarbeitenden Männern und nicht-lohnarbeitenden Frauen entspricht.

Wir tauschen in der Gegenwart, um anderen in der Zukunft zu schenken. Werden diese anderen in der Zukunft tauschen oder schenken? Jetzt, am Ende des 20. Jahrhunderts, machen wir sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft zu Teilen des Tausches. Wir machen die Zukunft zu einem Geschenk an uns – indem wir ihr eine zerstörte Erde hinterlassen. Wir schaffen Mangel und verhindern die Schenkökonomie für unsere Kinder und zukünftige Generationen. Wir bestätigen das System, geben ein Meta-Urteil zugunsten des Tausches ab und zerstören somit die Möglichkeit des Schenkens.

Die Mutter hat das Geschenk ihrer Kinder an den Mann weitergeschenkt. Das alte Recht des Erstgeborenen war eine Form, die die Maskulisierung in reichen und mächtigen Familien angenommen hat. In der Logik des Christentums – wenn Christus Gottes Sohn und selbst ein Mann war und wenn Männer Brüder sind – entsprach Christus’ Eines-Viele-Beziehung mit anderen Männern der Beziehung des ersten Sohnes zu seinen Brüdern. Die Eines-Viele-Beziehung von Gott, dem Schöpfer, zur Menschheit ist der Eines-Viele-Beziehung von Christus zur Menschheit gleich. Beide Beziehungen werden bestimmt vom Prototypen und dem Wort.

Obwohl die Beziehung von Handwerker zu Produkt (das er in seinem Bild fertigt), oder von Vater zu Kind, ein Familiennamenkomplex ist (vgl. Kapitel 5), kann sie zu einer Kategoriebeziehung werden, wenn die gemeinsame Qualität der Objekte erkannt wird. Im Christentum wird die gemeinsame Qualität von Menschen in ihren „geretteten“ Seelen ausgedrückt, die auf Christus als Prototypen bezogen sind. Christus ist Gott gleich und sein leibhaftiges Wort (sein Repräsentant) auf Erden. Wenn Christus Gott ist und der Sohn der Vater, dann steht er auf beiden Seiten der Gleichung von Wort und Prototyp. Der christliche Mythos kann auch als eine Erforschung des Kategorieformierungsprozesses gelesen werden. (Siehe Figuren 39 und 40.)

Auch manche der anderen Elemente des Tausches, die wir diskutiert haben, sind hier deutlich zu erkennen. Zum Beispiel ist Christus das allgemeine Äquivalent und sein Leben das Mittel des Tausches (das Geld), das für die Sünden der Menschheit zahlt. Wenn Menschen sündigen, sind sie einander ungleich und können nicht in eine Eines-Viele-Kategoriebeziehung zu Gott eintreten, da ihnen die gemeinsame Qualität fehlt. Viele Geschichten der Bibel beschreiben menschliches Sündigen. Die Sünde von Adam und Eva trennte sie von Gott und machte ihnen darüber hinaus bewusst (indem sie ihre Nacktheit offenbarte), dass sie voneinander verschieden waren. Der Mord Abels durch seinen Bruder Kain trennte Kain von anderen Männern. Das alte Testament ist gewissermaßen eine Chronik menschlicher Unterschiede. Indem er für die Menschheit „zahlte“ und ihr vergab, implizierte Christus, dass Menschen einander wieder gleich geworden waren und von nun an fähig seien, in eine Kategoriebeziehung mit ihm selbst als (dem Vater identischen) Prototypen einzutreten.

Der Ungehorsam Adam und Evas schien eine Schuld gegenüber Gott zu schaffen. Die Idee der Schuld ist Teil des Tauschprinzips. Die Schuld macht Menschen glauben, dass sie Gott schenken (mit ihm kommunizieren) müssen. Dabei hat jedoch nur die Motivation mit dem Schenken zu tun, tatsächlich handelt es sich um eine Bezahlung (für die begangenen Sünden). Wir glauben, dass wir, wenn wir für unsere Sünden bezahlen, keine Schulden mehr haben und dass das Schenkprinzip dann zurückkehren wird. Doch es ist nicht die Sünde, die dazu geführt hat, dass wir das Schenkprinzip verloren haben. Es ist keine Schuld, die wir auf uns geladen haben, kein versäumter Akt des Schenkens von Gehorsam an Gott. Wir haben das Schenkprinzip verloren, weil wir uns davon überzeugen ließen, dass wir „zurückzahlen“, dass wir „tauschen“ müssen. Auch Christus „bezahlte“ und konnte somit das Tauschprinzip nicht überwinden – auch wenn er selbst vergebend war.

