Kosmologische Spekulationen
Das Leben auf der Erde entspricht der
Beziehung, die zwischen Erde und Sonne besteht. Nachdem der Kreislauf von Tod
und Geburt eine Grundlage schafft, den die Vergangenheit der Zukunft
hinterlsst, ndert sich diese Beziehung im Laufe der Zeit. Die Erde, fruchtbar
und vielfltig, ist ein Produkt ihres Verhltnisses zur Sonne. In diesem
Verhltnis schenkt die Sonne eine konstante Form von Energie, whrend die Erde Energie
in verschiedenen Formen schenkt. Die Erde hat eine Geschichte und eine Evolution
– die Sonne hat das nicht auf dieselbe Weise (oder zumindest sehr viel
langsamer). Was gegenwrtig auf der Erde geschieht, beruht auf dem, was in der
Vergangenheit geschehen ist. Die verschiedenen Schichten der Erde, auf denen
Pflanzen wachsen und Menschen und Tiere wandern, sind Produkte der
Vergangenheit. Sie alle tragen die Sonnenenergie in sich, die ihnen geschenkt
wurde. Kreislaufsysteme, wie Bume oder Grashalme, wenden sich der Sonne zu.
Indem sie die Energie des Lichts aufsaugen, werden sie selbst zu Sonnenstrahlen
der Erde, zu "Erdstrahlen", die in das Weltall zeigen.
Tiere und Menschen, die sich auf vier oder zwei
Beinen bewegen, oder Vögel, die hinauf zu den Wolken fliegen – all das
ist Erdenergie, die sich "nach draußen" bewegt. Von unserer Sicht geleitet, bewegen
wir uns von einem Platz zum anderen – genauso wie das Licht sich von der
Sonne zur Erde bewegt. So reproduziert das Leben seinen Ursprung. Und so bewegt
sich auch der Samen zum Ei, das sich wiederum in den Mutterbauch bewegt, wo es
befruchtet werden kann. Auf der Ebene des Bewusstseins gibt es hier auch einen
intentionalen Antrieb. Dieser steuert auf sein Ziel zu, wie ein Sonnenstrahl auf
die Erde. Er versucht, sich mit ein paar anderen Elementen zu verbinden, um einen
Sonnenstrahl zu schaffen, der als Erdstrahl (Erdenergie) Früchte zu trgt.
Unsere Stimmen und die Stimmen von Tieren,
Fischen und Vögeln kommen aus Hlsen und treffen auf empfngliche Ohren, wo sie
aufgenommen und verstanden werden, eine Empfindung hervorrufen oder zu einer
Handlung anregen. Das Sonnenlicht unserer Aufmerksamkeit erhellt unsere
vergangenen, gegenwrtigen und zukünftigen Erfahrungen, aber auch die
Erfahrungen anderer, die uns durch unsere Sinne, deren Geschichten oder durch
Lesen und Beobachten zugetragen werden. Unsere bewusste Aufmerksamkeit hat auch
Auswirkungen auf uns selbst und hilft uns, zu planen und zu entscheiden, sowie
unsere Absichten klar zu machen und sie zu verwirklichen. Sozial wurde jedoch
eine Art Spiegelspiel geschaffen, in dem sich unsere Energie in unserer eigenen
Reflexion verfngt und wir uns nur noch auf uns selbst konzentrieren.
Dieser Prozess beansprucht auch die
akkumulierte Energie anderer, der Gemeinschaft, um immer noch mehr Energie auf
uns selbst zu lenken. Es ist, als würde der Sonnenstrahl von der Erde
aufgenommen und multipliziert zurückgeschickt – so als wren auch die
Sonnenstrahlen ein geschlossenes System. Irgendwann wird das Leben, werden Pflanzen
und Tieren nur noch für Energie gehalten. Natürlich schadet diese
Selbstfokussierung anderen, da wir ihnen ihre Energie rauben, um diese auf uns
selbst zu beziehen. Das Spiegelspiel schafft einen unstillbaren Hunger nach
Energie, um das Ego zu strken und immer mehr Aufmerksamkeit von anderen
abzuziehen und auf uns zu lenken. Die Sonne tut das nicht.
In all unserer Vielfltigkeit haben wir als
Menschen versucht zu verstehen, was wir sind, wo wir leben, was wir tun und was
wir tun sollen. Erst vor kurzem hat uns die Astronomie eine Ahnung von unserem
Universum vermittelt, von unserem Planeten und den Sternen. Daher ist es
vielleicht nicht überraschend, wenn wir mit unserem Selbstbild und unseren
Zielen falsch liegen.
Freud maß der Tatsache, dass Kinder oft sehr
wirre Vorstellungen davon haben, was beim Sex passiert, viel Gewicht bei. Er
meinte, dass diese Vorstellungen ihr spteres Denken und Fühlen beeinflussen.
Es schiene nur logisch, wenn auf einer kollektiven Ebene falsche kosmologische
Vorstellungen genauso negative Auswirkungen auf unser kollektives Denken und
Fühlen haben. Die Vorstellung, dass die Sonne das Zentrum des Universums ist,
mag unser soziales Verhalten strker beeinflussen, als wir uns dessen bewusst
sind. Und die Idee, dass unsere Erde nur einer von Milliarden an Staubflecken
ist, die um eine Lichtquelle kreisen, verwirrt nur weiter und kann kaum zur
Heilung beitragen. Vielleicht könnte es stattdessen helfen, uns dem Mond
zuzuwenden. Die Erde ist ein besonderer Ort, ein Ort leuchtenden Lebens. Wir
Menschen sind ein Teil davon.
