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Theory
of The Gift Economy


Intro

Kapitel 1
Am Anfang

Kapitel 2
Sprache und Denken

Kapitel 3
Reziprozität

Kapitel 4
Definition und Tausch

Kapitel 5
Die Kategorie des Menschen

Kapitel 6
Marksistische“ Kategorien

Kapitel 7
Die kollektive Quelle

Kapitel 8
Kastrationsneid

Kapitel 9
Is = $

Kapitel 10
Wert

Kapitel 11
Der Übergang zum Tausch

Kapitel 12
Wie dem Tausch Wert geschenkt wird

Kapitel 13
Markt und Geschlecht

Kapitel 14
Zu existieren verdienen

Kapitel 15
Das Zeigen und das Patriarchat

Kapitel 16
Das Zeigen des Egos

Kapitel 17
Was repräsentiert die Demokratie?

Kapitel 18
Die nicht-maskulisierten Protagonistinnen gesellschaftlichen Wandels

Kapitel 19
Traum und Realität

Kapitel 20
Schenken und Liebe

Kapitel 21
Vom Garten zum Gral

Kapitel 22
Kosmologische Spekulationen

Kapitel 23
Nach den Wörtern – die Theorie in der Praxis

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Das Zeigen des Egos

Ich glaube, dass das Bewusstsein – zumindest zum Teil – das Resultat eines Zusammenspiels verschiedener Ebenen ist. Allerdings kommen wir im Patriarchat nicht nur zu Bewusstsein, sondern wir formen es auch: nämlich als maskulisiertes Ego-Bewusstsein. Dies geschieht auf folgende Weise:

Wenn wir – oder auch andere – uns einen Prototypcharakter zuschreiben und uns zu einem Zeiger machen, der in den Vordergrund rückt – gerade so wie das im Zeigen mit dem Zeigefinger geschieht – dann sind wir gleichzeitig das Objekt, auf das gezeigt wird, und wir selbst sind es, die auf uns zurückzeigen. Dieser Selbstbezug schließt die Außenwelt und soziale Beziehungen aus – wir reflektieren nur noch uns selbst. Wir nehmen den Platz anderer ein und unterbrechen den auf andere ausgerichteten Fluss. Unsere Aufmerksamkeit ist nur noch auf die eigene Spiegeltüre gerichtet. (Die Türe erscheint nicht nur deshalb als Spiegel, weil wir uns selbst reflektieren, sondern weil alle anderen das auch tun.) Wir beginnen zu glauben, dass wir selbst die Quelle unserer Existenz sind. Auf der Basis dieses Glaubens schaffen wir ein dominantes Ego, einen Prototypen, an dem wir die vielfältigen Momente von uns selbst (unsere inneren Vielen) – und die anderer, die mehr oder weniger wie wir sind – messen können. Wir pflegen diesen Moment innerer Gleichheit, der den inneren wie äußerlichen Manifestationen des Maskulisierungsprozesses entspricht.

Das Resultat des Findens einer Geschlechtsidentität durch einen Bezug auf den Vater wird dadurch bestärkt, die übernehmende Gleichung durch Selbstbezug in das individuelle Bewusstsein zurückzureflektieren. Dann stellen wir sogar innerlich die Wertäquivalenz über die Fürsorge. Dies führt schließlich dazu, das Sein über das Schenken zu stellen, das Abstrakte über das Konkrete, das Allgemeine über das Partikuläre – obwohl dies natürlich nicht alles das Gleiche ist. In Wirklichkeit ist die Quelle unseres Selbst gemeinschaftlich und kommt von unserem Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein: von der Präsenz anderer für uns und unserer Präsenz für sie. Wir liegen falsch, wenn wir die gemeinsamen Projektionen unserer selbstbezogenen Reflexionen als Zentrum unserer Kreativität interpretieren. Die Quelle unserer Fähigkeit, diese Projektionen zu sehen, zu schenken und zu empfangen liegt tief in unserem Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein verborgen – so wie das Feuer, das die Schatten in Platons Höhle wirft.

Menschen mit maskulisierten Egos artikulieren sich wie alle anderen und schaffen ihr verbal vermitteltes Bewusstsein. Der selbstbezogene Egospiegel wird zum übernehmenden sprechenden Subjekt. Doch ist dies keine soziale oder psychologische Notwendigkeit. Weder verbale Vermittlung noch die Verbundenheit noch die Entwicklung des Selbst bedürfen des dominanten Egospiegels, der 1 = 1 = 1 ist und damit die Logik des Spiegelsaales der Gleichung wiederholt. Viele Frauen fühlen sich nicht wohl in unserer individualistischen kapitalistischen Gesellschaft, weil ihnen dieses Ego gewöhnlich fehlt. Auch viele Männer fühlen sich nicht wohl, da sie sich trotz des Drucks der Maskulisierung eine Verbindung zum mütterlichen Modell bewahrt haben.

Freier (maskulisierter) Wille

Die Selbstähnlichkeit jedes Einen mit dem Index kommt daher, dass wir – wie der Finger – etwas aktiv kennzeichnen und uns zum Prototyp hinbewegen können. Von dem Moment an, in dem wir uns auf eine selbstähnliche Weise auf uns selbst konzentrieren und manche Aspekte unserer Persönlichkeit in den Hintergrund rücken und uns innerlich nach dem Muster des Einen und der Vielen strukturieren, können wir aktiv werden und uns auf etwas Neues hin ausrichten, ein neues Objekt oder Ziel, die wir ausgewählt haben. Wir nennen dies oft Wille. Das Schenken oder unsere kommunikativen Impulse jenseits der Egospiegeltüre berücksichtigen wir zu diesem Zeitpunkt jedoch meist nicht mehr. Die Motivation zum Schenken scheint ein Charakteristikum der Vielen zu sein, ein inhaltliches Rudiment unseres Bewusstseins, um das wir selbst uns nicht mehr kümmern. Es liegt an uns zu entscheiden, ob wir unseren Emotionen (engl. motion = Bewegung – Anm. d. Übers.) bzw. unseren auf Andere ausgerichteten Impulsen erlauben, endlich wieder aus dieser Türe zu treten, den Spiegel hinter uns zu lassen und uns aufs Neue den Bedürfnissen der anderen zuwenden. Doch bleiben wir meist in den selbstähnlichen Reflexionen gefangen, da wir im Rahmen der Maskulisierung dazu gebracht werden zu glauben, dass dies die uns angemessene Existenzform ist.