Für die Sünden der Menschheit zu zahlen, war also ein Tausch, obwohl das Opfer von Christus’ Leben vielleicht ein Versuch war, das Schenkmodell in einer Situation von Mangel an Gerechtigkeit und Mangel an Güte zu demonstrieren. Frauen bringen in ähnlichen Situationen ständig Opfer – aber nicht, um irgendetwas zu bezahlen, sondern um Bedürfnisse zu befriedigen.

Dass er von einer Jungfrau geboren wurde, zeigte Christus vielleicht als Kind des Schenkprinzips, außerhalb der genitalisierten Sexualität, und auch jenseits des männlichen Egos. Doch es ist gefährlich, zu suggerieren, dass das Schenkprinzip von einem männlichen Beispiel kommt. Kirchen, die organisiert wurden, um Christus’ Lehre zu ehren, etablierten misogyne, maskulisierte religiöse Hierarchien, die politische und ökonomische Hierarchien stützten, in andere Territorien eindrangen und Menschen mit anderem Glauben töteten, um sie „Altruismus“ zu lehren.

Wenn wir wirklich vom Tauschprinzip zum Schenkprinzip kommen wollen, müssen wir das Schenkprinzip mit den Frauen identifizieren und ihrem Beispiel folgen. Wir dürfen nicht die maskulisierten Eines-Viele-Strukturen wiederholen, die sich selbst reproduzieren, Hierarchien schaffen und Konkurrenz und Herrschaft stützen. Das Überbewerten der Position des Kategorieprototypen, des Einen, ist ein zentraler Aspekt des Problems. Es ist ein Element im Prozess der Maskulisierung, das abgebaut werden muss, um zum Schenkprinzip als Norm zu gelangen. Leider haben sich jedoch sowohl die logischen als auch die organisatorischen Aspekte des Christentums mit dem Bild eines schenkenden männlichen Gottes in der Position des Einen und mit den maskulisierten Charakteristika des Übernehmens und der Herrschaft verbunden.

Das Schenken auf der gesellschaftlichen Ebene wird kontinuierlich fehlinterpretiert, während das Schenken auf der individuellen (inneren) Ebene nicht wahrgenommen wird. Wie wir in Zusammenhang mit dem homunculus gesehen haben (vgl. Kapitel 14), ist inneres Schenken nicht statisch. Doch wird es durch das Fehlen allgemein anerkannter Modelle des Schenkens oft gelähmt und unbewusst gemacht. Vielleicht schaffen die Modelle des Opfers Christi und des Opfers der religiösen Heiligen einen Kontext, der (zumindest zum Teil) individuelles Schenken fördern kann. Dadurch jedoch, dass das Schenken als Opfern interpretiert wird und das Schenkprinzip als „heilig“ (anstatt es als etwas zu begreifen, das Frauen und auch viele Männer tagtäglich tun), machen wir seine Etablierung als allgemeines soziales Modell unmöglich.

Der autoritäre Vater

Die patriarchale Religion schafft eine Reihe falscher Bilder männlichen Schenkens. Der Vater, der angeblich seinen Kindern nie Leid antun würde, verbannt sie gleichzeitig aus dem Garten Eden, nur weil sie einen Apfel gegessen haben. Wie unsere menschlichen Väter verbittet er es sich, ihm dies als Ungerechtigkeit anzurechnen. Seine Autorität erlaubt es ihm, seine Rolle als schenkender Prototyp zu missbrauchen. Wie viele Kinder haben darunter leidern müssen? Wie viel Gewalt ist gegen sie verübt worden im Namen der „Heiligkeit“ ihres Vaters und der Notwendigkeit, ihn zu „ehren“? Der Gott dieser Väter kann nicht „gut“ genannt werden. Mitgefühl scheint höchstens zweitrangig für das zu sein, was hier als „richtiges Handeln“ verstanden wird; wichtig ist diesem Handeln einzig die Bestätigung des maskulisierten Egos. Männer projizieren ihre Werte auf einen allmächtigen Patriarchen, um damit ihre Egos und ihre Autorität zu stärken.

