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Theory
of The Gift Economy


Intro

Kapitel 1
Am Anfang

Kapitel 2
Sprache und Denken

Kapitel 3
Reziprozität

Kapitel 4
Definition und Tausch

Kapitel 5
Die Kategorie des Menschen

Kapitel 6
Marksistische“ Kategorien

Kapitel 7
Die kollektive Quelle

Kapitel 8
Kastrationsneid

Kapitel 9
Is = $

Kapitel 10
Wert

Kapitel 11
Der Übergang zum Tausch

Kapitel 12
Wie dem Tausch Wert geschenkt wird

Kapitel 13
Markt und Geschlecht

Kapitel 14
Zu existieren verdienen

Kapitel 15
Das Zeigen und das Patriarchat

Kapitel 16
Das Zeigen des Egos

Kapitel 17
Was repräsentiert die Demokratie?

Kapitel 18
Die nicht-maskulisierten Protagonistinnen gesellschaftlichen Wandels

Kapitel 19
Traum und Realität

Kapitel 20
Schenken und Liebe

Kapitel 21
Vom Garten zum Gral

Kapitel 22
Kosmologische Spekulationen

Kapitel 23
Nach den Wörtern – die Theorie in der Praxis

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Markt und Geschlecht

Eine manipulierte Wirklichkeit

Ich versuche, die selbstähnlichen Muster des Patriarchats in verschiedenen Lebensbereichen nachzuzeichnen, um sie erkennbar zu machen. Frauen und andere have-nots mögen meinen, dass wir unser Potential entdecken würden, wenn wir nur etwas „hätten“, bzw. dass wir dann den haves gleich und endlich „ganze Menschen“ wären. Daher streben wir nach den Belohnungen des Patriarchats und fördern – ohne dass das unsere Absicht wäre – das System. Wenn wir diese Muster erkennen, dann kann es uns vielleicht trotz unserer Abhängigkeit von ihm gelingen, das System zu ändern, da wir aufhören werden, ihm Wert und unsere Herzen zu schenken. (Siehe Graphik 18.)

Der Markt ist wie eine Sprache, die sich gemäß eines quantitativen anstatt eines qualitativen Werts entwickelt und nur ein Wort kennt: Geld. Die Zwänge, denen diese Sprache unterliegt, kommen von den Formen der menschlichen Beziehungen, die sie verlangen: nämlich den Beziehungen des die Menschen trennenden Privateigentums. Das Geld „benennt“ die Produkte dabei immer und immer wieder, indem es ihnen Wert verleiht, während sich aufgrund der Tauschweise, die auf der Ego-Orientiertheit aller beruht, keine materiellen Beziehungen entwickeln können, die die Menschen einander näher brächten. Die menschlichen Tauschenden können so keine Gemeinschaftlichkeit entwickeln.

Der Markt erscheint als normal, als uns gegeben von dem, „was ist“. Tatsächlich ist er eine manipulierte Wirklichkeit. Warum sollten Menschen dem Benennungsprozess erlauben, zwischen denen zu stehen, die Güter haben, und denen, die Bedürfnisse haben? Der Markt bindet das Benennen bzw. Definieren an das Geld-Wort, immer und immer wieder. „Dieser Mantel = $20. Dieser Mantel = $100. Dieser Sack Kartoffeln = $4.“ Die Gleichung zwischen Produkten und Geld, die einen Moment des Benennungsprozesses widerspiegelt, wird zu einem wichtigen Moment für die Gesellschaft im Ganzen. Sie scheint das Tor zu allem Wert zu sein. Sie rückt einige Produkte in die Kategorie des Wertvollen, während andere wertlos bleiben, da sie nicht verkäuflich oder frei erhältlich sind (die Geschenke der Natur: Luft, Wasser, Sonnenlicht, usw.).

Die Maskulisierung bringt alle dazu, auf eine Steigerung ihrer Kategorienzuweisung zu hoffen und eine Erniedrigung zu fürchten. Der Moment der Geschlechtsbenennung („Josef ist ein Bube“) und der Moment der Geldbenennung („ein Pfund Kaffee = $2“) rücken die Person oder das Produkt in eine Kategorie, die dem Wort oder dem Geldbetrag entsprechen und denen deshalb Wert zugeschrieben wird. Mädchen – sowie Produkte, die nicht verkäuflich bzw. frei erhältlich sind (die Geschenke der Schenkenden bzw. der Natur) – gehören nicht zur überlegenen, wertvollen Kategorie. Diejenigen, die dieser Kategorie durch das „...ist ein Bube“ zugeschrieben werden, werden dadurch ihrer Fähigkeit zu schenken beraubt. Eine andere Anforderung setzt sich an ihre Stelle, nämlich die Anforderung, nach Wörtern, Positionen und Geld zu streben (was gleichzeitig eine Ablenkung und eine Art Sucht darstellt). Die Benennung des Geschlechts und der Tausch von Produkten für Geld geben uns einen Platz in der Welt – aber einen, an dem Geschenke nicht erkannt und Gleichung und Ersetzung überbetont werden.

Wir schenken eher Definitionen Wert als Menschen oder dem Weg der Fürsorge, der im Schatten verborgen bleibt. Geschenke verleihen den Beschenkten Wert, der Tausch tut dies nicht – außer durch die Vorstellung des „Verdienens“, der zufolge die Tauschenden selbst die Ursache ihres eigenen Werts, ihrer Produktion, usw., sind. Wie in der Maskulisierung (wo die Buben lernen, den Namen „männlich“ zu verdienen), übernimmt die Definition die Kontrolle, während das Schenkmodell ausweicht. Das soziale Geschenk: der Name, ersetzt individuelle Geschenke und scheint, da er allgemein ist, etwas Besonderes zu sein und eine verborgene Macht zu haben. Die Position des Einen stützt diese fetischisierte Macht des Namens, da sie im „wirklichen Leben“ (the real world) als ein privilegierter, phallischer Prototyp verwendet wird. Wenn wir eine professionelle Qualifikation „verdienen“, können wir uns Journalist oder Arzt nennen. Wir treten damit in eine privilegierte Kategorie ein. Indem wir uns auf angemessene Weisen verhalten bzw. lernen, das Wissen, das wir uns angeeignet haben, in die Praxis umzusetzen, sind wir in der Lage, diese Definition zu erfüllen. Wie beim Buben geht es also darum, sich das Recht zu verdienen, seinen Namen tragen zu dürfen – und sich außerdem sein Leben in der Tauschökonomie zu verdienen.

Ein sich selbst reproduzierender Parasit am Baum des Lebens

Auf einer wirklichen Meta-Ebene würden wir den Tausch als einseitig erkennen, genau so wie wir das männliche Geschlecht (und seine Definition) als einseitig erkennen würden. Aber das Schenken sieht sich selbst – oder die Schenkenden – nicht als dessen kreativ-empfängliches Andere. Selbst auf der Meta-Ebene herrscht Verwirrung aufgrund der verschiedenen selbstähnlichen Reflexionen. Alles, was im Wesentlichen sich selbst Wichtigkeit zuschreibt, ist notwendigerweise einseitig, da es das Andere abwertet und sich selbst dekontextualisiert (wobei es die Reflexionen der Kategoriestruktur dann so aussehen lassen, als wäre es alles, was existiert). Geschenke verlangen, dass es andere gibt, die sie erhalten. Aber Menschen in dem geschlossenen System extrem hierarchischer patriarchaler Strukturen instrumentalisieren andere als „verschieden“ oder „unterlegen“, um sich selbst Wichtigkeit zu versichern. Sie verwenden andere dafür, sich selbst zu erhöhen, anstatt deren Rolle für ihr eigenes Wohl anzuerkennen. Dieser Prozess vollendet die Konstruktion der artifiziellen Egos, während er es so aussehen lässt, als wären sie self-made – sei es weil sie die Fürsorge, die ihnen zukommt, „verdienen“; sei es aufgrund von Manipulation oder Zwang; sei es aufgrund der „Unterlegenheit“ der anderen; oder weil es deren „Natur“ und „Instinkt“ entspricht, Menschen in privilegierten Positionen zu versorgen („natürlich kümmert sie sich um ihn – er ist schließlich ihr Mann!“).