Wir fragen uns, was für uns am besten ist, und schaffen damit einen Filter für unsere Handlungen. Das Bedürfnis für diesen Filter wird vom patriarchalen Wettbewerb geschaffen. Außerdem wird von uns gefordert zu wissen, wer wir sind. Dies scheint für unser Überleben unabdingbar. Wir müssen in der Lage sein zu sagen, welchem Geschlecht, welcher Klasse, welcher Rasse und welcher Religion wir angehören und wie wir uns sexuell definieren. Kurz, wir müssen uns unsere Identität bewusst sein, unseren Platz in der Hierarchie und ihre Regeln – es geht darum zu wissen, wie wir im System überleben können; darum, weniger verletzlich zu sein. Die Selbstähnlichkeit, die sich auf verschiedenen Ebenen reproduziert, erlaubt uns zu sagen: „Dies ist, was ich bin – in Unterschied zu jenem.“ Wir erschaffen uns dadurch gewissermaßen jedes Mal in verschiedenen Lebensbereichen neu gemäß maskulisierter Bilder. Im Verhältnis zum Unbewussten ist das Ego eine Art Kategorieprototyp. Dies hat zur Folge, dass auch unsere Außenwelt – von der Familie bis zur Regierung – nach diesem Bilde geformt wird. Die Erfahrung der Frauen ist gewöhnlich eine andere als die der Männer, da wir von Männern definiert werden. Wenn das Mann-Wort unseren Platz in der Heirat einnimmt, werden wir zu einem auf den Prototypen, das Mann-Wort, bezogenen Objekt. Uns wird unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass unser Platz im System nicht an dessen Spitze liegt.

Wir können das Ego mit seinem Willen als eine weitere Ikone des Index betrachten und unseren Körper selbst auf ein Objekt bzw. Ziel hin bewegen (während andere Aspekte des Selbst zurückgehalten werden). Wenn wir fürsorgliche, bedürfnisbefriedigende Arbeit tun, folgt unser Verhalten Motivationen, die jenseits der Spiegeltüre liegen. Wenn wir hingegen am Übernehmen teilhaben, am Stärken des Egos, am Negieren der anderen, am Tauschverhalten, dann dehnen wir nur den selbstähnlichen Moment bzw. den Spiegel weiter aus und wiederholen die kategorischen Prozesse des Messens und Vergleichens. Schenkendes Verhalten gelangt nicht durch den Filter der maskulisierten Egowerte.

Es gibt natürlich auch Variationen dieser sich selbst reproduzierenden Struktur. Manche Frauen meinen, dass sie auch mit einem auf Andere ausgerichteten Ego in der Tauschgesellschaft überleben können. Auch post-maskulisiertes Schenken ist eine Möglichkeit, einen Schenkaspekt in der Tauschgesellschaft aufrechtzuerhalten – er wird etwa von Männern und Frauen betrieben, die ihre Familien mit dem Lohn unterstützen, den sie erhalten. Doch gibt es auch im post-maskulisierten Schenken einen Filter: nämlich das Budget, das Bedürfnisse hierarchisiert. Diese Form des Schenkens kann also nicht direkt von den Bedürfnissen ausgehen, wie das im Überfluss geschehen könnte, sondern sie muss sich den Bedingungen des Mangels unterwerfen.

In der heterosexuellen Zweierbeziehung nehmen Männer traditionell die Rolle des Ego ein und Frauen die Rolle der Fürsorge, der Vielen, des Unbewussten. Die Person, die zunächst als „ungleich“ abgewertet, ja quasi ausgestoßen wird, kehrt nun also als Fürsorgerin wieder in die selbstähnliche (männliche) Logik zurück. Ihr Schenkweg wird aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen und auf die Familie konzentriert. Ihre Energie versorgt den Filter und hält ihn aufrecht. Das Gleiche gilt für den öffentlichen Raum selbst, und für die, die in ihm erfolgreich sind.



Tatsächlich ist das Resultat der Fokus, der Prototyp, das Eine. Ohne ein Konzept des Einen können wir nicht zählen. „Eins“ zu sagen, „zwei Eine“, etc., oder „einmal Eins ist gleich Eins“ erfordert ein Wissen um andere Eine – egal aus welchem Kontext dieses kommt.

Vielleicht weil wir die Rolle, die die Definition für die männliche Identität hat, intuitiv spüren, hängen wir an den Wörtern der Männer und hoffen, dass sie uns sagen werden, dass wir „schön“, „intelligent“, „eine gute Frau“, usw., sind. Auf diese Weise schaffen wir beinahe ein selbstbezogenes Ego nach ihrem Bild.

Die patriarchale Besetzung der Prototypposition forciert das Übernehmen des Egoprototypen. Männer sehen sich als Eine und geben das Schenken und das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein zugunsten ihres Selbstbezugs auf. Ich denke, dass die Erfahrung des Ego etwa so im Körper verankert ist wie – nach der Ansicht mancher TheoretikerInnen – andere Typen von Erfahrungen in der neurolinguistischen Programmierung verankert sind.

 

Der Lohn und das Ego

Das Egobewusstsein selbst ist eine Art Filter, der auf Tausch und Maskulisierung beruht und zwischen dem Schenkweg und dem Tauschweg vermittelt. Auch das Besitzen von Eigentum ist ein Filter, durch den das Schenken nicht zu dringen vermag. Viele Frauen setzen trotzdem damit fort zu schenken. Sie wurden so sozialisiert.