Wenn wir nach dem Grund für das Böse und das Leid in der Welt fragen, wird uns erklärt, dass dies jenseits unseren Wissens liegt. In der Zwischenzeit bestätigt das autoritäre Bild Gottes den Missbrauch autoritärer Männer. Die Fürsorge und das Mitgefühl der Frauen werden abgewertet. Anstelle dessen wird der autoritäre männliche Gott „gut“ genannt und alle weiblichen Darstellungen der Gottheit verboten. Dies ist ein Teil des Grundes für unser Leiden. Die Behauptung, dass die Frage nach dem Bösen nicht zu beantworten ist, verleugnet nur den Missbrauch. Der Gedanke, dass unser Bild von Gott die Männer darin unterstützt, autoritär und gewalttätig zu sein bzw. die Einsicht, dass dieses Bild Leiden schafft, wurden tabuisiert.

Selbst Mütter weigern sich oft, den Missbrauch, den Männer an ihren Kinder begehen, anzuerkennen. Sie glauben an die „guten Seiten“ der Männer und an den „unergründlichen Willen“ Gottes. Dies erlaubt den Männern, weiter zu missbrauchen, ohne dass sich die Mütter dagegenstellen würden. Das Bild der schenkenden Person wird also entweder assimiliert in das Bild des autoritären maskulisierten Egos oder es bleibt weiblich und damit machtlos und dient nichts außer der Versorgung des Mannes. Im besten Falle gelingt es der weiblichen Schenkenden männliche Entscheidungen zu beeinflussen, wie im Falle der Jungfrau Maria, die bei männlichen Autoritäten um ihr Kind fleht.

In der Zwischenzeit ist der Sohn, den sie aufzieht, die männliche Autorität im Kleinen. Unsere innere Mutter wird darauf reduziert, zu gelegentlichen altruistischen Handlungen anzuregen oder gelegentlich schlechtes Gewissen zu erzeugen, das ein bisschen an den Ärmeln unseres maskulisierten Willens zur Macht zupft. Wir werten ihren Einsatz für andere als irrationales Mitleid ab, als das Flattern eines blutenden Herzens. Und wenn es ihr doch gelingt, einen Moment des Auf-Andere-Ausgerichtet-Seins in uns zu erwecken, wird dies „Gott, dem Vater“ angerechnet, dem „wohltätigen“ maskulisierten Ego.

Wir müssen dieses illusorische Vaterbild löschen und Maria zu unserem Modell machen. Doch wir müssen auch unser Bild von ihr ändern: ihr Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein muss vom Gehorsam und dem Flehen befreit werden und sich ganz der Bedürfnisbefriedigung der Menschheit – speziell der Frauen und Kinder – und der Erde zuwenden. Glücklicherweise haben in jüngerer Vergangenheit spirituelle Bewegungen, die sich auf das Weibliche konzentrieren, andere Bilder der Gottheit (wieder)geschaffen – Bilder schenkender, starker Göttinnen.



Vielleicht versuchen das Space Shield der so genannten Star Wars und die Nuklearisierung des Weltalls den Tausch vor dem Schenken auf einer (buchstäblichen) Meta-Ebene („ganz oben“) zu schützen. Diese Meta-Ebene wurde deshalb so extrem „Meta“ (für Milliarden an Dollars), weil wir nicht verstehen, was wir tun.

Tatsächlich erinnert die Beziehung zwischen Gott, Maria/Josef und Jesus an die Gesellschaften, in denen der Bruder der Mutter (eine Person, die keine sexuellen Beziehungen mit der Mutter hat) elterliche Aufgaben für den Buben übernimmt.

Der Heilige Gral und die Alchemie

Der Heilige Gral ist die freie Quelle des Überflusses. Symbolisch ist der Gral (der Kelch) auch das Füllhorn oder der Mutterbauch. Vielleicht bestätigt der spirituelle Aspekt dieser Geschichte, in der legendäre Helden nach dem Kelch des letzten Abendmahl suchen, dass das Problem nicht biologisch, sondern sozial ist. Der Gral ist nichts Materielles – nicht Mutterbauch oder Vagina, nicht Brust oder Penis, nicht Instrument oder Schwert, nicht Kelch oder Klinge –, sondern eine Logik, ein Weg, unser ökonomisches Verhalten zu organisieren. Er ist das Schenkprinzip. Er ist eine Weigerung, den Mikrokosmos und den Makrokosmos zu trennen, eine Weigerung, einen Wechsel zu schaffen hin zur artifiziellen Struktur des Tausches und seines Egos. Der Heilige Gral steht für Überfluss und Fürsorge. Er ist das Geschenk, das schenkt – das Geschenk des Schenkprinzips, das wir alle von unseren Müttern erhalten. Doch wir müssen sowohl unsere Kindheitskomplexe wie unsere maskulisierten Konzepte der Sprache und des Leben überwinden, um dieses Geschenk auch empfangen zu können.