Der Mann besetzt die Position des Prototypen bzw. des Einen und verlangt, dass andere sich auf ihn als Viele beziehen, wobei er den Moment des Vergleichs und der Äquivalenz zwischen Objekten und Prototypen im Kategorieformationsprozess wieder einrichtet. Die Vielen weichen dem Einen, das übernimmt, aus und reproduzieren damit die Beziehungen des Einen und der Vielen zwischen Dingen und Namen. Die Muster des Einen und der Vielen bestätigen sich auf diese Weise permanent selbst, auch weil sie einer abstrakteren Meta-Ebene entsprechen. Das menschliche Eine ignoriert die Vielen und steht alleine, außerhalb jedes Kontexts, ganz auf sich selbst bezogen. Gleichzeitig wendet es den Kategorisierungsprozess auf sich selbst an. Indem es sich selbst als einsamen Einen sieht, ist es nur sich selbst und anderen Einen gleich.

Die Person, die in der Position des Einen ist, reproduziert und reflektiert sich selbst auf verschiedenen Ebenen. Nachdem Wiedererkennen auf Vergleich und Äquivalenz beruht, scheinen Vergleich und Äquivalenz die wirklich wichtigen Elemente in diesen Prozessen zu sein, selbst auf einer Meta-Ebene. Denn auch diese bestätigt den dekontextualisierten Kategorisierungsprozess in seinen vielfältigen Formen. Dabei sieht es freilich nur so aus, als würden die Gleichungs- und Kategorisierungsformen auch die gesamte Meta-Ebene konstituieren. In Wirklichkeit sind sie nämlich nur ein Ast des fraktalen Baumes, dessen Stamm das Schenken ist. Vielleicht können wir sagen, dass die selbstähnlichen Strukturen eine Kletterpflanze sind, ein Parasit, der von diesem Baum lebt.

Wenn wir mit dieser Metapher weiterarbeiten, so ist nicht nur der Stamm des Baumes ein Ausdruck des Schenkens. Schenkprozesse machen den Baum als lebendes Wesen aus: das Sonnenlicht erlaubt den Blättern durch Photosynthese die Energie zu produzieren, die er benötigt; der Regen verschafft den Wurzeln Feuchtigkeit; und die Erde und der Humus, der aus früheren Blättern und Bäumen besteht, verschaffen ihnen Mineralien. Die Geschenke des Sonnenlichts, der Luft, des Wassers und der Erde erlauben die Entwicklung von Lebewesen, die Geschenke empfangen können. Auch die dekontextualisierte Gleichung, die Kategorien, der Tausch, die Hierarchien oder die Meta-Ebene der Selbstähnlichkeit können nur auf der Basis von Geschenken existieren und auch ihre Wurzeln sind im Schenken verankert. Sie sind selbst abstrakte Geschenke, die einer manipulierten Wirklichkeit und manipulierten menschlichen Existenzen entsprechen und heute unsere Gesellschaft bestimmen. Auch patriarchale Strukturen entwickeln sich also in einer Kultur des Schenkens, da auch sie fähig sind zu empfangen und jenen etwas zu schenken, die es gewohnt sind, beschenkt zu werden.

Die Dekontextualisierung ist eigentlich nur ein Moment der Abstraktion, der für die Formation von Kategorien erforderlich ist. Sie wurde jedoch in der Form der Isoliertheit des Egos zu einem permanenten Zustand verkehrt. Diese dient der maskulisierten Ökonomie und Psychologie und allen Institutionen, die auf der Maskulisierung aufbauen.

Das Patriarchat behält Kontrolle über die Gesellschaft aufgrund des Zusammenspiels verschiedener dekontextualisierter selbstähnlicher Strukturen. Die Kletterpflanze – der Parasit – ist die Überentwicklung der Gleichung, der Kategoriestruktur, der Klassen. Sie setzt sich aus definitorischen Fäden zusammen, die in Hierarchien organisiert sind und die Geschenke des Baumes aufsaugen, um die Einen an der Spitze zu versorgen. Das Patriarchat kann nicht für sich selbst existieren, sondern windet sich um den Baum des menschlichen Schenkens, ernährt sich von diesem und entzieht ihm dabei das, was er zur Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse benötigen würde. Dadurch wird ein Mangel geschaffen, der gleichzeitig zur Voraussetzung patriarchaler Herrschaft wird.

Der artifizielle Parasit verschafft sich Glaubwürdigkeit und Wert durch die ständige Reproduktion seiner Form. So ersetzt der Tausch, wenn er ein Produkt mit einem anderen ersetzt, auch das bedürfnisorientierte vielfältige Geschenk mit der Gleichung, die nur quantitativ variiert, qualitativ jedoch immer die gleiche bleibt (x = y). Er behauptet damit einen Teil des Kategorisierungsprozesses – nämlich die Gleichung – als Wirklichkeit, während er die schenkende Frau mit dem männlichen Prototypen ersetzt. Qualitativ orientiertes Schenken wird ersetzt von einem quantitativen Benennungsprozess, der seine Geschenkaspekte für nichtig erklärt. Diese Ersetzung ist das Ausleben der Maskulisierung. Die Gleichung selbst erscheint dann als Geschenk und als unübertragbar und womöglich unentrinnbar. Sie richtet ihre Aufmerksamkeit auf sich selbst und erhält Wichtigkeit von anderen aufgrund ihrer selbstzentrierten Reflexionen.



Wir haben über den Tausch zuvor als Definition gesprochen. Da es nur ein materielles Wort gibt: Geld, spreche ich jetzt von Benennung. Im monetären Tausch vereinen sich mehrere definitorische Funktionen.

Die Klasse der dekontextualisierten Klassen ist selbst eine dekontextualisierte Klasse. Eine wirkliche Meta-Perspektive würde jedoch weiter reichen und das Schenken inkludieren. Damit würde sie auch das Verschiedene bzw. das andere inkludieren – gewissermaßen rekontextualisieren – und die dekontextualisierte Klasse zerstören. Doch das patriarchale Denken – genauso wie die patriarchale Gesellschaft – konzentriert sich auf die Klassen alleine und verleugnet den Schenkkontext bzw. das Schenkprinzip. Manche mögen einwenden, dass das Vergleichen von Tauschen und Schenken in etwa so wie das Vergleichen von Äpfeln und Orangen ist. Der Punkt ist jedoch, dass diese Äpfel nur in einem Kontext von Orangen existieren können, die ihnen schenken.

Sein und Haben

Was wir hier sehen, ist das psycho-sozial-ökonomische Zusammentreffen von Sein und Haben in den Formen der Beziehungen zwischen Wort und Prototyp, Prototyp und Objekt, Vater und Sohn, Besitzer und Eigentum, ja selbst Besitzer des männlichen Körpers und Körperteil. Der maskulisierte Bube identifiziert, was er ist, über das, was er hat, und über den Vergleich dessen, was er hat, mit dem, was andere haben. Darum geht es und nicht um eine Identitätsform, die sich im Zuge von Schenken und Empfangen entwickelt. Im Gegensatz dazu nimmt die maskulisierte Identitätsform des Buben symbolische Dimensionen an, die sich um Besitztümer drehen: oft phallische Symbole. Der Bube versucht, sich den Phallus, der der Besitz des erwachsenen Mannes ist (der als das Rollenmodell des Buben fungiert), symbolisch anzueignen – in Form von Spielzeugautos, Spielzeugwaffen, usw.

Der Tausch wird notwendig aufgrund der vom Privateigentum implizierten menschlichen Isoliertheit. Das Eigentum ist eine Beziehung, in der die vielen Dinge dem einen Besitzer schenken und ausweichen. Dies macht sie der Beziehung zwischen Männern und Frauen ähnlich: den Männer als Inhabern von Körperteilen, mit dem Phallus an der Spitze – den Frauen als jenen, denen etwas fehlt, und die dem Einen, der dieses Etwas hat, schenken und ausweichen.

Frauen internalisieren die im Tauschprinzip implizierte Lust aufs Eigentum und das Misstrauen dem Schenken gegenüber, und dies ist vielleicht auch Teil des Grundes, warum wir unsere Söhne nicht an das Schenkmodell zu binden versuchen. Wir stoßen sie vielmehr vom Schenken weg und zwingen sie zum Tausch, zum Wechsel ihrer Kategorien und zum Vergleich mit ihrem Vater. Wir wollen sicher gehen, dass die Buben die richtige Art von Identität haben werden, um sich das, was sie brauchen, verschaffen und es behaupten zu können. Wenn sie dem Modell ihrer Mütter folgen würden, würden sie wahrscheinlich als „Schwächlinge“ angesehen und vom heterosexuellen Patriarchat ausgeschlossen werden, verbannt in ein Niemandsland, in dem sie weder Männer noch Frauen wären.