Der Eintritt in den Arbeitsmarkt erlaubt eine Versöhnung der beiden Prinzipien, nachdem sie als getrennte etabliert wurden. Die Lohnarbeitenden unterstützen eine Familie, indem sie ihr vom Eigentum ihrer monetären Definition (dem Lohn) abgeben. Da der Markt auf der Maskulisierung beruht, sind Männer besser auf ihn vorbereitet als Frauen.

Für Frauen ist der Markt ein äußerer Kontext. Manchen gelingt es trotzdem, in ihm erfolgreich sein. Aber dies ändert nichts daran, dass er nicht ihrer ursprünglichen Kategorisierung entspricht. Die persönlichen Anspannungen, die die Anforderung, eine Familie durch Lohnarbeit zu erhalten, mit sich bringen, sind Frauen ursprünglich fremd. Deshalb bedeutet Lohnarbeit zum Familienerhalt für sie etwas anderes. Der Vorteil, der für sie im Eintritt in den Markt liegt, ist, dass sich damit viele praktischen Probleme des Status eines have-nots lösen lassen und Zugang zu den privilegierten Kategorien des Patriarchats möglich wird.

Der Lohn bestimmt als Ausdruck des allgemeinen Äquivalents (des Geldes) den Wert des Mannes in der traditionellen Familie. Wenn er in der Lage ist, einen Teil seines Geld-Namens seiner Frau zu schenken, kann er damit gewissermaßen Teile seiner Maskulisierung „heilen“. Das Geld wird zu einem temporären Ersatz für den Geschlechtsbegriff „männlich“. Diesen konnte der Bub nicht mit seiner Mutter teilen, doch nun kann er dafür seinen Geld-Namen mit ihrer Nachfolgerin teilen: seiner schenkenden Frau. Der Lohn bestimmt, was der Mann empfangen und schenken kann. Darüber bestimmt sich seine Rolle als Filter. Das Urteil über jemandes Identität scheint zu bestimmen, was einer Person an Haben zusteht, da sich die Person gewöhnlich diesem Urteil anpasst und es als eine self-fulfilling prophecy betrachtet.

Das Haus, das von BauarbeiterInnen gebaut wird, nimmt den Platz von Geschenken der Natur ein. Außerdem wird es zum Eigentum von jemand anderem. Der „monetäre Name“ (die professionelle Kategorie oder der soziale Status) der BauarbeiterInnen verschafft ihnen meist nicht genug Geld, um das Haus selbst kaufen zu können. Sie schenken das Haus gewissermaßen der Gemeinschaft. Diese Art des Schenkens ersetzt im Tausch das individuelle, auf Andere ausgerichtete Schenken, und damit auch das Schaffen konkreter familiärer Gemeinschaft. Das „Geld-Wort“: $, ersetzt dann diesen Ersetzungsakt selbst.

Männer oder Frauen, die ihren Lohn ihrer Familie schenken, sind wie die Person, die dem Buben den Namen „männlich“ schenkt, ihn damit privilegiert und andere dazu veranlasst, ihm auch zu schenken. Der Bub erhält den Namen, weil er ein Kennzeichen hat – ein „Preisschild“. Wenn ein Mann seine Frau und Familie mit seinem Lohn unterstützt, gibt er der Frau einen Namen (hier in der Form des Geldes), obwohl sie kein Kennzeichen hat. Wenn sie einen Sohn produziert, kompensiert sie jedoch für diesen Mangel. Sie scheint dann das Geld ihres Mannes zu verdienen.

Die Beziehung zwischen der freien Arbeit der Frau im Haus und dem Lohn des Mannes wird von der Verschiebung der Geschlechtsdefinition bestimmt und ist nicht mit dem Tausch identisch. Der Mann gibt der Frau einen Teil seines Geld-Namens, während sie fortsetzt, freie fürsorgliche Arbeit zu schenken, die nicht monetär und quantitativ definiert ist. Sein Lohn ist das reinkarnierte Wort, mit dem sie in Zeiten des Mangels die Mittel kaufen kann, die sie zur Fürsorge benötigt bzw. um damit fortzusetzen, auf allen Ebenen zu schenken. (Es ist beinahe so, dass das Vermögen der Frau zur Fürsorge gänzlich vom Grad der Maskulisierung ihres Mannes abhängigt, da sie dessen Lohn zur Aufrechterhaltung ihrer fürsorglichen Mittel, inklusive derer ihres eigenen Körpers benötigt – die Brust ist hier das Hauptbeispiel.) Indem der Mann seinen Geld-Namen mit ihr teilt, benennt oder kategorisiert er ihre fürsorgliche Arbeit als Arbeit für ihn (und kontrolliert sie als solche).

All dies hat sich freilich aufgrund des Eintritts der Frauen in die Arbeiterschaft und durch die immer höheren Zahl an allein erziehenden Müttern geändert. Viele Frauen arbeiten heute selbst für den Geld-Namen und beschaffen sich somit auch die Mittel zur Versorgung ihrer Kinder selbst. Dies bestätigt, dass das Geld nur ein Wort ist, ein übersetzter Geschlechtsbegriff, der potentiell allen zukommen kann. Wie der Geschlechtsbegriff selbst hat er nichts mit Biologie zu tun, sondern wird sozial konstruiert.

Es stärkt Frauen, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, da dies ihr Überleben weniger unsicher und weniger vom Verdienstvermögen des Mannes abhängig macht. Doch ändert dies nichts am maskulisierten Charakter der Tauschökonomie bzw. daran, dass es in der Logik der Tauschökonomie liegt, die meisten Menschen zu have-nots zu machen. Somit wird die ökonomische Maskulisierung, die manche Frauen erfahren, nicht die allgemeinen Probleme lösen, die von der psychologischen und ökonomischen Maskulisierung der Gesellschaft verursacht werden.