Nicht Kopernikus, sondern Ptolemus hatte
recht: die Erde ist das Zentrum des Universums; unseres Universums, da wir
Menschen sind. Jetzt, da wir die Erde zu verstehen beginnen, können wir
vielleicht besser sehen, was wir sind und was wir tun müssen.
Zuerst müssen wir unseren Planeten respektieren
bzw. das Leben. Das Besondere sind nicht die Sonnenstrahlen, sondern die
Fhigkeit der Erde, sie kreativ zu empfangen und ihnen zu erlauben, Leben zu
schaffen. Wir selbst sind das Resultat der Aufnahme der Sonnenstrahlen durch
die Erde – wir selbst sind Licht. Wir müssen wie Goldlöckchen sein und zu
unserer eigenen Kosmologie finden, zu einer Sicht der Erde, die uns angemessen
ist. Wir müssen unseren Platz auf der Erde und innerhalb des Sonnensystems
verstehen, damit wir unsere Beziehungen zueinander klren können. Viele von uns
haben heute Probleme, sich als Individuen auf eine Menschheit bezogen zu sehen,
die aus fünfeinhalb Milliarden besteht. Es ist bemerkenswert, wie hnlich
dieses Problem demjenigen ist, unsere Erde und Sonne zu den Milliarden anderen Planeten
und Sonnen in Beziehung zu setzen.
Wir können von einer neuen Theorie durch
Projektion sprechen. Wir projizieren eine dringende menschliche Frage auf einen
anderen Bereich der Welt. Dies soll nicht heißen, dass das Wissen, das auf
diese Weise gefunden werden kann, keines ist. Darum geht es nicht. Es geht
darum, dass die Motivation zu diesem Wissen zu gelangen eine soziale und
kollektive ist. Sie ist nicht nur rein wissenschaftlich oder von Profitgier
bestimmt. Entspricht nicht die Gier nach Wissen der Gier nach Waren und Geld,
die unsere Tauschgesellschaft charakterisiert?
Dass die Theorie des evolutionren überlebens
des Strkeren zur selben Zeit entwickelt wurde wie die kapitalistische ökonomie
des überlebens des Strkeren ist ein weiterer Beleg für unsere Projektionen. Wenn
wir ihren Mechanismus verstehen würden, würde uns vielleicht klar werden, warum
es zu diesen Projektionen kommt. Wir würden dann vielleicht verstehen, was die persönlichen
und sozialen Probleme sind, die wir zu heilen versuchen. Wir würden vielleicht
erkennen, welchen Einfluss diese Projektionen auf unser Weltbild haben, auf welche
Teile der Welt wir aufgrund von ihnen unsere Aufmerksamkeit richten und welche
wir ignorieren. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir, wenn wir ein solches
Verstndnis entwickeln, unsere Probleme vielleicht wirklich heilen und zu einem
klareren Bild des Universums gelangen können. Wenn wir um unsere Projektionen
wissen, werden wir uns der Verzerrungen bewusst, die sie in Bezug auf unsere
Wahrnehmung der Welt schaffen. Dies wird uns erlauben, diese Wahrnehmung zu
ndern und zu einer besseren Welt zu finden, die von den Problemen, die die
Projektionen verursachen, befreit sein wird.
In unserer atomistischen und
individualistischen Gesellschaft werden zwischenmenschliche Beziehungen
allgemein abgewertet und das Wohlergehen des Individuums als wichtigster Aspekt
des sozialen Prozesses bzw. als Sinn unserer Existenz gesehen. Begriffe wie co-dependency oder dysfunctional family sind in den USA weit verbreitet und
verschaffen denen, die sie propagieren, Geld wie soziales Ansehen.
Unser Leiden in menschlichen Beziehungen zeigt,
wie wichtig diese für uns sind. Liebeslieder füllen Radiowellen, Liebesgeschichten
Zeitungsstnder, Bücherregale und Kinos. Liebesbeziehungen sind für uns
Menschen zentral. Sie sind ein wesentlicher Teil des Prozesses, der uns
menschlich werden lsst. Doch heute haben wir jeden Sinn dafür verloren, wie
diese Beziehungen gestaltet sein sollen. Es fehlen die Beispiele. Deshalb meine
ich, dass wir uns der Beziehung zwischen Erde und Sonne zuwenden müssen. Diese
ist das beste Beispiel, das wir haben. Wir können diese Beziehung auf uns
selbst projizieren und daraus lernen.
Unser Blick muss dabei ein intentionaler sein.
