Wert
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„Gracias a la Vida“
Wenn wir das Schenken ernst nehmen, können wir mehr über unsere Beziehung zur Wirklichkeit als Gegebenem verstehen. Ich glaube, dass es ein bestimmtes „Saatkorn“ unserer Erfahrung gibt, das von der Fähigkeit kommt, zu schenken und zu empfangen. Wir haben uns so entwickelt, dass wir Dinge auf dieser Ebene wahrnehmen. Zum Beispiel nehmen wir Äpfel nicht als eine Sammlung von Atomen wahr, sondern als runde, rote Objekte wahr, die wir von einem Baum pflücken und anderen zu essen geben können. Wir tun dies deshalb, da wir die Äpfel nicht als Atome schenken und empfangen können, sondern nur als runde, rote, schmackhafte Objekte. Es ist wohl vorstellbar, dass wir uns auch Atome zukommen lassen (durch Osmose etwa), aber es wäre sehr schwierig, gegenseitige Fürsorge auf Atomen aufzubauen. Wie würden wir etwa Atome an einen anderen Ort transportieren, sie lagern, bearbeiten, einer anderen Person schenken, usw.? Auf der Ebene der Wahrnehmung, sowie der körperlichen Integrität und der körperlichen Fähigkeiten, die wir uns im Laufe unserer Entwicklung angeeignet haben, können wir hingegen relativ leicht gegenseitige Fürsorge aufbauen. Wir brauchen dazu nur Dinge einer bestimmten Art und Größe. Mithilfe der Sprache lässt sich unser Saatkorn des Schenkens und Empfangens weiter ausdehnen. Die Sprache gibt ihm zusätzliche Dimensionen kollektiver Bedeutung, Begrifflichkeit, Allgemeinheit, Vorstellung, Raum, Zeit.
Es könnte eine Theorie des Wissens entwickelt werden, die Wissen unmittelbar mit Dankbarkeit verbunden sieht. Dankbarkeit, die von den Individuen als Empfangende der Geschenke des Lebens, der Natur, der Kultur und anderer Individuen erfahren wird. Dankbarkeit, mit der wir auf unsere unaufhörliche Lebenserfahrung antworten und aufgrund derer wir uns sowohl der Geschenke als auch ihrer Quellen erinnern: der Nahrung, die wir zu uns nehmen, der Wörter, die wir lernen, der Menschen, die uns schenken, und der Kulturen, derer diese Menschen entstammen.
Menschen, denen die guten Dinge des Lebens aufgrund von Armut, Grausamkeit oder Krankheit vorenthalten werden, wird damit auch ihr Menschenrecht auf Wissen vorenthalten, ebenso wie jenes, die Geschenke des Lebens mit Dankbarkeit erfahren zu dürfen. (Das Lied „Gracias a la Vida“ von Violeta Parra drückt die Dankbarkeit aus, die alle von uns, reich oder arm, für die einfachsten Geschenke des Lebens empfinden können.) Leider haben wir die Dankbarkeit von der Mutter auf den Vater übertragen und bauen auf diese Übertragung und den Tausch. Wir sind des Vaters und des Tausches bewusster als des Schenkens, dem gegenüber wir gelernt haben, undankbar zu sein. Wir sehen den Tausch und das Ego als überlebensnotwendig und sind dankbar für eine Chance, am Markt teilhaben zu können.
Kreative Empfänglichkeit und das schenkende Saatkorn
Wenn wir Empfänglichkeit als passiv auffassen (und Passivität als empfänglich), dann werden wir niemals unsere Wechselbeziehungen mit unserer Umwelt, unserer Sprache und unseren Mitmenschen verstehen. Dinge haben Qualitäten, die für uns wertvoll sind, weil wir auf sie antworten bzw. sie empfangen können. (Es ist nicht so, dass sie nur existieren, weil wir sie empfangen können, doch ihre Nützlichkeit kommt davon, dass wir sie für unsere Bedürfnisse verwenden können.) Ein Apfel scheint uns rot, rund und schmackhaft zu sein, weil wir physisch, psychisch und sozial die Fähigkeit entwickelt haben, ihn kreativ zu empfangen. Gleichermaßen haben wir physisch, psychisch und sozial die Fähigkeit entwickelt, auch das Wort „Apfel“ kreativ zu empfangen, da es Äpfel in der Kommunikation als Wortgeschenk ersetzt (obwohl es selbst weder rot noch rund noch schmackhaft ist).
Wenn wir dazu fähig wären, Äpfel als Sammlungen von Atomen zu schenken und zu empfangen, hätten wir vielleicht auch die Fähigkeit entwickelt, sie als solche wahrzunehmen. Aber wir haben keine Fähigkeit, mit ihnen als Sammlung von Atomen umzugehen oder sie als solche zu schenken. Anstelle dessen haben wir in Verbindung mit unserer Sprache die Fähigkeit entwickelt, sie als rund, rot und schmackhaft wahrzunehmen. Vielleicht können wir insgesamt sagen, dass die Weisen sensueller Wahrnehmung, die wir entwickelt haben, den Komplexitätsebenen unserer Aktivitäten entsprechen. In diesem Sinne nehmen wir auch Laute als Laute wahr und nicht als Luftvibrationen.
Phänomene, die auf einem sehr feinen Saatkorn beruhen, z.B. eine Sammlung von Atomen oder die Aktivitäten von Enzymen, sind für uns genauso schwierig zugänglich wie jene, die auf einem sehr groben Samen beruhen, z.B. die Migration von Menschen. Wir haben weder für erstere noch letztere die Mittel, sie zu schenken bzw. kreativ zu empfangen. Sowohl Messinstrumente für Feinheiten (z.B. Mikroskope) als auch Untersuchungsmethoden für Grobes (z.B. soziologische Statistiken) wurden entwickelt, um Phänomene auf Ebenen zu studieren, die uns nicht unmittelbar zugänglich sind. Es geht dabei immer darum, Bedürfnisse zu befriedigen, die selbst auf einer uns unmittelbar zugänglichen Ebene liegen. Heute bestehen diese Bedürfnisse gewöhnlich darin, Profit abzuschöpfen. Das Studium der Enzyme wird somit zur Produktion von Medikamenten verwendet und die soziologischen Studien zur Ausbeutung von MigrantInnen als Billigarbeitskräften. Wenn wir keine wissenschaftlichen Informationen haben, müssen wir auf die Einflüsse feinerer oder gröberer Realitäten passiv reagieren. Somit nehmen wir Essen nicht länger als Geschenk wahr, wenn es einmal in unseren Magen eingetreten ist, sondern werden passiv und lassen dem automatischen Prozess der Enzyme seinen Lauf.
Unsere Sprache und die Welt, die wir wahrnehmen, sind abgestimmt auf eine Ebene, auf der wir ohne spezielle Instrumente wie Mikroskope oder Teleskope und ohne Untersuchungen oder Statistiken einander schenken und voneinander empfangen können. Wenn wir diese Ebene unabhängig von der Sprache betrachten, dann ist es die Ebene der sensuellen Daten, die Ebene der Welt als „Gegebenes“. Wir können sie aber nur so betrachten, wenn wir gleichzeitig Sprache haben. Wenn die Sprache ursprünglich von schenkender materieller Kommunikation kommt, dann ist ihr Saatkorn mittlerweile um vieles feiner geworden als jenes der materiellen Geschenke, die von Menschen einander gegeben werden. Wir können über die Farbe Rot miteinander kommunizieren und darüber, dass sie sich auf der Brust des Rotkehlchens befindet, das im Baum singt – aber wir können weder die Farbe selbst noch ihre Verortung schenken.
Viel wissenschaftliche und philosophische Anstrengung geht in die Untersuchung unserer sensuellen Daten und dessen, was erfahrungsmäßig gegeben ist. Diese Untersuchung findet jedoch statt, nachdem wir unsere kommunikativen Weisen des Schenkens und Empfangens bereits als Kleinkinder entwickelt haben, mit anderen Worten: nachdem wir uns bereits Sprache angeeignet haben. Sensuelle Daten und Erfahrungen werden als Gegebenes untersuchbar, nachdem die Fürsorge das grobkörnige Element des Schenkens und Empfangens bereits als wichtig etabliert und die Sprache den Untersuchenden das feinkörnige Element der Analyse geschenkt hat, das in einem gemeinschaftlichen Lebensprozess entwickelt wurde.