Die (Hetero)Sexualität und das Töten

Das Geschlecht und die mit ihm verbundene dominante männliche Heterosexualität ersetzen die Fürsorge als Modell für beide Geschlechter – das Geschlecht folgt damit der Sprache, die den Platz materieller Kommunikation einnimmt. Alleine die Benennung des Geschlechts des Kindes scheint zu implizieren, dass das Geschlecht (bzw. die Identifikation mit oder die Abweichung von der Mutter) – und in Folge die Sexualität – wichtiger sind als die Fürsorge. Die physio-kulturelle Differenz des Buben von der Mutter wird wichtiger als ihre fürsorgliche Praxis. Auf ähnliche Weise ist das Töten mit einem phallischen Indexsymbol, das als verschobene (Hetero)Sexualität gesehen werden kann, wichtiger als die Fürsorge. Das Tier oder die Person wird passiv und unterwirft sich dem Willen des Schützen.

Gleichzeitig kann das Tier, wenn es einmal vom übernehmenden phallischen Index getötet wurde, zur Fürsorge verwendet werden – wie die Frau, die dominiert und von ihrem Beherrscher ausgebeutet wird. Das Jagen gleicht dem Tausch, da das Objekt (der Empfänger der Kennzeichnung) transformiert und neu kategorisiert wird. Es wird von seinem eigenen Willen abgetrennt und zum Eigentum des Jägers, genauso wie das Produkt im Tausch von seinem Eigentümer abgetrennt wird (oder der Bube von seiner Mutter aufgrund seiner Geschlechtsdefinition). Der Schütze kann freilich auch andere Männer töten (seine Konkurrenten), um sein Eigentum oder diejenigen, die für ihn sorgen, oder auch seine Natur oder seine Maskulisierung oder die Maskulisierung überhaupt zu beschützen.

Post-maskulisierte Fürsorge verlangt gewöhnlich Erkennung (eine weitere Entsprechung des Tausches). Frauen (und relativ machtlose Männer) versorgen den Herrscher, der sich durch die Mechanismen der Maskulisierung arbeiten muss, um zu seiner Form der Fürsorge zu gelangen. Sobald er die Kontrolle übernimmt, kann er in Form des post-maskulisierten Schenkens „sozial“ werden. Das Kennzeichen eines Objekts ist wie die Endung eines Falles in der Sprache, die die Rolle des Substantivs im Satz anzeigt. Was so gekennzeichnet ist, kann nur auf eine bestimmte sozial determinierte, „depersonalisierte“ Weise schenken – auf eine Weise, die eine Entfremdung des Produktes impliziert. Der Gemeinschaft (bzw. den anderen) kann nur durch den Tausch mit dem Geld-Namen geschenkt werden, dessen Erhalt die Beschenkten privilegiert. Es ist dieses seltsame Modell, dem der Bube zu folgen hat.

Das Geld kann als eine Sammlung quantitativer Fall-Kennzeichen gesehen werden. Als gesetzliches Zahlungsmittel sagt das Schild: „Zahle den, der dies besitzt!“ Wie eine Transformation von aktiv zu passiv zeigen das Preisschild und das männliche Kennzeichen an, dass denjenigen, die es tragen, spezielle Geschenke zustehen. Je mehr Besitztümer oder Geld er hat, je mehr Fall-Kennzeichen er besitzt, desto mehr ist der Mann in Kontrolle und desto mehr verdient er, immer noch mehr zu erhalten.

Die unterworfene Frau schenkt sexuell nur noch ihrem Ehemann und materiell nur noch ihrer Familie. Sowohl der Wechsel vom Schenken zum Tausch als auch der vom mütterlichen zum post-maskulisierten Schenken wird mit dem Kennzeichen des Mannes identifiziert. Auch die Ikone des Prototypen unterstützt das Übernehmen und bestätigt es. Der Penis ändert seine Form in der Erektion. Da er keine Selbstähnlichkeit kennt wie die Hand, keine unmittelbaren Objekte hat, die auf den Prototypen bezogen sind, hat er seine Rolle als Prototyp in der Außenwelt zu etablieren, das heißt: er hat mit anderen Penissen zu konkurrieren. Dies bestätigt gleichzeitig die Rolle der Männer als Eine im Verhältnis zu den Frauen (die kein Kennzeichen haben) als Viele. Die Männer herrschen über die Frauen, um ihre Überlegenheit zu beweisen.Schießen

Da der Index dem Penis als ein Instrument sowohl sexuellen als auch nicht-sexuellen Wissens vorausgeht, ist der Penis letztlich nicht notwendig, um auf etwas zu verweisen. Die falsche Identifikation des Penis mit dem Index wird durch eine Umkehrung weiter verkompliziert, der zufolge der Index als angehängter Penis erscheint, der dann beispielsweise zu einer Kugel oder einem Pfeil hin verschoben wird. Dafür ist auch unsere Art des Sprechens verantwortlich, sowohl was die Maskulisierung angeht als auch das Schießen. „Es ist ein Bube!“ oder „Bang, bang, du bist tot!“ haben ähnliche entfremdende Effekte. Indem ein Objekt als Teil einer bestimmten Kategorie identifiziert wird, werden seine anderen Potentiale negiert. Das Schießen formt sich nach dem Bild der Maskulisierung.

Auf den Buben zu zeigen und ihn „männlich“ zu nennen, kann als explosiver Laut gesehen werden, der den Buben dem schenkenden Leben entreißt. Der Index ist der Abzugsfinger und der Ebenenwechsel ist der Abzugsmechanismus, während dessen der Finger sich zurückzieht, um das Gewehr zu feuern. Das Wort ist dann der Laut der Kugel, die die anderen (die, auf die geschossen wird) benennt.