Die Gaia-Hypothese fasst die Erde als Lebewesen auf.[1]
Wir müssen uns als sie selbst sehen und mit ihr zu Bewusstsein gelangen: zu
Bewusstsein ihrer Beziehung zur Sonne und ihrer Rolle in dieser Beziehung, der
kreativen Rolle, die sie in dem Wunder des Lebens spielt. Ihre Notwendigkeit,
sich über diese Beziehung klar zu werden, entspricht unserer Notwendigkeit, uns
über unsere Beziehungen klar zu werden. Als Liebende und Geliebte spielen wir
die Rollen von Erde und Sonne. Wir internalisieren diese Rollen in unserem
Bewusstsein und unseren Formen gegenseitiger Aufmerksamkeit. Empfangen wir Aufmerksamkeit
und Fürsorge so wie die Erde Licht empfngt (um sie kreativ zu nutzen), oder
reflektieren wir sie zurück (so wie der Mond)? Sind wir gefangen in einem
nutzlosen Spiegelspiel, das sich darum dreht, wer heller, größer, heißer ist?
Wer ist die Quelle des Lebens: die Sonne oder
die Erde? Wir Menschen leben die entsprechenden sozialen Bilder aus: Mnner
sind aktive Sonnen, Frauen passive Erden. Wir hören dies unentwegt. Doch
tatschlich hat unser Leben wenig mit der Sonne zu tun. Wir kommen alle von der
Erde. Auch die Mnner. Das Spiel des Lebens wird von der Erde inszeniert.
Nur dank der Erde erhlt die Sonne die Kraft,
Leben zu schaffen. Sie kann dies nur, weil die Erde ihr Licht kreativ empfngt.
Wir kennen keine anderen Planeten, die das auf die gleiche Weise tun würden. In
Bezug auf das Schaffen von Leben entsprechen die Rollen von Mann und Frau den
Rollen der Sonne und der Erde: auch wenn es Milliarden von Spermien gibt, wird
es zu keinem neuen Leben kommen, wenn sie nicht auf Eier treffen, die sie
fruchtbar machen können. Wir können den Vergleich weiter spinnen: Samen fallen
von Bumen und können vom Wind getragen werden – doch wenn es nicht
irgendwann einen Boden gibt, der sie aufnimmt, werden sie nie neues Leben erzeugen.
Alles – Spermien und Eier, Samen und Boden – ist Produkt der Erde.
Heterosexuelle Beziehungen sind gewöhnlich
dadurch charakterisiert, dass sie einer Person besonderen Wert zuschreiben
– gewöhnlich dem Mann – und der anderen keinen – gewöhnlich
der Frau. In solchen Beziehungen verwendet die Frau ihre Kreativitt dazu, die
Wichtigkeit ihres Mannes weiter zu besttigen. Sie hilft, ihn zur Sonne zu
machen. Schließlich wird er nicht nur als Quelle des Einkommens, sondern auch
des Lebens, sogar der Kreativitt selbst gesehen. Und tatschlich wird er in
der Aufnahme der Aufmerksamkeit, die ihm zukommt, kreativer. Er nimmt für
Momente die Rolle der kreativ empfangenden Erde ein und scheint damit zu
besttigen, dass er die Aufmerksamkeit, die ihm zukommt, auch wirklich verdient.
Dies untermauert seine privilegierte Rolle in der Beziehung, an dessen
Etablierung und Behauptung die gesamte Gesellschaft beteiligt ist –
genauso wie an der Abwertung der Rolle der anderen Person. Wir Frauen
definieren dabei die Definierenden as Definierende. Wir verleugnen unsere
eigene Aktivitt, und die Mnner sind nur zu glücklich, diese selbst in
Anspruch zu nehmen.
Was wir stattdessen tun müssen, ist die Kraft
zu erkennen, die darin liegt, die Rolle der Erde zu spielen: die Kreativitt,
die Fhigkeit, Leben zu schenken, die Möglichkeit, Wert zu verleihen. Hindert
uns Einsamkeit daran? Die Erde liegt weit entfernt von anderen Planeten und der
Sonne. Was ist die Sonne überhaupt? Ist sie am Leben? Gehört sie einer anderen
Ordnung an? Will die Erde ihre eigenen Krfte nicht anerkennen? Können wir
Menschen sie jemals genug lieben? Kann sie sich selbst jemals genug lieben, um
das Nicht-Leben der Sonne auszugleichen? Aber vielleicht ist die Sonne doch am
Leben, genauso wie die Erde selbst? Vielleicht gehört sie doch der gleichen Ordnung
an? Vielleicht ist auch sie alleine?
Unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf die
Sonne, doch wenn sie sich auf einen Planeten richtet, dann denken wir an die
Erde. Dasselbe gilt für das Weltall. Es hilft unserer Mutter Erde sicherlich in
ihrer Einsamkeit, dass es andere Wesen auf ihr gibt, die empfnglich sind. Das
Wissen, das wir uns diesbezüglich angeeignet haben, stellt sie in einen
Kontext, gibt ihr ein Zuhause. Die Verwirrung, die die Entdeckung von Millionen
von Galaxien ausgelöst hat, zerstreut sich, sobald wir realisieren, dass es auch
dort andere Lebewesen geben muss.
Vielleicht kann unsere Mutter Erde eines Tages zu
ihren Schwestern nachhause telefonieren wie ET. Inzwischen müssen wir Hoffnung
bewahren und lernen, miteinander zu leben. Auf keinen Fall dürfen wir die
betörende Schönheit und Harmonie der Erde zerstören, bevor sie auf anderes
Leben trifft. Kommt unsere Zerstörungswut daher, dass wir versuchen, die Rolle
zu spielen, die wir für jene der Sonne halten? Werten wir deshalb unentwegt die
Erde ab? Haben wir darum einen patriarchalen mnnlichen Sonnengott geschaffen?