Warum lassen wir Mütter dies zu? Warum behalten wir unsere Söhne nicht in unserer Kategorie? Deshalb, weil das Geschlecht letztlich eine ökonomische Kategorie ist. Was wir als männliche Charakteristika von Wettbewerb ansehen – Aggression, Gefühlssublimierung, Konzentration auf Ziele eher als auf Prozesse, usw. – sind Qualitäten, die vom Kapitalismus belohnt werden. Der Grund dafür ist, dass der Kapitalismus die ökonomische Form ist, die auf männlichen Geschlechtscharakteristika beruht. Der Kapitalismus ist die Reproduktion des Tausches und des Wechsels der Kategorien auf vielen Ebenen; eine Reproduktion, die von der Geschlechtsdefinition und dem Verleugnen der Fürsorge verursacht wird.

Das Besitzen des Wertprototyps

Das Patriarchat verleugnet und entwertet das Schenken, um sich selbst zu erhalten. Die zwei Prinzipien (Tauschen und Schenken) bleiben konsistent: Mütterlichkeit erscheint als das, was sowohl den Penis als auch den Buben aufgibt (die ihr beide gleichzeitig genommen werden) und zu schenken fortsetzt. Das Schenken erscheint daher als an und für sich aufopferungsvoll, sogar als selbst zerstörerisch. Wer sich dem Tauschprinzip verschreibt, scheint die Mutter aufzugeben, aber sich dafür den Penis, die überlegene männliche Identität und das Tauschmodell anzueignen. Die Logik des Tausches bestätigt sich selbst. Die Logik des Schenkens bestätigt die Anderen.

Im Tauschakt nimmt das Geld den Platz des Besitzers als privilegierter Prototyp des Werts ein, auf den der Besitz bezogen ist. Dieser Akt wiederholt sich jedes Mal, wenn Kaufende zu Verkaufenden werden und umgekehrt. Das Muster des Einen und der Vielen wird zunächst im Besitzverhältnis selbst verkörpert, dann wiederholte Male in der monetären Beziehung zum Besitz. (Siehe Graphik 19.)

Obwohl der monetäre Tausch ein alltäglicher Prozess ist, ist er eigentlich um vieles seltsamer, als er uns anmutet. Wir müssen ihn genau betrachten – in Zeitlupe – um seine Beziehungen zur Sprache zu verstehen, zum Kategorisierungsprozess und zur Maskulisierung. Ein Geldbetrag wird auf einer kollektiven Ebene als Wert eines Produkts bestimmt: „wenn es für andere soviel wert ist, ist es auch für mich soviel wert“. Geld reproduziert auf der ökonomischen Ebene die Rolle des Wortes auf der linguistischen. Produkte können nicht auf Bedürfnisse treffen außer im Tausch. Da Produkte als Waren nicht kommunikativ geschenkt werden können, wird über sie mit Geld gesprochen. Wie das Wort vermittelt das Geld zwischen Menschen in Bezug auf etwas (hier Produkte – dort Dinge) und diese Vermittlung richtet unsere Aufmerksamkeit auf das, was – unter unzähligen Möglichkeiten – im Augenblick für die Kommunizierenden relevant ist und sich auf andere Menschen bzw. ein Bedürfnis bezieht.

Als Wertprototyp, auf den das Produkt bezogen ist, wenn eine Person es als Besitz aufgibt, nimmt das Geld abwechselnd den Platz aller am Tausch beteiligten Personen ein. Der Besitzer des Geldes ist dabei ein menschlicher Prototyp des Einen, auf den der Wertprototyp (das Geld) selbst als Eigentum bezogen ist. Als Verkaufende erlauben wir alle dem Geld anderer den Platz unseres Produktes bzw. Eigentums einzunehmen. Indem wir dies tun, werden wir zu EigentümerInnen des Geldes. Wir könnten sagen, dass die Person in Bezug auf das Geld „Meta“ ist, während das Geld in Bezug auf das Produkt „Meta“ ist. Als Kaufende erlauben wir alle dem Geld den Platz des Produkts bzw. Eigentums anderer einzunehmen und übertragen den Besitz des Geldes auf die Verkaufenden und den des Produkts auf uns selbst. (Siehe Graphik 20.)

Die Menschen voneinander trennende Besitzbeziehung ist somit immer dieselbe – nur ist das, was besessen wird: das Eigentum, als Produkt konkret und als Geld abstrakt. Im kapitalistischen Tauschsystem pendeln die Besitzbeziehungen immer zwischen konkreten und abstrakten hin und her. Der Wert eines getauschten Produkts wird dabei immer und immer wieder reproduziert von dem, was es ersetzt (sei es ein anderes Produkt, mehrere andere Produkte oder Geld). In diesem Sinne behalten wir immer „dasselbe“, auch wenn sich das, was den jeweiligen Wert im Augenblick konstituiert, ändern mag. Wenn wir ein Produkt für Geld verkaufen, werden wir zu Besitzenden des abstrakten Prototyps (des Geldes) selbst. Die Besitzbeziehung des Einen und der Vielen kann also auch das Geld – selbst Kategorieprototyp des Einen und der Vielen – als Eigentum vereinnahmen.

Es gibt eine Art von Ersetzung, die immer und immer wieder ausgeführt wird, wenn anderen Geld als Ersatzkategorieprototyp für ihre Produkte gegeben wird (eine weitere Parallele zwischen Geld und Wort). Für das Produkt nimmt das Geld immer die Rolle des Prototyps der Wertkategorie ein, während die Besitzenden immer die Rolle der Einen in den Besitzstrukturen einnehmen. Die Besitzenden können sich dabei in einer Reihe einander überlappender Eines-Viele-Strukturen gleichzeitig befinden. Neben ihrer Rolle als Besitzende können sie Vater, König, Papst, Stadtrat oder Geschäftsführer sein. Doch selbst wenn sie keinen Zugang zu den Positionen des Einen in sozialen Hierarchien haben, können sie immer noch Eine im Verhältnis zu ihren Eigenschaften sein. Um das Bedürfnis zu befriedigen, ein Prototyp zu sein, muss letzteres aufgegeben werden.



Jacques Lacan beschreibt das, was er das „Spiegelstadium“ nennt, als eine Phase, in der das Kind seine Körperteile als größer wahrnimmt, als sie es eigentlich sind. Ich würde die Vermutung wagen, dass es die Besitzbeziehung ist, die es in dieser Phase dem Buben erlaubt, seine Körperteile als seine zu begreifen und dass dies in der allgemeinen Beziehung des Buben (und späteren Mannes) zum männlichen Prototypen im Tausch reflektiert wird. Siehe Ellie Ragland-Sullivan, Jacques Lacan and the Philosophy of Psychoanalysis, und Kenneth Wright, Vision and Separation.

Eine weitere Motivation für Mütter, ihren Sohn der Kategorie des Vaters zu überlassen, mag in ihrer Sorge begründet liegen, was mit ihren fürsorglichen Söhnen passieren wird, wenn sie mit ihren Vätern um die Aufmerksamkeit der Mutter kämpfen müssen. Sie mögen hoffen, dass der Vater den Sohn wenigstens nicht zerstören wird, wenn er ihm gleichgesetzt ist. Sie folgen gewissermaßen dem Beispiel der Mutter des Moses: sie verleugnen ihren Sohn, überlassen ihn Stärkeren – und suchen dann heimlich seine Nähe, um sich um ihn sorgen zu können.

Das Geld selbst wird ersetzt, wenn es nach einer Investition vermehrt zurückkommt. Dies ist eine weitere verlagerte Form der Maskulisierung – vielleicht ein Bube, der vom Kopf des Zeus geboren wurde. Es ist der Kapitalist, der dies möglich macht.

Das Besitzen entspricht vielleicht eher dem Familiennamenkomplex Wygotskis als der Kategorie: Nachdem das, was besessen wird, vielfältig ist, haben die Besitztümer keine gemeinsame Qualität außer der, dass sie sich alle in irgendeiner Form auf dasselbe Eine beziehen.