Die Ausdehnung der Zahl der Ersatzwortgeschenke, die uns helfen sollen, die vielfältigen Aspekte unserer Erfahrung abzudecken, die nicht direkt zugänglich sind, schafft die kollektive Feinkörnigkeit, die „unschenkbare Geschenke“ als „feinkörnige Gegebenheiten“ verstehbar werden lässt. So können wir die Farbe Rot, den momentanen Ort des Rotkehlchens, die detaillierten geologischen, botanischen, biologischen oder auch kulturellen Phänomene dieser Welt als „gegeben“ begreifen, da wir über sie kommunizieren und unsere gegenseitigen kommunikativen Bedürfnisse in Bezug auf sie befriedigen können. Mit anderen Worten: Wir können mithilfe der Sprache menschliche Beziehungen in Bezug auf diese Phänomene schaffen, obwohl wir sie nicht materiell schenken können.
Es gibt verschiedene Gründe, warum es nicht zu materiellem Schenken kommen kann. Ein Berg kann beispielsweise nicht geschenkt werden, weil er zu groß ist. Die Farbe Rot kann nicht geschenkt werden, weil sie nicht unabhängig von anderen Objekten existiert: wir können einen roten Ball schenken – aber nicht die Farbe Rot ohne den Ball (genauso wenig wie wir den Ball ohne irgendeine Farbe schenken könnten). Darüber hinaus ist die Wahrnehmung der Farbe Rot oft subjektiv (etwa in Form eines Nachbilds). Schließlich können Momente oder Ereignisse nicht geschenkt werden, da sie vergänglich und flüchtig sind. Beispielsweise kann der Moment eines im Baum singenden Vogels nicht geschenkt werden, da sich seine Komponenten leicht ändern können: der Vogel kann jederzeit aufhören zu singen, wegfliegen und einen neuen (oder viele neue) Moment(e) schaffen.
Wir können Momente und Ereignisse als Gegebenes und als Geschenk weitergeben, wenn wir ihre konstanten und reproduzierbaren Teile (den Vogel, den Gesang, den Baum) auf die Wörter beziehen, die ihnen in unserer Gesellschaft gewöhnlich als Ersatzgeschenke gegeben werden. Wenn wir diese kombinieren und ordnen (zusammen mit einigen Bestimmungswörtern oder „Kennzeichen“ wie „der/die/das“ oder „in“ oder „-end“), bringen wir sie dazu, einander zu schenken und voneinander beschenkt zu werden, indem wir kontingente Ersatzgeschenke in Form von Sätzen bilden. Diese können wir dann anderen Personen schenken und somit wird mit ihrer Hilfe materiell Unschenkbares schenkbar. So wird Gemeinschaft geformt. Es sind die Geschenke, die wir einander geben, die es uns ermöglichen, unsere sich ständig ändernden Erfahrungen als einen kollektiven Grund zu begreifen, der uns allen gemeinsam geschenkt wurde.
Wenn wir einmal gelernt haben, zu kommunizieren und Sprache zu gebrauchen, ist es nicht nötig, den beschriebenen Prozess ständig zu wiederholen. Wir können die Sprache dann oft beiseite lassen und sensuelle Daten einfach als gegeben begreifen. Doch heißt das nicht, dass wir das tun könnten, wenn wir uns nie Sprache angeeignet hätten. Der Akt, Sprache zu vermeiden, setzt Sprache voraus. Die Welt, die wir erfahren, ist ein Geschenk und ein Gegebenes, da wir, dank unserer Sprachfähigkeit, ihre Teile kreativ empfangen und schenken können. (Die meisten Dinge wurden wahrscheinlich nicht als Geschenke gegeben, aber in der Anwendung unserer Schenkstruktur können wir sie zu solchen machen.)
So wie das Empfangen kann auch das Ausweichen kreativ sein und anderen Wert zuschreiben. Dinge weichen Wörtern als Geschenken aus, weil wir sie dazu zwingen , indem wir sie ersetzen. Aber wir zwingen auch Wörter dazu, das zu tun, was wir wollen. Das Ausweichen schreibt anderen auf implizite Weise Wert zu, auf dieselbe Weise, auf die das Schenken den Wert anderer impliziert. Dem Wert, der Wörtern von Dingen gegeben wird, die ihnen erlauben, ihre verbalen Ersatzgeschenke zu sein, wird entsprochen von dem Wert, den Menschen Wörtern geben als einem Mittel, die kommunikativen Bedürfnisse anderer zu befriedigen. Wörtern wird damit von zumindest zwei Richtungen Wert zugeschrieben (zusätzlich zu ihrem Positionswert in der langue). Im gemeinsamen momentanen Ausweichen erscheinen die Dinge, die von den in einem Satz kombinierten Wörtern ersetzt werden, von besonderer Wichtigkeit und wir lassen ihnen unsere Aufmerksamkeit zukommen, während wir ihr Umfeld vernachlässigen.
Die verbale Vermittlung einer Wahrnehmung oder einer Erfahrung konstituiert ein sekundäres Geschenk, das uns gemeinsamen Zugang zur Wahrnehmung oder Erfahrung als Wert bzw. als kommunikatives oder materielles bedürfnisbefriedigendes Gut verschafft. Wir können uns auf verschiedene Weisen zu diesem Gut verhalten, wir können es einander schenken, es alleine konsumieren, es herumreichen, es mit anderen Gütern kombinieren, es auseinander nehmen, es aufbewahren, usw. Wir können es auch einfach dazu verwenden, kommunikative Bedürfnisse zu befriedigen und uns in diesem Sinne alle von ihm beschenken lassen – von Äpfeln zum Beispiel. Die Sprache hilft uns, über Äpfel nachdenken zu können, auch wenn keine Äpfel präsent sind – ja wir können das schlussendlich auch tun, ohne sie direkt auf Wörter zu beziehen. Unser Denken bleibt dabei immer auf Gemeinschaft ausgerichtet , weil es immer kommunikative Bedürfnisse gibt und den Bedarf nach Wortgeschenken. Dieser Bedarf kann nur kollektiv gedeckt werden.
Der Wert, der auf der Ebene des Sprachvorrats (der langue) Wörtern von Dingen und Dingen von Wörtern geschenkt wird, ist grobkörniger als der Wert, der von Sätzen geschenkt wird. Wörter wie Dinge sind allgemeine kulturelle Geschenke, die sowohl vom Kollektiv als auch von den Individuen kreativ empfangen werden (die Vielen sind mehr als eine bloße Sammlung von Einen). Mit Ausnahme der speziellen Fälle des Benennens, Definierens und Sprachlehrens schafft der Gebrauch von in Sätzen kombinierten Wörtern Geschenke von Individuen, die von anderen kreativ empfangen werden. Damit befriedigen Sätze kommunikative Bedürfnisse auf feinkörnigere Weise als einzelne Wörter. Das gleiche gilt für die Wertzuschreibung.
Es finden hier zwei unterschiedliche Prozesse statt: Zum einen wird das meta-linguistische Geschenk eines Wortes durch Benennen und Definieren gegeben (darauf bauen Maskulisierung und Tausch auf) – zum anderen nutzt die Sprache Schenkprozesse, um ständige Kommunikation, sowie die Entwicklung des sozialen Subjekts und Objekts, sowie ihrer Gemeinschaft, ihrer Welt und ihrer Weltanschauung, zu ermöglichen. Die Existenz unterschiedlicher Ebenen erlaubt individuelles Schenken und Empfangen auf der Basis sozialen Schenkens und Empfangens – ein Wechselspiel zweier unterschiedlicher Saatkörner.
Dinge, die wichtig oder wertvoll sind, verlangen unsere kreativ-empfängliche Aufmerksamkeit. Wir schätzen einerseits den Wert, den sie bereits haben, und schreiben ihnen andererseits weiteren Wert zu. Wertschätzung und Wertzuschreibung sind dem kreativen Schenken und Empfangen ähnlich. Dankbarkeit ist ein Aspekt von beiden. Wir verwenden Dinge, um Bedürfnisse zu befriedigen, und schreiben anderen (oder uns selbst) Wert zu, indem wir sie befriedigen.