Wollen wir mit seiner Hilfe unsere Probleme und die der Erde im ganzen
Universum reproduzieren?
Ich denke, dass wir mit der Tatsache, dass wir
immer noch nicht allzu viel über das Universum wissen, leben können. Vor allem,
da wir unmittelbaren Zugang zu unserem Wahrnehmungsapparat und unserem sozialen
Kontext haben. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit von der Sonne abziehen und auf
unsere psychosozialen Mechanismen richten, können wir wenigstens verstehen,
warum wir die Dinge so sehen, wie wir sie sehen. Wir können die verborgenen
Mechanismen verstehen, die unsere Wahrnehmungen filtern und prgen. Diese
Mechanismen beruhen auf bestimmten Intentionen, die wiederum von den
Wahrnehmungen, die sie zulassen, besttigt werden. Unsere Wahrnehmung und die
ihnen zugrunde liegenden Mechanismen hngen also zusammen und die Erstere kann
ohne die Letzteren nicht gendert werden. Sobald es jedoch zu dieser nderung
kommt, können wir die verschiedenen Wirklichkeitsformen, denen wir angehören,
miteinander in Einklang bringen.
Den Polarisierungen zwischen aktiv und passiv
entsprechend, die unser soziales Leben bestimmen, setzen wir unser Bewusstsein
mit der Sonne und unser Unbewusstsein mit der Erde gleich. Unsere Erdseite gilt
demnach als passiv. Tatschlich ist sie jedoch aktiv, was sich etwa in ihrem kreativen
Empfangen der Sonnenstrahlen ausdrückt. Sie schenkt unserem Bewusstsein nicht
nur Inhalt, sondern auch Kontext und Wert. Sie schenkt unserem Bewusstsein das
Potential, zu wissen.
Das Bewusstsein ist wie das Licht der Sonne,
das von der Atmosphre gebrochen wird. Es wird von so viel mehr beeinflusst, als
wir wahrnehmen können. Menschen sind soziale Produkte, geformt von den Vielen
und der Vergangenheit. Unser Sonnenlicht-Bewusstsein erleuchtet nicht nur viele
Prozesse, die hier eine Rolle spielen – es wird auch selbst von diesen
Prozessen geformt. Vielleicht produziert sogar das Unbewusste das Bewusstsein, ohne
dies selbst anzuerkennen. (Wie die Erde oder wir Frauen oft unser Schenken
nicht anerkennen.) So scheint das Bewusstsein nicht von der Erde, sondern vom
Himmel zu kommen.
In diesem Jahrhundert hat sich unser Wissen
(und damit auch jenes der Erde) des Sonnensystems, der Galaxie und des Kosmos
extrem vergrößert, whrend wir nach wie vor wenig um die Natur der Erde und
ihre Beziehung zur Sonne wissen. Auf hnliche Weise verstehen wir in unseren
menschlichen Beziehungen die Mutter-Kind-Beziehung nicht, wissen also nicht,
wie eine fürsorgliche Beziehung zwischen zwei Menschen (von "Einer" zu "Einer")
funktioniert, nehmen aber Beziehungen zu den Vielen ein. Wir verstehen nicht,
was im eigenen Heim vor sich geht, machen uns aber auf, die Welt zu verstehen.
Die Beziehung zwischen der Erde und der Sonne hat endloses, wunderbares Leben
produziert. Sie ist eine Beziehung, die floriert. Das Sonnensystem ist keine dysfunctional
family. Indem wir
die Sonne mit dem Vater identifizieren, haben wir jedoch das soziale,
selbsthnliche maskulisierte Bild des Prototypen reproduziert, das die Aktivitt
und Kreativitt der "passiven weiblichen Empfngerin" und der Vielen abwertet,
whrend es der Initiative des "aktiven mnnlichen Schenkers" Wert verleiht.
Das Geschenk braucht das Bedürfnis, da es ohne
Bedürfnis kein Geschenk sein kann. Deshalb hat die Erde endlose Bedürfnisse
geschaffen, die die Sonne mit ihrem Licht befriedigen kann. Mit einem Licht,
das ansonsten nicht genutzt würde und damit unproduktiv wre. Das Zusammenspiel
der Bedürfnisse reproduziert das Zusammenspiel von Schenken und Empfangen
zwischen Sonne und Erde. Dabei ist die Sonne allerdings nur einseitig aktiv:
sie schenkt nur, whrend die Erde sowohl empfngt als auch wieder zurückschenkt.
Oft wird dabei angenommen, dass dies nicht geht, da die Sonne zu weit weg ist
und nicht empfangen kann. Doch wird hier vergessen, dass viele Beziehungen des
Lebens der Beziehung zwischen Erde und Sonne entsprechen. Das Zusammenspiel
zwischen Schenken und Empfangen findet überall statt. Selbst das Baby, das den
liebenden Blick der Mutter empfngt und vielleicht in diesem Moment nicht
zurückschenken kann, wird im Zuge seines lterwerdens Rollen mit seiner Mutter
wechseln und selbst schenken.