Der gesellschaftliche Nexus: Wie das männliche Geschlecht den Platz der Mütterlichkeit einnimmt

Das männliche Geschlecht wird vom Vater auf eine Weise verkörpert, die sich von der Verkörperung des Werts vom Geld unterscheidet. Doch gibt es Parallelen, was die Position des Einen anlangt. Das Geld nimmt den Platz des Besitzers ein als das Eine, auf das die Ware als Wert bezogen wird, während der Vater den Platz der Mutter als das Eine, auf den der Bube bezogen wird, einnimmt. Der Besitzer wird also als Eines vom Geld ersetzt, das als (Wort)Kategorieprototyp für den Wert der Ware fungiert, während die Mutter vom Vater als Kategorieprototyp für den Buben ersetzt wird. Die Entsprechung der Strukturen dieser Prozesse erlaubt eine Reproduktion der Entfremdung des Buben in die Kategorie des Männlichen durch die Entfremdung des Produkts in die Kategorie des ökonomischen Werts und die Ersetzung des Produkts durch das Geld.

Die Kastrierung der Mutter wird reproduziert, wenn die Kaufenden das Geld-Phallus-Wort aufgeben und als Belohnung Güter erhalten, die sie verwenden können, um fürsorglich zu sein. Diejenigen, die Geld anhäufen und akkumulieren, setzen sich dieser symbolischen Kastration nicht aus und finden im Kapitalismus einen Weg, das Geld-Phallus-Wort beinahe ins Unendliche auszudehnen. Der Markt dient als ein sicherer Ort, in dem das Kindheitstrauma des Buben ausgelebt werden kann, das auf dem von der Benennung seines Geschlechts hervorgerufenen Kategorienwechsel beruht. Der Markt hat eine heilende Wirkung für den zum Mann gewordenen Buben, indem er zeigt, dass das Aufgeben eines Produkts zum Verkauf und dessen Wechsel sowohl in eine andere Wert- als auch in eine andere Besitzkategorie (im Sinne von: in die Besitzkategorie einer anderen Person) kein an und für sich schädlicher Prozess ist. (Siehe Graphik 21.) Darüber hinaus scheint die symbolische Kastration, die ins Aufgeben des Geldes involviert ist, harmlos zu sein und den Kaufenden nicht zu schaden.

Leider nimmt der Prozess des monetären Tauschs den Platz des Schenkens als die Form kommunalen Lebens ein. Selbst Schenkende beginnen, dem Tauschprozess zu schenken und ihm mehr Wert als ihrem eigenen – dem Schenkprozess – zukommen zu lassen. Die Schenkenden schenken also dem Tausch und den Tauschenden wie sie bereits der Maskulisierung, den Söhnen und den Männer geschenkt haben. Während der Tausch also bis zu einem gewissen Grade die psychologischen Lasten der Maskulisierung und Kastration erleichtert, verursacht er gleichzeitig eine Verschärfung des Problems auf anderen Ebenen.

In der ökonomischen Sphäre spiegelt sich die Abhängigkeit des Kindes von der Mutter auch in der Abhängigkeit der Frau von ihrem Mann wider. Die Frau und die Kinder scheinen sich in Bezug auf den Mann in einer Kategoriebeziehung der Vielen zum Einen zu befinden, die der Beziehung des Eigentums zum Besitzer oder jener des Dings zum Wort entspricht. Hier ist es der Vater, der anderen einen Namen gibt. In der traditionellen Familie gibt der Vater das Geld-Phallus-Wort der Mutter, die es wiederum anderen im Tausch für die Produkte gibt, die sie braucht, um fürsorglich sein bzw. um den Mann und die Kinder beschenken zu können. Die Geschenke des Mannes sind offensichtlich und anerkannt – die der Frau bleiben unsichtbar und unanerkannt.

Die Frau erhält materielle Unterstützung für ihr Fürsorglich-Sein vom Ehemann dafür, dass sie den Buben seiner Kategorie überlassen und ihren eigenen Platz als Kategorieprototyp aufgegeben hat, um (zumindest beinahe) zum Eigentum des Mannes zu werden. Selbst die Tochter wird dem Vater überlassen, da ihr Modell das der Mutter ist, die selbst dem Patriarchat und dem Vater ausgewichen ist und sie nun beschenkt. Indem sie ihren eigenen Wert auf den Mann, den Tausch und die Maskulisierung verschiebt, dankt die Mutter als Schenkprinzipprototyp ab und setzt das Tauschprinzip an seine Stelle. Dafür erhält sie das „Geschenk“ des Haushaltsgeldes vom Ehemann. Im Rahmen des Tauschprinzips und der von ihm produzierten Mangel sind die Nischen, in denen sich Schenkökonomien erhalten haben, von Geschenken abhängig, die selbst von irgendwo innerhalb des Tauschsystems kommen. Frauen haben immer alles getan (und aufgegeben), um an die für ihr Fürsorglich-Sein notwendigen Geschenke zu gelangen. Gegenwärtig bedeutet dies, dass sie sich dem Tauschprinzip ausgeliefert haben, um zu dem Geld zu kommen, dass sie brauchen, um ihre Kinder versorgen zu können.

Selbst wenn Frauen in der Tauschökonomie arbeiten, müssen sie ihre Kinder oft anderen Prototypen überlassen, während sie ihre Arbeit verkaufen, um die Kinder zu unterstützen: Prototypen der Schule, des Fernsehens oder der Strasse. Das ökonomische Modell des Mütterlichkeit wird also in dem Moment, in dem Mütter ihre Arbeit verkaufen, um ihre Kinder versorgen zu können, gleich weiter abgewertet und anderen PädagogInnen überlassen, die die Kinder auf ein Leben im Tausch vorbereiten.

Die weitreichenden ökonomischen Veränderungen, die von Kriegen hervorgerufen werden (wie z.B. vom Zweiten Weltkrieg), gliedern Frauen in die kapitalistische Arbeitskraft ein und schwächen die traditionell ausschließliche Verbindung zwischen ökonomischer Aktivität und Maskulinität. (Eine Verbindung, die an sich weiterhin von der Maskulisierung gestützt wird.) Änderungen im Großen haben immer einen Effekt auf das Kleine, auch wenn sich dies oft langsamer ändert. Obwohl heute viele Mütter in monetärer Arbeit involviert sind, gibt es immer noch Vorstellungen streng getrennter Geschlechterrollen, während soziale Strukturen des Einen und der Vielen die Rolle des phallischen Vaters reproduzieren. Film- und Fernsehstars etwa vertreten den Vater in der Vorstellungswelt. Das Wort wird wieder abstrakt.

Die Ausrichtung hin auf das allgemeine Äquivalent, das Geld, produziert vieles, das dessen Bild entspricht. Etwa die Filme und Fernsehshows, die uns dominante Männer als Eine zeigen, von Polizeikommissaren zu Vätern, von Superhelden zu Sängern. Auch Frauen können als Stars Eine sein – als Sexobjekte, Geschäftsfrauen, Spioninnen. Selbst NachrichtensprecherInnen entsprechen diesem Muster als die einen Sprechenden, auf die viele unsichtbare Zuhörende bezogen sind. Das Herrschafts/Unterwerfungs-Modell zeigt sich – genauso wie jenes der Hierarchie oder des Wettbewerbs – überall in unserer Unterhaltungsindustrie, dem Geschäftsleben, der Politik oder der akademischen Welt. Diese Modelle setzen damit fort, dem kleinen Prince Charming den vergifteten Apfel anzubieten und ihn den verderblichen patriarchalen Modellen zu unterwerfen, die in unseren zusehends vaterlosen Familien nicht stark genug Ausdruck finden.