Unsere Interpretation des Heiligen Grals kann durch eine Analyse der Alchemie in marxistischen Begriffen gestützt werden. Jede Ware hätte zum allgemeinen Äquivalent werden können, zum Geld, auch wenn es letztlich das Gold war, das dazu wurde. Die Alchemie sah sich wirklich mit weitreichenden gesellschaftlichen Fragen konfrontiert. Der Versuch, aus Grundmetallen Gold zu machen, ist die physische Projektion des Problems: „Wie wird etwas zu Geld?“ Diese Frage reicht wiederum zurück zur Frage: „Wie wird ein Baby männlich?“, oder die Frage: „Wie wird ein Körperteil zum Penis, zum Kennzeichen der Kategorie ‚männlich’?“, oder selbst die noch weniger beachteten Fragen: „Wie wird ein Körperteil zur Vagina, zum Mutterbauch oder zur Brust, zu Produzentinnen von Leben und Fürsorge?“, oder: „Wie könnten der Mutterbauch oder die Brüste zum Prototyp werden?“

Sowohl die Alchemie als auch die Geschichte des Heiligen Grals zeigen Aspekte des sozialen Problems der Maskulisierung auf, interpretiert auf einer materiellen Ebene. Wir haben gesehen, dass die Position des Prototypen sozial zugeschrieben wird und dass sie keine Qualität ist, die materiellen Objekten selbst innewohnt. Der spezielle Wert des Goldes kommt nicht vom Metall, sondern von der sozialen Bestimmung des Goldes als allgemeines Äquivalent (als Wertprototyp) im Tausch.

Diese Rolle hätte genauso gut dem Blei zugeschrieben werden können – in etwa so, wie wir sie dem Papier zugeschrieben haben, das – bedruckt auf eine bestimmte Art – zum allgemeinen Äquivalent wird. Natürlich hat seine relative Knappheit das Gold zu einem praktischen Tauschmittel gemacht. Der gleiche Effekt wird durch den limitierten Druck von Geld erreicht. Wir könnten jedoch tatsächlich genauso gut Bleistücke drucken, nur wären diese schwerer zu tragen. Es ist ironisch zu bedenken, was passiert wäre, wenn es den Alchemisten wirklich gelungen wäre, Blei in Gold zu verwandeln: es hätte soviel davon gegeben, dass es nicht mehr länger als das allgemeine Äquivalent hätte dienen können. Die Transformation hätte somit ihre Bedeutung verloren.

In einem gewissen Sinne sind Grundmetalle tatsächlich zu Gold verarbeitet worden. Doch hat dies nichts mit der materiellen Identität der Metalle zu tun. In der Transformation, die geschah, war die materielle Identität der Metalle irrelevant. Was essentiell war, war die Gleichheit der Objekte, die als Geldmaterial verwendet wurden (Geldscheine, Münzen, usw.) und ihre limitierte Produktion. Dies erlaubte ihren sozialen Gebrauch als allgemeines Äquivalent. Das Blei, das relevant war, war das Blei des Druckers, das dafür verwendet wurde, Papiergeld zu drucken. Die Wahl des Goldes oder gedruckten Papiers als allgemeines Äquivalent beruht auf vielen sozialen und historischen Faktoren. Die Tatsache, dass wir irgendein Objekt als Prototyp des Tauschwerts wählen können, beruht auf der Maskulisierung und ihrem psychoökonomischen Ausdruck im Tausch.

Die Suche nach dem Heiligen Gral demonstriert ein ähnliches Problem: Es ist eine Suche nach einer Änderung auf der falschen Ebene. Das physische Objekt, der Gral, ist nicht die Quelle allen Überflusses. Genauso wenig ist es der Mutterbauch als das symbolische Äquivalent des Kelchs. Während uns der Mutterbauch an die Mutter denken lässt, und der Gral an ein privilegiertes Objekt, liegt die Lösung des Problems weder darin, über den Mutterbauch nachzudenken oder dieses Objekt zu finden, noch darin, Männern einen physischen Mutterbauch zu schaffen oder sie zu kastrieren (oder ihnen einen „Vagina“ in Form einer Wunde zu schaffen). Die Antwort ist nicht die Suche selbst.