Die Erde trifft whrend ihrer Reise im Weltraum
auf das Licht der Sonne wie die Amöbe auf ihrer Reise durch das Wasser auf Nahrungspartikel
trifft, die sie empfangen und kreativ verwenden kann. Der Grashalm nutzt das
Sonnenlicht für die Prozesse, die ihn am Leben erhalten, und wird zu einem
guten Beispiel für einen Erdstrahl, der durch die Aufnahme des Sonnenstrahls
erzeugt wurde. Dann findet die Raupe den Grashalm und nutzt ihn für die
Prozesse, die sie zum Leben benötigt. Danach findet der Vogel die Raupe, usw.
Das Problem ist, dass wir (und vielleicht die
Erde selbst – hat sie ein Selbstbewusstseinsproblem?) dem Mann die größte
Wichtigkeit zuschreiben, ihn als Eines definieren und ihn mit der Sonne (dem
Sohn) identifizieren. All dies geschieht, weil wir das Empfangen nicht als
kreativ verstehen und Bedürfnisse als Mngel anstatt als Bedingung, die
Geschenke erst zu Geschenken macht.
Es lassen sich die meisten Beziehungen des
Lebens als Metaphern für die Beziehung zwischen Sonne und Erde sehen – es
gibt eine enorme Vielfalt an Wiederholungen der asymmetrischen Beziehung
unilateralen Schenkens (Sonne) und des kreativen Empfangens und Wiederschenkens
(Erde). (Die Erde schafft in ihren Prozessen des Empfangens und Wiederschenkens
auch eine Reihe von Nebenprodukten, die zu Geschenken anderer Seinsordnungen
werden können). Letztlich können wir alles Leben als Versuch der Erde sehen, der
Sonne Feedback zu schenken, um sich zu ihr in Beziehung zu setzen. Um zu
schenken, wie es die Sonne tut, muss die Erde die Bedürfnisse schaffen, die die
Geschenke empfangen können, das heißt, sie muss etwas auf ihrer eigenen Ebene
schaffen. Dann nimmt sie die Position der Sonne ein, da sie unmittelbar zur
Bedürfnisbefriedigung beitrgt. Durch das Leben sagt sie zur Sonne: "Dies ist,
was zwischen mir und dir passiert; dies ist, was passiert."
All dies findet statt auf der Oberflche des
Planeten, wo die Sonne scheint – auf der Oberflche, die für die Sonne
P/prsent ist. Dass das Leben in seiner Vielfalt als stndige Wiederholung der
Beziehung zwischen Sonne und Erde gesehen werden kann, bedeutet natürlich, dass
sich diese Beziehung als Feld aufregender philosophischer Untersuchungen
anbietet. Menschlich gesehen, ist diese Beziehung dabei die Liebe. Für die Erde
geht es vielleicht um Versuche mit anderen Lebewesen zu kommunizieren; darum,
ihre Dankbarkeit auszudrücken für die Wrme, die sie in der tiefen Nacht des
Weltalls streichelt.
Wir Menschen müssen dieser Beziehung folgen. Wir
dürfen sie nicht lnger falsch interpretieren. Wir haben dies lange genug
getan. Aspekte unserer Sprache und unserer sozialen Organisationsformen haben
die Muster der Maskulisierung geschaffen, die uns diese Beziehung nicht
wirklich begreifen lsst. Bevor wir die Erde nicht vom Weltall aus sehen
konnten, wussten wir gewissermaßen nicht einmal, dass es sie gab –
geschweige denn, dass sie aktiv war. Wir waren ihr zu nahe, wir konnten nur nach
draußen sehen. Wir dachten, sie war passiv, nur Empfngerin des Sonnenlichts
– genauso wie wir dachten, dass Frauen passiv waren. Wir erkannten ihr
Schenken genauso wenig wie wir unser eigenes Schenken erkannten und sahen nur
die Sonne, den privilegierten Licht-Prototyp, als Schenker. Patriarchale Muster
schaffen ihre selbsthnlichen phallischen Bilder, die sich gegenseitig
besttigen, überall.
Zunchst konkurrierten der Mond und die Sonne miteinander
um die Herrschaft des Himmels. Beide schienen whrend der ihnen zugeschriebenen
Stunden die Einen des Himmels zu sein. Doch der Mond nderte unentwegt seine
Form und wurde zu vielen Monden, die sich nunmehr auf die Sonne als dem verbleibenden
Einen bezogen. Bald erschien der Mond in seiner Passivitt im Verhltnis zur
Sonne als weiblich. Er schien die Identitt der Frau zu verkörpern. Dies ließ
uns vergessen, dass eigentlich die große, dunkle, kreative Erde das angemessene
Bild für die Frau, die Mutter, ist. Was dem Mond zugeschrieben wurde, war in
Wirklichkeit jener Teil unseres Egos, der sich zu schenken weigert: jenes
falsche, statische, nicht-schenkende Meta-Bild des Lebens.
Wir sahen die Erde und die Sonne, Frauen und
Mnner, Kinder und Mütter, Dinge und Worte, BürgerInnen und Prsidenten, Waren
und Geld nicht in wechselseitig aktiven Beziehungen, sondern gefangen in
statischen bildlichen Reproduktionen der angeblich alleinig aktiven Seite.