Die unzähligen Werte, die die Welt für die menschliche Gemeinschaft hat, werden in der Sprache reflektiert. Auf ähnliche Weise wird der Tauschwert von Gütern im Geld reflektiert. Wenn unsere Bedürfnisse von anderen befriedigt werden und uns dadurch Wert geschenkt wird, scheint es angemessen, uns sowohl dem gegenüber, das uns geschenkt wurde, als auch denen gegenüber, die es uns geschenkt haben, dankbar zu zeigen. Wir können jedoch gleichzeitig die eigentlich Quelle unserer Geschenke ignorieren und uns selbst als den Grund unseres Wohlergehens sehen. In jedem Fall können wir verbale (und andere auf Zeichen beruhende) Kommunikation dazu verwenden, Ansichten zu teilen und bestimmten Dingen gemeinsamen Wert bzw. Aufmerksamkeit zu schenken. Das bedeutet, dass wir sie aus unseren ständigen Erfahrungen als für uns relevante Erfahrungen ausgewählt haben und sie einander schenken, indem wir die Wortersatzgeschenke verwenden, die den Platz dieser materiellen (oder auch immateriellen) Geschenke (dieses Gegebenen) einnehmen.
Was wir Wert schenken wird zum Zentrum unserer Aufmerksamkeit und kreativen Empfänglichkeit. Was wir nicht Wert schenken, bleibt außerhalb unserer Aufmerksamkeit. Unsere Motivation, einer Sache Wert zu schenken, hängt von unseren Bedürfnissen ab und von einer Synthese früherer Werterfahrungen, Wertzuschreibungen und Wertanerkennungen. Die kollektiven Mittel, Wert in Form des kollektiven Geschenks, das ein Wort darstellt, zuzuschreiben, sind uns jederzeit zugänglich. Wir können sie verwenden, wann auch immer wir ein Bedürfnis nach ihnen haben. Dieses Bedürfnis ist an sich zwischenmenschlich, doch können wir Wörter auch dazu verwenden, unsere eigenen kommunikativen Bedürfnisse zu befriedigen – etwa wenn wir nachdenken oder Wörter auf verschiedene Teile unserer Erfahrung beziehen, um unsere Aufmerksamkeit auf diese zu richten.
Macht es einen Unterschied, wenn dies nur eine Projektion ist, solange den Wörtern Wert geschenkt wird? Im Patriarchat glauben wir, dass Frauen passiv sind, indem sie Männern ausweichen – doch sie schenken Männern dabei immer noch Wert. Die Arten des Ausweichens, die von Äpfeln, Bergen, einem in einem Baum singenden Vogel oder einem Mädchen, das einen Ball wirft, vollzogen werden, sind ähnlich genug, um den Wortgeschenken Wert zu verleihen, die ihren Platz einnehmen, selbst wenn sich diese Arten des Ausweichens auf ausgesprochen unterschiedliche Teile der Welt beziehen. Abstrakte Ideen (z.B. Gerechtigkeit) oder Fantasiefiguren (z.B. Einhörner) leisten noch weniger Widerstand dagegen, dass ihr Platz eingenommen wird.
Während ich die philosophischen Überlegungen zur fürsorglichen Arbeit der Frauen studierte, wurde mir endlich bewusst, was für mich in Marx’ Aussage über Sprache als praktisches Bewusstsein, das für andere und damit erst für mich selbst existiert, am Interessantesten war: nämlich dass das praktische Bewusstsein eigentlich die Fürsorge ist und die Sprache einer ihrer allgemeinen Aspekte. In Bezug auf die Fürsorge, siehe: Sara Ruddick, Maternal Thinking. Für die Diskussion eines spezifischer ökonomischen Kontexts: Nancy Folbre, Who Pays for the Kids?
Wert, ein Meta-Geschenk
Wert kann als eine Art Meta-Geschenk definiert werden, ein Schenken von Aufmerksamkeit an etwas. Dadurch werden weitere Geschenke veranlasst bzw. beeinflusst. Wir wählen etwas aus, dem kreativ-empfängliche Aufmerksamkeit zukommt, und schreiben dem Objekt unserer Aufmerksamkeit oft die Qualität dessen zu, wichtig für andere und daher auch wichtig für uns selbst zu sein. Nachdem das Schenken unsichtbar und wertlos gemacht wurde, denken wir meist nicht mehr daran, Wert mit dem Prozess des Schenkens zu verbinden, und das Schenken ist mysteriös geworden. Der Tauschwert hat die Kategorie des Werts übernommen und fungiert als sein Prototyp. Das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein löst sich im Tausch nicht völlig auf, aber es wird versteckt und den Absichten des Egos unterworfen. Das Schenken wird auf diese Weise vom Tausch vereinnahmt und dazu gebracht, sich selbst zu widersprechen. Dieser logische Twostepp verlangt von uns, die Befriedigung der Bedürfnisse anderer mit unseren eigenen abzuwägen und dann beide mit der Norm zu vergleichen. Alle Bedürfnisse werden abhängig von diesem widersprüchlichen Prozess ihrer Befriedigung.
Der Tausch ist zu einer omnipräsenten Tatsache des Lebens geworden und wir sehen ihn als Voraussetzung für das Überleben aller und schreiben ihm entsprechenden Wert zu. Indem wir dies tun, verstecken und diskreditieren wir das Schenken und verleugnen den Aspekt des Werts, der auf Andere ausgerichtet ist und auf dem Schenkprinzip basiert. Wenn dieser Aspekt unsichtbar gemacht wird, kann Wert nicht richtig verstanden werden, und die Verbindungen zwischen dem Tauschwert und anderen Wertformen werden obskur. Der Wert wird beherrscht, dadurch dass er geteilt wird. Um das Rätsel des Werts zu lösen, müssen wir dem Schenken Wert verleihen und das Auf-Andere-Ausgerichtet-Sein restaurieren.
Im Grunde ist Wert ein Hilfsmittel, um Geschenke zu verteilen. Er ist ein Geschenk von Energie und Aufmerksamkeit an andere Geschenke, das uns hilft, diejenigen, die wir für andere wir für uns selbst am wichtigsten erachten, auszuwählen. Indem wir den Tauschwert überbetonen, manipulieren wir den Wert als Hilfe der kollektiven Verteilung von Geschenken. Wir führen ihn weg vom Schenken und von den Bedürfnissen, um seine Aufmerksamkeit auf eine limitierte Zahl von Dingen zu richten, die ausschließlich für Tausch und Markt wertvoll sind. Egoismus (bzw. der Wert und die Aufmerksamkeit, die wir ihm zukommen lassen) kann als notwendige Konsequenz dieser Entwicklung gesehen werden. Gleichzeitig wird diese Manipulation als „natürlich“ präsentiert: Tausch und Markt seien demnach „natürliche“ Konsequenzen menschlichen Egoismus und menschlicher Gier. Diese Ansicht und die Werte (die Form der Geschenkverteilung), die von ihr gefördert werden, spielen eine wesentliche Rolle für die Aufrechterhaltung des Monopols des Tauschprozesses.
Wertformen
Wert wird sowohl zugeschrieben als auch anerkannt. Er wird Menschen, Dingen und Wörtern geschenkt und von diesen empfangen. Dies mag einen individuellen Aspekt beinhalten, in dem Sinne, dass wir etwas Wert schenken, indem wir es auswählen und uns darauf konzentrieren. Wir wenden uns dem Ausgewählten mit unserer kreativen Empfänglichkeit zu und schätzen seinen Wert. Dabei kann es passieren, dass wir unsere Rolle im Wertschätzungsprozess vergessen.
Etwas aus einer Reihe möglicher Dinge auszuwählen, unsere Aufmerksamkeit darauf zu richten, es in Bezug zur Befriedigung von Bedürfnissen zu bringen, es anderen für deren Bedürfnisbefriedigung zu schenken, usw., sind alles Prozesse, in denen wir Wert zuschreiben und diesen Wert bestätigen. Dies kann auch indirekt geschehen, indem wir anderen Dinge schenken, die ihnen helfen können, ihre Bedürfnisse selbst zu befriedigen. Einen Ersatz für ein Geschenk zu geben und uns in diesem Sinne mit anderen in Beziehung zu setzen, schenkt selbst Wert und bestätigt diesen Wert über das, was wir geschenkt, und über die Beziehung, die wir hergestellt haben. (Wir können anderen auch direkt Wert zuschreiben, einfach indem wir ihnen unsere Aufmerksamkeit schenken.)