Auch Gangs können die gewalttätigen väterlichen Modelle des Einen und der Vielen, die es in Familien allein stehender Mütter nicht gibt, ersetzen. Männliche Sexualität, die sich dem Benennen des Geschlechts und dem Wechsel der Kategorien gemäß formt, übernimmt die Rolle der Mütterlichkeit als das, was Alfred Sohn-Rethel den „gesellschaftlichen Nexus“ genannt hat : die Tiefenstruktur, auf der sich unsere Gesellschaft selbst gestaltet und reproduziert. Doch ich denke, dass – trotz aller Schwierigkeiten – vaterlose Familien beginnen, diese Situation zu ändern. Allerdings führt die ständige Abwertung allein stehender Mütter, verbunden mit der Abwesenheit des Vaters, dazu, dass sich Buben nach wie vor im patriarchalen Irrgarten von Eines-Viele-Strukturen nicht zurechtfinden und anfällig werden für besonders negative männliche Prototypen, die ihnen Positionen des Einen versprechen.



Die Tochter könnte als Ware gesehen werden, deren Gebrauchswert darin liegt, Fürsorge zu garantieren, sobald für sie bezahlt wurde. Sie könnte aber auch als die Ware gesehen werden, die nicht getauscht wird – zumindest bis zu ihrer Heirat.

Die Normalität des Tausches wird unterstrichen von der Vorherrschaft des Verbalen über das Nonverbale, die unsere Gesellschaft – und damit auch unsere Kindheit – kennzeichnet. Schließlich eignet sich das Kind die Sprache in genau jener ödipalen Periode an, in der sich die Maskulisierung vollzieht. Die frühzeitige Genitalisierung des Buben wird von der Bedeutung der Sprache, der Benennung und dem Transfer des Buben von der mütterlichen in die väterliche Kategorie (oder zumindest in die des männlichen Prototypen) ermöglicht. Der monetäre Tausch zeichnet dann die ödipale Situation nach und bestätigt sie damit genauso wie den Moment der Genitalisierung. Ex-change (Tausch) ist wirklich ein Sex-change (ein Tausch des Geschlechts).

Alfred Sohn-Rethel, Geistige und körperliche Arbeit. Sohn-Rethel denkt, dass die Tauschabstraktion, die vom Tausch der Waren kommt, der gesellschaftliche Nexus ist. Ich glaube, dass der Tausch der Waren von der Maskulisierung kommt – und diese damit die Basis der Tauschabstraktion ist.

Das Ausleben der Maskulisierung auf dem Markt

Die Welt der Waren imitiert die Welt des Patriarchats. Die Sohn-Ware wird dem Geld-Vater präsentiert und ihm als gleich befunden, als etwas, das sich auf ihn als ein Äquivalent bezieht und dem erlaubt wird, in seine Kategorie einzutreten – der privilegierten Kategorie der Dinge, die monetären Wert haben. Um dies tun zu können, wird die Sohn-Ware von der Mutter- Besitzerin-Produzentin(-Arbeiterin) aufgegeben. Der Platz der Mutter-Besitzerin-Produzentin wird zuerst vom Geld als dem Kategoriemodell für die Sohn-Ware eingenommen, und dann von den Kaufenden als denen, auf die dieses Eigentum als seine BesitzerInnen bezogen ist. Die Mutter-Besitzerin-Produzentin gibt die Sohn-Ware auf, damit er auf etwas anderes als seine (ursprüngliche) Besitzerin bezogen werden kann. Dann werden die Rollen geändert und das Phallus-Vater-Geld dient dazu, die Produkte anderer auf etwas beziehen zu können. Dann kann eine andere Mutter-Besitzerin-Produzentin das Produkt-Kind aufgeben.

Wenn das Produkt als ihm gleich befunden wird, dann kann das Phallus-Vater-Geld dazu gebracht werden, das kommunikative Bedürfnis nach einer Möglichkeit zu befriedigen, eine Beziehung zu schaffen (oder zu ändern) und von dem Mutterprototypen zum Vaterprototypen zu wechseln – so wie das Produkt von den Verkaufenden zu den Kaufenden wechselt. Die Verkaufenden (die Mütter) beziehen ihre Sohn-Ware auf das Geld (den Vater), wägen sie gegeneinander ab und befinden sie als gleich, wenn sie beide der privilegierten Kategorie der wertvollen Dinge angehören. Der Prozess, das Produkt mit einem Tauschwert auszustatten („zu benennen“) ersetzt – wie der Prozess, der den Buben als „männlich“ benennt – den Prozess des Schenkens und Erhaltens brauchbarer Güter. Doch es sind nicht die Bedürfnisse anderer, die den Tausch bestimmen, sondern das Prinzip der „effektiven Nachfrage“. So wird das Geld, andere besitzen, interessant – in Hinsicht auf unser eigenes Bedürfnis nach Geld. Ziel wird, die Besitzbeziehungen anderer zu ihren brauchbaren Gütern zu ändern, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen. Das materielle Bedürfnis wird vom definitorischen Meta-Bedürfnis überlagert.

Der Gebrauch des Wortes labor im Englischen (sowohl „Arbeit“ als auch eine Bezeichnung für den Prozess des Gebärens: to be in labor – Anm. d. Übers.) ist interessant. Der Verwendung des Wortes nach scheint es so, als würde die Mutter ihren Sohn aufgeben, sobald sie ihre labor abgeschlossen hat und er „delivered“ (im Englischen sowohl „geliefert“ als auch „entbunden“ – Anm. d. Übers.) wird, um in dem Moment geschlechtlich definiert und auf den Begriff „männlich“ bezogen zu werden, in dem die Hebamme oder der Doktor sagt: „Es ist ein Bube!“ So schnell gibt die Mutter also ihren Sohn und die Möglichkeit, selbst Prototyp für ihn zu sein, auf. Und wofür? Für ein Wort! „Am Anfang [sobald er geboren wurde] war das Wort!“ Der Bub hatte nie eine Chance.

Durch den Prozess des Kaufens-um-zu-Verkaufen arbeitet sich das Phallus-Vater-Geld immer und immer weiter durch das gesellschaftliche Feld und bezieht Sohn-Waren auf sich, was es ihm auch erlaubt, sich selbst als allgemeines Äquivalent zu bestätigen. Dann verwenden die Besitzenden des Phallus-Vater-Geldes ihre Sohn-Waren dazu, Bedürfnisse anderer zu befriedigen. Der Wert der Sohn-Waren für diese anderen ist größer als für die Besitzenden selbst, sodass die Quantität des Phallus-Vater-Geldes wächst. Die ökonomisch Operierenden werden in eine quasi-sexuelle Aktivität involviert: sie kaufen nicht, um die Ware zum Befriedigen eigener Bedürfnisse zu verwenden, sondern um die Anzahl ihres phallischen Geldes zu erhöhen, indem sie sie weiterverkaufen.

Von der Perspektive der Linguistik aus bringt die Interaktion der ökonomischen Kommunizierenden den Geld-Namen ins Spiel, sodass Dinge über ihre kollektiv geschaffenen Wortäquivalente auf Menschen bezogen werden können. Was von diesen Prozessen in Einkaufsläden sichtbar bleibt, ist die Hierarchie der Produkte, mit ihren Preisen vom niedersten bis zum höchsten – hier haben wir die „Söhne“ mit ihren Preisschildern als ihren Kennzeichen, mit Nummern, die zeigen, wie weit „oben“ sie sich in der Hierarchie befinden bzw. wie sehr sie ihren Geld-Namen „verdienen“.

Eine kollektive Psychose

Wir schaffen uns unsere Wirklichkeit gegenwärtig auf eine Weise, die schädlich ist. Es ist jedoch nicht notwendig, sie so zu schaffen. Damit meine ich nicht, dass es Bäume und Kühe, Berge und Autos, Kinder und Großmütter nicht gibt. Ich meine, dass wir einem manipulierten Prozess anheim gefallen sind, ihn ausgelebt haben und die Bilder, die er von sich selbst kreiert, als die Prinzipien anerkannt haben, nach denen wir unser Leben organisieren müssen. Die Fehlinterpretation davon, wer wir sind and was wir tun sollen, resultiert in der Belohnung „zu haben“ und in der Strafe „nicht zu haben“. Maskulisierung schafft eine kollektive Psychose, in der individuelle Männer gegeneinander darum wetteifern, der Prototypmann zu sein – genauso wie Armeen darum wetteifern, ihr Vaterland zur Prototypnation zu machen.