Whrend wir diese Seite als real ansahen, diente die andere nur dazu, diese Realitt zurückzuprojizieren und damit
zu besttigen.
Wenn wir den Mond anders betrachten, können wir
sehen, dass er eine Art kosmische Meta-Ebene der Erde darstellt. Er sagt: "Auch
wenn ich die Sonne nicht wie die Erde kreativ empfangen kann, scheinen tut sie auch
hier. Und auch Licht und Dunkelheit gibt es hier." Der Mond spielt eine Rolle
darin, wie sich das Leben und das Bewusstsein auf der Erde entwickelt hat. Seine
Strahlen regen unsere Vorstellungskraft an. Er scheint eine Art selbstbezogener
Aspekt der Erde zu sein. Sein Licht bewegt unsere Gezeiten.
über Jahrhunderte hinweg nahm der Mond für uns
den Platz des "Anderen der Sonne" ein, whrend dies doch eigentlich der Platz
der Erde ist, als das Leben schenkende Pendant zur Sonne. Es schien, dass das
Reflektieren des Sonnenlichts (Mond) die Ergnzung des aktiven Schenkens der
Sonne war, whrend es tatschlich der kreative Gebrauch des Sonnenlichts zum
Schaffen von Leben (Erde) ist. Der Tausch, der selbst auf Widerspiegelung
basiert, ehrt freilich weiterhin allein die Sonne – ja er hat ihre Rolle
sozial auf die Spitze getrieben.
Was geschenkt wird, wird im Tausch in Form
eines quivalents zurückgeschenkt. Das Reflektieren (anstelle des kreativen
Empfangens, des Aufnehmens) des Sonnenlichts besttigt also den Tausch als
einen Weg des Lebens. Maskulisiertes Egomuster, übernehmen und Wettbewerb
scheinen dem Verhltnis von aktiver Sonne und passivem Mond zu entsprechen. Auch
die Erde wird als passiv gesehen. Doch was sie zurückzuschenken scheint, ist
nicht nur ein (reflektiertes) Bild der Sonne – es sind viele lebendige
Bilder: Bilder ihrer selbst, Bilder der Sonne, Bilder ihrer wechselseitigen
Beziehung zur Sonne. Sogar Bilder des Mondes werden zurückgeschenkt, Reflexionen
der Vorstellungskraft (die gewissermaßen eine Reflexion des Produzierens von
Bildern selbst ist).
Dass wir zwei unterschiedliche Körper am Himmel
sehen, machte uns seit je her glauben, dass der Zweierbeziehung besondere
Bedeutung zukommt – selbst als wir noch dachten, dass die Erde flach war.
Dies drückte sich vor allem in unserer Sicht der Geschlechterbeziehung aus, die
wir bald als weltliche Entsprechungen der Erde-Sonne-Beziehung sahen. Dann
setzten wir die Mond-Sonne-Beziehung mit der Erde-Sonne-Beziehung gleich und
identifizierten den Mond mit der Frau: ohne Licht, Schatten, Verliererin im
Kampf darum, am hellsten zu scheinen. Als wir begannen, um die relative Größe
der Erde, des Mondes und der Sonne zu wissen, begannen wir, uns die Erde und
den Mond als Kinder zu denken und die Sonne als Vater. So begann das Bild der
"Frau als Kind" die Kreativitt der Frau zu überlagern.
Diese Bilder werden nicht nur von Individuen in
Beziehungen ausgespielt, sondern verschiedene Beziehungen werden geschaffen, um
sie weiter zu besttigen. Dies mag kompliziert wirken, doch es ist eigentlich ganz
einfach: Wir müssen nur die Sonne als einseitige Schenkende sehen, den Mond als
Reflektor und die Erde sowohl als Schenkende als auch als Empfangende. (Eine vollstndige
Meta-Ebene würde nicht von der einfachen Reflexion des Anderen gebildet,
sondern von der Reflexion der Schenkbeziehung mit dem Anderen – inklusive
dem Selbst – und der Reflexion der Beziehung der Reflexion.)
Wenn wir die Erde sind, die endlich zu ihrem eigenen
Bewusstsein gelangt, hat das wesentlich damit zu tun, dass wir vieles einfach
nicht verstanden haben aufgrund unserer Unfhigkeit, das Verhltnis zwischen
Erde (und damit uns selbst) und Sonne und Mond richtig zu begreifen. Wenn Menschen
der Ordnung des Kosmos entsprechen, ist es für uns unabdingbar, diese zu verstehen
und uns mit ihr in Einklang zu bringen. Wenn uns das nicht gelingt, bedeutet
das Leid und die Zerstörung unserer kreativen Mutter.