Die Antwort liegt eher im Wechseln der Ebenen vom Physischen und Metaphysischen zum Sozialen und Psychologischen. Wenn der soziale Prozess der Maskulisierung verstanden und abgebaut wird, können wir das mütterliche Modell wieder etablieren und eine fürsorgliche Ökonomie schaffen (ein soziales Füllhorn oder einen sozialen Gral), die im Rahmen eines Überflusses Bedürfnisse befriedigt. Eine fürsorgliche Ökonomie würde keiner Veränderungen in männlichen oder weiblichen Körpern bedürfen – keiner Kastration oder Hinzufügung von Organen. Alles, was eine fürsorgliche Ökonomie bräuchte, wären andere Interpretationen der körperlichen Unterschiede bzw. eine Überwindung ihrer psychologischen, ökonomischen und sozialen Projektionen. Wir wurden dazu gezwungen, nach der Quelle des Guten zu suchen, da wir nicht die richtigen Fragen gestellt hatten. Die richtige Frage war nicht: „Was schmerzt den Ritter?“ (Auch wenn sie in ihrer Verbindung mit der Suche nach dem Schenken die Frage der Kastration aufwarf. Tatsächlich ist diese Frage sehr wie unser Gruß: „Wie geht es dir?“, der möglicherweise eine kommunikative Interaktion initiieren kann.) Die richtige Frage wäre gewesen: „Wie können wir Überfluss für alle schaffen?“ Die Antwort, damals wie heute, wäre symbolisch der Gral gewesen: „Folge dem Leben spendenden und fürsorglichen Beispiel der Mutter!“ Die letzte Frage des Parsifal: „Wem dient der Gral?“ ist der Frage ähnlich: „Für wen ist er?“ Diese Frage bildet die Grundlage für die Trennung zwischen Schenken und Tausch. Ist der Gral für die Anderen oder für das Ego, ist er für den gegenwärtigen oder zukünftigen Fischerkönig oder für Gott? Oder sollen wir den Gral so sehen wie Marx die Sprache gesehen hat? Das würde bedeuten, seine unendliche Kreativität in der auf Andere ausgerichteten Logik menschlicher Sozialisierung zu sehen. In einer Logik, die den Schluss impliziert: „Für andere existierend, also auch für mich selbst!“

Graham Philips vergleicht in seinem Buch zum Heiligen Gral die mittelalterliche französische Geschichte, La Folie Perceval, mit dem Tarot, im Speziellen mit der Karte der Päpstin (der Figur einer Frau in der Position des päpstlichen Einen). Philips macht auch den Versuch einer Identifikation des Grals mit dem geheimen gnostischen Evangelium des Thomas, von dem angeblich eine komplette Kopie 1945 in Ägypten entdeckt wurde. Ein Teil des Textes, den Philips zitiert, scheint sich auf das mütterliche Modell und die Befreiung von der Maskulisierung zu beziehen:

„Jesus sah Kleine, die gesäugt wurden. Er sprach zu seinen Jüngern: Diese Kleinen, die gesäugt werden, gleichen denen, die ins Königreich eingehen. Sie sagten zu ihm: Wenn wir also Kinder werden, werden wir (dann) in das Königreich eingehen? Jesus sprach zu ihnen: Wenn ihr aus zwei eins macht und wenn ihr das Innere wie das Äußere macht und das Äußere wie das Innere und das Obere wie das Untere und wenn ihr aus dem Männlichen und dem Weiblichen eine Sache macht, so dass das Männliche nicht männlich und das Weibliche nicht weiblich ist und wenn ihr Augen macht statt eines Auges und eine Hand statt einer Hand und einen Fuß statt eines Fußes, ein Bild statt eines Bildes, dann werdet ihr in das Königreich eingehen.“

Einige Elemente dieser Passage erinnern an die Restaurierung des fürsorglichen Modells der Mutter, speziell der nicht-maskulisierten Einheit von männlich und weiblich und der Rolle der Mutterbrust. Die Einheit der Gegensätze und die Rückkehr zur Ersetzung von Dingen durch Dinge sind Ausdruck materieller Kommunikation.



Der Gral (oder der „Becher“ – cup – des Überflusses) ist das symbolische Gegenteil der „Mütze“ – cap – des Kapitalismus („the cap of capitalism“).

Dr. Graham Philips, The Search for the Holy Grail. Dr. Graham Philips behauptet auch, das tatsächliche materielle Objekt gefunden zu haben, das der Heilige Gral gewesen sein soll.

Übersetzung von Wieland Willker.