Es gibt vier Hauptformen der Wertzuschreibung, Wertbestätigung und Wertanerkennung: Fürsorge, Sprache, Maskulisierung und Tausch. Ich glaube, dass zwei von diesen die Norm sind (Fürsorge und Sprache) und zwei die Abweichung (Maskulisierung und Tausch). Wenn wir die Norm betrachten, verstehen wir die Abweichung besser. Wenn wir die Abweichung und ihre Konsequenzen betrachten, erlaubt uns das, die Norm besser zu verstehen.
Fürsorge und Wertzuschreibung
Glücklich zu sein – und nicht alleine das Streben danach – ist ein Recht aller. Doch es ist nicht nur ein Recht. Es ist eine epistemologische Notwendigkeit, wenn Dankbarkeit als grundlegende Komponente von Wissen gesehen wird. Etwas zu „begreifen“ wird gewöhnlich mit Verstehen assoziiert und als für Wissen notwendig erachtet, aber es ist nur ein kleiner, spezifischer Teil des Empfangens, der notwendig wird aufgrund des Mangels. Indem Menschen Reichtum vorenthalten wird, und damit die Möglichkeit zu schenken und zu empfangen, wird ihnen ihre Menschlichkeit vorenthalten. Homo donans (und recipiens) gehen homo sapiens voraus. Dies deshalb, da das, was wir ursprünglich kennen, Geschenke sind, und unser Wissen die dankbare Antwort auf diese ist – egal ob es sich um Milch von der Brust unserer Mutter handelt, um empirisch Gegebenes, um Wörter oder Sätze, um Konversationsthemen, um Güte, um Babys, um Unwetter, um neue Autos, Kunstwerke oder Apfelkuchen. (Wir sind auch für Geschenke mit negativem Inhalt dankbar, da das mit ihnen vermittelte Wissen uns dienlich ist, uns in der Welt zurechtzufinden.) Wenn jemand unsere Bedürfnisse befriedigt, sind wir für den Wert, den sie für uns haben, dankbar und verleihen ihnen gleichzeitig selbst Wert. Teil unserer Dankbarkeit ist es, denjenigen Fürsorge zukommen zu lassen, von denen wir Fürsorge erfahren haben. Dies geschieht nicht im Sinne eines Tausches, sondern in dem Sinne, dass wir diejenigen, die wir als Fürsorgende erlebt haben, als Beispiel für uns selbst anerkennen.
Fürsorge verschafft denen, die versorgt werden, Wert als Implikation des Akts der Fürsorge selbst. Die Schenkenden selbst verschwinden dabei oft, was uns dazu führen kann anzunehmen, dass der Wert oder die Wichtigkeit der Beschenkten der Grund für das Geschenk sind. Eine Mutter glaubt z.B. ihr Baby zu versorgen, weil das Baby wertvoll ist, nicht weil sie selbst wertvoll ist. Wenn sie sich selbst jedoch keinen Wert zuschreibt und sich selbst nicht auch versorgen würde, würde das Baby sterben. Eigene Wertzuschreibung ist ein wichtiger Schutzmechanismus, sowohl für das Individuum als auch für die Gemeinschaft. Unser Alltagsleben beruht auf ständigen Wertzuschreibungen. Das ist vielleicht der Grund, warum ihm (endlich) die Aufmerksamkeit von Philosophen zukommt.
Wir schenken anderen unter anderem auch dadurch Wert, dass wir in ihnen Bedürfnisse wecken und diese pflegen, verstärken, spezifizieren und ausbilden. Mütter können etwa fasziniert sein, wenn ihre Kinder beginnen, feste Nahrung zu sich zu nehmen und verschiedene Speisen zu probieren, um herauszufinden, was sie mögen. Und andere Menschen etwas zu lehren kann allgemein als ein Prozess verstanden werden, in ihnen Bedürfnisse nach Wissen zu wecken.
Das Wissen um die Mittel der Fürsorge, das von Großmüttern an Mütter und Töchter weitergegeben wird, schreibt Wert zu und bestätigt ihn in materieller Kultur. Diese Werte – und die Weisen, ihn zuzuschreiben – gehen verloren, wenn die Fürsorge vom Tausch vereinnahmt wird. Heute werden unsere Wünsche vom Kommerz geschaffen, nicht von der Liebe, der Intelligenz oder der auf Andere ausgerichteten, bedürfnisbefriedigenden Kreativität unserer Großmütter. Wir erhalten unseren persönlichen Wert nicht mehr länger von Fürsorge und Mütterlichkeit, sondern vom Markt – es geht darum, was wir verdienen bzw. was uns, wenn wir den Anforderungen des Marktes nicht entsprechen, vom Staat, der die Rolle der Fürsorgenden eingenommen hat, überlassen wird.
Ursprünglich wurde Dingen von uns Wert zugeschrieben, wenn wir glaubten, dass sie für andere oder für uns selbst von besonderem Nutzen waren. Dann schätzten wir den Wert dieser nützlichen Dinge. Diese Form der Wertzuschreibung war ein Geschenk unserer ursprünglichen Neigung, fürsorglich zu sein. Sie war ein Element unserer Dankbarkeit. Wertschätzung ist ein Element der Wertzuschreibung, der auch das Element der Dankbarkeit beinhaltet. Diese beiden Einstellungen sind miteinander verbunden, obwohl die Wertzuschreibung aktiver und auf das Schenken bezogen ist, während die Wertschätzung empfänglicher und damit auf das Empfangen bezogen ist.
Der Gebrauchswert ist eine Kategorie des Marktes, die in Opposition zum Tauschwert definiert wird und ebenfalls dem Schenken entnommen ist. Geschenke sind Güter mit einer Quelle und einem Bestimmungsort, Teil einer menschlichen Beziehung. Doch nur aus der Perspektive des Tauschprinzips sehen wir in ihnen so etwas wie einen Gebrauchswert. Wir meinen damit das allgemeine und indifferente Potential eines Dings, ein menschliches Bedürfnis zu befriedigen, das mit Geld „benannt“ und als Eigentum objektiviert werden kann. Der Gebrauchswert nimmt die Dinge des Schenkprozess und siedelt sie außerhalb des schenkenden Saatkorns an. Er ist die Voraussetzung des Tauschwerts. Aus der Perspektive des Schenkprinzips wären Gebrauchswerte Teile eines einheitlichen Prozesses, der Menschen beinhaltet. Während es wahr ist, dass Menschen nach dem Tausch die getauschten Produkte gebrauchen können, um Bedürfnisse zu befriedigen, ist die Beziehung zu den Produzierenden als der ursprünglichen Quelle der Produkte meist verloren gegangen. Darüber hinaus produzieren Produzierende im Kapitalismus Gebrauchswerte nicht als Geschenke, sondern als Objekte, für die Menschen zahlen müssen. Unser Dank wird dann dem Markt und dem Tauschprozess selbst zuteil. Dass die Schenklogik jedoch immer noch stark ist, zeigt sich im Phänomen der brands: der Marken, die die Quelle der Produkte mit einer bestimmten Firma identifiziert, so als wären sie Geschenke, die von dort kämen. Eine artifizielle menschliche Beziehung zu den Schenkenden schiene demnach wieder möglich. Doch geht es hier letztlich nur darum, dass die „Beschenkten“ mehr kaufen. Ähnliche Absichten werden mit Sonderangeboten, Schlussverkäufen oder Werbegeschenken verfolgt.
Praktiken der Essensteilung waren weit verbreitet unter den Menschen der Ur- und Frühgeschichte. Maskulisierte Archäologen sehen jedoch gewöhnlich das Jagen als den entscheidenden Aspekt menschlicher Entwicklung.