Wenn wir mit dem Finger zeigen, wählen wir zunächst ein Prototypobjekt aus bzw. kennzeichnen es. Daraufhin benennen wir es und wechseln vom Nonverbalen zum Verbalen. Die Explosion geht mit der Nachbarschaft des verschobenen Index mit dem Objekt, das er penetriert, einher. Wir gehen von der Indexkategorieikone (sowie dem Kategorieprozess des Auswählens) über zum Wort. (Siehe Graphik 32.) Die Penetration der anderen durch das „Geschenk“ der Kugel ist in Wirklichkeit ein Dienst, der dem Ego des „schenkenden“ Schützen getan wird. Das Schießen bestärkt die Tauschlogik und die gewaltsame Penetration der Körper (und Herzen) der anderen erinnert an eine Vergewaltigung erinnert. Das Gewehr und der Penis funktionieren beide als Eine, um ihren Trägern das Einnehmen des privilegierten Einen-Status zu erlauben.

Das Schießen eines Pfeils mit einem Bogen funktioniert so, dass die Sehne des Bogens zurückgezogen und dann losgelassen wird, womit sich die Aufmerksamkeit/Energie auf den Pfeil übertragt. So wie kooperierende Finger zurückgezogen werden, um den Zeigefinger zeigen zu lassen, ziehen alle Finger gemeinsam die Sehne zurück. (Siehe Graphik 33.) Dasselbe passiert, wenn der Indexfinger den Abdruck des Gewehrs und den Hahn, der bis zum Anschlag gespannt war, gegen die zeigende Kugel prallen lässt. So wie zunächst das Wort zurückgehalten und dann losgelassen wird, kommt es hier zu einer – besonders explosiven – Unterstützung des Einen durch die Vielen. Die Energie dessen, was zurückgehalten wird, wird auf den Index fokussiert. Vielleicht gibt es hier eine Analogie zu den vielen Handlungen, die das Jagen beinhaltet – in den Wald gehen, nach Beute suchen, usw. – bzw. zu den vielen kooperativen Handlungen, die das Töten in der Jagd beinhaltet und die es überdeterminieren.

Wenn wir auf Tiere oder Menschen mit einem Gewehr zielend zeigen, um sie zu töten, müssen wir unsere schenkenden Impulse ihnen gegenüber zurückhalten und sie zu Prototypen toter Objekte machen – zum Beispiel zum essbaren Tier, oder zum Menschen, der für unseren Schutz oder Status umgebracht werden muss. Wir härten uns innerlich ab und unterdrücken unsere Impulse des Auf-Andere-Ausgerichtet-Seins und des Schenkens („armer Hase“), um bestimmte Tiere als Ziele auswählen und ihnen in der Folge das Geschenk des Lebens zu nehmen und sie zu passiven Objekten zu degradieren. Der innere Mechanismus des Auswählens und das gleichzeitige Unterdrücken des Schenkens ist wie der Mechanismus des Gewehrs. Mit unserem Indexfinger ziehen wir den Abzugsindex zurück und der Hahnindex prallt auf den Kugelindex und bringt seine Ladung zum Explodieren, die dann durch den phallischen Indexwaffenlauf nach vorne stößt. Der Kugelindex trifft schließlich das Herz des Tieres (oder auch der Person), beendet die organischen Schenkprozesse, die es am Leben erhalten, und transformiert es zu einem Objekt in unserem Besitz.

Die Explosion in der Patronenkammer des Gewehrs entspricht jedoch nicht nur der Explosion in der Herzkammer der Getöteten. Sie entspricht auch jener im Herzen und Kopf der Schießenden – und vielleicht auch jener in ihrem Penis, der schließlich auch als Prototypzeiger zeigt, übernimmt und „explosiv“ ejakuliert. Maskulisierter Wille = Penis = Gewehr. Auch ökonomische Analogien gibt es hier. Einem internen Ausschluss des Schenkens folgt durch die interne Wirkung des Gewehrs, die veräußerlicht wird, ein externer Ausschluss im Körper anderer.

Der Speer, der Bogen, das Gewehr – sie alle zeigen und töten. Durch eine Fokussierung wird damit etwa in der Jagd das Leben eines Tieres in den Hintergrund gedrängt. Nicht dem Leben des Tieres wird Wert geschenkt, sondern dem des Zeigenden (und damit dem Tod des Tieres). Die Beute wird ein Geschenk an Nahrung. Das Jagen funktioniert damit analog zur Kommunikation: das getötete Tier wird ein teilbares Geschenk, wie ein Objekt, das ausgewählt wurde, um kommunikativ geteilt zu werden. Auf ähnliche Weise wird auch der Tod eines Feindes, der von Messern, Speeren, Gewehren oder Raketen getötet wird, ein teilbares Geschenk für Individuen, Gangs, die Armee oder das Vaterland.

Dieses bluttrunkene Geschenk – unser gemeinsamer Grund – wird zwischen uns als Eigentum aufgeteilt, das wir dann wiederum gegeneinander mit Schwertern und Gewehren verteidigen. Ganze Armeen zeigen mit ihrer Technologie auf andere. Die Technologie wurde im Bilde der vergegenständlichten Zeiger geschaffen, die sich ihre Zugehörigkeit zu der überlegenen Kategorie sichern und die anderen vernichten. In Zeiten internationaler Spannung finden sich überall Raketensilos und Raketenträger, die jederzeit bereit sind, ihre Zeiger zu heben und ihre Sprengköpfe auf den Feind zu schießen. Vom Messer zum Gewehr zur nuklearen Rakete bzw. vom bewaffneten Individuum zu den bewaffneten Armeen transformiert die Reproduktion der Definition und des Kennzeichens des Männlichen unsere Zivilisation in eine enorme fraktale Struktur, die aus selbstähnlichen Bildern der Maskulisierung auf unterschiedlichen Ebenen besteht. Diese Struktur bestätigt sich selbst und zieht die Energie des Planeten und all seiner Lebewesen für seine eigenen Zwecke ab und opfert dabei das Leben von Millionen. Wie auch immer wir dieses Muster zu verschönern oder zu verbergen suchen mögen: es bleibt ein hässliches.