Die Funktion des Übernehmens (des Ersetzens) von Wörtern wird überbewertet und zu Herrschaft verkehrt, während die Funktion des Ausweichens (Ersetzt-Werdens) von Dingen zu Unterwerfung wird. Diese komplementäre Manipulation kann auf vielen verschiedenen Ebenen gefunden werden. In der Familie etwa wird das Übernehmen manchmal gewalttätig in Form der maskulisierten Geschlechterrollen oder der Dominanz der Erwachsenen über ihre Kinder durchgesetzt. Das Ausweichen kommt dabei der Frau oder den Kindern zu – sie müssen sich den Worten/Befehlen des Mannes gegenüber unterwürfig zeigen. Auf dem Markt wiederum nimmt das Geld Platz ein und das Produkt weicht aus – genauso wie der Tauschprozess allgemein Platz einnimmt und das Schenken ausweicht.

Das Patriarchat ist eine Mischung vertikaler definitorischer Bänder, deren Aspekte selbstähnlich sind und mit dem Markt in Verbindung stehen, wo die Vertikalität der Bänder auf den numerischen Ausdruck des Preises verschoben wird. Die Definitionen des Markts sind viele und sie sind kurzlebig. Die Definitionen des Übernehmens und Ausweichens sind im Gegensatz dazu langfristig – angepasst an die Anforderungen von Befehl und Gehorsamkeit, wie wir sie z.B. von politischen, militärischen oder klerikalen Hierarchien her kennen.

Obwohl auch in diesen Hierarchien viele einzelne kurzlebige Akte von Übernehmen und Ausweichen (und von Befehl und Gehorsam) vorkommen können, fließen sie letztlich alle zusammen, um stabile langfristige Ordnungen zu schaffen. Auf dem Markt ist die Position des „Oberbosses“ nur von einem besetzt: vom Geld, dem allgemeinen Äquivalent. In menschlichen Hierarchien gibt es hingegen eine Kette, entlang der die oberen Einen von den unteren Einen nehmen bzw. anders herum gesagt: entlang der die unteren Einen den oberen Einen schenken und ausweichen, sodass sich eine Hierarchie von immer privilegierteren Einen ergibt.

Der zwischen Produkt und Bedürfnis liegende Moment, der auf Tausch und Gleichung beruht, wird zum Brennpunkt der gesamten Gesellschaft und verlangt Gleichheit mit Geld für den Zugang zu Waren. Die maskulisierende Definition übernimmt somit die Rolle der Fürsorge und etabliert sich überall als gesellschaftliches Modell.

Anstatt dass wir unsere Probleme dadurch lösen, die Materialisierung des Wortes auszuleben, haben wir die Realität manipuliert und verteilen Waren auf eine Weise, die sich als psychotisch bezeichnen lässt und letztlich nur dem Wohl einiger Weniger dient, dies jedoch zu einem Grade, der diese Wenigen beinahe allmächtig werden lässt – gemäß dem Traum des Buben. Auf ähnliche Weise verwenden wir unsere verbalen Möglichkeiten ausschließlich dazu, zu benennen und zu definieren, sowie einigen wenigen Menschen Privilegien zuzuschreiben und vielen anderen keine bzw. einige wenige zu haves zu machen und viele andere zu have-nots. Die Maskulisierung (und ihre Prioritäten) haben die Wirklichkeit kollektiv auf eine Schrecken erregende Weise verändert. Wenn wir aber verstehen – wie es östliche Religionen immer getan haben – dass diese Wirklichkeit nur eine Illusion ist, ein Alptraum, dann können wir einer Schenkökonomie die ewige Möglichkeit des wirklichen Traumes zurückgeben. Dann wird es uns möglich, wieder in diesen Traum aufzuwachen, indem wir eine Wirklichkeit (wieder)schaffen, die ein Geschenk für alle ist.

Der lange Arm der Geschlechtsdefinition

Trotz der abgewerteten Position, die das Schenken gezwungen ist, einzunehmen, bleibt es weiter kreativ und fördert das Leben. Es ist notwendig, Aktivitäten, die auf der Definition beruhen, zum Leben zu verhelfen – Aktivitäten, die, für sich selbst genommen, abstrakt und trocken bleiben. Die Verleugnung des Schenkens beinhaltet dementsprechend die Einbindung von Aspekten des Schenkens in das maskulisierte Modell post hoc. Patriarchale Religionen tun dies und befriedigen damit ebenso spirituelle Bedürfnisse (während sie gleichzeitig damit fortfahren, die Wichtigkeit des mütterlichen Modells abzuwerten) wie sie Altruismus verordnen. Manchmal schaffen maskulisierte Männer auch Bedürfnisse, um diese dann zu befriedigen. Zum Beispiel kann eine Gruppe maskulisierter Männer diejenigen, die ihnen schenken, isolieren und schwächen, indem sie sie feminisiert oder versklavt – nur um ihnen danach ihren „Schutz“ anzubieten, mithilfe dessen sie ihre phallische Hegemonie über sie ausüben. Auf ähnliche Weise gehen sie mit Gruppen anderer Männer um, die ihnen ihre hegemonielle Kontrolle streitig machen könnten. Nach diesen Prinzipien funktioniert zum Beispiel militärische Macht.

Der gute Wille maskulisierter Männer, den es durchaus gibt, kommt gewöhnlich leider erst spät ins Spiel – lange nachdem ihre Persönlichkeiten bereits vom Aufgeben des Schenkprinzips und der Annahme der männlichen Geschlechtsidentität geformt wurden. Was dem guten männlichen Willen dann meist nur noch bleibt, ist das Schaffen eines Standards für „moralisches Handeln“, wobei auch hier das Schenkprinzip keine Rolle spielt, obwohl es das einzige Prinzip wäre, das wirklich der Befriedigung von Bedürfnissen Priorität verleihen würde – und zwar nicht nur in den Leben der Individuen, sondern auch in den ökonomischen und politischen Institutionen der Gemeinschaft. Wenn die Gesellschaft als Ganze schenken und dem Schenkprinzip Wert verleihen würde, dann wäre Moral etwas wesentlich anderes. Sie hätte weit weniger mit individueller Heldenhaftigkeit und Willenskraft zu tun, da das gemeinschaftliche Wohl als Lebensvoraussetzung erkannt und kollektiv angestrebt würde.

Die ursprüngliche Struktur der Definition – der ihre Schenkaspekte genommen wurden – ist um vieles umfassender als die Geschlechtsdefinition und hat wenig mit ihr zu tun. Da sie jedoch trotzdem die Basis der Maskulisierung bildet, finden sich zumindest Spuren von ihr in der männlichen Geschlechtsidentität. Wobei es erst die Geschlechtsdefinition ist, die das Definiendum bzw. den Prototyp der Kategorieformation (der zur Schaffung der Geschlechtsdefinition beigetragen hat) überbewertet. An sich sind Definiendum und Prototyp nur Elemente der Definition, wie andere auch. Doch wurden sie in verschiedenen Kontexten – etwa im ökonomischen als der Wertprototyp Geld, aber auch in akademischen oder juristischen – überbewertet. Die Rolle des Geschlechts bleibt dabei meist verborgen – wie die Rolle des Schenkens.

Auch andere anscheinend geschlechtsneutrale Kategorien – wie etwa jene der Rasse – folgen dem Muster des Geschlechts und schaffen einen Wettbewerb um die Position des Kategorieprototyps, auf den bezogen alle anderen Teile der Kategorie – z.B. alle Rassen, die nicht als Prototypen gelten – unterlegen sind. Wie beim Geschlecht werden die Unterschiede in diesem Beispiel als physiologische gesehen, während es tatsächlich nur die Form der maskulisierten Definition ist, die impliziert, dass eine Gruppe einer anderen unterlegen sein, ihr ausweichen und ihr schenken muss. Politische und ideologische Systeme sowie Nationalismen folgen derselben Logik. Diejenigen, die innerhalb bestimmter nationaler Grenzen geboren wurden, können sich denen überlegen fühlen, die außerhalb dieser geboren wurden, selbst wenn es überhaupt keine Unterschiede zwischen ihnen gibt. So kann eine gesamte Nation die Position des allgemeinen Äquivalents (des Prototyps) einnehmen, um die Egos der gesamten Bevölkerung zu stärken, die sich jetzt als Teil der vermeintlich überlegenen Nation sehen dürfen. Politische Systeme, Religionen oder Interessensgruppen folgen alle diesen Mustern im Etablieren hegemonieller Herrschaft.