V.N. Volosinov schreibt in Marxism and the Philosophy of Language: “Jeder Schritt in der Entwicklung einer Gesellschaft hat seinen eigenen spezifischen und eingeschränkten Kreis von Gegenständen, die alleine Zugang zu der Aufmerksamkeit der Gesellschaft haben und aus dieser Wert beziehen. Nur Gegenstände innerhalb dieses Kreises werden Zeichen zugeschrieben und nur sie können zu Objekten semiotischer Kommunikation werden.“ Jeder dieser Gegenstände „...muss mit den vitalen sozioökonomischen Voraussetzungen der Existenz dieser Gruppe verbunden sein.“ (S. 21-23) Ich denke auch an die prähistorischen Höhlenmalereien, die (wie jetzt geglaubt wird) mundmalerisch angefertigt wurden: die Farbe wurde auf die Mauern gespuckt. Manche HöhlenmalerInnen der australischen Aborigines machen das immer noch so: die Farbe wird auf die Mauer gespuckt (ihr „zugeschrieben“), dann wird sie betrachtet. Dies scheint mir ein noch stärkeres Beispiel für unbewusste Wertzuschreibung zu sein, als es das Malen mit Händen oder Pinseln ist, denn hier kommt die Form von der physiologischen Mischung von Atem und Speichel im Spucken der Farbe. Eine Beschleunigung des Atems oder eine Vermehrung des Speichels mag als ein physiologischer Anker für Wertakzente bzw. Wertzuschreibungen fungieren, die unsere gesamte Erfahrung prägen, derer wir uns jedoch nicht einmal bewusst sind. In diesem Fall geht die sprachliche Zuschreibung und Anerkennung (und Projektion) des Wertes einher mit der Änderung des Atems. Das Atmen selbst impliziert schenken (ausatmen) und empfangen (einatmen).
Vgl. das Kapitel „Tauschen“ in Michel Foucaults Die Ordnung der Dinge für eine ähnliche Analyse des Werts im Rahmen des Tauschprinzips.
Sprachliche Wertzuschreibung
Dinge werden für uns Menschen relevant, weil wir sie für die Befriedigung unserer Bedürfnisse verwenden. Bedürfnisse vermehren und vervielfältigen sich gemäß den Weisen, auf die sie befriedigt werden. Sie werden auch, bis zu einem gewissen Grad, von den Dingen bestimmt, die sie befriedigen. In der Sprache schreiben wir vieles vom kommunikativen bzw. qualitativen Wert eines Dings dem Wort zu, das den Platz eines (gewöhnlicher Weise) nonverbalen Prototyps einnimmt und als Ersatzgeschenk funktioniert, um menschliche Beziehungen zu formen. Das Ding weicht also als Geschenk aus und das Wort (das auch eine Wertposition in der langue hat) vermittelt seinen Wert in der Kommunikation, z.B. im Etablieren oder Modifizieren menschlicher Beziehungen, die sich auf dieses Ding beziehen. Allgemein gesagt: Das Wort wird zum Vermittler des Werts der Dinge für das Etablieren oder Modifizieren menschlicher Beziehungen. Weil jedes Ding (and damit jedes Wort) einen Wert hat, der es qualitativ von anderen unterscheidet, indem es auf spezifische menschliche Bedürfnisse bezogen ist, kann die Kombination von Wörtern (in jeder beliebigen Aussage, die der Schenkstruktur folgt) dazu dienen, spezifische Informationen zu übertragen.
Wir wählen Teile unserer Erfahrung als Gegebenes, dem wir unsere Aufmerksamkeit schenken, und wir formen neue Geschenke, indem wir alte umarrangieren. Wir befriedigen in diesem Moment die kommunikativen Bedürfnisse der Zuhörenden und damit auch unsere eigenen. Gleichzeitig erinnern wir uns daran, was in einem bestimmten Moment ausgewählt wurde und Aufmerksamkeit erfuhr, und wenden das dadurch erworbene Wissen in zukünftiger Kommunikation an. Keine Codes, sondern die Logik und Praxis des Schenkens sind die Basis unseres Verständnisses.
Ein Code ist nur eine Sammlung abstrakter Kennzeichen. In kryptographischem Sinne dient er dazu, etwas zu verschleiern, nicht dazu, etwas mitzuteilen. Sprache ist jedoch, wie das Leben, bedürfnisgetrieben. Die Fähigkeit, die Bedürfnisse anderer zu befriedigen, ist der Aspekt des Lebens, der Gemeinschaft bildet und zu kultureller Entwicklung (und vielleicht sogar zu biologischer) führt. Wir verwenden unsere Geschenke dabei nicht, um ein Äquivalent zurückzubekommen (wie das im Tausch geschieht), sondern um anderen etwas für ihr Leben zu geben, etwas, das in diesem Moment für sie von Wert ist. Dies erlaubt uns, in Bezug auf das Geschenk zueinander zu finden. Wenn wir etwas schenken, wissen wir, was diejenigen, denen wir schenken, in diesem Moment haben wollen. Dieses Wissen kommt von der Erfahrung früherer Bedürfnisbefriedigung – die Wörter, die uns zur Verfügung stehen, um Bedürfnisse anderer zu befriedigen sind dafür ein Beispiel. Im Schenken eines verbalen Ersatzgeschenks wird einem Ding von Schenkenden und Beschenkten im gleichen Moment ein gemeinsamer Wert zugeschrieben und sie können ihre Einstellungen und Handlungen in Bezug auf dieses Ding gemeinsam koordinieren.
Die Auswahlverfahren, die wir in unserer Erfahrung treffen, sind den Auswahlverfahren des Kategorieformationsprozesses ähnlich. Im auf der Erfahrung basierenden Diskurs schenken wir jedoch auf vielen anderen Ebenen, da wir hier eher präsente und kontingente kommunikative Bedürfnisse befriedigen im Vergleich zu den allgemeinen Bedürfnissen der Kategorie oder den meta-linguistischen Bedürfnissen der Definition. Im Diskurs treten manche Dinge verbal und nonverbal in den Vordergrund (und werden so zu „Gegebenem“), während andere Dinge in den Hintergrund geschoben (und zu „Nicht-Gegebenem“ gemacht) werden. Selbst wenn wir etwas so Einfaches sagen wie: „das Mädchen warf den Ball“, dann beruht dies auf einem komplexen Auswahlverfahren. Wir hätten stattdessen genauso gut: „der Himmel war blau über dem Baseballstadion“, oder: „eine Nachtigall sang“, sagen können. Wenn wir der Aussage: „das Mädchen warf den Ball“, dann die Aussage: „der Ball durchschlug das Fenster“, hinzufügen, bauen wir auf dem Gegebenem auf, das das Geschenk von „das Mädchen warf den Ball“ darstellt.
Kommunikative Bedürfnisse (und Wünsche) entstehen, wenn Menschen gemeinsam Bezug nehmen auf Aspekte von Dingen, über die manche noch kein ausreichendes Wissen haben. In diesem Moment können wir sagen: „Es mag da ein Geschenk geben!“ Im Befriedigen des entsprechenden kommunikativen Bedürfnisses wird dann ein gemeinsamer Vordergrund geschaffen, in dem die Dinge (bzw. deren Aspekte), denen wir unsere Aufmerksamkeit zukommen lassen, angesiedelt sind, und ein (mehr oder weniger) gemeinsamer Hintergrund, in dem sich die Dinge (bzw. deren Aspekte) befinden, denen diese Aufmerksamkeit momentan nicht zukommt. Diese Unterscheidung wird von Sprechenden und Zuhörenden gemeinsam getroffen. Sie erklären bestimmte Elemente einer Situation für relevant und andere für irrelevant. Sie beziehen sich auf dieselben Dinge (bzw. Aspekte von Dingen). Vordergrund und Hintergrund können dabei ständig wechseln. Was einmal im Vordergrund ist, kann im nächsten Moment in den Hintergrund treten und umgekehrt. Wichtig ist nur, dass in der kommunikativen Bedürfnisbefriedigung (dem verbalen Geschenk) Sprechende und Zuhörende einen präsenten Moment teilen. Sie schaffen damit eine Beziehung in Bezug auf das Geschenk, das in diesem Fall die Sprechenden geschenkt haben, das aber auch die Zuhörenden – vorausgesetzt, ihnen stehen generell die gleichen Wörter zur Verfügung – hätten schenken können. (Dies unterscheidet sich vom Befriedigen materieller Bedürfnisse, wo wir generell etwas geben, das die Beschenkten nicht haben.) Auch wenn in gewissem Sinne die Beziehung zwischen Sprechenden und Zuhörenden von den Sprechenden geschaffen wird, haben die Zuhörenden – etwa in Form ihres nicht verwendeten Sprachpotentials – genauso viel Einfluss auf die kommunikative Situation.
Auch was den Tausch betrifft, besteht die Matrix aus einer Wechselbeziehung. Nur zeigen die anderen hier, dass sie unserem „Ding“ (in diesem Falle: „Produkt“) Wert beimessen, indem sie einen entsprechenden Geldbetrag dafür zahlen. Das Geld (mit seiner abstrakten sozialen Qualität) wird dann das verborgene, aber mächtige Modell unseres Verständnisses von Sprache und Leben. Das ist nicht nur der Fall, da Geld von der Sprache abstammt, sondern auch weil die aktuelle Gleichheit der Prozesse reproduziert wird: Wert wird dadurch geschenkt, dass etwas anderes geschenkt wird.