In der Antike transformierte der Jäger das Tier zu Essen, Eigentum und Geschenk. Eine Gemeinschaft, ein Kreis von Jägern, ein Gruppenfeuer, ein Kochfeuer, ein Ofen, eine Bühne – sie waren es, die das Geschenk annahmen. Der Moment – das Feuer, das Essen, das versorgende Geschenk – war der kollektive Fokus und das Ereignis, das benannt und zu einem wiederholbaren Prototypen wurde. Auch diejenigen, die sammelten und Felder bestellten, brachten ihre Erträge, um sie zu teilen. Das Ereignis wurde geschaffen, indem die Geschenke der Vergangenheit zusammen verwendet wurden: Erinnerungen an vergangene Momente, vergangene Zusammenkünfte und Gruppenfeuer, aber auch individuelle Erfahrungen. Wir sind die Anderen, denen die Geschenke der vergangenen Jagden und Ernten immer noch zukommen und die sie durch ihre Existenz am Leben erhalten. Und damit werden auch die Menschen der Vergangenheit am Leben erhalten, auch wenn diese das nicht wussten, als sie sich damals um das Feuer herum versammelten, aßen und erzählten. Wir wiederum hinterlassen unsere Geschenke den Menschen, die nach uns kommen werden.

Generationen sind wie Wasser, das Felsen hinunter rinnt und kleine Wasserbecken schafft, um dann über und weiter zu fließen, um wieder neue Wasserbecken zu schaffen. An einem Punkt zusammenzufinden, ist ein Geschenk. Ein Extra, das uns in der Gegenwart zugetragen wird und uns in der Zukunft mit Menschen aus der Vergangenheit zusammen sein lässt, genauso wie wir heute mit Menschen aus der Zukunft zusammen sind. Im Gegensatz dazu schafft die Herrschaft der Einen kein Motiv oder Geschenk für die Menschen der Zukunft, da die Güter hier nicht geteilt, sondern von den Einen monopolisiert bzw. zur Unterdrückung anderer verwendet werden. Hier schenken die Vielen alle den Einen – und nicht einander.

Schenken vs. Spiegeln

Schenken wird oft als verrückt diskreditiert, da es damit droht, die fraktalen Spiegelsäle einzudämmen. Das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein macht die Selbstähnlichkeit des Egos unnotwendig, irrelevant. Das Schenken wird mit der Mannigfaltigkeit derer, denen wir schenken, immer stärker. (Unter anderem auch deshalb, da das Beschenken unterschiedlicher Bedürfnisse Wachstum und Vielfalt fördert, nicht Wettbewerb.) Aufgrund der Bedrohung, die das Schenken für das ökonomische Tauschprinzip und seine Egostruktur darstellt, werden wir jedoch gezwungen, es aus unserem Bewusstsein aus- und die Frauen, die es praktizieren, in die familiäre Isolation einzuschließen – obwohl sie Legion sind.

In dieser Isolation kann auf sie als Fürsorgerinnen der Kinder gerechnet werden, trotz der vielen und überwältigenden Schwierigkeiten, die der Mangel schafft. Als isolierte Schenkende gefährden Mütter dabei jedoch oft ihr eigenes Überleben, da sie zuviel schenken, ohne dass es ihnen möglich ist, die sozialen Strukturen zu ändern. Der Catch 22 hier ist, dass die Frauen einerseits die sozialen Strukturen nicht ändern können, weil das Schenken nicht als ernst zu nehmende Alternative erkannt wird – und sie es andererseits nur dann als ernst zu nehmende Alternative erkennen könnten, wenn sich die sozialen Strukturen ändern würden.

Sich kompromisslos allen Schwierigkeiten zum Trotz zu etwas zu bekennen, kann durchaus ein Ausdruck von Selbstbehauptung sein. Gleichzeitig kann auch bis zur Selbstzerstörung geschenkt werden. Alles, was dies bestätigen würde, wäre die Vermutung, dass es kein Schenken gibt: weil es dann keine Schenkenden mehr gäbe.

Aber auch der Mangel und die Isoliertheit der Schenkenden verursacht deren Zerstörung. Damit das Modell des Schenkens für alle fruchtbar werden kann, müssen auch die Schenkenden von anderen beschenkt werden (selbst wenn dies den Anschein von Tausch annehmen mag), denn niemand kann immer nur schenken, ohne je etwas zu empfangen. Voraussetzung dafür ist, dass Schenkende erkennen, was sie tun, es benennen und es bewusst praktizieren. Wenn dies wirklich viele tun, dann kann das Schenken wieder als ernst zu nehmende Alternative erscheinen und ein Rahmen zur Lösung allgemeiner, nicht nur individueller, Probleme geschaffen werden.

Doch hat das Schenken mit zahlreichen Hindernissen zu kämpfen, die ihm der Tausch in den Weg legt. Manche davon scheinen harmlos. So hält etwa die Tugendisierung der Bescheidenheit („Gib nicht an!“) die Schenkenden davon ab, sich selbst zum Modell zu machen. Stattdessen bleiben sie untergeordnet. Ein Mann, der „seine“ Frau „beschützt“, beschützt in Wirklichkeit nur seine Schenkquelle. Er tut dies nur aus Eigeninteresse. Alles, was er will, ist, dass sie nur ihm und keinem anderen Mann schenkt. Die innere Struktur des ego-orientierten maskulisierten Mannes entspricht der Struktur des traditionellen heterosexuellen Paares. Patriarchale Family Values behaupten das Recht des herrschaftlichen Parasiten auf den Körper der schenkenden Frau. Der Phallus als Index besetzt den maskulisierten Mann (bzw. sein Egobewusstsein und seinen Willen) als Index und übernimmt bzw. beherrscht das Schenken, inklusive seiner eigenen inneren Schenkmotivationen. Wenn ein anderer Prototypmann von außen auf ihn zurückzeigt, müssen die beiden um die Vorherrschaft kämpfen.