Sogar die Bibel sagt: „Wer da hat, dem wird gegeben werden.“ (Matthäus 25:29, Lukas 19:26)

Auf einer anderen Ebene dieses Prozesses nimmt der monetäre Tausch den Platz des direkten Tausches ein, der seinerseits ausweicht. Es gibt also zumindest drei Ebenen von Platz-Einnehmen/Übernehmen und Ausweichen, die für die Entwicklung des monetären Tausches wesentlich sind. Diese drei Ebenen bleiben uns immer erhalten und wir können jederzeit auf eine „frühere“ zurückkehren. Wir können also jederzeit Güter anstelle von Geld tauschen – und wir können sogar jederzeit überhaupt nicht mehr tauschen, sondern unsere Güter denen schenken, die ein Bedürfnis nach ihnen haben.

Ich glaube, dass soziale Bewegungen die Gleichheit zu einem zu starken Kriterium machen, da sie deren Bedeutung für die Welt des Marktes unterschätzen. Ich denke, wir sollten uns statt der Gleichheit der qualitativen Vielfalt als Wert zuwenden.

Profit

Die Definition kann manipuliert werden zugunsten der Überlegenheit derer, die sie in verschiedenen Bereichen des Lebens anwenden, genauso wie sie dazu verwendet werden kann, die Überlegenheit von Männern zu bestätigen bzw. zu steigern. Es scheint so, als wären wir anderen überlegen, wenn wir auf mehr bezogen sind, das sich in der Position des ökonomischen Definiendums, des Geld-Worts, befindet. Es scheint so, als würde sich die Geburtssituation immer und immer wieder wiederholen: eine Person rückt in die überlegene Kategorie aufgrund ihrer Beziehung zum allgemeinen Äquivalent (Wort-Mann-Geld) und ihrer Aufgabe des Schenkens. Wenn wir genug vom allgemeinen Äquivalent (dem Geld) haben, erlaubt uns das, die Zeit anderer für unsere eigenen Zwecke zu kaufen und zu kontrollieren. Indem wir von denen, die wir für ihre Arbeitszeit bezahlen, auch erwarten, dass sie uns unbezahlte Arbeit schenken – deren Produkte wir dann verkaufen – können wir Profit machen und Kapital akkumulieren. Wenn wir dazu die phallischen Dimensionen des allgemeinen Äquivalents – und vor allem des Kapitals – bedenken, dann können wir die sexuellen Konnotationen der Investition verstehen: das „Hineinstecken“ von Geld in etwas, um mehr herauszubekommen und dieses Mehr zu reinvestieren, bis wir schließlich Profit ernten.

Wir müssen realisieren, dass jedes Mal, wenn wir Profit machen, einige – oder sogar viele – andere Menschen etwas schenken, auch wenn wir glauben, dass der Profit eine Belohnung an uns ist bzw. etwas, das wir „verdient“ haben. Auch hier wiederholt sich letztlich nur das Verdienen des Mannes, der maskulisiert agiert, dadurch in die privilegierte Kategorie eintritt und den Namen „Mann“ verdient. Tatsächlich besteht die Belohnung des Mannes aus Geschenken, die er erhält – Geschenke, die er selbst nicht mehr zu schenken bereit war, als er in die privilegierte männliche Kategorie eintrat. Wenn die geschlechtlichen Dimensionen der Definition von unserem ökonomischen Leben herrühren würden, wären sie leichter zu identifizieren und zu verfolgen. Doch sowohl die geschlechtlichen Charakteristika der Männer als auch die funktionellen Charakteristika unserer Tauschökonomie haben ihren Ursprung in der maskulisierten Definition, die Männer privilegiert und sie ihren fürsorglichen Müttern entfremdet.

Es ist so, als würden die Buben kollektiv fragen: „Warum bin ich ein Bube und nicht wie meine wundervolle Mutter?“ Doch sie alle müssen sich der Antwort fügen: „Das ist so, einfach weil es so ist.“ Sie haben keine Mittel, diese Bestimmung abzuwehren. Das männliche Modell ist, wonach sie sich – wie ihre Väter vor ihnen – zu formen haben. Erst in diesem Prozess entdecken sie ihre männlichen („menschlichen“) Charakteristika. Es ist so, als ob verschiedene Anforderungen zusammenfallen, um normale Männlichkeit und ihre Dominanz in Benennungs- und Kategorisierungsprozessen zu schaffen: man selbst zu sein; gleich zu sein; einem Prototypen gleich zu sein; ein Prototyp zu sein; die Welt zu sein. Diese bedrückende Situation wird dann auf die Gesellschaft als Ganze projiziert und schafft schließlich die Lebensform (im Original deutsch – Anm. d. Ü.) des ökonomischen Tauschwegs. Der Prototyp des Vaters hat dieselben Charakteristika wie das Sein, genauso wie sie sein Vater vor ihm hatte, und so weiter. Es gibt unendliche Generationen von Vater-Prototypen. Kein Wunder, dass die das Schenken verleugnende männliche Identität, die bis vor kurzem mit menschlicher Identität im Allgemeinen gleichgesetzt wurde, seit langem einen so prominenten Platz im philosophischen Diskurs einnimmt. Sie war und ist immer noch die Quelle, nicht einer höheren Bestimmung, sondern unserer Probleme.

Mehr Haben

Die Ursache des ständigen Wunsches, mehr zu haben, kann vielleicht in der Tatsache gefunden werden, dass der Penis des kleinen Buben wesentlich verschieden und um vieles kleiner als der seines Vaters ist. Wenn der Phallus das Kennzeichen der männlichen Kategorie ist, dann kann der Bube sich nicht wirklich dem Prototypen gleich und der Kategorie vollständig zugehörig fühlen, bis er einen größeren Penis hat. Das Bedürfnis, der Kategorieprototyp zu werden bzw. die Position des allgemeinen Äquivalents oder des Wortes zu besetzen, würde also das Bedürfnis nach einem größeren Penis implizieren. Diesen zu haben, ist dem Buben allerdings unmöglich. Stattdessen erfährt er, dass er selbst, seine Brüder, seine Mutter und seine Schwestern vom großen phallischen Vater beherrscht (und manchmal misshandelt) werden. Der Vater lebt dabei die Rolle des maskulisierten Prototyps aus, die er selbst seit seiner Kindheit angestrebt hat (und die auch ihm damals noch unmöglich einzunehmen war).

Der Bube, der sich in einem Konkurrenzkampf mit dem Vater um die Äquivalenzposition befindet, mag also das Bedürfnis nach einem großen Phallus und seinen ökonomischen und symbolischen Entsprechungen entwickeln, um sich – und die Frauen, mit denen er immer noch (zumindest zu einem gewissen Grad) in einer Schenkstruktur verbunden ist – gegen den Vater, aber auch gegen andere nach Dominanz strebende Männer, verteidigen zu können. Der Bube lernt also früh, auf diese Weise nach Herrschaft bzw. nach der Rolle des Definiendums zu streben. Dabei sieht er sich zunächst freilich mit einem entscheidenden Nachteil konfrontiert: denn auch wenn die Fürsorge der Mutter alle Größenunterschiede zu nivellieren versucht (indem sie den Buben beschenkt und ihm selbst das Schenken in Form von Zeichen, die sie ihn lehrt, ermöglicht), ist es ihm zum Zeitpunkt seiner Geschlechtsdefinition noch unmöglich, seine Geschlechtsanforderung zu erfüllen. Er muss zu diesem Zeitpunkt noch zwangsläufig auf etwas bezogen und ein Teil der Vielen bleiben, weil er noch zu klein ist, um ein Prototyp bzw. ein Eines zu sein. Gleichzeitig liegt das im Kontext der Familie auch in der Logik der Sache: schließlich kann nur einen Einen geben.

Vielleicht liegt im Grunde aller Gewalt, Macht und Habgier die Begierde, größer zu sein (mehr vom phallischen Äquivalenten zu haben), um die Position des Einen okkupieren zu können, die von der männlichen Geschlechtsdefinition verlangt wird. Auch Mädchen können in diesen Wettbewerb um Überlegenheit eintreten, obwohl sie nicht den physiologischen Phallus haben und oft (zumindest zu einem gewissen Grad) den Werten des Schenkens und der Mütterlichkeit verhaftet bleiben, mit denen sie sozialisiert wurden.