Männliche Fürsorge

Die Transsubstantion beweist die Alchemie vollkommen, indem sie definiert und benennt: „Dies ist mein Körper! Dies ist mein Blut!“ Gott bzw. Christus als Prototyp für die Kategorie der Menschheit transformiert auch das Brot und den Wein in einen Prototypen. Als der fürsorgliche Prototypmann macht er sich selbst zu Speise und Trank. Die Transsubstantion demonstriert die Macht der Definition auf die gleiche Weise wie die Maskulisierung. Der Effekt des Benennens ist kein materieller, wie es in einem Wunder der Fall wäre (zum Beispiel im Wechsel von Wasser zu Wein), sondern ein sozialer. Der Heilige Gral, das Muttersymbol, ist der Ort dafür, einen fürsorglichen Mann zu schaffen, indem der soziale Mechanismus des Benennens neu interpretiert und reformiert wird – im Speziellen das Benennen des Geschlechts. Substanz ist Verstehen.

Die Kirche schenkt dem allgemeinen Prototypcharakter in der Transubstantion wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit als dem materiellen Charakter des Brotes und des Weins. Vom materiellen Brot und Wein müssen wir zu Gott als Prototypcharakter übergehen, nicht zu einem anderen physischen Material. Gott ist dabei „göttliche menschliche Form“, ein Begriff mit sozialer Dimension, der anderen Begriffen mit sozialen Dimensionen entspricht, egal ob Gott wirklich als „menschliche Form“ existiert oder nicht.

Die Transsubstantion unterscheidet sich jedoch auch vom Tausch und der Maskulisierung. Sie ist ein Wechsel zwischen Seinszuständen, der sich vollzieht, indem etwas auf ein neues Wort als seinem Namen bezogen wird. Der „Prototyp der Prototypen“ (Gott, Christus) nennt bzw. verweist auf etwas als es selbst (das Brot und den Wein) und der Priester wiederholt diesen Prozess. Wenn der männliche Gott das allgemeine Äquivalent des Einen ist, dann macht sein „Brot-Werden“ erstens das Brot (als materielles Ding) zum Prototypen und zweitens sich selbst als männlichen Prototypen fürsorglich. Die Hostie ist dabei nur ein Geschmack, eine Probe. Zur selben Zeit da Brot und Wein zu Leib und Blut werden, wechselt das Modell von Männlich zu Weiblich, von Übernahme zu Fürsorge. Dies lässt uns wirklich eine bessere Welt erahnen, auch wenn diese bessere Welt in den Tabernakeln autoritärer patriarchaler Religion verborgen ist.

Die symbolische Form des Grals trifft auf seine Inhalte, verschiebt wirkliches zu symbolischem Opfer und schenkt ein Geschenk, das leicht geschenkt werden kann (Brot und Wein), anstatt eines Geschenks, das nicht geschenkt werden kann (Leib und Blut). Männliche Priester haben damit etwas zu schenken und ihre Wörter werden denen fürsorglicher Frauen ähnlicher. Durch die Worte: „Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut“, die im Ritual gesprochen werden, transformieren die Priester die Substanz von Brot und Wein. Auf die gleiche Weise könnten wir die Substanz bzw. das Verstehen (siehe Fußnote 7) der Männer hin zur Fürsorglichkeit ändern, wenn wir nur unsere Geschlechtsnamen ändern würden. Die Kommunion verweist auf den geschlechtslosen Menschen, der im Modell des fürsorglichen Mannes versteckt ist.

Was wir brauchen, ist die Restaurierung des Modells der fürsorglichen Frau. Eines der beiden fürsorglichen Modelle (des Mannes oder der Frau – oder auch beide zusammen) muss uns dabei helfen, das maskulisierte System zu ändern, dem das Opfer dient. Wir müssen ein System schaffen, das es uns erlaubt, nicht nur Symbolisches, sondern Wirkliches zu teilen (auf lokaler wie globaler Ebene) und dadurch unsere Realität zu ändern. Wir werden die Wörter als die Macht des Kollektivs verstehen, die unser Bild der Welt transformieren kann. Und wir werden die Einen als Elemente unserer konzeptuellen Prozesse verstehen, was unseren Geist vom Patriarchat befreien wird.

Menschliche Opfer

Gegenwärtig verschwenden wir Reichtum an Dinge, die unsere Bedürfnisse nicht befriedigen. Wir tun dies, um die Ökonomie anzuregen. Unsere Geschenke kommen daher nicht unseren Mitmenschen zugute, sondern der Ökonomie. Das Verschwenden und Zerstören von Produkten schafft Mangel. Es kommt zu hohen Preisen, weil Güter nicht akkumuliert werden können und damit nicht den Überfluss schaffen, der das gesamte System überflüssig machen würde. Die Hauptagenten der Tauschökonomie, die falsche künstliche Bedürfnisse und Verschwendung produzieren, erhalten dafür Profit. Dies einerseits in Form des Mehrwerts der Arbeit, andererseits in Form all der Geschenke des Schattens, dessen Bedürfnisse nicht befriedigt werden. (Auf einer globalen Ebene schenken manchmal ganze Länder anderen Ländern. Dies wird von einer Kombination unterschiedlicher Lebensstandards bestimmt, sowie von Tauschkursen, die bereits privilegierte Länder noch weiter begünstigen.)