Sowohl die Sprache als auch die Erfahrung können weitere Wertzuschreibungen und weitere kommunikative Bedürfnisse veranlassen. Außerdem hängen die Arten der Dinge, derer wir uns annehmen, und die Arten der Werte, die wir entdecken und zuschreiben, von einer ständigen Synthese unserer früherer Lebenserfahrungen ab, die denen anderer Menschen gleich oder von ihnen sehr verschieden sein können. Was in einem Moment irrelevant erscheint, mag im nächsten relevant erscheinen, je nach Person und Ding, sodass letztlich immer alles potentiell wertvoll bleibt, auch wenn es im Moment als irrelevant ausgeschlossen sein mag.
Diese ständige Potentialität lässt Erfahrung zu einem Garten Eden werden, in dem wir Früchte sammeln und teilen, und zwar immer nur genau die, die wir im Moment brauchen, und nur in genau der Menge, in der wir sie benötigen. Wir leben in fantastischem Überfluss. Der materielle Mangel, in dem viele Menschen heute leben müssen, verschleiert diesen Schenkcharakter des Lebens und verbannt viele aus dem Garten. Wieder allen ein Leben im Überfluss zu erlauben, würde es uns auch ermöglichen, Wert wieder gemäß kollektiver und individueller Erfahrungen zu schenken, anstatt das Individuum gegen das Kollektiv auszuspielen – so wie es im Tausch geschieht, der auf dem Mangel aufbaut. Unsere Ökonomien könnten mit dem humanisierenden und verbindenden Teil unserer Sprache in Einklang gebracht werden, anstatt ihn zu bekämpfen aufgrund des exzessiven Werts, den wir (unbewusst) der Definition und der Maskulisierung zuschreiben.
Siehe Karl Marx, Kritik der Politischen Ökonomie, für eine Analyse des relationalen Charakters von Produktion und Konsumption, der Spezifizierung der Bedürfnisse durch die bedürfnisbefriedigende Produktion und der Spezifizierung der Produktion durch die zu befriedigenden Bedürfnisse.
Ich glaube, dass diese Beziehung auf verschiedene Bedürfnisse die rein differentiellen Werte unterstreicht, die Saussure als das abstrakte Organisationsprinzip der langue erkannt hat. Unterschiedliche Dinge werden in unterschiedlichen Schenkprozessen verwendet, um unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedigen, und sie weichen unterschiedlichen Wörtern aus, die ihren Platz als kommunikative Geschenke einnehmen. Fälle von Hononymie und Synonymie sind nicht problematisch, solange der wechselseitige Ausschluss auf der phonetischen Ebene aufrechterhalten bleibt und die befriedigten Bedürfnisse klar voneinander unterschieden werden. Die sich gegenseitig ausschließenden Positionswerte, die in der langue zu finden sind, werden in der Struktur der Institutionen reproduziert, die auf der Maskulation beruhen, wie etwa das Old Boys Network oder das Privateigentum. Hierarchien haben Strukturen, die jenen der Begriffe ähnlich sind, die sich in Hyperonyme und Hyponyme aufteilen, gemäß den Regeln der Allgemeinheit und Eingeschlossenheit. Zum Beispiel ist ein Hyperonym wie „Pflanze“ allgemeiner als die Begriffe „Blume“, „Baum“ oder „Kletterpflanze“, die es alle mit einschließt, während „Blume“ als Hyperonym fungiert, das allgemeiner als „Rose“, „Gänseblümchen“ oder „Mimose“ ist.
Die postale Metapher: AbsenderIn (CodiererIn) – Paket (Nachricht) – EmpfängerIn (DecodiererIn) ist das Schenken als Post gesehen. Ein Code ist eine geteilte Sammlung von Kennzeichen, die eine Gruppe hat („kennt“) und eine andere nicht. Das Codieren und Decodieren, das Schicken und Empfangen einer Nachricht sind Metaphern für das Verpacken und Öffnen eines Geschenks. Ein weiterer Aspekt, der – neben der Mütterlichkeit – die Präsenz der Schenkökonomie in unserer Gesellschaft bestätigt, ist das Senden und Empfangen von Geschenken an Geburtstagen, zu Weihnachten, usw. Siehe diesbezüglich David Cheal, The Gift Economy.
Ich denke, dass das, was SemiotikerInnen „natürliche Zeichen“ nennen, auch als Geschenke interpretiert werden können, selbst wenn sie Tieren auf weniger komplexe Weise von Nutzen sein mögen als uns. Blumen geben mit ihrer Farbe und ihrem Geruch Insekten zu verstehen: „Hier gibt es Nektar!“ Die Farbe und der Geruch sind sekundäre Geschenke, die zum materiellen Geschenk des Nektars führen. Ohne die Empfangenden könnte das Geschenk dabei nicht als solches existieren – die schwarze Wolke ist nur dann ein Geschenk (in Form eines natürlichen Zeichens), das uns erlaubt, nachhause zu gelangen, bevor es zu regnen beginnt, wenn wir sie richtig zu interpretieren wissen. In diesem Sinne ist beispielsweise ein Baum, der im Wald fällt, ein Geschenk für alle, die ihn zu verwenden wissen. (Ich habe kürzlich ein Lied der Ökologiebewegung gehört, das vom Fallen der Bäume im Regenwald handelte.)
Maskulisierte Wertzuschreibung
Das Ego, das für den Tausch nützlich ist, ist das maskulisierte Ego. Das Wertesystem, das dieses Ego stützt, stärkt es durch ökonomische Belohnungen und Strafen bzw. dadurch, dass es ihm Eigentum zukommen lässt oder nicht. Was seine Begierden anlangt, ist das Ego der kommerziellen Welt, insbesondere der Werbung, unterworfen. Es mag so scheinen, als würde einer Person, die ihre Begierden oder Bedürfnisse auf dem Markt befriedigt findet, Wert übertragen. Tatsächlich wird der Wert jedoch auf die Verkaufenden übertragen, die die Konsumierenden dazu gebracht haben, ein Produkt aufgrund einer Wahrheitsmanipulation zu erwerben. Der Positionswert, der einer Person durch Vergleiche ihres Habens mit dem Haben anderer zukommt, kann als ihr Status begriffen werden. Dieser hat jedoch nicht wirklich viel mit der Befriedigung der subjektiven Bedürfnisse des Individuums zu tun, da diese nur vom Schenken befriedigt werden. Die Konsumierenden brauchen immer mehr, da ihr Haben ihnen nicht wirklich Wert verleiht, sondern nur zum ökonomischen Wert der Verkaufenden beiträgt.
Während es oft so ist, dass sich Männer ohne ein technologisches Instrument (oder phallisches Werkzeug) kein Bild der objektiven Welt formen können, da sowohl sie selbst als auch ihr Instrument außerhalb des Saatkorns des Schenkens und Empfangens liegen, sind Frauen aufgrund ihrer fürsorglichen Rolle oft Teil dieses Saatkorns. Wir Frauen sind daher eher dazu geneigt, unser Wissen über das uns erfahrungsmäßig Gegebene mit Dankbarkeit zu verbinden.
Ohne Objekt gibt es kein Instrument. Frauen werden neben ihrer Subjektrolle als menschliche Wesen zu Objekten des patriarchalen Systems. Zum Beispiel sind der Penis und die Vagina die psychologischen Archetypen für das Instrument des Wissens (der Penis) und das Objekt des Wissens (die Vagina). Wenn die Absicht der Sexualität eine andere ist als die, zu schenken und zu empfangen bzw. die Bedürfnisse anderer zu befriedigen, dann behandelt das instrumentelle Wissen das Objekt als wäre es ein nicht-lebendiges, nicht-kreatives empfängliches Ding, das mit Macht „penetriert“ werden muss. Die Dankbarkeit, die in diesem Fall von dem maskulisierten phallischen Wissenden erfahren wird, dient nur der Bestätigung seines Ego in seiner Position des Einen, des Übernehmers, dessen, der die Erde beherrscht. Es ist keine Dankbarkeit oder kein Wissen, das auf andere bezogen wäre. Es gleicht eher der Akkumulation von Eigentum im Tausch.