Das Ego ist ein Eines in Bezug auf andere Teile des Selbst, das Ego anderer Menschen und letztlich aller Prototypen. In Bezug auf einige größere Prototypen wird es zum Objekt – dies passiert etwa zwischen Bub und Vater. Vom antiken Ägypten bis zu den modernen USA legen die riesigen phallischen Symbole des Staates, die den Vater der Nation im Stile des Washington-Monuments verkörpern, den vielen ansonsten privilegierten Prototypen einen Objektstatus auf. So werden alle BürgerInnen in Bezug auf ihr Land (das als das Eine fungiert) zu Objekten. Das Land als Eines wiederum grenzt sich von den vielen anderen Ländern ab. Genauso verhält es sich, was die Identifikation mit den Regierenden des Landes als deren nationale Menschprototypen angeht.

Die Persönlichkeitskulte, die sich rund um Führer der jüngeren Vergangenheit gebildet haben, sind ein Beispiel für diese Prozesse. Ihre Mammutbilder dominieren den öffentlichen Raum. In kommunistischen Ländern wachten bis vor kurzem enorme Statuen der führenden Figuren der kommunistischen Bewegung über die Plätze, an denen die Massen sich versammelten. Als Kim Il Sung vor kurzem in Nordkorea starb, zeigte das Fernsehen Menschenmengen, die sich vor einer riesigen Statue von ihm auf die Brust schlugen und weinten. Die Einbalsamierung und Aufbahrung von Lenins Leiche im Mausoleum im Kreml gab der Sowjetunion ein dauerhaftes Bild des maskulisierten Ego-Willens – das Umstürzen seiner riesigen Statue mit dem ausgestreckten Zeigefinger hatte symbolisch ebenso starke Bedeutung.

Ziel

Der Unterschied zwischen den selbstähnlichen Prozessen ist oft die Zeit, die es dauert, um sie auszuführen. Die Zeit, die es dauert, um einen Satz zu sagen, ist kürzer als die Zeit, die es dauert, um zu tauschen. Deshalb lassen sich auch leicht mehrere Sätze verbinden. Die Maskulisierung selbst dauert Jahre. Wir sind selbst Indexe: unsere Bewegungen hin zu einem Ziel sind Gesten des Zeigens. So wie wir auf ein Ziel hinzeigen können, können wir uns auch physisch zu ihm hinbewegen, es berühren. Wir haben Zukunftsorientiertheit, einen Zweck oder ein Ziel, das vom Raum in die Zeit wechselt. Zurückzeigen können wir sowohl in Raum als auch Zeit.

Zeigen mag so wenig Zeit dauern, wie es dauert, einen Finger zu heben – oder so viel, wie es dauert, ein Reiseziel zu erreichen. Auf dem Weg vom Moment unserer Entscheidung, uns zu einem Ziel zu bewegen, bis zu unserer Ankunft entsprechen wir dem Index. Das Ziel, das wir ausgewählt haben, ist eines unter vielen. Dies lässt sich auch metaphorisch betrachten: als Zweck, der die Mittel heiligt (oder übernimmt).

Dient ein Zweck, der als Ziel oder Punkt identifiziert wird, der Bedürfnisbefriedigung? Ist unsere Motivation zu reisen ego-orientiert oder auf Andere ausgerichtet? Der Tausch scheint uns vor die Wahl zu stellen, dass es beides oder nichts ist und stärkt damit nur den (Geld)Prototypen. Wohnmobile reisen in die Fremde, um zu tauschen. Die Intention des Reisens entspricht der Intention des Phallus im Sex: es geht darum, an ein Ziel zu gelangen. Die Reise der Pioniere in den Westen der USA eroberte Natur und war auf unerforschtes Land (virgin landvirgin bedeutet im Englischen auch „Jungfrau“; Anm. d. Übers.) ausgerichtet (bzw. zeigte auf solches), auf dem die Männer mit den Indexgewehren die Männer mit den Indexpfeilen töteten, sich parasitär ausbreiteten und es danach „frei“ nannten.

Pferde können mit ihrer großen Energie als phallische Indexe erscheinen, wenn sie auf ein Ziel hingaloppieren. Autos sind ähnlich. Wir können in diesen gemeinsam reisen und ein Ziel (oder Orte entlang des Weges) gemeinsam anzeigen. Der Weg und die Umgebung sind einmal Vorder- und einmal Hintergrund. Hier vollzieht sich ein ständiger Wechsel. Die Strasse, auf die das Auto zeigt, und das gemeinsame Ziel sind gemeinsame Motive. Im Prozess des abwechselnden In-den-Vordergrund- und In-den-Hintergrund-Rückens schenken wir dem Vordergrund Aufmerksamkeit und achten nicht auf den Hintergrund, der in die Vergangenheit fließt. Es ist dieser mechanische Prozess, der die nicht-mechanischen Prozesse überlagert, die wir nicht sehen. (Ist der Wechsel der Formen des Index eine ursprüngliche Proto-Technologie?)

Unsere Raumschiffe zeigen auf den Mond, um ihn zu erobern – und wenn wir dort sind, stellen wir unseren Fahnenmast auf. Unsere WissenschaftlerInnen kommen zusammen, um immer größere Bomben zu bauen und Kriege zu gewinnen. Sie haben bereits einen nuklearen Fliegenpilz produziert, der einen speziellen, unübersehbaren phallischen Charakter hat. Er kann Hundertausende auf der Stelle und Millionen, ja sogar Milliarden langfristig töten (aufgrund seiner unsichtbaren, „unangezeigten“ Radioaktivität). Zum Töten reicht unser Zeigefinger – wollen wir jedoch etwas schaffen, so brauchen wir die ganze Hand.