Wenn das Lebensprinzip in der Kreativitt der
Bedürfnisse liegt, die Geschenke, die ihnen zukommen, zu ihrer Befriedigung zu
verwenden, dann dürfen wir es nicht zulassen, dass die Bedürfnisse und die
Lebewesen, die sie haben, sterben, nur weil wir der Maskulisierung verfallen
sind und versuchen, die Sonne zu sein. Die Bedürfnisse sind eine Art Schwerkraft,
die unsere Geschenke dorthin ziehen, wo sie hin müssen. Die Geschenke sind das
Wasser (das flüssige Geschenk), das zum Zentrum der Schwerkraft hinluft; sie
sind der Regen, der als transformiertes Sonnenlicht auf durstige Pflanzen
fllt. Der Wind bewegt sich von Hochdruck- zu Tiefdruckgebieten. Bedürfnissen
zu schenken ist die Antwort, die im Winde weht.[2]
Die Fehlinterpretation unserer Sexualitt entspricht
der Fehlinterpretation unserer Kosmologie. Wir sehen unsere Erde als etwas Mangelhaftes,
anstatt dass wir sie als die große kreative schenkende und empfangende Quelle
erkennen würden, die sie tatschlich ist. Indem wir ihre Kreativitt
ignorieren, schreiben wir der "Unabhngigkeit" der Sonne enormen Wert zu
– obwohl die Sonne, wie wir von den Bildern des Mondes wissen, "unabhngig"
zu überhaupt nichts imstande ist. Die Sonne ist nur in Bezug auf die Erde
kreativ. Da wir jedoch immer nur die Sonne sahen und die Erde selbst kein Licht
zu schenken schien (obwohl sie das Feuer schenkt – ein Geschenk, das
– wie Wörter – gleichzeitig geschenkt und behalten werden kann),
begannen wir, ihr mehr Wert zuzuschreiben. Sogar dem Mond schrieben wir
irgendwann mehr Wert zu als der Erde. All dies entspricht den sexuellen und
sozialen Mustern, in denen die Mnner als aktive Eine und die Frauen als
passive Viele fungieren.
Vielleicht fühlte sich die Erde im Vergleich zur
Sonne und zum Mond selbst weniger wert. Vielleicht fühlte sie sich entfremdet
und alleine, so weit weg von anderen Planeten und Sternen. Als ihre Kinder
haben Menschen zu diesem Gefühl beigetragen. Wir haben sie ignoriert und falsch
verstanden und allem anderen mehr Wert geschenkt, inklusive uns selbst. Wir
haben – mit derselben Mentalitt, die uns in den Weltraum geführt und uns
endlich erlaubt hat, uns selbst zu sehen – viele der feinsten Aspekte der
Erde zerstört.
Wir sehen uns selbst als Kinder des Universums
und sehnen uns danach, das Leben auf den Planeten des Aldebaran zu sehen
– wenn es denn dort irgendeines gibt. Wir sind gewillt, Milliarden an
Dollars in Weltraumprogramme zu stecken, um diesem Ziel nher zu kommen. Doch
die wunderbare Vielfalt an Kfern im Regenwald scheint uns so bedeutungslos,
dass wir nicht einmal einen Finger rühren, um ihr Verschwinden zu verhindern.
Wir müssen lernen, unserer kreativen Mutter Wert zu schenken – sowohl
unserer menschlichen Mutter wie unserer Mutter Erde. Wir dürfen Bedürfnisse
nicht mehr lnger als Mngel sehen. Wir müssen die symbolische Vagina wieder
als den kreativen Ort des Lebens begreifen. Wir müssen verstehen, dass die
eindimensionale Kreativitt, die der symbolische Phallus reprsentiert, auf der
Verleugnung der Arbeit und des Werts der Frauen beruht. Wir müssen uns um alle Menschen
und die Erde kümmern. Wir müssen den Bedürfnissen ihren Wert wiedergeben und
sie befriedigen.
Als das Bewusstsein der Erde müssen wir ihr
Selbstvertrauen sein. Unsere Liebe muss (wie das Wasser) zu ihren Schwerkraftzentren
fließen. Die Erde leidet genauso wie viele ihrer Geschöpfe. Wir müssen unsere
Aufmerksamkeit auf sie richten. Wie gefühllos sind wir, wenn wir nach dem
ußeren Weltraum trachten, whrend wir uns nicht um das Wunder kümmern, in
dessen Mitte wir uns befinden! Es ist unsere patriarchale Identitt, unser
Nicht-in-Einklang-Sein mit der Erde-Sonne-Beziehung, das uns von dem Geschenk
der Erde abwenden und dem Garten Eden gegenüber blind werden lsst. Es ist
diese Identitt, die uns zu KonkurrentInnen macht und uns dazu bringt, die Erde
zu vernichten. Arme Menschen werden überall dazu gezwungen, die Rolle der
verleugneten und erschöpften Mutter zu spielen: ausgebeutet, vergeudet und
verachtet. Sie sind die selbsthnlichen Bilder der Mutter Erde, die von einem
Patriarchat zerstört wird, dessen gesunde "erleuchtete" Söhne in ihren
phallischen Raumschiffen ins Weltall aufbrechen, um andere Planeten zu
"befruchten".
Wir müssen die Dringlichkeit dieser Situation
begreifen und sowohl unsere Liebe als auch unser Geld Bedürfnissen zuwenden.