Das instrumentelle phallische Wissen der objektiven Welt ist entstammt den Profitmotiven des Egos und zeigt seine Grenzen. Das In-den-Hintergrund-Drängen der menschlichen Bedürfnisse der Vielen hat ihm die zerstörerische Macht der Aneignung durch Gewalt oder nicht-fürsorglicher Gleichgültigkeit gegeben. Jene, die die Welt durch das schenkende Saatkorn sehen, widersprechen den Produkten wissenschaftlichen Wissens, die die Möglichkeit aller bedrohen, zu schenken und zu empfangen. Keine vorgeblich harmlosen Anwendungen von Nukleartechnologie, genetischer Manipulation oder chemischer Vergiftung kann die negativen Aspekte dieser Technologien kaschieren und sie zu einem Teil des schenkenden Saatkorns werden lassen, genauso wenig wie sie diejenigen, die wirkliche Bedürfnisse befriedigen, davon überzeugen können, dass sie (die Technologien) Geschenke an die Menschheit sind.
Frauen kennen die Vagina – das „Objekt“ – und sind dafür dankbar. Sie brauchen dazu kein männliches Instrument. Es ist interessant zu denken, dass wenn Frauen vergegenständlichte „Dinge“ sind, die Vagina dann zum „Ding an sich“ werden würde, das für Philosophen angeblich unerkennbar ist. Im Sex würde es dann für die anderen und damit auch für uns selbst zu seinem Ausdruck kommen.
Als Fürsorgende, die Dinge für die Bedürfnisbefriedigung anderer verwenden, wissen wir mehr über diese Dinge als diejenigen, die keine Bedürfnisse mit ihnen befriedigen. Wir können auf Heilpflanzen verweisen, auf Pflegemethoden, aber auch auf Kurzschlüsse in Argumenten für Gewaltanwendung. Unsere Lebensenergie ist oft direkt in die Pflege und Erhaltung der Körper anderer und unserer eigener involviert – ohne Tausch und ohne eine zwischengeschobene Definition oder Bewertung, die auf Tausch beruht.
Tauschwert
Der Tauschwert ist kommunikativer Wert innerhalb der manipulierten Kommunikation, die Tausch ist. Der Tausch ist wie die Definition, die etwas auf einen Namen festschreibt und damit in Bezug auf alles andere verortet. Die Tatsache, dass etwas einen Namen hat, beruht auf dem kulturellen Wert dieses Dings für Menschen. Der spezifische Name hängt von der Totalität der langue ab. Diese differentielle Beziehung ist im Tausch in monetären Systemen quantifiziert worden.
Der Wert zuschreibende Prozess der Sprache wird im Tausch verwendet, wenn wir als Individuen Produkten den Wert geben, der ihrem allgemein definierten Wert entspricht. Wir tun das jedes Mal, wenn wir sagen: „ein Pfund Bohnen = ein Dollar“. Die Tatsache, dass eine Person die Bohnen hergibt und die andere einen Dollar, zeigt, dass beide den Bohnen und dem Dollar denselben Wert beimessen. Die Bohnen haben diesen Preis im Kontext aller Tauschhandlungen, die in diesem Moment auf dem Markt stattfinden, im Besonderen, was Bohnen betrifft. Auf ähnliche Weise hängt der Gebrauch von Wörtern davon ab, wie sie von anderen verwendet werden, die dieselbe Sprache sprechen.
Das Tauschprinzip ist do ut des: „Ich gebe, damit du geben wirst.“ Es wäre dem Prinzip der schenkenden Kommunikation nicht unähnlich, wäre es nicht für einen alles entscheidenden Unterschied: das Schenken bringt Menschen zusammen – der Tausch trennt sie. In der Kommunikation, die auf dem Schenken beruht, gibt eine Person und eine andere mag geben oder auch nicht. Und wenn sie gibt, dann geht es um Aufmerksamkeit und Wert in Bezug auf ein gemeinsames Thema bzw. die Kommunizierenden selbst. Sowohl Sprechende als auch Zuhörende haben ein Bedürfnis nach einem Mittel, das in der Lage ist, etwas gemeinsam Wert zu schenken. Wörter erfüllen diese Aufgabe und die Kommunizierenden schenken sich gegenseitig Wert, indem sie die Wörter anwenden. Im Tausch schenken Menschen sich gegenseitig nur Wert, indem sie sich auf einen Preis einigen. Die Konsequenzen der Kommunikation und des wechselseitigen Schenkens von Wert zwischen Sprechenden und Zuhörenden sind andere als die zwischen Verkaufenden und Kaufenden. Noch einmal, die verbale Kommunikation vereint, während der Tausch trennt. Im Tausch verlangt das materielle Prinzip des do ut des, dass diejenigen, denen gegeben wurde, das, was ihnen gegeben wurde, in Form eines Äquivalents zurückgeben.
Der Altruismus des Schenkens lässt allen denselben Wert zukommen, um Verbindungen zwischen ihnen über einen Bezug auf Dinge herzustellen. Der „Altruismus“ des Tausches dient nur unserem Ego. Die Ähnlichkeit von Schenkprozess und Tauschprozess hat dazu geführt, dass die schenkende, altruistische Seite der Kommunikation hinter dem Tausch verschwunden ist, nachdem der Tausch eine so dominante Rolle in unserer Gesellschaft eingenommen hat. Wir geben heute nur noch unter der Bedingung, dass uns ein Äquivalent zurückgegeben wird. Wir leben in einem System, das auf Mangel und Markt beruht und in dem wir uns selbst in den Begriffen von Quantität und Tauschwert begreifen müssen, die für unser Leben notwendig sind.
Alles, was wir geben oder ausgeben, jeder Wert, den wir zuschreiben, scheint unsere Quantität – „das Leben, das wir uns schaffen“ – im Sinne unseres Eigentums und/oder Lohns zu verringern. Der Tausch ist wie eine Sprache, in der Dinge aufgegeben werden, wenn Wörter gesprochen werden (und die Wörter werden auch aufgegeben). Wir rechnen immer, ob wir genug haben (genug „sind“) und leben unter ständigem Erfolgs- und Wettbewerbsdruck. Es wird uns ökonomisch Wert verliehen anhand eines ökonomischen (maskulisierten) Namens, nämlich dem Lohn, den wir erhalten. Es scheint so, als würden Menschen nicht existieren (oder nicht zu existieren verdienen), wenn sie nicht maskulisiert sind. Und wenn sie nicht existieren, verdienen sie auch nicht zu essen und können dies nur tun, wenn sie auf einen maskulisierten Einen bezogen sind – beispielsweise als Ehefrau.
Sowohl individuell wie auch kollektiv investieren wir unsere Energie in das, was wir als wertvoll erachten, selbst wenn dies zu unserer eigener Degradierung und der von anderen beiträgt. Zum Beispiel investieren wir Energie und Geld in Drogen und Gewalt. Wir schreiben diesen Aktivitäten Wert zu, vielleicht weil sie zu kurzfristiger Lust und der Stärkung unseres Egos beitragen können. Unsere Gesellschaft mag diese Aktivitäten nicht bewusst gutheißen, doch fördert sie trotzdem die Vorstellung des maskulisierten Egos, das mit diesen Aktivitäten zusammenhängt. Der Hedonismus entspricht der Maskulisierung: er hat mit Selbstzentriertheit zu tun, nicht mit einem Ausgerichtet-Sein auf Andere. Wir geben uns der Vorstellung hin, dass wir durch das Akkumulieren von Kapital mehr Wert als andere erlangen können und dass es dafür praktisch keine Grenze gibt. Diese Vorstellung verschafft dem artifiziellen Ego die Legitimation, die es braucht, um immer mehr anzuhäufen. Das Ausüben von Macht über andere, das als Vorrecht der Prototypposition erscheint, wird verwendet, um immer weitere Legitimationen des maskulisierten Egos zu schaffen. Die sozialen Beziehungen, die das Schenken kennzeichnen, bleiben jedoch im Verborgenen am Leben. Sie sind dabei um so vieles befriedigender als die vom Tausch geschaffenen Beziehungen, dass sie oft als „Nebenprodukte“ des Erfolges vereinnahmt werden.