Das Wechseln der Hände

Im Gegensatz zum In-den-Vordergrund-Rücken lassen wir dem In-den-Hintergrund-Rücken keine Aufmerksamkeit zukommen. Es ist jedoch genauso eine Aktivität wie Ersteres. Im Zeigen ist das Zurückziehen der übrigen Finger genauso intentional und aufwendig wie das Ausstrecken des Zeigerfingers. Doch denken wir an diesen Aspekt nie, vielleicht weil wir uns ausschließlich auf die Wiederholung der Struktur des Einen und der Vielen konzentrieren, die zwischen dem Zeiger und dem, auf das gezeigt wird, stattfindet. Deshalb übersehen wir es, wie die anderen Finger den Zeigefinger (den Index) unterstützen, indem sie sich zurückziehen. Anders gesagt: Ein paar Finger zurückzuziehen, ist Teil der Absicht, einen Finger auszustrecken.

Dasselbe passiert in sozialen Situationen, wenn manche zurücktreten oder ausweichen, um anderen den Vordergrund zu überlassen. Dies kann absichtlich und in kollektiver Übereinstimmung geschehen. Da wir uns jedoch fast immer nur auf das Eine (den Prototypen) konzentrieren, übersehen wir meist die Rolle, die die Vielen dabei spielen. Damit wird es leicht, diese überhaupt zu übersehen (so wie maskulisierte Prototypen diejenigen vergessen, die ihnen schenken und ausweichen).

Es gibt zwei Viele: die vielen Finger, die Teil der Hand sind (und die vielleicht auch den Rest, dem sich der Indikator nicht zuwendet, repräsentieren) – und die Vielen außerhalb des Fokus, die Objekte, auf die nicht gezeigt wird. Wenn die Finger dem Zeigefinger tatsächlich beim Zeigen helfen, dann helfen auch alle Objekte, die außerhalb des Fokus liegen, dem Objekt, auf das sich die Aufmerksamkeit richtet, im Zentrum zu stehen. Die Objekte tun dies, indem sie ausweichen bzw. die Möglichkeit aufgeben, selbst im Zentrum zu stehen. Innerhalb der Familie waren Frauen traditionell die ausgeschlossenen Finger – außerhalb der Familie waren sie die ausgeschlossenen Objekte.

Im Old Boys Network wetteifern männliche Zeiger um die Position des Einen im Zentrum. Sie zeigen dabei unentwegt auf ihre jeweiligen Vorgesetzten im Rahmen der Hierarchie. Vielleicht geschieht dies unter anderem auch deshalb, da der Penis keine anderen Finger auszuschließen hat. Die anderen Finger sind in der Verschiebung und psychosozialen Evolution des Zeichens vom Index auf die Genitalien verschwunden. Wenn wir den Penis als Finger sehen, müssen wir den männlichen Körper analog dazu als Hand betrachten.

Ich denke, dass „Mann“ von manus kommt (lat. für „Hand“). Der Mann wäre dann eine Körper-Hand mit einem Penis-Index. Die Frau wäre hingegen – wenn wir vom englischen wo-man ausgehen – die Mutterleib-Hand (womb-hand – engl. womb = der Mutterleib; Anm. d. Übers.): die ganze Hand, die schafft und schenkt.

Die Position anderer einzunehmen, ist ein Teil des Schenkens. Wir hören gewöhnlich damit auf, sobald wir mit dem Schenken aufhören. Viele Frauen geben auch ihre eigene Prototyprolle im Prozess des Zeigens auf und folgen stattdessen der Perspektive des männlichen Zeigers/Prototypen. Wir Frauen helfen Männern. Wir achten darauf, was sie brauchen und worauf sie zeigen. Wir tun dies, da wir ihre Sichtweise und ihre Rolle als Prototyp bzw. ihr Streben, ein Prototyp zu sein, im Zentrum zu stehen und unseren Platz einzunehmen, akzeptiert haben. Manchmal jedoch gelangen wir an einen Punkt, an dem wir dies nicht mehr aushalten. Dieser Punkt wird zu unserem Wendepunkt: Nun erkennen wir das Schenken wieder und beanspruchen es zurück!

Geschenkt und versorgt wird gewöhnlich mit den Händen. Für diese ist es bedeutungslos, einen Penis zu haben oder nicht. Das Zeigen des Babys kann als nicht anderes interpretiert werden als die Forderung nach einer Schenkgeste der Mutter; als Versuch also, ihre Mutterleib-Hand (ihre wo-man’s womb-hand) zu empfangen. Wie fürsorgliche Männer, die sich um ihre Kinder kümmern, in letzter Zeit demonstriert haben, kann sich die zeigende Hand in eine schenkende verwandeln. Diese Änderung und ihr Potential darf jedoch nicht auf einer individuellen Ebene verbleiben. Sie muss die Dimension einer sozialen, einer systematischen Änderung annehmen.



Die Theorie der co-dependency („gegenseitige Abhängigkeit“) behauptet oft, das Menschen, die schenken und/oder unbefriedigte Bedürfnisse haben, „exzessiv“ seien. Die Theorie konzentriert sich darauf, individuelle Krankheiten zu heilen anstatt das kranke System, welches Mangel und damit eine enorme Zahl an unbefriedigten und unbefriedigbaren Bedürfnissen schafft, die der ökonomischen Ausbeutung dienen. Altruismus ist kreativ und fördert das Leben – außer wenn er von einem Herrscher vereinnahmt und ausgebeutet oder aufgrund des Mangels unmöglich gemacht wird. Es wurde irgendwo einmal geschätzt, dass 98% der Menschen in den USA co-dependent sind. Dieser Prozentsatz offenbart, dass die Theorie der co-dependency falsch liegt. Es ist normal, altruistisch zu sein! Doch wird uns nicht erlaubt, unser normales fürsorgliches Verhalten frei zu praktizieren, da uns die Mittel der Fürsorge vom System bzw. von den privilegierten Einen innerhalb und außerhalb unserer Familien genommen werden. Indem sich die Theorie (und Therapie) der co-dependency nur individuellen Problemen zuwendet und das Schenken ignoriert, schreibt sie uns auf eine Leben im Tauschprinzip fest.

 

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