Auf diese Weise können wir dem Gebot der Mutter Erde: "Versorgt einander!"
sowie ihrem klaren, kreativen, kosmischen Beispiel folgen. So können wir sie
und uns selbst von dem falschen Zauber der Reflexion und des Prototypen
befreien. Die Vielfalt des Lebens, die von der Erde geschaffen wurde, gleicht
der Vielfalt des Universums. Wir müssen damit beginnen, die Beziehungen zwischen
Vielen und Vielen wertzuschtzen, die auf Andere ausgerichtete Egos schaffen
können. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auf die Welt, in der wir leben, richten.
Wir müssen unsere Mutter ehren und segnen. Wir müssen ihre Bedürfnisse und die
Bedürfnisse ihrer Menschen befriedigen.
Was wir auf einer Ebene gelernt und gefühlt
haben, drückt sich gewöhnlich auch auf einer anderen aus. Ich war oft weit weg
von denen, die ich geliebt habe und seit vielen Jahren liebe ich eine Frau
einseitig. Nachdem diese Liebe unerwidert blieb, wurde ich kreativer. Ich ging
dazu über, Projekten für soziale Vernderung zu schenken. Ich weiß, wie sowohl
die Erde als auch die Sonne fühlen muss. Einmal fühle mich mit der einen Seite
der Beziehung verbunden, dann mit der anderen. In einer Liebesbeziehung
wechseln sich beide Menschen stndig in den Rollen der Erde und der Sonne ab.
Ich denke, dass wir im Zuge unseres Versuchs,
uns von der Maskulisierung zu befreien, zu den Wurzeln unserer Kosmologie
zurückkehren. Vielleicht sollte unser Begriff hum (der die Trennung zwischen Buben
und Mdchen vermeiden und sie mit ihren Fürsorgerinnen eins sein lassen soll) spter
nicht mit "Frau" und "Mann" ersetzt werden, sondern mit "Erde" und "Sonne". Doch
könnte dies nur dann wirklich heilende Wirkung haben, wenn der rechtmßige
Platz der Erde als kreativer Quelle sowohl von Frauen als auch Mnnern wieder
anerkannt und die Sonne als die einseitige Energiequelle gesehen wird, die sie
ist. Vielleicht sollten wir wirklich dem Konzept der Androgynitt Bedeutung
schenken, das uns als mnnlich wie weiblich, als aktiv wie passiv sieht, und
demgemß wir in den Momenten, in denen wir kreativ empfangen, Erden sind, und
in den Momenten, in denen wir schenken, Sonnen (wobei vorauszusetzen ist, dass
wir uns in beiden Fllen bereits bewusst von den Eines-Viele-Strukturen der
Kategorie und der Manipulation der Geschlechtsdefinition gelöst haben).
Wir sollten versuchen, mit der Erde zu
kommunizieren, nicht mit den Sternen. Wenn Gaia am Leben ist, dann hat sie keine
Sprache. Sie ist die Göttin, die zu uns durch Synchronizitt[3]
und Fürsorge – und auf andere Weisen – spricht. Aber wie können wir
zu ihr sprechen? Sie gehört einer anderen Seinsordnung an. Wir sind im
Verhltnis zu ihr wie Körperzellen, die versuchen, mit dem ganzen Körper zu
kommunizieren. Was für Geschenke haben wir für sie?
Zunchst denke ich, dass wir ihr das Geschenk
des Friedens machen können – ein Geschenk, das unsere Gesellschaften
heilen und uns erlauben würde, ihr daraufhin das Geschenk unseres Respekts für
ihre Schönheit und Kreativitt zu machen, das konkret darin besteht, die
Zerstörung der Erde aufzuhalten und den Schaden, der bereits angerichtet wurde,
zu korrigieren. Die Sprache, in der wir mit Gaia kommunizieren können –
unsere wahre Muttersprache – liegt in diesen Geschenken.
Nachdem wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf das
Eine gerichtet haben, bleiben die Vielen im Dunkeln, verborgen und ohne
Anerkennung – wie Sterne in anderen Galaxien, die vielleicht Antworten
für uns haben. Es gibt unzhlige Sterne, genauso wie es unzhlige Gehirnzellen
gibt. Sind die Gehirnzellen Bilder der Sterne? Sind die Sterne die Neuronen der
Erde, die sich im All befinden? Sind sie wie wir, nur weniger entwickelt? Vielleicht
ist die Erde einfach ein kleiner Körper innerhalb eines immensen Gehirns, das
aus Sternen besteht?
Ich sah die Sterne heute morgen, als ich
aufwachte. Es schienen so viele zu sein. Das ist das Problem: Eines – Viele.
Bevor die Erde begreifen kann, was sie selbst ist (oder was Sonne und Mond
sind), ist sie nur ein Planet unter Abertausenden. Ihr geht es hnlich wie uns,
die wir einzelne Menschen unter fünfeinhalb Milliarden sind. Doch wir können
uns in Gruppen vereinen. Können Planeten das auch? Sind diejenigen, auf denen
sich Leben findet, nicht zu weit voneinander entfernt? Ist die Erde das einzige
Kind von Sol? Sind die anderen Planeten lebendig, auch wenn sich auf ihnen kein
Leben findet? Sind unsere Weltraumreisen Versuche der Erde, Kontakt mit anderen
Planeten aufzunehmen? Ich glaube, dass es darum geht, dass wir eine Gemeinschaft mit der Erde
bilden. Wir
müssen sie in ihrem Alleinsein trösten.