Da der Vater oft abwesend ist, kann es passieren, dass der Bub, dem das Modell der Mütterlichkeit genommen wurde, gänzlich ohne Modell für seine Identität bleibt. Zwar ist er sich seiner formalen Geschlechtsdefinition bewusst, kann aber keinen Inhalt mit der von ihr konstituierten Kategorie verbinden. Wenn wir in diesem Zusammenhang an die Gewalt denken, die viele große Männer gegen jene verüben, die kleiner sind, dann wird klar, dass Größe (Quantität) eine Besessenheit werden kann – und zwar nicht nur von Individuen, sondern von ganzen Kulturen. Würde die Erde Besuch von einem anderen Stern erhalten, würden die Besuchenden sicherlich verwundert sein über die immer höheren Wolkenkratzer, mit denen Firmen ihre Macht demonstrieren wollen. Die, die in den Stahltürmen Büros haben, sind natürlich denen überlegen, die Büros in kleineren Gebäuden haben. Diejenigen in den höheren Gebäuden haben mehr Geld und mehr Macht und sind dem Kategoriemodell des Vaters bzw. des erwachsenen Mannes näher, dessen Rolle der kleine Bub nur anstreben kann. Letztlich ist es die Erektion, die so anders und so viel größer als der Penis des Buben ist (ganz abgesehen von allen erotischen Konnotationen). Sie ist es, die die Wolkenkratzer – genauso wie Gewehre oder Raketen – imitieren sollen.

Diese Gebäude legen also Zeugnis ab von dem Ausschluss des mütterlichen Modells. Persönlich betroffen von diesem Ausschluss sind nicht die Buben (da sie – wenn auch zunächst nur als Viele – in der privilegierten männlichen Kategorie bleiben dürfen), sondern all jene, denen das Phallus-Wort-Geld fehlt. Diejenigen, die Waren haben, lassen diejenigen, die Bedürfnisse haben, oft genug sterben, wenn sie kein Geld haben, anstatt ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Frauen (denen der Phallus fehlt) bezahlen hart dafür, dass sie den Buben einer anderen Kategorie überlassen haben. Sie müssen ihm als Buben heimlich den Geld-Phallus als Mehrwert vermitteln. Gleichzeitig wird das Schenken paradoxerweise als heuchlerisch gesehen. Nie würde es als ernsthafte Alternative zum Tausch als Verteilungsmodell akzeptiert werden.

Was ebenfalls versteckt geschieht, ist das Ausbeuten von Ressourcen zur Produktion phallischer Symbole und die unendliche Ausweitung des Kapitals, das sich gleichzeitig immer weiter von den Bedürfnissen der Vielen entfernt. Güter und Arbeitskraft fließen unentwegt von den Vielen zu den Einen, vom Schenken zu Markt und Kapital, von der so genannten Dritten zur Ersten Welt. Wir unterliegen jedoch der Illusion, dass es anders herum läuft. Wie in der Formation der Kategorie erhält der Prototyp seinen Wert von der Existenz anderer Objekte derselben Art – nur findet hier ein tatsächlicher Transfer von Reichtümern statt.


See Carol Gilligan, Nona P. Lyons, Trudy J. Hanmer, Making Connections.

Die „Geschenke“ von der Ersten an die Dritte Welt sind eigentlich Teile versteckter Tauschakte. Sie kehren letztlich immer wieder zur Ersten Welt zurück. Vergleiche zum Beispiel die Arbeiten des DAWNE-Kollektivs, sowie: Gita Sen und Karen Grow, Developmental Crisis and Alternative Visions; Susan George, How the Other Half Dies; und Vandana Shiva, Staying Alive.

Strafe durch Mangel

Die gesamte oben beschriebene Situation könnte auch gelesen werden als Vergeltung der Gesellschaft gegen die Mutter und ihren schenkenden Weg – dafür, dass sie den Buben dem Vater überlassen hat. Das Prinzip der Vergeltung ist Teil des Tausches und geht mit ihm einher. Die Verlagerung der Waren weg von den Bedürfnissen und hin zu den Besitzern des Phallus-Wort-Geldes schafft einen Mangel, der dem Schenken unerhörte Lasten auferlegt, es diskreditiert und ihm, wenn es nicht völlig verunmöglicht wird, schwere Opfer abverlangt. In dieser Situation trotzdem mit dem Schenken fortzufahren, verlangt enorme Anstrengung und beinahe unvorstellbare Hartnäckigkeit. Frauen sind deshalb oft masochistisch genannt worden.

Anstelle dessen sollte die Härte der Situation das System und diejenigen treffen, die den Mangel geschaffen haben. Die Motivationen, die hinter dem Handeln liegen, kommen von ihrem Versuch, mit dem Wechsel der Geschlechtskategorie zurecht zu kommen, zu der sie als Buben gezwungen wurden. Wir Frauen neigen in unserer mütterlichen Großzügigkeit dazu, Verständnis zu zeigen und die Buben/Männer in allem zu unterstützen, doch muss dies ein Ende haben. Es ist keine angemessen Antwort auf die Konsequenzen ihrer Handlungen und der Institutionen, die sie schaffen: die Tode von Millionen durch Krieg, Hunger und Krankheit, sowie die ökologische Zerstörung unseres Planeten.

Der Mangel nützt dem Patriarchat auf verschiedene Weise. Er erschwert das Schenken, sodass dieses nicht als viel versprechende Alternative zum Tausch erscheinen kann. Er straft die Mütter und das Schenken dafür, dass sie ihre Buben dem Vater überlassen und ihnen mehr allgemeines Äquivalent (kurz: Geld) als den Mädchen versprochen haben. Diejenigen, denen es dabei gelingt, zu Prototypen zu werden, können dann ihre ökonomischen Exzesse in phallischen Symbolen aller Art materialisieren. Diejenigen, denen das nicht gelingt, versuchen dies vielleicht durch eine Identifikation mit einer Gemeinschaft auszugleichen, die zu den haves der Gemeinschaften zählt – was sich im Haben großer und mächtiger Gewehre, Flugzeuge oder Bomben ausdrücken mag.

Selbst im Überfluss zu haben, während andere im Mangel leben, erlaubt denen, die haben, sich überlegen zu fühlen und hier und dort kleine Geschenke als philanthropische Gesten zu verteilen. Meist geschieht selbst dies jedoch nur, um die have-nots zu manipulieren. Eine ähnliche Manipulation findet sich in der kalkulierten Verteilung von Anerkennung – für Intelligenz, Schönheit, Wissen oder Kompetenz. Kommt es zu solchen Anerkennungen, werden sie meist von monetären Wertzuschreibungen begleitet.

Die Ausbeutung der Ressourcen der Vielen durch die wenigen Privilegierten, die Reichtum akkumulieren, hat die Ökonomien und Ökosysteme der Erde entscheidenden Veränderungen unterzogen. Die Reichtümer der Wenigen und die Gräben zwischen ihnen und den Vielen vermehren bzw. vergrößern sich dabei zusehends. Dies schafft auch ein Verlangen nach Sicherheit, das aufgrund der ständigen Drohung des Mangels besonders intensiv wird. Heute scheint es so, als riskieren selbst Männer den schnellen Fall in die Kategorie der have-nots, wenn sie nicht entsprechend vorgesorgt haben.

Vielleicht kann uns verziehen werden, wenn wir den Markt und das Patriarchat mit wenig Respekt betrachten. Es scheint sich um eine Art tragisch-komisches Passionsspiel zu handeln, in dem die Entfremdung des Buben von seiner Mutter und seine gleichzeitige Unterwerfung unter die Kategorie des Vaters endlos reproduziert wird. Darin findet sich der Grund der psychologischen Verwirrung, in der wir uns befinden und die uns davon abhält, dem mütterlichen Weg zu folgen; und das, obwohl Millionen von Kindern – beider Geschlechter – verhungern. Die Augen unserer hypothetischen Besuchenden von einem anderen Stern würden sich zweifelsohne mit Tränen des Mitleids füllen für diese potentiell so wunderbare Spezies Mensch, die sich aufgrund eines ursprünglich kleinen und unschuldigen Fehlers solche enorme Probleme eingehandelt hat.

Ich, liebe LeserInnen, heule in der Nacht.

Wenn ihr das versteht, tut ihr das vielleicht auch.

 

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