Der Reichtum kann sich dabei nicht nach unten zu den Armen hin verteilen, da dem Kelch (den der Gral womöglich symbolisiert) nie erlaubt wird, sich zu füllen und überzulaufen. Bevor die Geschenke auf diese Weise vielleicht allen zufließen könnten, wird der Kelch durch ein Loch angezapft und die Richtung der Geschenke abgelenkt: hin zu den Einen. Gleichzeitig bleiben die Bedürfnisse von Millionen von Menschen unbefriedigt, inklusive jene der vierzigtausend Kinder, die täglich weltweit an Hunger und vermeidbaren Krankheiten sterben – menschliche Opfer, die den „Wert“ des freien Marktes (und dessen „Bedürfnisse“) bestätigen. Bei den rituellen Menschenopfern, die die pyramidale Gesellschaft der Maya aufrechterhielten, wurden ein paar Ausgewählte stellvertretend für alle getötet. Vielleicht haben wir noch weniger Bewusstsein und Mitgefühl als die Maya.

Wir opfern Millionen von Menschenleben, um den Mangel zu schaffen, der für das Funktionieren unseres Systems notwendig ist. Wir opfern Millionen von Menschenleben, damit die sozialen Pyramiden, Hierarchien, nach oben gerichteten Geschenkketten und nach unten gerichteten Definitions- und Befehlsketten aufrechterhalten werden. Doch das Opfern geschieht dort, wo wir es nicht sehen müssen. Dass unser Reichtum von Geschenken kommt, bleibt verborgen – und dort, wo wir nicht wegsehen können, wird der Zusammenhang mit unserer Form der Ökonomie verleugnet. Rebellionen finden „woanders“ statt und werden mithilfe des wahnwitzigen Waffenarsenals niedergeschlagen, dessen Produktion unsere Energie und unser Geld in den Dienst der Zerstörung und des Profits stellt, während es Bedürfnisbefriedigung und Fürsorge hindert, ja oft genug unmöglich macht.

Wenn wir in den Ländern der „Ersten Welt“ die Bilder der Verhungernden und Versehrten in anderen Ländern (oder auch nur „auf der anderen Seite des Flusses“) sehen, schreiben wir die Ursachen dafür ihnen selbst, Naturkatastrophen oder vielleicht der „grausamen menschlichen Natur“ zu. Doch in einem alternativen System, einem System des Überflusses für alle, gäbe es diese Bilder nicht. Es gibt sie nur als Konsequenz eines künstlich erzeugten Mangels und unserer Ausbeutung der Vielen. Es gibt sie nur, weil die Vielen gezwungen wurden, unserem System Wert zu schenken, anstatt ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Die Behauptung, dass unser eigenes Wohl davon kommt, dass wir es „verdienen“, oder vielleicht davon, dass wir „Glück“ hatten, ist dieselbe Lüge, nur andersherum formuliert. Wir verleugnen, was wirklich geschieht: wir verleugnen den Transfer von Reichtum und Wert von anderen Ländern und Klassen zu uns.

Die Zivilisation der Maya endete. Die menschlichen Opferrituale wurden irgendwann nicht mehr länger ausgeführt. Es gibt viele Spekulationen darüber, warum das so war. Dürre wird als Möglichkeit angeführt, Krankheit, Eroberung. Ich ziehe es vor zu glauben, dass irgendjemand schließlich zu Sinnen kam, die heiligen Worte sprach: „Dies funktioniert nicht; lasst uns jetzt damit aufhören!“, und dass sich daraufhin die gesamte Gruppe, in einem Akt wirklicher Zivilisiertheit, dazu entschloss, auf das Land zurückzukehren, in Frieden miteinander zu leben und den Pyramiden nicht länger zu opfern und zu schenken.

Die Maya opferten ursprünglich einen repräsentativen Einen als Geschenk im Zuge einer vermeintlichen materiellen Kommunikation mit den Göttern, von denen angenommen wurde, dass sie als Gegenleistung Überfluss schenken würden. Auch wurden Blut von der Zunge des Königs (das Wort) und seinem Penis (das Kennzeichen der Position des Einen) beigemischt.