In jedem Fall erscheint der Tauschwert als der wertvollste, ja überhaupt der einzige Wert. Die Gesellschaftsform, die auf ihm beruht, behauptet, das allgemeine Wohl zu steigern, indem sie es mit der Summe ego-orientierter Werte gleichsetzt und diese fördert. Dies schließt Werte und Menschen, die sich nicht dem Tauschprinzip verschrieben haben, ebenso aus wie jene, die einfach keinen Erfolg im System haben. Die Sicht des Old Boys Networks vom homo economicus als Modell, das alleine das allgemeine Wohl bringen kann, wird mittlerweile von feministischen Ökonominnen explizit in Frage gestellt. Ich denke, dass die Deutung des Tauschwerts als des wichtigsten – oder gar einzigen – Werts, uns von einer wirklich radikalen Kritik des homo economicus abhält. Wir müssen die Priorität in der kulturellen Rolle sehen, die Dinge für Menschen haben; in der Rolle, die durch das Schenken geschaffen und in der Sprache – die dem Schenkprinzip gemäß funktioniert – ausgedrückt wird. Der Tauschwert kann dann als eine Entstellung des Wert schenkenden Prozesses gesehen werden.
Anm. d. Übers.: Im Original: to make a living – diese Phrase kann im Deutschen nicht entsprechend wiedergegeben werden .
Die Zeitschrift der International Association for Feminist Economics (IAFFE), Feminist Economics, wird von Diana Strassman seit 1995 herausgegeben und von Routledge veröffentlicht.
Re-präsent-ation
Das Schenken bleibt in der Sprache bewahrt – selbst wenn unsere Erfahrung auf eine Ökonomie reduziert wird, die auf Tausch beruht, und wir nicht länger materiell kommunizieren. Unsere von Profitgier getriebene Technologie lenkt unsere Wahrnehmung in andere Richtungen und führt sie jenseits des Schenkens, zu einer Art inhumaner Objektivität. Unser Blick wird sowohl unter die Ebene möglicher Geschenke gerichtet, wo wir Eindrücke elektrochemischer Reaktionen erhalten, als auch über diese Ebene, wo Teleskope uns erlauben, nach den Ursprüngen des Universums zu suchen. Oft arbeitet die Technologie dabei konkret gegen die schenkende Gemeinschaft, etwa indem sie ihr Wissen verwendet, um konventionelle, biologische, chemische und nukleare Waffen zu schaffen. Und auch wenn die Ebenen „objektiver Wirklichkeit“, die von der Technologie jenseits der konkreten Schenkebene entdeckt wurden, manchmal vielleicht tatsächlich zur menschlichen Bedürfnisbefriedigung beitragen mögen, richten sie allzu oft nur enormen Schaden an. Die Technologie ist ein patriarchales, vom Tausch angetriebenes Unternehmen. AkademikerInnen, die sich diesem nicht schenkenden Saatkorn verpflichten (der ihnen als ForscherInnen ein nützliches Einkommen im Rahmen der Tauschökonomie beschert), neigen dazu, jene, die nicht bereit sind, das schenkenden Saatkorn aufzugeben, als „naive RealistInnen“ abzutun. (Aufgrund ihrer Armut haben die naiven RealistInnen in den meisten Fällen gar keinen Zugang zu der Technologie, der sie die Dinge vielleicht anders sehen ließ.) Wenn dem Schenken das gegenwärtige Geschenk (the present – hier sowohl „Präsenz/Gegenwart“ als auch „Präsent/Geschenk“; Anm. d. Übers.) durch Tausch genommen wird, wird die Verbindung zwischen Leben und Sprache verdunkelt. Dann scheint die Re-präsent-ation – und nicht das Patriarchat – postmodernen DenkerInnen der Grund der Tyrannei.
Linguistischer Wert und ökonomischer Wert haben beide mit Repräsentation zu tun – das heißt, mit Kommunikation, die auf einem System von Ersatzgeschenken beruht. Wir haben ihre Gemeinsamkeiten zu erkennen, um den Wert selbst zu verstehen. Es war im Nachdenken über diese Gemeinsamkeiten, dass ich die Maskulisierung als einen Ableger der Repräsentation zu verstehen begann, als eine Fehlrepräsentation der Identität des Buben, die ihn in ihrem Bild formte, ihm deshalb besonderen Wert verlieh und diesen Mechanismus dann auf die Gesellschaft im Ganzen übertrug. (So als würde der gebrochene Teil eines Filmprojektors zusammen mit dem Film auf die Leinwand projiziert.) Maskulisierung ist eine Manipulation des Wert zuschreibenden Prozesses. Sie findet auf derselben Ebene wie der Tausch statt und geht diesem voraus. Sie läuft dann durch den Tausch und die Misogynie zurück in die Repräsentation, indem sie das Modell des Einen und der Vielen betont sowie das hierarchische Übernehmen und das Verleugnen des Schenkens.
Der Tauschwert ist Fürsorgewert bzw. Schenkwert, der durch den Anti-Schenkprozess des Tausches gefiltert wird, der dem Modell der Maskulisierung entstammt. Die Maskulisierung wertet das Schenken ab und gibt stattdessen dem Modell des Einen und der Vielen Wert bzw. seinen Verkörperungen in Hierarchien und Konkurrenz. Viele der Geschenke und ein großer Teil der von der Maskulisierung geförderten Werte fließen durch die Maskulisierung hindurch, kommend von den Fürsorgenden, die vorzüglich Männern und dem Maskulisierungsprozess schenken. Normale, unmanipulierte Fürsorge lässt Bedürfnissen (und damit auch den Beschenkten und den Mitteln der Bedürfnisbefriedigung) Wert direkt zukommen. Die Sprache ermöglicht ein verbales Schenken, das auf kollektiven Werten beruht, feinkörnig ist und feinfühlige Zwischenmenschlichkeit und Kooperation mit sich bringt. Dadurch schafft sie in Folge einen Wert, der von den Vielen, die gemeinsam arbeiten, geschenkt wird und wesentlich zur Ausbildung der individuellen physischen wie psychischen Subjektivitäten der Kommunizierenden beiträgt.
Wir sehen nicht-ökonomischen Wert als die verdeckte Norm, nicht als eine Art Subkategorie des ökonomischen Werts. Da wir unsere Vorstellung nicht-ökonomischen Werts auf linguistischem Wert aufbauen, unsere Vorstellung von Sprache auf dem Schenken, und unsere Vorstellung von linguistischem Wert auf der vielfältigen Bedeutung der Geschenke der Welt an die Gemeinschaft, erhalten wir eine andere Perspektive als die vorherrschende. Diese Perspektive wird uns erlauben, nicht nur den ökonomischen Wert anders zu sehen, sondern auch das, was gewöhnlich die „moralischen Werte“ genannt wird.
Indem es den Wert geteilt, ihn in verschiedene Arten aufgespalten und das Schenken verleugnet hat (oder es als Kuriosität darstellt, die auf einer „irrationalen“ Neigung zur Fürsorge beruht), hat das Patriarchat der gesamten Gesellschaft die Werte der Maskulisierung auferlegt. Das Patriarchat praktiziert Herrschaft durch Kategorisierung, indem es jene Maskulisierung überall reproduziert, die Buben in ihrer Geschlechtsdefinition widerfährt, in der sie als besonders und überlegen kategorisiert werden. In dieser Situation kommen moralische Werte dem Versuch gleich, den Schaden der Abgetrenntheit zu regulieren, ihre negativen Affekte zu mäßigen und das Schenken nachträglich wiedereinzuführen – als eine Art „Hilfe“. Doch das Schenken ist keine „Hilfe“ – es ist die Basis für das Schaffen einer Gemeinschaft, in der alle ohne Repressalien aufeinander zugehen und füreinander sorgen können.
Ästhetische, historische, spirituelle oder kulturelle Werte entspringen ursprünglich alle dem Kontext der Fürsorge und der Sprache, doch sind auch sie von Maskulisierung und Tausch manipuliert worden. Welche Werte jenseits dieser Manipulation liegen, werden wir sehen, sobald es uns gelingen wird, das Patriarchat zu überwinden. Doch selbst viele der manipulierten Werte beinhalten nach wie vor Elemente, die die Hoffnung auf eine bessere Welt in sich tragen. Sie können in diesem Sinne als Geschenke der Vorstellungskraft gesehen werden, die das Leiden, das der Menschheit im Laufe der Jahrhunderte widerfahren ist, immer wieder ein wenig zu lindern vermag.
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