Während also die Maya – wie viele andere Kulturen – Repräsentanten ihrer selbst den Göttern opferten, opfern wir heute das Leben von Millionen anderen dem maskulisierten System, von dem wir glauben, dass es uns versorgt und dass es die natürliche und einzige Quelle unseres Überlebens ist. Der kulturelle Wert, den wir heute dem Profit und dem Besitz schenken, wird auch von den Kindern und den Müttern der Zukunft geschenkt. Sie werden zu diesem Geschenk gezwungen, da ihre Mittel der Fürsorge heute zerstört werden. Der Krebs, der auf nuklearer Strahlung und toxischen Chemikalien beruht, greift sogar das Symbol und die Quelle des Schenkens der Frauen, die Brüste, an. In den USA gibt es bereits eine Epidemie. Es wird erwartet, dass bald eine von acht Frauen an Brustkrebs erkranken wird.

Wenn wir andere Formen von Krebserkrankungen dazurechnen, wird sogar die Hälfte der Bevölkerung an einer dieser Formen erkranken. Auch das Kennzeichen der Maskulisierung selbst wird durch den Prostatakrebs bedroht. Die Anzahl der Spermien hat, speziell unter weißen Männern, in den letzten Jahren drastisch abgenommen. Wahrscheinlich aufgrund der Vergiftung unserer Umwelt.

Da wir die unzureichenden Berichte zum Krebs, die von Apologeten des freien Marktes wie der American Cancer Society oder der American Medical Association präsentiert werden, nicht in Frage stellen, opfern wir unsere Brüste, unsere Reproduktionsfähigkeit und damit unser Leben der Tauschökonomie. Die nukleare Strahlung und die toxischen Chemikalien, die den Krebs verursachen und die von den Industrien des freien Marktes produziert werden, bleiben verleugnet und können somit im Verborgenen damit fortfahren, die Ressourcen unseres Lebens zu zerstören.

Diejenigen, die versuchen, die Krankheiten, die das System schafft, zu heilen, werden selbst vom System erhalten und schenken ihm gewöhnlich ihren Dank und ihr Vertrauen. Damit wird es unwahrscheinlich, dass sie jemals die wirklichen Ursachen dieser Krankheiten begreifen werden. Wie Frauen, die der Maskulisierung Wert schenken, schenken sie genau dem Prozess Wert, der das Problem verursacht, während sie gleichzeitig versuchen, die Opfer des Prozesses zu heilen. Das System ist kein wohltätiger, aber manchmal strenger, Ehemann, den wir schätzen und dem wir folgen müssen, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Das System ist ein gefährlicher Mechanismus, den wir erkennen, verstehen und Schritt für Schritt abbauen müssen, um nicht alle zu zerstören, die in ihm leben.

Nur wenn wir dies tun, werden wir unser Bewusstsein ändern und damit beginnen können, nicht dem Tausch Wert zu schenken, sondern den Bedürfnissen aller. Dann werden wir damit aufhören, uns selbst, sowie unsere Kinder und unbekannte Milliarden von Menschen, zu opfern, um Pyramiden aufrechtzuerhalten. Stattdessen werden wir schenken, um mit allen im Überfluss zu kommunizieren. Wir werden einen Heiligen Gral für die gesamte Gesellschaft schaffen, ein Füllhorn der Kommunikation. Wir werden die heiligen Worte der Transsubstantion sprechen: „Lasst uns diese Zerstörung jetzt beenden!“



Diese christliche Idee war keine neue. Zum Beispiel wurde in der Tradition der großen Göttin auch der Sohn-Gott Dionysios in vielen Formen rituell verspeist. „Als Fruchtbarkeitsgott wurde er rituell geopfert, gewöhnlich an einem Baum (Prototyp des späteren Kruzifixes). Sein Fleisch wurde als Brot gegessen, sein Blut als Wein getrunken...“ (Monica Sjoo / Barbara Mor, The Great Cosmic Mother: Rediscovering the Religion of the Earth, S. 121).

Anm. d. Übers.: Im Original: Sub-stance is only under-standing. Sowohl sub als auch under können „unter“ bedeuten, während stance „Stand“ und standing „Stehen“ bedeuten kann.

Es ist markant, dass die Atombombe, die auf Hiroshima abgeworfen wurde, „Kleiner Junge“ (Little Boy) genannt wurde. Gleiches gilt für den Namen „El Niño“ („kleiner Junge“ auf Spanisch) für das von ihm bezeichnete klimatische Phänomen.

 

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